Freitag, 18. Dezember 2015

Zum Umgang mit der "Flüchtlingskrise" und zu deren Kausalität

I.
Während Merkels CDU, assistiert durch den Auftritt Seehofers, auf ihrem Parteitag ein Schauspiel der Geschlossenheit und Entschlossenheit -  zur Meisterung der selbstgeschaffenen "Flüchtlingskrise"   - inszenierte, verflacht in der medialen Öffentlichkeit das "Flüchtlingsdrama" zum vorweihnachtlichen Krippenspiel. Die Kommunen müssen für Raum in der Herberge ( in den Turnhallen, in Hotels sowie in den Fertigbauten mit refugee-gemäßem Komfort) sorgen. Zur Ablenkung von den evidenten, durch den  Zustrom der Migranten aus dem Morgenland entstandenen widrigen Zustände dienen die Aufzüge von "Pegida" in Dresden.

Die staatsinterventionistisch als ökonomisches Stimulans  konzipierte Ausdehnung (und Verdichtung)  der Sozialindustrie zugunsten der Migranten schlägt in beliebiger Milliardenhöhe zu Buche - bei Nullzinsen (zu Lasten des braven Kleinsparers)  anscheinend eine quantité négligeable. Nein, ncht ganz:  Der "Bund will sich 2016 deutlich mehr Geld leihen", d.h. wieder mehr Schulden machen. So ist´s  aus dem "Handelsblatt" zu erfahren: https://de.finance.yahoo.com/nachrichten/bund-will-2016-deutlich-mehr-145500907.html.

Nur Merkel,  von dem auf ein paar Seiten geschrumpften  Time Magzine soeben zur "Woman of the Year" gekürt, behauptet, anscheinend  unbeeindruckt von Kritik und Krach innerhalb der EU, die Lösung aller hauptsächlich von ihr selbst geschaffenen  Probleme zu kennen: "Wir schaffen das!" Zugleich redet sie von der Drosselung der Flüchtlingsströme vermittels der Aufnahme von "Kontingenten", welche den politisch unerwünschten Begriff  "Obergrenze" aus der Welt schaffen sollen.

II.
Für Merkel sind all ihre politischen Aktionen, Strategien und Taktiken alternativlos. Das mag so sein. Der Blogger hat - mangels fehlender politischer Bataillone - ihrem Tun samt ihrer gründeutsch medialen Begleitung - nur wenig entgegenzusetzen. Ehe er sich vom Publikum für die Weihnachtstage (Fest des Friedens) verabschiedet, darf er die geneigte Leserschaft noch auf die folgenden zwei Beiträge aufmerksam machen:

- Zur Kritik an Begriff und Inhalt der "Willkommenskultur" der bereits vor ein par Tagen angezeigte Artikel:
 http://www.globkult.de/herbert-ammon/1058-fluechtlingsstroeme-einspruch-gegen-die-leichthaendige-behandlung-eines-schwierigen-themas-

- Zur politischen Kausalität der "Flüchtlingskrise" eine ältere, indes anhaltend aktuelle Analyse:
 http://www.globkult.de/herbert-ammon/866-zum-unfrieden-in-nahost-unbequeme-faktenlage

Dienstag, 15. Dezember 2015

Was Merkel noch alles so schafft

Zunächst ein Dank an die Globkult-Redaktion, die meine Replik auf einen gutgemeinten Beitrag zur anhaltenden Flüchtlingskrise so schnell veröffentlicht hat:http://www.globkult.de/herbert-ammon/1058-fluechtlingsstroeme-einspruch-gegen-die-leichthaendige-behandlung-eines-schwierigen-the


Ungeachtet der "erfolgreichen", politisch und finanziell kostspieligen  Mission Merkels nach Ankara und der wundersamen türkischen Drosselung der zuweiolen tödlichen Bootspassagen zu den ägäischen Inseln  kann von einer Lösung der "Flüchtlingskrise" keine Rede sein. Als Detail sei hier nur an die bis auf 300 000 und mehr geschätzte Zahl (i.J. 2015) von Unregistrierten erinnert.

Kritik an  der Merkelschen Willkommenskultur war auf dem in Karlsruhe inszenierten CDU-Parteitag nicht zu vernehmen. Misstöne passen nicht in die Regie derartiger Veranstaltungen. Entsprechend unterwerfen sich die Jungpolitiker, die sich - quer durch die Parteien - anfangs karriereförderlich durch forsche, vermeintlich provokative Reden hervortun, den Direktiven der auf  "Geschlossenheit" und ein strahelndes mediales Erscheinungsbild zielenden Parteioberen.

Seehofers indirekte Kritik und sein Festhalten an der Begrenzung der Migrations- und/oder Flüchtlingsströme kann Merkel, vom Podium in die gehorsame Delegiertentruppe lächelnd,  übergehen. Die Delegierten bejubeln im Zweifelsfall jede Rede, solange die Aussicht auf kommende Wahlsiege (und Pfründe) gesichert scheint.

Entsprechend konnte Merkel  den Phrasenkatalog ihres Redenschreibers (ihrer Redenschreiberin) ohne Bedenken vortragen. Obgleich sie dafür gesorgt hat, dass der Begriff "Obergrenze" tabu bleibt, verkündet sie nun: "Wir wollen und werden die Zahl der Flüchtlinge verringern". Im selben Atemzug dann die gedanklich schlichte Behauptung: "Niemand verlässt leichtfertig seine Heimat." (Derlei Worte musste sich der Blogger bei einem seiner sporadischen Kirchenbesuche aus dem Munde einer Aktivistin anhören. Anderen Migrationsprotagonisten fällt als Argument noch die "Migration" der Ostdeutschen bei Kriegsende ein.) Immerhin weiß die Kanzlerin: "Wenn wir jetzt etwas falsch machen, dann verlieren wir unsere Zukunftsfähigkeit." Dann aber möchte sie, "dass Deutschland noch in 25 Jahren immer noch unser Deutschland ist."

Weitere Zitate sind dem Kommentar Berthold Kohlers auf S. 1 der heutigen FAZ (15.12.2015) zu entnehmen: Deutschland solle in 25 Jahren "offen, neugierig, tolerant und spannend" sein "mit einer starken eigenen Identität". Pleonasmen,  die Widerspruch ersticken,  gehören zur Politrhetorik.

Es gibt ein paar kritische Geister, die daran Anstoß nehmen, dass Merkel samt der deutschen classe politica unbesorgt  der Frage aus dem Weg geht, welche "neue Gesellschaft" sie schaffen will. Massive Kritik kommt aus dem Munde von  Lord Weidenfeld:
http://www.welt.de/kultur/article149916657/Der-IS-gehoert-in-den-untersten-Kreis-der-Hoelle.html.




Samstag, 12. Dezember 2015

Hinweis: Siebgeber-Blog

Ich verweise meine Fan-Gemeinde auf den jetzt auch als Blogger hervortretenden Dissenter Ulrich Siebgeber: ulrich-siebgeber.blogspot.de

Siebgeber unterhält und erhellt sein Publikum, irritiert und provoziert die Mächte, die da sind; als da sind: mehr oder weniger gut funktionierende Funktionseliten, die über hinreichend Macht verfügen,  und solche, die sich dazu rechnen (dürfen).

Dienstag, 8. Dezember 2015

Vorschau: Kritik des Flüchtlingsthemas (zur Adventszeit)

Für die Leser (m/w) meines Blogs, die auf einen Beitrag aus meiner Tastatur warten, kündige ich einen Aufsatz unter dem Titel "Flüchtlingsströme - Einspruch gegen die leichthändige Behandlung eines schwierigen Themas" an. Der Artikel wurde von Werner Stanglmeiers soeben  in "Globkult" publizierten Beitrag angeregt und enthält im dritten Teil die Besprechung eines soeben erschienenen, von Anja Reschke herausgegebenen Buches mit dem Titel "Und das ist erst der Anfang. Deutschland und die Flüchtlinge".

Montag, 30. November 2015

Unerwarteter Denkanstoß bei Yahoo!

Anstelle eines Kommentars zu Aspekten der chaotischen Weltlage darf ich die Interessenten meines Blogs per link auf einen lesenswerten Artikel verweisen. Ich stieß darauf gänzlich unerwartet auf der heutigen Seite von Yahoo!, meinem bis auf weiteres  unentbehrlichen  e-mail-Zugang. Yahoo! traktiert und/oder nervt seine Netz-Konsumenten gewöhnlich mit einer Melange aus Skandal- und Sex-news sowie aus Politik, Moral und Banalitäten. Als löbliche Ausnahme innerhalb ihrer Mischung präsentierten die berufsjugendlich auftretenden Macher des mutmaßlich "ausgesourcten" deutschen Yahoo!-Portals einen Artikel aus der heutigen Heidelberger Rhein-Neckar-Zeitung Egon Bahr schockt die Schüler: "Es kann Krieg geben

Der Artikel - womöglich gedacht als eine Art verspäteter Nachruf - ist das Reprint eines Berichts über den Besuch des im August d.J. verstorbenen Egon Bahr in einer Heidelberger Schule im Oktober 2013. Egon Bahr (s. auch meinen Nachruf in "Globkult" Der Realist und Patriot Egon Bahr (1922-2015) ) öffnete den bewundernd erstaunten gymnasialen Jungbürgern die Augen für die historisch-politischen Realitäten: "In der internationalen Politik geht es nie um Demokratie oder Menschenrechte. Es geht um die Interessen von Staaten. Merken Sie sich das, egal, was man Ihnen im Geschichtsunterricht erzählt."

Laut Bericht zeigten sich die Heidelberger Jungbürger von Bahrs Geschichtslektion beeindruckt. Immerhin könnte das obige  Zitat auch eine gewisse Anzahl von Yahoo!-Lesern zu eigenständigem Nachdenken über das Wesen der Politik anregen. 

Montag, 16. November 2015

Schwarze Aidsschleife bei Google

Entsetzen, Verzweiflung, Tränen  sind die verständlichen Reaktionen der Angehörigen der Toten, der Opfer wie der Überlebenden  einer für den aufgeklärten Westen anscheinend  unerklärlichen Gewalt und selbstmörderischen  Mordbereitschaft. Auch die Trauer- und Beileidsbekundungen unserer Mächtigen und Medien sollen hier nicht a limine als belanglos abgetan werden. Doch dass den Inszenierungen kollektiver Trauer ein artifizieller Beigeschmack anhaftet, ist leider unübersehbar. Dazu ein zeittypisches Detail:  Beim Aufrufen von Google fiel  dem Blogger eine schwarze Schleife ins Auge. Es dauerte eine Weile, bis die Symbolik - bis dato vor allem  im adventlichen Dezember  als Solidaritätsschleife in rot für Aidserkrankte geläufig   - sinnfälllig  wurde: Ach so, auch Google trauert mit. Richtig: Im Zeichen universaler, begriffloser Sentimentalität - auf dem Pariser Platz in Berlin richtetete sich die TV-Kamera auf ein Schild mit der Aufschrift "We are all humans" (=PC English) -  ist die Peinlichkeit ihrer digitalen Geste den vermeintlich mittrauernden Google-Leuten gar nicht mehr bewußt.

Die Schleife (engl. ribbon) als Symbol - für beliebige Zwecke -  stammt aus den USA. Dem Blogger fiel sie zum ersten Mal im Sommer 1991 auf, als die von General Schwartzkopf kommandierten amerikanischen Soldaten siegreich aus dem - je nach Zählweise -  zweiten Golf-Krieg oder ersten Irak-Krieg zurückkehrten. Welcome home!

Daß das Ursachengeflecht für den Terror von Al Qaida, der Nusri-Front, zuletzt des DaEsh (IS), in historisch-kulturelle Tiefen verweist, die in all dem Entsetzen und den Rationalisierungen, in den endlosen Kommentaren und Solidaritätsbekundungen für die Opfer des Terrors kaum irgendwo berührt werden, ist kein Zufall.

Donnerstag, 5. November 2015

Eine protestantische Stimme der Vernunft: Richard Schröder

I.
Die Frage, was und wer hinter Merkels Einladung an alle Welt steckt, sich ins gelobte Land aufzumachen, hat zwei Aspekte, die  in der Person Merkels, der vermeintlich "mächtigsten Frau der Welt", konvergieren. Es ginge zum einen darum, die ökonomisch-politischen Interessen hinter der "Willkommenskultur" der "Einwanderungsgesellschaft" und deren ideologischer Überhöhung darzustellen. Was steckt hinter der Kollusion der bundesrepublikanischen Funktions-, Macht- und Moraleliten mit der Absicht, in den nächsten "zehn Jahren, dass, wenn wir zurückschauen und sagen können, das haben wir gut gemacht" (dixit Merkel s.a. Historisch-politische Sprachkritik der Merkelei ) eine grundlegend veränderte "neue Gesellschaft" zu schaffen? Sattsam bekannt ist der Begründungskatalog, wie er aus aller Munde  (Politik, Wirtschaft, Gewerkschaften, Medien, Kirchen) zu vernehmen ist: demographische Krise, Mangel an (sc. leider noch unausgebildeten) Fachkräften, Rentensicherung für die sklerotisch-germanisch ergraute Gesellschaft, die Zwänge der Globalisierung, dazu die Verpflichtung zu (sc. globaler!) Solidarität bzw. - (post-)christlich eingefärbt - Nächstenliebe, schließlich noch der Kitsch der "bunten" Bereicherung.

Bezogen auf  Merkel mündet der Phrasenkatalog in die Frage nach deren Psychogramm: Glaubt die Kanzlerin im Innern ihres Herzens, was sie "uns" da alles  erzählt, den "Menschen draußen im Lande" sowie den von ihr eingeladenen Flüchtingen, mit denen sie sich freundlich lächelnd so gerne abbilden lässt? Vor ein paar Jahren erklärte sie noch mit Emphase: "Multikulti ist gescheitert." Jetzt begrüßt sie die Masseneinanderung mit der grünen Standardformel von der kulturellen "Bereicherung" der Bundesrepublik.  Noch vor einigen Wochen beschied sie einem palästinensischen Mädchen, nicht alle, die kämen, könnten aufgenommen werden. (Der Tränenausbruch des Mädchens hatte Erfolg: zurückgeschickt wird hierzulande kaum einer, mutmaßlich auch nicht nach den jüngst im Bundestag beschlossenen Regelungen.) Derlei Erinnerung weckt Zweifel an der lauteren Moral unserer Kanzlerin. Die Pastorentochter (und FdJ-Sekretärin) aus der DDR, die sich laut ihrer jüngsten Äußerung gegenüber  Migranten nach 1989/90 im Westen ebenfalls  nicht gleich willkommen geheißen fühlte, wirkt demnach nicht wie die überzeugendste Repräsentantin protestantisch lauterer Gesinnungsethik.

II.

Dass die Kirchen sich zum Fürsprecher aller Flüchtlinge machen, scheint - auf den ersten Blick und auch nur für einfache Gemüter - plausibel. Dass der katholische Bischof Franz Overbeck seine Worte über die von Merkels CDU/CSU  zuletzt ins Auge gefassten "Transitzonen" als Neuauflage von Konzentrationslagern inzwischen leicht modifiziert, indes nicht zurückgenommen  hat, sei vollständigkeitshalber erwähnt.  Dass "wir" uns zu ändern hätte, daran hält der Essener Bischof fest.

Nächstenliebe kennt keine Grenzen - so lautet, auch im Hinblick auf die bevorstehende Winter- und Weihnachtszeit, das massenmediale Wort zum Tage. Gegenüber derart banalisierter Auslegung der Bergpredigt, wie sie etwa in jeder Ausgabe von "chrismon" verbreitet wird, erhebt Richard Schröder, bis 1989 als Theologe am Ost-Berliner Sprachenkonvikt, nach der "Wende" SPD-Fraktionschef in der Volkskammer, sodann Philosoph an der Theologischen Fakultät der Humboldt Universität Berlin, in der als "konservativ" bekannten evangelischen Zeitschrift "ideaSpektrum" (45/2015) Einspruch: "Es kann nicht jeder zu uns kommen" lautet der Titel.

Ich  zitiere aus dem lesenswerten Artikel, der mir soeben über einen befreundeten ranghöheren Kirchenmann  zuging: "Menschen in Not zu helfen, ist immer gut, außer der Hilfswillige übernimmt sich." Dazu die  Zwischenüberschriften: "Einwandern ist kein Menschenrecht"; "Flüchtlinge können nicht dauerhaft bleiben"; "Europas Außengrenzen kontrollieren". Conclusio: "Nächstenliebe darf nicht zum Gefühl verkommen. Sie muss sich mit Vernunft und Weitsicht paaren." Noch gibt es ein paar Stimmen der Vernunft.

Sonntag, 1. November 2015

Aufsatz zu Bonhoeffer


Ich darf auf einen Aufsatz zum Umgang mit der Biographie Dietrich Bonhoeffers verweisen, den ich auf academia.edu Zum biographischen Umgang mit dem Bild Dietrich Bonhoeffers veröffentlicht habe. Der Text ist in Verbindung mit meinen beiden in Globkult erschienenen Aufsätzen zu lesen: Dietrich Bonhoeffer- christlicher Abendländer und deutscher Patriot  sowie Die politische Theologie Dietrich Bonhoeffers.

Dass manche Zeitgenossen mit den als "deutschnational" klassifizierten Prägungen und Sentiments des Märtyrer-Theologen wenig anzufangen wissen, akzentuiert die tiefe Kluft, die zwischen der "multikulturellen" Gegenwart und der Welt des vergeblichen Widerstands liegt.




Freitag, 30. Oktober 2015

Geheimes Deutschland? Kurze Zustandsbeschreibung der gründeutschen Republik

I.
Deutschland, das vor 25 Jahren dank der nationalen Beschränktheit der Ossies wieder vereinte, sodann von  verfassungspatriotischen Wessies - vor dem Mauerfall allesamt vehemente Gegner des auf die Wiedergewinnung der deutschen Einheit zielenden Verfassungsauftrags - unverzüglich nach einer Schockphase reokkupierten Restbestandes des kleindeutschen Reiches von 1871 zwischen Rhein und Oder, erlebt in diesen Tagen Sternstunden der Demokratie. Die wertebewusste Zivilgesellschaft schlägt wehrhaft zurück gegen jeden, der es wagt,  die gründeutsche Ideologie  in Zweifel zu ziehen. "Wer unsere Werte nicht teilt", so ließ sich der Oberbürgermeister von Kassel (CDU) vernehmen, der solle "unser Land" verlassen.

Der Satz ist als kaschierte Androhung der Ausbürgerung für zivilreligiöse Atheisten zu verstehen.Genauso verstand ihn Akif Pirincci, ein deutscher Thersites türkischer Herkunft. Sein Bildungsstand dürfte weit über dem Niveau der grünen und sonstigen Parteijugend liegen. Dessen ungeachtet bevorzugt er für seine aufkärerische Polemik gegen die "grün-links versiffte Gesellschaft", zuletzt gegen  "Die große Verschwulung" (2015 erschienen) eine zotig-fäkalisierende Sprache, die nicht jedermanns Sache ist (auch nicht die des Bloggers). Bei seinem letzten Auftritt bei "Pegida" in Dresden wurde es selbst den Zuhörern - bekanntlich allesamt "braunes Pack" -  zuviel, bis ihn dann selbst die Veranstalter in seiner Suada unterbrachen.

Erwartungsgemäß wurde Pirinccis Satz von den derzeit (sc. für "undeutsche", "rechte" Wertezweifler) nicht verfügbaren KZs ins Gegenteil verkehrt. Absehbar war die Empörung in den Medien sowie der übrigen Tugendwächter. Damit nicht genug: Das ZK der Zivilgesellschaft, die Verlagsgruppe Random House, d.h. Bertelsmann, die in der ohne jeglichen zivilgesellschaftlichen Protest ("Nein! Nichts als fake architecture!" oder dergl.) wiederaufgebauten Berliner Stadtkommandantur  (=Bertelsmann) residiert, sperrte unverzüglich die weitere Auslieferung der in ihren aufgekauften Verlagen (Goldmann, Heyne etc.) bislang erschienenen Bücher. Danach erklärten die Internet-Auslieferer, allen voran Amazon, den Vertrieb von Pirinccis Büchern für beendet. Was in der von Pirincci satirisch beschworenen  Nazi-Diktatur  der Ausschluss aus der Reichsschrifttumkammer - mit allen materiellen Folgen - bedeutete, praktiziert die Zivilgesellschaft heute unter anderen Vorzeichen. P.S.: Da Pirincci in Deutschland für sich keine Zukunft mehr sieht, denkt er an Emigration.

II.
Kennzeichnend für die bundesrepublikanischen Zustände ist der Umgang mit der - aus leicht ersichtlichen Gründen - ins "rechte" Abseits verbannten "jungen" Konkurrenzpartei AfD. Wie mit solchen "Feinden" unserer Wereordnung umzugehen sei, überlässt man den aus vielerlei staatlichen Töpfen alimentierten Kampftruppen der sog. Antifa. In der letzten Woche wurde das Auto der Europa-Abgeordneten Beatrix von Storch ( geb. Herzogin von Oldenburg), "abgefackelt". Den AfD-Vorsitzenden von Sachsen-Anhalt André Poggenburg traf es noch übler. Auf seinem Gutshof und Firmensitz wurde eingebrochen, das Büro verwüstet, Laptops sowie ein Transportwagen gestohlen. Die Kämpfer gegen "rechts" hinterließen ein Foto des Politikers mit einer Zielscheibe vor dem Kopf.

Während jede von "Rechten" (und/oder Neonazis) verübte Straftat - dazu gehören die  sich häufenden Anschläge auf für Asylunterkünfte vorgesehene Gebäude - in den Medien gebührende Aufmerksamkeit erfährt und Empörung auslöst, verschwinden die oben genannten Gewaltakte gegen "Rechte" in den Randspalten der Zeitungen oder an unauffälliger Stelle in irgendeinem Artikel.

II.
Dem "Spiegel" (Druckausgabe) ging es vermutlich um Steigerung der Auflage, als er den als "Glosse" deklarierten jüngsten Essay des  Dramatikers Botho Strauß (geb. 1944) abdruckte. Als bedeutendster Autor der "Schaubühne" galt Strauß in den 1970er und 1980er Jahren in grotesker  Fehlwahrnehmung seiner Stücke als "links". Für die meisten zerbrach diese kognitive Dissonanz erst mit der Veröffentlichung des "Anschwellenden Bocksgesangs"  in dem Spiegel-Essay 1993, in welchem der Schriftsteller  angesichts der durch Einwanderung aus aller Welt, inbesondere aus dem Orient, einerseits, der gewaltsamen Ausbrüche von  Ausländerhass andererseits, Indizien für eine heraufziehende Tragödie diagnostizierte. Er schrieb in jenem Jahr:: "Zuweilen sollte man prüfen, was an der eigenen Toleranz echt und selbständig st und was sich davon dem verklemmten deutschen Selbsthaß verdankt, der die Fremden willkommen heißt, damit hier, in seinem verhaßten Vaterland, sich die Verhältnisse endlich jener berühmten ("faschistoiden") Kenntlichkeit entpuppen, wie es einst (und heimlich wohl bleibend) in der Verbrecher-Dialektik des linken Terrors hieß."

In seinem als  " Bewußtseinsnovelle" bezeichneten Buch  "Die Unbeholfenen"  (2007) schreibt Strauß, er habe das Empfinden, "als wäre ich der letzte Deutsche". "Ein Obdachloser". In seinem jüngsten Essay, übertitelt "Der letzte Deutsche. Uns wird die Souveränität geraubt dagegen zu sein" bekennt sich Strauß explizit zur Tradition jener "Empfindungs- und Sinnierweisen, die seit der Romantik eine spezifisch deutsche Literatur hervorbrachten". Strauß reklamiert für sich den Rückzug in das "Geheime Deutschland". Weiter: "Ich möchte lieber in einem aussterbenden Volk leben als in einem, das aus vorwiegend ökonomisch-demografischen Spekulationen mit fremden Völkern aufgemischt, verjüngt wird, einem vitalen." Dazu eine bitter-romantische, alles andere befreiende Zukunftsvision: "Oft bringt erst eine intolerante Fremdherrschaft ein Volk zu Selbstbesinnung. Dann erst wird Identität wirklich gebraucht."

Aus dem Strauß-Essay ( https://blendle.com/i/der-spiegel/der-letzte-deutsche/bnl-derspiegel-20151002-85462 der letzte deutsche ) seien nachfolgend noch einige Sätze zitiert, die den Zustand der gründeutsch postnationalen Bundesrepublik, dem die politische  Realität negierenden Staatsgebilde in der Mitte Europas, treffend pointieren:
"Uns wird geraubt die Souveränität, dagegen zu sein. Gegen die immer herrschsüchtiger werdenden politisch-moralischen Konformitäten. Ihre Farbe scheinen parlamentarische Parteien heute ausschließlich in der Causa Schwulenehe zu bekennen."  (Der Satz lässt sich auf nahezu alle Akteure und Institutionen der bundesrepublikanischen Gesellschaft übertragen. H.A.)
"Das Gutheißen und Willkommen geschieht derart forciert, dass selbst dem Einfältigsten darin eine Umbenennung, Euphemisierung von Furcht, etwas magisch Unheilabwendendes auffallen muss."
"Das Kopftuch sei Zeichen von religiöser Selbstverwirklichung einer Frau, so eine gütige Angehörige der Grünen. Trefflicher kann man sein verständnisvolles Unverständnis [nicht eher bewusster Selbstbetrug? H.A.] nicht in Worte fassen. Man muss eben auch den rituellen Gehorsam in die Sprache der Emanzipation übersetzen."
"Bei uns bestimmen Massen und Medien das Niveau der politischen Repräsentanten, die allesamt Ungelehrte in jeder Richtung sind..."

"Der Hass Radikaler richtet sich wohl vordergründig gegen die Flüchtlinge - er ist vor allem eine unkontrollierte Reaktion auf das Vakuumempfinden, das ´die Politik´, wie man heute sagt, der Bevölkerung zumutet. Verantwortliche, die das Ende nicht absehen..." - H.A.: Zu ergänzen ist hier: "..., die das Ende nicht sehen wollen."


Montag, 26. Oktober 2015

Geheimes Deutschland? Kurze Zustandsbeschreibung der gründeutschen Republik

I.
Deutschland, das vor 25 Jahren dank der nationalen Beschränktheit der Ossies wieder vereinte, sodann von  verfassungspatriotischen Wessies - vor dem Mauerfall allesamt vehemente Gegner des auf die Wiedergewinnung der deutschen Einheit zielenden Verfassungsauftrags - unverzüglich nach einer Schockphase reokkupierten Restbestandes des kleindeutschen Reiches von 1871 zwischen Rhein und Oder, erlebt in diesen Tagen Sternstunden der Demokratie. Die wertebewusste Zivilgesellschaft schlägt wehrhaft zurück gegen jeden, der es wagt,  die gründeutsche Ideologie  in Zweifel zu ziehen. "Wer unsere Werte nicht teilt", so ließ sich der Oberbürgermeister von Kassel (CDU) vernehmen, der solle "unser Land" verlassen.

Der Satz ist als kaschierte Androhung der Ausbürgerung für zivilreligiöse Atheisten zu verstehen.Genauso verstand ihn Akif Pirincci, ein deutscher Thersites türkischer Herkunft. Sein Bildungsstand dürfte weit über dem Niveau der grünen und sonstigen Parteijugend liegen. Dessen ungeachtet bevorzugt er für seine aufkärerische Polemik gegen die "grün-links versiffte Gesellschaft", zuletzt gegen  "Die große Verschwulung" (2015 erschienen) eine zotig-fäkalisierende Sprache, die nicht jedermanns Sache ist (auch nicht die des Bloggers). Bei seinem letzten Auftritt bei "Pegida" in Dresden wurde es selbst den Zuhörern - bekanntlich allesamt "braunes Pack" -  zuviel, bis ihn dann selbst die Veranstalter in seiner Suada unterbrachen.

Erwartungsgemäß wurde Pirinccis Satz von den derzeit (sc. für "undeutsche", "rechte" Wertezweifler) nicht verfügbaren KZs ins Gegenteil verkehrt. Absehbar war die Empörung in den Medien sowie der übrigen Tugendwächter. Damit nicht genug: Das ZK der Zivilgesellschaft, die Verlagsgruppe Random House, d.h. Bertelsmann, die in der ohne jeglichen zivilgesellschaftlichen Protest ("Nein! Nichts als fake architecture!" oder dergl.) wiederaufgebauten Berliner Stadtkommandantur  (=Bertelsmann) residiert, sperrte unverzüglich die weitere Auslieferung der in ihren aufgekauften Verlagen (Goldmann, Heyne etc.) bislang erschienenen Bücher. Danach erklärten die Internet-Auslieferer, allen voran Amazon, den Vertrieb von Pirinccis Büchern für beendet. Was in der von Pirincci satirisch beschworenen  Nazi-Diktatur  der Ausschluss aus der Reichsschrifttumkammer - mit allen materiellen Folgen - bedeutete, praktiziert die Zivilgesellschaft heute unter anderen Vorzeichen. P.S.: Da Pirincci in Deutschland für sich keine Zukunft mehr sieht, denkt er an Emigration.

II.
Kennzeichnend für die bundesrepublikanischen Zustände ist der Umgang mit der - aus leicht ersichtlichen Gründen - ins "rechte" Abseits verbannten "jungen" Konkurrenzpartei AfD. Wie mit solchen "Feinden" unserer Wereordnung umzugehen sei, überlässt man den aus vielerlei staatlichen Töpfen alimentierten Kampftruppen der sog. Antifa. In der letzten Woche wurde das Auto der Europa-Abgeordneten Beatrix von Storch ( geb. Herzogin von Oldenburg), "abgefackelt". Den AfD-Vorsitzenden von Sachsen-Anhalt André Poggenburg traf es noch übler. Auf seinem Gutshof und ffirmensitz wurde eingebrochen, das Büro verwüstet, Laptops sowie ein Transportwagen gestohlen. Die Kämpfer gegen "rechts" hinterließen ein Foto des Politikers mit einer Zielscheibe vor dem Kopf.

Während jede von "Rechten" (und/oder Neonazis) verübte Straftat - dazu gehören die  sich häufenden Anschläge auf für Asylunterkünfte vorgesehene Gebäude - in den Medien gebührende Aufmerksamkeit erfährt und Empörung auslöst, verschwinden die oben genannten Gewaltakte gegen "Rechte" in den Randspalten der Zeitungen oder an unauffälliger Stelle in irgendeinem Artikel.

II.
Dem "Spiegel" (Druckausgabe) ging es vermutlich um Steigerung der Auflage, als er den als "Glosse" deklarierten jüngsten Essay des  Dramatikers Botho Strauß (geb. 1944) abdruckte. Als bedeutendster Autor der "Schaubühne" galt Strauß in den 1970er und 1980er Jahren in grotesker  Fehlwahrnehmung seiner Stücke als "links". Für die meisten zerbrach diese kognitive Dissonanz erst mit der Veröffentlichung des "Anschwellenden Bocksgesangs"  in dem Spiegel-Essay 1993, in welchem der Schriftsteller  angesichts der durch Einwanderung aus aller Welt, inbesondere aus dem Orient, einerseits, der gewaltsamen Ausbrüche von  Ausländerhass andererseits, Indizien für eine heraufziehende Tragödie diagnostizierte. Er schrieb in jenem Jahr:: "Zuweilen sollte man prüfen, was an der eigenen Toleranz echt und selbständig st und was sich davon dem verklemmten deutschen Selbsthaß verdankt, der die Fremden willkommen heißt, damit hier, in seinem verhaßten Vaterland, sich die Verhältnisse endlich jener berühmten ("faschistoiden") Kenntlichkeit entpuppen, wie es einst (und heimlich wohl bleibend) in der Verbrecher-Dialektik des linken Terrors hieß."

In seinem als  " Bewußtseinsnovelle" bezeichneten Buch  "Die Unbeholfenen"  (2007) schreibt Strauß, er habe das Empfinden, "als wäre ich der letzte Deutsche". "Ein Obdachloser". In seinem jüngsten Essay, überittelt "Der letzte Deutsche. Uns wird die Souveränität geraubt dagegen zu sein" bekennt sich Strauß explizit zur Tradition jener "Empfindungs- und Sinnierweisen, die seit der Romantik eine spezifisch deutsche Literatur hervorbrachten". Strauß reklamiert für sich den Rückzug in das "Geheime Deutschland". Weiter: "Ich möchte lieber in einem aussterbenden Volk leben als in einem, das aus vorwiegend ökonomisch-demografischen Spekulationen mit fremden Völkern aufgemischt, verjüngt wird, einem vitalen." Dazu eine bitter-romantische, alles andere befreiende Zukunftsvision: "Oft bringt erst eine intolerante Fremdherrschaft ein Volk zu Selbstbesinnung. Dann erst wird Identität wirklich gebraucht."

Aus dem Strauß-Essay ( https://blendle.com/i/der-spiegel/der-letzte-deutsche/bnl-derspiegel-20151002-85462 der letzte deutsche ) seien nachfolgend noch einige Sätze zitiert, die den Zustand der gründeutsch postnationalen Bundesrepublik, dem die politische  Realität negierenden Staatsgebilde in der Mitte Europas, treffend pointieren:
"Uns wird geraubt die Souveränität, dagegen zu sein. Gegen die immer herrschsüchtiger werdenden politisch-moralischen Konformitäten. Ihre Farbe scheinen parlamentarische Parteien heute ausschließlich in der Causa Schwulenehe zu bekennen."  (Der Satz lässt sich auf nahezu alle Akteure und Institutionen der bundesrepublikanischen Gesellschaft übertragen. H.A.)
"Das Gutheißen und Willkommen geschieht derart forciert, dass selbst dem Einfältigsten darin eine Umbenennung, Euphemisierung von Furcht, etwas magisch Unheilabwendendes auffallen muss."
"Das Kopftuch sei Zeichen von religiöser Selbstverwirklichung einer Frau, so eine gütige Angehörige der Grünen. Trefflicher kann man sein verständnisvolles Unverständnis [nicht eher bewusster Selbstbetrug? H.A.] nicht in Worte fassen. Man muss eben auch den rituellen Gehorsam in die Sprache der Emanzipation übersetzen."
"Bei uns bestimmen Massen und Medien das Niveau der politischen Repräsentanten, die allesamt Ungelehrte in jeder Richtung sind..."

"Der Hass Radikaler richtet sich wohl vordergründig gegen die Flüchtlinge - er ist vor allem eine unkontrollierte Reaktion auf das Vakuumempfinden, das ´die Politik´, wie man heute sagt, der Bevölkerung zumutet. Verantwortliche, die das Ende nicht absehen..." - H.A.: Zu ergänzen ist hier: "..., die das Ende nicht sehen wollen."


Mittwoch, 21. Oktober 2015

Merkel´s Mourning Speech

Angela Merkels Umgang mit der politischen Realität erweckt mittlerweile - spät genug - auch Unmut in den eigenen Reihen, nicht allein in Seehofers bayerischer CSU.  Dass ihr politisches Gebaren - eine einzigartige Mischung aus Machtinstinkt und Naivität, aus Opportunismus und Kita-Pädagogik - im Umgang mit der deutschen Sprache zum Ausdruck kommt, hat Michael Klonovsky in seinem Essay Angela Merkel. Eine Bilanz demonstriert. Ich möchte ihn den Lesern meines Blogs noch einmal empfehlen. Ich darf zusätzlich an meinen betreffenden Eintrag erinnern: Historisch-politische Sprachkritik der Merkelei 

Bei der  Morgenlektüre der Zeitung - laut Hegel das moderne Pendant zur Bibel -, genauer: der von  Auflagenrückgang betroffenen FAZ (21.10.2015, S. 7), stieß ich auf ein weiteres Beispiel von Merkels öffentlicher Sprachkunst. Der Anlaß war eine Gedenkfeier am Gymnasium im rheinischen Haltern, wo des Todes von sechzehn Schülern und zweier Lehrerinnen gedacht wurde, die vor einem halben Jahr bei dem von einem psychisch kranken Kopiloten inszenierten Flugzeugabsturz in den französischen Alpen ums Leben kamen.
In Haltern wurde seither, so erfährt man aus der  FAZ, allerlei von den Medien begleitete "Trauerarbeit" - ein gewöhnlich für bundesrepublikanische Schuldrituale reservierter Terminus - geleistet.

Angemessene Worte zum Gedenken an die Opfer eines zutiefst sinnlosen Geschehens zu finden, dürfte viele überfordern. Merkel, die anläßlich der Trauerfeier im Kölner Dom einen Besuch in Haltern zugesagt hatte, war um diese Aufgabe nicht zu beneiden. Gleichwohl  verdienen - im Hinblick auf die deutsche Willkommenskultur sowie die Sprachkompetenz der von Merkel in Massen eingeladenen Migranten-Flüchtlinge-Neubürger -  Zitate aus ihrer öffentlichen Ansprache festgehalten zu werden.

Sie sei gekommen, um zu zeigen, "dass ich an Sie denke, dass die Bundesregierung an Sie denkt, aber dass auch viele Menschen in Deutschland weiter an Sie denken." "Vielleicht ist Haltern ja auch ein Beispiel geworden, wie man in einer so fürchterlich traurigen Situation trotzdem Gemeinschaft zeigen kann." "Das, was ich mitnehme, ist, dass Sie versuchen, hier gemeinsam damit fertig zu werden."


Dienstag, 20. Oktober 2015

Grüne Stimme der Vernunft II: Boris Palmer (OB Tübingen)

Übers Internet, bislang  noch unzensiert, ging mir nachstehender Text zu. Er stammt von Boris  Palmer, Oberbürgermeister in Tübingen (Die Grünen).  Ich bitte das Publikum um Nachsicht, daß ich diesen Eintrag nun bereits zum zweiten Mal revidieren mußte: Christoph Palmer (CDU, OB Stuttgart; Boris Palmer, OB Tübingen, grün - die Namensverwechslung liegt nahe. Was die Aussagekraft des Textes angeht, um so besser: Boris Palmer gehört zu den grünen Stars im Südwesten.

Im Gegensatz zur Allparteienkoalition von Politikern und Meinungsbildnern, welche das Ausmaß des maßgeblich von Merkels Aktionen und  Rhetorik ("Keine Grenze nach oben"; "Wir schaffen das!") verursachte Chaos herunterspielen, nennt Palmer unbequeme - und weithin unbekannte  - Fakten. Er spricht in klaren Worten von den durch die unbedachte Grenzöffnung geschaffenen Dilemmata in der  "Asylkrise".  P.S.: Die Warnung vor den "Rattenfängern" darf natürlich in einer derart politisch unerwünschten Rede nicht fehlen...

Panikmache oder Wirklichkeit?

In den letzten 40 Tagen sind 410.000 Flüchtlinge nach Deutschland gekommen. Meine nüchterne Aussage, derart hohe Zugangszahlen überfordern auf Dauer die Kommunen, hat einen Sturm der Entrüstung hervor gerufen. Wie so oft dominieren nicht Fakten, sondern Emotionen diese zunehmenden erschreckende Diskussion.
Fragen wir also: Gibt es Hinweise, dass die Zahlen demnächst sinken? Eher nicht. 19 Flüchtlinge wurden bisher in Europa umverteilt. Kein Tippfehler. 19. Und allein auf Lesbos kommen täglich 4000 neue Flüchtlinge an. Auf dem Balkan ist das Chaos schon wieder schlimmer als damals in Budapest. Wird die Kanzlerin nun wieder die Grenzen öffnen? Wenn Sie es täte, würden sich dann nicht nochmals mehr Menschen auf den Weg machen? Wagt es jemand, diese erneute Grenzöffnung zu fordern?
Schlimm genug, dass es keinerlei Prognosen aus Berlin gibt, wie es weiter geht. Es reicht auch nicht zu sagen, man könne das sowieso nicht mehr steuern. Der einzige Staat in Europa, der die Kontrolle über die Zuwanderung verloren hat, ist Deutschland. Großbritannien oder Frankreich schaffen es offenkundig ganz gut, die Zugangszahlen in vertretbaren Größen zu halten. Sind wir jetzt die besseren Menschen und können das den anderen Staaten in der EU verordnen? Sind die anderen EU-Staaten weniger an die Genfer Flüchtlingskonvention gebunden als wir?
Replik auf die erwartbare Empörung: Nein, ich bin und ganz gar nicht der Auffassung, dass man solche Themen tabuisieren muss und es den Rechten hilft, das auszusprechen, was ohnehin offenkundig ist. Im Gegenteil. Wir müssen diese Debatte voller Dilemmata in die Mitte der Gesellschaft holen, damit nicht die Rattenfänger profitieren.

Sonntag, 11. Oktober 2015

Grüne Stimmen der Vernunft

Der Blogger  reibt sich die Augen, mit ihm sein Publikum: Die vor  "Mother Merkel" aufgereihte gründeutsche Einheitsfront beginnt zu bröckeln. Ausgerechnet in der taz wendet sich eine Redakteurin gegen den "linken Größenwahn". Sie fordert ihre Leserschaft auf, über die Notwendigkeit von Obergrenzen für die Aufnahme von "Flüchtlingen" nachzudenken: Gegen den linken Größenwahn.

Dass selbst im  grünen Lager Widerspruch gegen verantwortungslose Politik und die sie vernebelnde Sprache - nicht zuletzt im appellativen Umgang mit dem Wort "Flüchtling" - zu verzeichnen ist, verdanken wir couragierten Frauen wie Eva Quistorp. Unlängst beging sie ihren 70. Geburtstag. (Ich nutze den Blog, ihr, unserer nie entmutigten Mitstreiterin,  auf diese Weise nachträglich zu gratulieren.) Bei den Grünen versperrte ihr, in grünen Gründerzeiten einst Europa-Abgeordnete in Straßburg, fehlender Opportunismus und  geistige Unabhängigkeit den Zugang zu weiterer Karriere  in der Partei sowie zu lukrativen Ämtern.

Vor ein paar Monaten  attackierte sie in "Cicero" die "linken", sich feministisch gerierenden Frauen bezüglich ihrer unterwürfigen Haltung gegenüber einem Islam, der von Frauenrechten nichts weiß und nichts wissen will. In ihrer jüngsten Publikation nimmt sie das Neusprech, die  in der grünen Führungsriege  - und allgemein in der politisch-medialen Klasse - üblichen, die Wirklichkeit verkleisternden Sprachklischees, aufs Korn. (Ich darf an dieser Stelle noch einmal auf meinen Aufsatz Politische Semantik: Zur Durchsetzung von Begriffen im herrrschenden Diksurs hinweisen.) Ob Eva Quistorps Sprachkritik Neusprech für NeubürgerInnen  von den in Kirche, Staat und Gesellschaft fest etablierten grünen Wortführern - und -innen zur Kenntnis genommen wird, steht auf einem anderen Blatt. Trotzdem: Glückwunsch, Eva Quistorp!


Chaos in Syrien: Analyse und Prognose

Ein zusätzlicher Kommentar zum Chaos in Syrien - ein Chaos, das viele Väter hatte, auch westliche - scheint mir an dieser Stelle vorerst unnötig. Ich empfehle stattdessen meinen Lesern die  Analyse und düstere Prognose des israelischen Militärwissenschaftlers Martin van Crefeld in der jüngsten Nummer der "Jungen Freiheit" (Nr. 42/09.10.2015).

Van Crevelds historischer Analogie wären  höchstens ein paar Details hinzuzufügen: 1618-1648 gab es außer hilflosen lokalen Flucht- und Rückzugsversuchen (Zerstörung von Wegen, Kappung der Verbindungen zur Außenwelt) keine organisierten Ströme von Flüchtlingen und/oder Migranten. Es gab im seinerzeit verheerten Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation auch noch keine deutsche "Willkommenskultur"  unter der Schirmherrschaft einer Reichserzkanzlerin Merkel.

Lesen Sie, eingedenk der gegenwärtigen  Zustände in Europa, Martin van Crefeld: Ein neues 1618?

Mittwoch, 7. Oktober 2015

Merkelei, Gauckelei - die neue deutsche Leitkultur

Anstelle eines weiteren Kommentars zu dem von Merkel und der gründeutschen classe politica angerichteten Chaos verweise ich das Publikum meines Blogs auf das Interview von Henryk M. Broder im TV-Sender N 24: "Was Merkel treibt, grenzt an Untreue im Amt"

Als oberster, stets  lächelnder Repräsentant unserer neudeutschen Leitkultur  fungiert Bundespräsident Gauck. (Adnote: Er wollte eigentlich Journalist werden, aufgrund der deutschen, nicht nur  DDR-spezifischen  Geschichtsumstände wurde er ersatzweise Pastor.) Zur Zeit trägt er seine Vorstellungen von deutscher Moral,  Leitkultur und Geschichte in den USA vor. 

In Philadelphia, dem Ort,  wo anno 1683 die ersten deutschen Glaubensflüchtlinge (späterhin bekannt als Pennsylvania Dutch) ankamen, belehrte er das studentische Publikum über die  historische Bedeutung der Deutschland (und Europa) überwältigenden militanten Masseneinwanderung. Die "Flüchtlinge" - nicht etwa in der großen Mehrzahl schlichte "Migranten"?  - aus Syrien, so Gauck,  kämen nach Deutschland mit "denselben Gefühlen, die unsere eigenen Vorfahren einst hegten, als sie auf dem Schiff der Freiheitsstatue in New York entgegengesegelt sind: sie betreten ein Land der Hoffnung und der Chancen, der Freiheit und der Demokratie."

Das Geschichtsbild des Bundespräsidenten ist fraglos blumenreich umrankt und pastoral getönt. Allein er scheint vor Antritt der Reise von seiner Entourage (oder seiner Lebensgefährtin) nur historisch unzureichend "gebrieft" worden zu sein. Auch er selbst hätte durch einen Klick auf Google  erfahren können, dass die "Statue of Liberty" (La Liberté éclairant le monde) als Geschenk der Dritten Republik an die USA erst in den Jahren 1875-1886 errichtet wurde. . 

Wer "von unseren eigenen Vorfahren" - etwa im Gefolge der Wirtschaftskrise 1896  - nach Amerika auswanderte, kam bereits auf dem Dampfschiff.  Die "Flüchtlinge", zu zwei Dritteln junge Männer, die heute massenweise auf Einladung Merkels und Gaucks in Deutschland hereinströmen, kommen anno 2015 in von "Mother Merkel" bezahlten Sonderzügen,  selbstverständlich nur,  um sich die deutsche demokratische Leitkultur anzueignen. Derlei Wahrnehmung, erwachsen aus seinem verschwurbelten Geschichtsbild, prägt Gaucks Vorstellung von der Zukunft seines - unseres - Landes. 


Donnerstag, 1. Oktober 2015

Zur deutschen Jubelfeier am 3. Oktober 2015

I.
Deutschland, genauer: die Bundesrepublik Deutschland, schickt sich an, das 25jährige Jubiläum der "Wiedervereinigung" zu feiern. Der Begriff selbst war lange strittig, da die historischen, realpolitischen und staatsrechtlichen Modalitäten der neuen staatlichen Einheit mancherlei Dispute ausgelöst hatten.

Über derartige begriffliche Quisquilien können wir anno 2015 gelassen hinweggehen.

Anders steht es mit der  in dem vom (mehrfach revidierten) Grundgesetz  von 1949 als "Deutsches Volk" apostrophierten Substrat - laut demokratischer Theorie der eigentliche Souverän - des am 3. Oktober 1990 als "Vollendung der deutschen Einheit" gefeierten Zusammenschlusses. Es ist ein von alltäglicher Erfahrung bestätigter Befund, dass das Unwissen über die Nachkriegsgeschichte - wie allgemein von  Geschichte - zum geistigen constituens einer ahistorischen, der banalen Gegenwart verhafteten Gesellschaft wie der Bundesrepublik geworden ist. Als historische Folie der  "Einwanderungsgesellschaft" dient in unendlicher medialer Aufbereitung die Vergegenwärtigung der - von Deutschen, nicht den Deutschen, initiierten und weithin, nicht ausschließlich von Deutschen exekutierten - NS-Verbrechen. Als Ergänzung zu dieser offenbar unverzichtbaren historischen, spezifisch  "deutschen" Grundierung der res publica und deren Zivilreligion dient die  Beschwörung von abstrakten, vermeintlich geschichtstranszendenten, realiter von radikalem Wandel gekennzeichneten "Werten" unter dem Signum der Menschenrechte.

Der Widerspruch: hie die auf Bilder des Entsetzens reduzierte Geschichte, hie die  von den Zwängen der Realpolitik überlagerte Bindung an universale Werte bleibt zum höheren Zweck bürgerlichen Gehorsams ausgeklammert. Soll auf diese Weise Staatsbejahung erzielt werden, so steht dieses Ziel im Widerspruch zur doppelten Tendenz der Entstaatlichung: in der deutschen Bereitschaft zur Übertragung jeglicher eigenstaatlicher Souveränität auf die EU, in den wachsenden politischen Ansprüchen seitens der Nichtregierungsorganisationen (NGOs), den  - staatlich geförderten - Säulen der sog. Zivilgesellschaft.

II.
Es würde den Rahmen eines Blogeintrags sprengen, die lange Vorgeschichte des als Jubiläum anstehenden 3. Oktober 1990 zu rekonstruieren. Die jüngste deutsche Einheit reicht als Faktum und Problem in historische Tiefenschichten, die dem "deutschen Volk", erst recht der von deutscher Geschichte und NS-Vergangenheit gänzlich unberührten Bevölkerung,  kaum noch präsent sind.

In Stichworten:  Was  nach dem 3. Oktober 1990 "als Vollendung deutschen Einheit" gemäß der Präambel des am 23. Mai 1949 Grundgesetzes deklariert wurde, war der in den 2+4-Verhandlungen von den vier Siegermächten gebilligte Zusammenschluss der nach der deutschen Geschichtskatastrophe des Nazi-Regimes auf dem Restterritorium des Deutschen Reiches von 1871 etablierten, unter Souveränitätsvorbehalt stehenden Staatsgebilde samt des bis dato unter explizitem alliiertem Sonderstatus stehenden, seit 1948 geteilten  Gebiets von (West- und Ost-)Berlin. Die neue staatliche Einheit kam zustande, nachdem die Außenminister der Vier Mächte am 12.9.1990 in Moskau den Vertrag über "die abschließende Regelung in bezug auf Deutschland"  unterzeichnet hatten und am 1.10.1990 in einer gemeinsamen Erklärung in New York auf ihre "Rechte und Verantwortlichkeiten in bezug auf Berlin und Deutschland als Ganzes [beendeten]" (Art. 7),  "wodurch dieses [sc. Deutschland] seine volle Souveränität erhielt." ( http://www.auswaertiges-amt.de/DE/AAmt/Geschichte/ZweiPlusVier/ZweiPlusVier_node.html )

Zur Erläuterung: Der Begriff "Deutschland" bezog sich nicht mehr - wie ehedem in diversen Dokumenten der Alliierten vom Londoner Protokoll (12. 9.1944; letzte Fassung vom 13.8.1945) sowie in der Potsdamer Erklärung (2.8.1945) auf das Reichsgebiet vom 31.12.1937, sondern - nach dem im Dokument vorgesehenen Grenzvertrag mit Polen -  auf die Gebiete der Bundesrepublik, der DDR und Berlins. Über die neue Ostgrenze hatte zuvor längst die normative Kraft des Faktischen sowie dessen friedenspolitisch motivierte vertragliche  Anerkennung durch die Neue Ostpolitik (1970) entschieden.

Eine Pointe bezüglich der im 2+4-Vertrag gewährten "vollen Souveränität" setzte Finanzminister Schäuble während der Auseinandersetzungen über die "Euro-Krise" und die von Vertragsbrüchen begleiteten Euro-"Rettungssysteme": Deutschland, so Schäuble, "ist seit 1945 nicht mehr souverän".

III.
Dessen ungeachtet dürfen, sollen wir feiern. Zur Feier bescherte mir die "Bild"-Zeitung im Briefkasten ein Gratis-Exemplar mit der schwarz-rot-goldnen Überschrift (in lockeren kursiven Lettern): Happy Birthday Deutschland ! (ohne Komma). Deutschland bedankt sich mit einem idyllischen Alpenblick auf das Städtchen Pfronten im Allgäu. Links oben dankt eine Anzeige mit dem Emblem von VW: "Danke für 25 Jahre Treue". Rechts oben wirbt Euronics.de für ein Samsung-Smartphone für nur 77.- €. Und unten bedankt sich mit einem ganzen  Balken s-w-r gemustert die Deutsche Bank: "Wir feiern mit ganz Deutschland 25 Jahre Wiedervereinigung". Satura non est.

Auf Seite zwei erfährt der derart beschenkte "Bild"-Leser  "WIE WIR WIEDER WIR WURDEN". "Bild" jubelt über die neue deutsche "Willkommenskultur", indem sie großformatig  einen 5jährigen syrischen Flüchtingsjungen mit einem Pappschild abbildet: "Thank Germany", darüber aufgemalt die Farben der von grün-taz-linken Deutschen verpönten "Deutschlandfahne". Unterhalb des Textes  erinnert ein Schwarz-Weiß-Photo an  Jubelszenen wie am 5. Oktober 1989, als die aus der Prager Botschaft  über Dresden ausgereisten DDR-Flüchtlinge auf dem Bahnhof in Hof empfangen wurden. Die Botschaft ist klar.  "Bild" feiert noch grenzenlos, selbst wenn inzwischen der Bundespräsident die Grenzen der deutschen "Willkommenskultur" sowie der Integrationsbereitschaft der hereinströmenden Neubürger - erkennt.

IV.
Auf Seite 3 wirbt ein gelber (VW) Beetle Cabriolet für "Einigkeit und Recht und ---", also für  Beetle Cabriolet.Auf Seite 4 gibt Wolfgang Schäuble (73, CDU), im Rollstuhl digital vor der Reichstagskuppel plaziert, kund bezüglich dessen, "Was mir Freude macht, wenn ich an Deutschland denke". Schäuble präsentiert eine Liste mit 25 Punkten, über die er sich betreffs Deutschland freut. Er freut sich (Punkt 1) beim Blick aus seinem  Büro, wo er die "Höhen und Tiefen deutscher Geschichte vereint" sieht: das Berliner Abgeordnetenhaus, den Martin-Gropius-Bau und  das Dokumentationszentrum der "Topographie des Terrors" am Ort des einstigen RSHA im Prinz-Albrecht-Palais. Letzteres, ein von  KZ-Schotter umsäumtes Glasgebäude, macht historisch-ästhetische Freude für jedermann anschaulich...

Schäuble freut sich (Punkt 4) auch beim Anblick der Frankfurter Paulskirche, wo am 18.Mai 1948 zum 100jährigen Jubiläum der Nationalversammlung "die wiedererbaute Kirche eröffnet [wurde]". Schäuble hat das in den 1970ern oder 1980ern funktional "verfassungspatriotisch" renovierte Interieur anscheinend ausgeblendet, nicht anders als den trostlosen Wiederaufbau der alten zerbombten Reichsstadt Frankfurt. In Punkt 19 freut er sich über die Moscheen in Deutschland, denn er ist "dankbar, dass das Miteinander der Religionen gut funktioniert." Schäuble denkt womöglich an den vor Jahren von türkisch-sunnitischen Protagonisten proklamierten "Tag der offenen Moschee" am 3. Oktober.  In Punkt 13 freut er sich über den Einheitsvertrag, den er seinem DDR-Gegenüber Gümther Krause faktisch diktierte und in denen die Enteignungen in der Sowjetzone1945-1949 festgeschrieben wurden, angeblich, da es die sowjetische Seite zur Bedingung gemacht habe. Über die Früchte dieser - laut Gorbatschow nie gestellten Bedingung - freuen sich heute die Agro-Konzerne (darunter auch chinesische landgrabber), die mittlerweile einige der nach der "Wende" flugs in EU-subventionierte GmbHs umgewandelten LPGs ausgekauft haben.

Unter Punkt 15 freut sich Schäuble über die 1-Euro-Münze (mit der nach Osten offenenen Europa-Landkarte). Dass er in der vorerst letzten Griechenland-Krise  vergeblich - oder als bloße Drohgebärde? - den "Grexit" anstrebte, trübt die Freude des deutschen Finanzministers anschenend nicht. Danach freut er sich über seinen jährlichen Sommerurlaub  auf Sylt: Das "ist für mich Entspannung pur" (indekliniertes Adjektiv nachgestellt). Dass er sich als Protestant über die Schlosskirche in Wittenberg freut, ist verständlich. Für ästhetisch distanzierte Besucher der Lutherstadt wirkt allemal die Wittenberger Stadtkirche ansprechender als die von einem disproportionalen Turm überwältigte Schlosskirche. Zu erwähnen ist noch Schäubles Freude am Sonntagabend beim "Tatort"-Gucken (Punkt 20). Da fiebert er gendergerecht "mit den Kommissarinnen und Kommissaren". Erfreulich, dass der Politiker Schäuble zumindest beim politisch korrekten Krimi-Abendgebet dem Volke und dessen vom Drehbuch verordneten Empfinden nahe ist.

V.
Im November 1989, nach dem Mauerfall,  freute ich mich über die "Zehn Punkte", mit denen Helmut Kohl - ohne Mitterand und Thatcher zu informieren - die Initiative in Richtung "deutsche Einheit" ergriff. (Die zehn Punkte ähnelten in erstaunlichem Maße dem Konföderationsplan, den unser Mitstreiter Theodor Schweisfurth wenige Tage zuvor in der "Bild"-Zeitung veröffentlichen durfte - was indes nicht zu Fehldeutungen verleiten sollte.)  Selbst am 3. Oktober 2015  kann ich  bei einer Reihe von Punkten,  die  Schäuble zu Freude inspirieren,  immerhin dessen Freude teilen.

Denk´ ich sodann  an Deutschland in weiteren 25 Jahren, ist die  Freude der Erinnerung schnell verflogen. Schäuble gehört zu den  vorbehaltlosen Unterstützern einer Politik, deren selbstzerstörerische Konsequenzen ihre Urheber entweder nicht sehen wollen oder aber billigend in Kauf nehmen.  Ich danke der "Bild"-Zeitung  für diese Gratis-Erkenntnis. Nach der Lektüre bis einschließlich Seite vier landet das Gratis-Exemplar im deutschen Papierkorb.






Freitag, 25. September 2015

Späte Erkenntnis zum Chaos in Nahost

Klappern gehört zum Geschäft und ist  insofern von Eigenlob zu unterscheiden. Da zum gegenwärtigen  von Merkel et. al. verschärften Chaos, dem unverminderten Zustrom  von realen Flüchtlingen sowie von verfolgungsfreien, von der deutschen "Willkommenskultur"  (samt "Gesundheitskarte") positiv beeindruckten "refugees"  mittlerweile zumindest in der FAZ - und selbst in der New York Times -  das längst Nötige gesagt wird, darf ich mich an dieser Stelle mit Verweisen auf meine letzten Blogeinträge zu diesem Thema begnügen.

Was die Kausalität, die maßgebliche Verantwortung der Protagonisten der westlichen Wertegemeinschaft für die Zustände in Irak, Libyen, Syrien und die davon ausgelöste "Migration" aus dem Nahen Osten betrifft, verweise ich auf meine entsprechenden  Beiträge in Globkult, zuletzt in meinem Essay  Aus historischer Distanz: Eine Kritik der Vernünftigkeit des Wirklichen. Mit Unvernunft ist das Agieren der ehedem um George W. Bush versammelten Neocons, des von BHL zur "Befreiung" Libyens genötigten Sarkozy, eines David Cameron, sodann die keineswegs folgenlosen Interventionsdrohungen eines  Hollande, und selbst die vermeintliche Zurückhaltung - mit Waffenlieferungen an die "demokratische Opposition" in Syrien - eines Barack Obama nur unzureichend charakterisiert. Im politischen Handeln der  betreffenden Akteure (und ihres inneren Zirkels von "Entscheidern")  kommt  stets aufs Neue eine Mischung aus fehlerhafter Anlalyse (aufgrund  historisch-kulturellen Unverständnisses)  und fehlgeschlagenem Machtkalkül, aus Aktionismus und Ideologie - etwa die  Projektion des allenthalben von westlichen Werten erwärmten "arabischen Frühlings"  - zum Vorschein.

Als auf ihre Weise rationale, somit kalkulierbare Akteure ("players") in dem mörderischen  nahöstlichen Chaos traten hingegen - aus ihrer jeweiligen Interessenlage heraus - die türkische Regierung um Erdogan, der  Machtzyniker Putin sowie der sein Regime verteidigende, von Putin und dem Iran gestützte Assad hervor. Es gehört zur  bitteren Ironie der seit Jahren andauernden Tragödie, dass - durch Putins letzten Schachzug im geopolitischen Spiel genötigt - nunmehr anscheinend selbst Hollande, Obama und auch  Merkel zur Erkenntnis gelangt sind, man müsse so oder so auch Assad in eine auf "Stabilität" in Nahost zielende "Lösung" zur Beendigung des bellum omnium contra omnes in Syrien einbeziehen. Derlei Erkenntnis hätte zu einem früheren Zeitpunkt in Syrien unzähligen Menschen das Leben retten und die (mit Steinen und Betonbrocken gegen ungarische Polizisten betriebene [s. Stephan Löwensteins Bericht in der  FAZ v. 26.09.2015]) Massenimmigration nach Deutschland/Europa abwenden können.

Montag, 21. September 2015

Historisch-politische Sprachkritik der Merkelei

Liebe Freunde,

gewöhnlich bin ich kein Feund von Rundmails - sofern man meine Blog-Dissidenz nicht dem entsprechenden Genre zuordnen will.
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Der mir soeben von Peter Krause übermittelte Aufsatz von Michael Klonovsky, Mitstreiter aus einem  Kreis von Selbstdenkenden, der sich  unter der Selbstbezeichnung "Helles Deutschland"  anschickt, in bester Tradition der lumières Licht (s.a.Was wirklich links ist. Eine Begriffsklärung) in die herrschende Merkel-Gaucksche Sprachregelung zu bringen, verdient indes Verbreitung auf jedem Wege.

Abgesehen von dem an Merkel erinnernden Pleonasmus im ersten Absatz bedarf  allenfalls Klonovskys Klassifizierung des Atomunfalls in Fukushima als eines "vollkommen unbedeutenden Unfalls" einer kritischen Einschränkung. Die  vom Tsunami verursachte Katastrophe hätte ja in der Tat noch schlimmer ausgehen können. Nichtsdestoweniger: Überall in den östlichen EU-Bruderländern ("Wertegemeinschaft")  werden neue AKWs gebaut, ohne dass sich die obwaltende gründeutsch-violette Moral darüber je politisch wirksam ("nachhaltig") entrüstet hätte.

In sämtlichen anderen Punkten seiner "Bilanz" wird  Klonovsky der historisch-politischen "Leistung" des  FDJ-frommen, königsmörderischen "Mädchens" (Helmut Kohl) und ihrer gründeutschen Einheitsfront  gerecht. Ich lege ihn daher meiner Blog-Gemeinde (taz-deutsch: commnuntiy)  ans Herz:
Angela Merkel. Eine Bilanz (http://ef-magazin.de/2015/09/20/7526-angela-merkel-eine-bilanz).

P.S. 
Klonovskys  Kommentar zum Merkelschen Umgang mit deutscher Sprache, Geschichte und Politik entstand einige Tage vor der Konferenz "Denk ich an Deutschland", veranstaltet von der Alfred Herrhausen Gesellschaft und der FAZ in Berlin. In dieser Runde tat Martin Schulz kund - an Claude Juncker als  EU-"Spitzenkandidat" gescheitert, waltet Schulz  arbeitsteilig unangefochten als EU-Parlamentspräsident -, dass "sein Europa" etwas anderes sei als das "abendländische Europa", das Viktor Orbán mit seinem Grenzzaun verteidigen wolle. Warum Merkel - vermittels des  Innenministers de Maizière - dennoch ihrerseits unversehens wieder "uneuropäische" Grenzen einrichten ließ, blieb offenbar unerörtert. (s. FAZ v. 21.09.2015, S.5)

In bestem Einklang mit der nicht anwesenden Kanzlerin gab Merkels Ministerin  Ursula von der Leyen (Verteidigung) eine Vorstellung von der im Kabinett gepflegten sprachlichen und historischen Ästhetik. Sie sei "fest davon überzeugt, wenn wir es richtig machen, dass wir, wenn wir in zwanzig Jahren  zurückschauen, sagen werden: Dies war eine enorme Bereicherung für uns, übrigens gerade für unsere alternde Gesellschaft."

Mittwoch, 16. September 2015

Von Elend und "Recht auf Glück" in der Talkshow

I.
Soll man sich den Tort des Talkshow-Geschwätzes antun? Entgegen aller sonst geübten Verweigerung entschloss sich der Blogger, die unter "Hart, aber fair" betitelte TV-Debatte zur "Flüchtlingskrise" - ein politisch wohlfeiler Terminus zur Beschreibung eines bedrückenden, komplexen, entgegen allem vorgespielten  Optimismus ("Wir schaffen das!")  mit nicht absehbaren  Folgen behafteten Problems - am Bildschirm zu verfolgen. Richtig, es ging zwischen den Teilnehmern und der T-in  Margot Käßmann fair zu, d.h. ohne lautes Spektakel und verbale Ausfälle wie zuweilen in anderen TV-Inszenierungen. Von einer harten Auseinandersetzung über ein Thema, an dem sich die Zukunft Europas und insbesondere "unseres Landes" entscheiden dürfte, war indes wenig zu spüren.

Das lag nicht allein an der bemerkenswerten Zurückhaltung des CSU-Politikers Markus Söder, den der Moderator Frank Plasberg (bzw. dessen Talkshow-Crew) als Opponenten zu der von "Mother Merkel" ausgesprochenen (naiven?) Offerte an alle Welt, als mutmaßliches Rauhbein in der Runde, geladen hatte. Auch die Proponenten der  unter dem mitleidheischenden Begriff "Flüchtlinge" subsumierten Masseneinwanderung - der SPD-Vizechef Stegner und die Lutherjahr-Beauftragte Margot Käßmann pflegten einen moderaten Stil. Der als eine Art Schiedsrichter geladene "Experte" Herfried Münkler wusste aus guten Gründen seine Worte  zu wägen, indem er den Zustrom aus Nahost und anderswo als unumkehrbar, wenngleich mit möglichen Friktionen verbunden, erklärte. Immerhin ist in der herrschaftsfreien Atmosphäre der erweiterten Bundesrepublik (J.H.) nicht auszuschließen, dass die bislang anonym im Internet operierende "Muenkler Watch" in einer der nächsten Vorlesungen rabiate Unterstützung der - bis auf das islamisch schwarz  verhüllte Antlitz - offen agierenden Tante Antifa erhält.

II.
Söder wagte nur vage an die Bewahrung der deutschen - nicht etwa europäisch-abendländischen - Kultur zu erinnern, die angesichts der Massen aus dem Morgenland in Bedrängnis geraten könnte. Zwar riskierte er in seiner Kritik an Merkels "Willkommenskultur" sogar den Begriff "Leitkultur", aber an einer Zuspitzung der Debatte war ihm offenbar  nicht gelegen. Ansatzpunkte zu massiver  Kritik am kulturell-sozialen Transformations- und Konfliktkurs boten die Einlassungen von Käßmann und Stegner genug.

Käßmann bemühte  die Geschichte vom barmherzigen Samariter, ohne die Parabel hinsichtlich der politischen Realität, in der sich  Faktoren wie Verfolgung, wirkliche Not, Hoffnungen auf besseres Leben sowie die schiere Masse der  in "Germany" Einlass Begehrenden heillos vermengen, in historische Distanz zu rücken. Käßmann gab sich vom Naturell her optimistisch. In denselben Worten wie unlängst die Kanzlerin wies sie die im "Volk" sich regende Angst vor der Islamisierung zurück, "die Deutschen" (!) sollten sich aufs Christentum besinnen und sich  wieder ihrer Kirche zuwenden. Die Frage, warum der Exodus aus den Kirchen, insbesondere aus der evangelischen, ungebrochen anhält, wird mit derlei belehrendem Appell locker vermieden. Zugleich bekannte sich Frau Käßmann zur religiösen Neutralität des säkularen Staates. Wo Optimismus herrscht, ist Logik nicht vonnöten.

Das Problem,  inwiefern die  allseits beschworenen "demokratischen Werte",  zu denen sich die einwandernden Neubürger zu bekehren haben, einer spezifischen zivilreligiösen Metaphysik unterliegen, ist für Talkshow-Diskurse naturgemäß ungeeignet. Nichtsdestoweniger bekannte sich auch der SPD-Vize Stegner zu den "Werten". Als grundlegenden und für die Einwanderer-Flüchtlinge attraktiven Wert nannte er "das Recht auf Glück", das selbst "in der amerikanischen Verfassung" niedergelegt sei. Dass das "Streben nach Glück" (pursuit of happiness") nicht in der Verfassung, sondern in der Unabhängigkeitserklärung zu finden ist, hätte zumindest Münkler als Politikwissenschaftler milde korrigieren müssen. (Auch Söder verpasste die Chance auf einen Talk-Pluspunkt.)

Und so empfahl Stegner ohne Widerspruch die USA als das Land, das aus der Einwanderung seine erstaunliche ökonomisch-soziale Kraft gewinne. Dass, ganz abgesehen von der weltpolitischen Rolle der USA, derzeit zur ökonomischen Stärke  auch die Geheimhaltung der TTIP-Verhandlungen - selbst gegenüber kritisch interessierten Bundestagsabgeordneten in der eigenen Partei - gehört, kam dem SPD-Politiker nicht in den Sinn. Orientiert am transatlantischen Vorbild propagierte  Stegner die derzeitige Einwanderung als "Chance". Die "Chance" fungiert derzeit im Politsprech allenthalben als Zauberwort.

III.
Kritik an diesem Weltbild, in dem die Zukunft des kontinuierlich mit seiner Vergangenheit  konfrontierten "deutschen Volkes"  offenbar in einer "neuen Gesellschaft" aufgeht, war in der Talk-Runde nicht zu hören. Im Gegenteil: Münkler sprach von der heterogenen, gleichwohl "deutschen"  Gesellschaft der Zukunft, in der es nur zu verhindern gelte, dass sich "Ghettos" - die es als Parallelgesellschaften" in hinreichendem Maße längst gibt - herausbildeten. Zugleich verwies er auf das "wissenschaftlich" erwiesene Phänomen, dass Zuwanderer/Einwanderer/Migranten sich vorzugsweise in Stadtvierteln ansiedelten, wo sie verwandtschaftlich und kulturelle Ihresgleichen vorfänden. Eine ausgewogene Argumentation...

In der undankbaren Rolle, die Politik seines im politisch-medialen "Westen" ungeliebten Ministerpräsidenten Orbán zu verteidigen, wirkte der ruhig und faktensicher argumentierende ungarische EU-Gesandte Pröhle, ehdem Botschafter in Berlin, am überzeugendsten. Er verwies nicht nur auf die reale Rechtslage in der EU - einschließlich der im Schengen-Abkommen vorgesehenen Ausnahmeregelungen - als einer Staatengemeinschaft. Auch wollte er auf den Begriff der christlich geprägten Kultur Europas nicht leichthin verzichten. Nicht zuletzt erinnerte er als Lutheraner - und Präses der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Ungarn - die optimistische Theologin Käßmann an die Lehre Luthers von den "zwei Regimentern". Der säkular-lutherisch eingefärbte Begriff Max Webers "Verantwortungsethik" wurde in der Talk-Runde an einer Stelle kurz eingeflochten, nicht jedoch im Blick auf das, was "unserem Land" noch bevorsteht, diskutiert.



Freitag, 11. September 2015

Kritik der gründeutschen Gewissens-/Willkommenskultur: Chrismon

I.
Erwartungsgemäß fand der Blogger in seiner dank Internet und e-mail geschrumpften Briefpost einen Spendenaufruf des Diakonischen Werkes mit dem Aufdruck "Dringend!". Der Appell gilt dem schlechten Wohlstandsgewissen des bis dato stets zu Spenden bereiten Adressaten.

Dass es sich bei derlei Hilferufen um eine  protestantisch zeitgeistige Abwandlung eben jener Ablasspraxis handelt, die dereinst den Augustiner-Eremiten und Professor Dr. Martin Luther in Gewissensnöte stürzte, habe ich bereits vor einiger Zeit an anderer Stelle  (https://www.blogger.com/blogger.g?blogID=6 Zum protestantischen Ablasshandel und zur protestantischen Geldver(sch)wendung; 08.06. 2014 )  dargelegt. Wie werden wir angesichts der "in unser reiches Land" strömenden, nur mit Rucksack und Smartphone ausgestatteten Flüchtlinge und/oder Migranten mit unseren medial angefachten gründeutschen Schuldgefühlen fertig, mit  unserer unchristlichen, (post-)bürgerlichen Hartherzigkeit? "Refugees welcome!"? Gut, wen  kümmern noch begriffliche Differenzierungen, aber: Sollen wir, dürfen wir unserer Bundeskanzlerin ("Mother Merkel"), unserem Bundespräsidenten (Ex-Pastor Gauck) widersprechen? Oder müssen wir nicht doch wieder spenden?

II. 
Aus derart säkular-religiösen Zweifeln  befreit die Frühstückslektüre von  "chrismon. Das Evangelische Magazin 09.2015", der Monatsbeilage aller bundesrepublikanischen "Qualitätszeitungen". Das Titelbild verweist auf  die Seelen- und Gewissensnöte von Frauen, gespalten zwischen "Familie und Beruf" : links eine halbe rosa Bluse mit Perlenschmuck (!), rechts ein  halber Babyanzug, grün (?) bekleckert. Naturgemäß zielt das Thema auf den allein in gehobenen Akademikerinnenkreisen akuten  Konflikt zwischen "Kind und Karriere", nicht auf den Kampf der in Schichtarbeit schuftenden Kassiererin bei Aldi - egal ob Alleinerzieherin oder noch  in angestaubten Familienverhältnissen  verwurzelt  - für ein dürftiges Nettoeinkommen ihrer Familie.

Den eigentlichen Aufmacher findet der Leser sodann auf der mit weniger bekannten Köpfen - abgesehen vom dreifach vertretenen Luther - garnierten  Doppelseite  mit dem Titel "Luther relaoaded". Was da "reloaded", d.h. fürs Lutherjahr 2017 aufgekocht und säkular serviert wird,  ist nichts anderes als das - in protestantischer Protestversion historisch verkürzte Bekenntnis des  spätmittelalterlichen Mönches aus Wittenberg auf dem Wormser Reichstag vor Kaiser Karl V.: "Sie können nicht anders. Sie müssen aufstehen und bohrende Fragen stellen, unbequeme Wahrheiten sagen, Missstände [gemäß nRs mit drei "s" hintereinander] aufdecken. Sie riskieren ihr Geld, ihre Freiheit, ihre Ruhe - und mancher auch sein Leben: Menschen aus aller Welt, die dem alten Reformator verdammt ähnlich sind."

Die sechs Autoren und -innen des Artikels präsentieren als Vorbilder den syrischen Journalisten und Rechtsanwalt Mazen Darwish, der unter dem Assad-Regime vom Tode bedroht, von den 16 deutschen Lutherstädten  mit dem Preis für "Das unerschrockene Wort" belohnt wurde.  Als zeitgenössische Luther-Figuren  fungieren ferner der iranische Regisseur Jafa Pannar ("Taxi Teheran"), die englische Journalistin Sarah Harrison,  die es ob ihrer Unterstützung für den Whistleblower Eward Snowden vorzieht, lieber in Berlin zu leben als in England. Der Blogger reibt sich die Augen: Was ist aus dem Land des habeas corpus geworden , dem Mutterland westlicher Freiheitsrechte? Wie übel es dem Blogger Rauf Badawi in Saudi-Arabien erging und noch ergeht, ist bekannt. Auch dass in Tansania wie in den meisten Ländern Afrikas die "Eliten" schamlose Korruption betreiben, ist nichts Neues. "chrismon" stellt den Oppositionspolitiker Zitto Kabwe, 38, als geistigen Nachfolger Luthers vor. Als role models des modernen Luther-Ideals sind sodann eine "Pussy-Riot"-Aktivistin abgebildet - um ein Haar wären vor einem Jahr (?) die Pussy-Tussies mit dem zivilreligiösen Tapferkeitsorden der 16 Lutherstädte ausgezeichnet  worden -, des weiteren eine Bloggerin, die gegen Hartz IV "von  innen"  (?) mobil macht, ein in Washington, D.C. lebender chinesischer Bürgerrechtler, eine grüne Stadträtin aus Freital in Sachsen sowie  am Ende eine Aktivistin aus Südafrika , die im Lande des klassisch polygamen - nicht etwa modern "polyamoren" - Jacob Zuma "Gleiche Rechte für Lesben!" fordert: "Dawn Cavanagh kann echt nicht anders. Die ist so. Mitreißend, charmant, pointiert, voller Energie - ein Kämpferin." Usw. usw.

III.
Auf der Leserbriefseite betreibt das "Evangelische Magazin" unter Bezug auf die August-Nummer Selbstbeweihräucherung: "Eine Ausgabe, die fasziniert", so der Titel. Es handelt sich um ein Zitat aus der enthusiastischen Zuschrift ("Ich kann mich nicht erinnern, je eine Ausgabe in den Händen gehabt zu haben, die mich mehr beeindruckt, ja fasziniert hat.")  eines  Leserbriefschreibers aus Bad Sachsa. Die Rubrik "Vorbilder", in der die amerikanische Kriegsfotografin Lee Miller vorgestellt wurde,  fand er "unverzichtbar. Danke für diese tolle Ausgabe."

Der Blogger einnert sich an die - ohne Frage auf "fairem" Papier gedruckte - August-Ausgabe mit dem Porträt der US-Kriegsfotografin. Dass diese im Frühjahr 1945 angesichts der  Schreckensszenen  aus den befreiten Konzentrationslagern  würgendes Entsetzen befiel, ist verständlich. Ebenso, dass sie für diejenigen Deutschen, die sich ihr gegenüber nun allesamt als Nazi-Gegner präsentierten, nur Verachtung empfand. Als nicht minder verächtlich erschien dem Blogger in dem Lebensbild der Fotografin indes jener Passus, aus dem hervorging, dass Lee Miller die Deutschen in collectivo bis zu ihrem Lebensende gehasst habe.

Dem erwähnten Leserbriefschreiber ist dieser Satz  womöglich  in gründeutscher Unschuld entgangen. Ob dies auch für die Redaktion von "chrismon" zutreffen könnte, ist hingegen kaum denkbar. Wie  derlei Hasserklärung mit der christlichen Liebesbotschaft zu vereinbaren sei, war den Christenmenschen von "chrismon"  offenbar keine Frage wert... 

IV.
Immerhin erlöst das evangelische Selbstlob den Blogger aus Selbstzweifeln bezüglich des Spendenappells. Solange die Kirchenoberen aus ihrem Budget, d.h.  mit seiner Kirchensteuer, den Druck  von "chrismon", der  Moralpostille  für den  geistigen Mittelstand,  finanzieren, statt sich um die tatsächlich Mühseligen und Beladenen zu kümmern, sieht er sich nicht genötigt, sein Girokonto zu öffnen, weder für die realen Flüchtlinge noch für die verfolgungsfreien migrantischen "refugees", die zu Hunderttausenden quotenfrei in Germany ihr Glück suchen. Für die Merkel-Gaucksche "Willkommenskultur"  steht der Blogger als Steuerzahler ohnehin schon in der Pflicht. Ihm ist zudem nicht bekannt, dass Merkel - vor ein paar Jahren erklärte sie "Multikultur" noch für "gescheitert" - oder Gauck - dieser erklärte  anno 2010 Thilo Sarrazins Warnung vor der Masseneinwanderung (cf. H. A.: Sarrazin und die Zukunft der Deutschen: Die Abwicklung eines ›Falles‹ als Abkehr von der Wirklichkeit ) noch für "mutig" -  mit nur einem Wort die Offerte der Saudis abgewiesen hätten, die Willkommenskultur für die mehrheitlich muslimischen Flüchtlinge/Migranten/Zuwanderer mit dem Bau von 200 Moscheen zu fördern.

V.
P.S. Inhaltliche Unterstützung für die Kritik der gründeutschen "Willkommenskultur" fand der Blogger am folgenden Tage im Leserbrief eines emeritierten Pastors aus Itzehoe (in: FAZ v. 08.09.2015).  Dieser schreibt u.a.: "Die öffentlichen Reaktionen [auf das Bild eines ertrunkenen Kindes] zeigen jene Emotionalität, die jedes rationale Denken  überschwemmt. [...] Was soll das Gerede von der ´Schuld Europas´? Schuld sind die, die diese graumsamen Kriege führen. Schuld ist Europa, weil es aus falsch verstandenem Pazifismus sich weigert, dort militärisch zu intervenieren und so die Mordbanden wüten lässt. Und gleich dazu: Im Fernsehen sehe ich die Spendenwerbungen, das Rote Kreuz, evangelische Diakonie, Arbeiterwohlfahrt oder die katholische Caritas. Von islamischen Hilfsorganisationen lese ich nichts. Wer aber verursacht diese Völkerwanderung? Christliche Kreuzfahrer sind es jedenfalls nicht. [...] Es sind ja die Aktivisten, die Bestausgebildetsten, die Vermögendsten, dier sich die Flucht leisten können, die Armen und Apathischen bleiben zurück. Wir bilden uns etwas auf unser Gutsein ein, fordern Willkommenskultur, doch die Herkunftsländer bluten aus... Darüber wird bei uns tiefgründig geschwiegen, da ist sich das Kartell der öffentlichen  Meinungsmache einig."

Was die Zustände in Syrien betrifft, so verweise ich auf zwei im Anfangsstadium des mörderischen Chaos verfasste Artikel Zum Unfrieden in Nahost: unbequeme Faktenlage  sowie Grundsatzfragen. Zum Bürgerkrieg in Syrien III. Womöglich sorgt jetzt - letzten Meldungen zufolge - der böse Kremlchef Putin mit Waffen und Soldaten für seinen Verbündeten Baschar al Assad  für ein Ende der seit Jahren anhaltenden Massaker. Es wäre die Alternative zu der von dem zitierten Pastor  geforderten Intervention "Europas" .

P.S. 30.Juni 2016:
Der obige Blog-Eintrag erweist sich als zeitloses Dokument:. Aus irgendeinem gegebenen Katastrophen-Anlaß (ad libitum Krieg, Bürgerkrieg, Ethno-Krieg , Asylsuchende aus den aufgrund grün-roter Bundesrat-Blockade und der anstehenden Sommerpause auf unabsehbare Zeit weiterhin als "unsicher" geltenden Maghreb-Staaten, aus Gambia, Ghana usw.) trudelte vor ca. zwei Wochen wieder ein diakonischer Mahn- und Bettelbrief ans schlechte Gewissen ein. Die Sozialindustrie der post-nationalen Bundesrepublik im post-christlichen Europa scheint moralisch, genauer:  moralpolitisch und finanziell unersättlich.
P.P.S. Siehe auch: http://globkult.de/108-staendige/herbert-ammon/1058-fluechtlingsstroeme-einspruch-gegen-die-leichthaendige-behandlung-eines-schwierigen-themas

Samstag, 22. August 2015

Nachruf auf Egon Bahr: Zum Abschied von einem deutschen Staatsmann

Anlässlich des Todes von Egon Bahr (1922-2015) habe ich einen Nachruf verfasst, der demnächst in "Globkult" erscheinen wird. Ich bitte die Leser des Blogs (und/oder von Globkult) um Geduld.

P.S. 23.08.2015:

Der Nachruf ist soeben in "Globkult" erschienen:
Der Realist und Patriot Egon Bahr (1922-2015).

Mittwoch, 29. Juli 2015

Was wirklich links ist. Eine Begriffsklärung

Beim "Browsen" stieß ich über ein Zitat, das mir zugeschrieben, in Wirklichkeit von einer Autorin stammte, die wiederum  in einem Beitrag  zur politischen Bildung ( Legitim? Herrschaft durch Sprache in Politik und Wissenschaft ) meinen Aufsatz Politische Semantik: Zur Durchsetzung von Begriffen im herrschenden Diskurs (in Globkult. v.. 24.3.2008) als Beleg anführte, auf eine Kritik der herrschenden Sprachverwirrung.

Sie stammt von Günter Ropohl, emerierter Professor für für Wissenschafts- und Technikphilosophie an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main. In einem Aufsatz über Politische Korrektheit: Wider den Aufstand der Gutmenschen für "Novo Argumente" schrieb er folgendes:


«Die Pathologie des Moralismus hat mit politischen Orientierungen überhaupt nichts zu tun. Daran können gleicherweise Linke und Rechte leiden. Doch in der jüngeren Vergangenheit ist der Moralismus besonders in Kreisen ausgebrochen, die sich selbst zuschreiben, fortschrittlich und links zu sein. Aber mit den Grundsätzen wirklich linken Denkens haben sie nur wenig gemein. Die grundlegende Devise der Linken ist die „Befreiung des Menschen von den unbegriffenen und unkontrollierten Mächten der Gesellschaft und der Natur“. So hat Rudi Dutschke 1968 das Programm der antiautoritären Linken auf den Punkt gebracht, [6] und er konnte sich auf Karl Marx und Friedrich Engels berufen, für die „die freie Entwicklung eines jeden die Bedingung für die freie Entwicklung aller ist“. [7] „Freiheit“ ist der Grundgedanke der Linken, und eigentlich wären sie die wahren Liberalen, die sich bloß nicht so nennen wollen, weil der alte Wirtschaftsliberalismus über der Freiheit der Besitzenden die Freiheit aller anderen vergessen hat.

„Politische Korrektheit“ aber ist der Versuch, wieder einmal Herrschaft zu etablieren: diesmal über die Sprache und damit über das Denken. Sie ist eine neue unbegriffene Macht der Gesellschaft, und wer wirklich links denkt, muss sich dem widersetzen. Wer Herrschaft über die Sprache ausüben will, kann nicht links sein. Wenn beträchtliche Teile der Sozialdemokratie und der grünen Bewegung mit abwegiger Moralisierung die Sprache vergewaltigen, beweisen sie damit nur, dass sie längst nicht mehr zur Linken gehören, sondern das Diktat eines kleinbürgerlichen Moralismus errichten wollen. Was Wunder, wenn unabhängige Geister jenes moralinsaure Gebräu dann spöttisch als Gutmenschentum etikettieren! Es ist sehr verwunderlich, dass gewisse Zeitgeistauguren das dann auch noch mit linkem Denken verwechseln. [8]»


Dienstag, 28. Juli 2015

The Great Migration


I.
The Great Migration lautet  der eine in englischsprachigen Geschichtsbüchern noch gebräuchliche Terminus  für die germanische Völkerwanderung; der andere  "barbarian invasions". Im 21. Jahrhundert verläuft die Bewegung in umgekehrter Richtung als ehedem in der Zeit des Niedergangs Roms. Sie geht hauptsächlich von Süden nach Norden. Das Land, in dem man sich über den Ansturm aus aller Welt (und aus Ländern innerhalb und außerhalb EU-Europas) am wenigsten distanziert Gedanken machen darf, ist zweifellos Deutschland. Sonst gerät man in Teufels Küche.

Das beginnt mit der Begriffsverwirrung: Flüchtlinge aus politischen  Gründen, für die das Asylrecht nach Artikel 16a GG, ante revisionem Art. 16(2) gedacht ist - niemand dachte anno 1949 an die Zahlen von heute, auch nicht an die permanente begriffliche Ausweitung -, werden mit "Migranten" in einen Topf geworden, die wiederum als "Wirtschaftsflüchtlinge" auf das Mitleid der Migrationsbeauftragten, der Sozialindustrie, last but not least der Wirtschaftsverbände zählen dürfen, abgesehen von den staatlich alimentierten  "linken"  Klassenkämpfern, die für den revolutionären Endsieg eine Reservearmee von "refugees" benötigen.

II.
Blickt man nach Syrien, Irak und Afghanistan oder Eritrea,  so scheint die Asylproblematik  eindeutig. Verständnis und Sympathie überwiegen angesichts des Schreckens gegenüber der Skepsis hinsichtlich der Motive eines jeden einzelnen. Damit ist die Frage nach der Anzahl der Aufzunehmenden - und Integrierbarkeit mancher Gruppen - indes nicht beantwortet. Allein die Frage nach der Quantität der gebotenen Humanität ist bereits wieder tabuisiert.

Der "Spiegel" (Druckausgabe), 27.07.15)   - das Titelblatt geziert von einer Afghanin in rosa Kopftuch - macht mit Entsetzen auf: "Deutscher Fremdenhass", oder so ähnlich. Nicht zufällig wird  die Frage, wie und warum es zu den genannten Massenfluchten gekommen ist, in der gegenwärtigen Debatte, soweit sie  überhaupt seriös geführt wird , weithin ausgeblendet.  Es könnten die alten und neuen politischen Sünden - in vielen Fällen ununterscheidbar von imperialer Arroganz und gigantischer Dummheit - zur Sprache kommen. Wer weiß hierzulande etwas vom  Sykes-Picot-Geheimabkommen von 1916, wer will sich noch an die mörderische Absurdität des Irak-Krieges 2003 sowie an die Beseitigung des Diktators Muammar al Gaddafi erinnern? Widerspruchlos gelangten die um ihre Ehre besorgten "Großfamilien" aus Nahost ins Land, z.T. schon vor dem "Bürgerkrieg" im Libanon.  Wen kümmern die realen Folgen des Geschwätzes von der "Facebook-Revolution" ? Usw. usw. Wer zog die Strippen beim womöglich noch "erfolgreichen" Versuch, den Stabilitätsgaranten Assad Jr. zu stürzen? Denkt die NATO bei ihren derzeitigen Konsultationen etwa im Ernst daran, den Bündnispartner Erdogan zur Räson zu bringen?

III.
Auf dem Weg ins Traumland Europe/Germany befinden sich parallel zu den Flüchtlingen aus Nahost Abertausende von "Migranten" aus Pakistan, Indien, Bengalen und sonstwo. Der Hauptstrom kommt derzeit aus Afrika, selbst wenn die Statistiken für Deutschland derzeit auf den Kosovo verweisen..

Soweit Eritrea als Herkunftsland mit schlimmer Diktatur genannt wird, gilt es wiederum, nach den Ursachen der heillosen Geschichte zu fragen. Ursächlich war der alte Ost-West-Konflikt an einem seiner Schauplätze am Horn von Afrika. Man komme im Falle Eritreas nicht mit der Kolonialgeschichte. Vor Jahrzehnten lernte der Blogger in Erlangen einen jungen Eritreer als Flüchtling (?) kennen, der  ihm erzählte, sein Vater sei vom italienischen Faschismus in der Kolonie recht angetan gewesen.

Der Dauerkrieg zwischen Äthiopien iund Eritrea begann, als das von den Sowjets - und der DDR-Stasi - gestützte "progressive" Schreckensregime des Diktarors Haile Mariam Mengistu von diversen ethnischen "Befreiungsbewegungen" zum Kollaps gebracht wurde. Kaum war die Unabhängigkeit Eritreas  konzediert, ging der Krieg  um ein paar Quadratkilometer Wüste seitens Eritreas von neuem los. Eine unendliche Geschichte. Warum hat bislang keiner der westlichen Staatsmänner daran gedacht, mit  dem  Regime in dem failing yet warring state am Roten Meer so zu verfahren wie mit Gaddafi? Wie wär´s mit einer peace enforcing mission ?


Bei seiner Afrika-Tour hat Obama Eritrea gemieden. Ihn zog es ins Land seines unbekannten Vaters, nach Kenya. Für den Präsidenten Uhuru Kenyatta, Sohn des alten Yomo Kenyatta, Chef der Kikuyus, brachte der Luo-Abkömmling Obama eine erstaunliche  Botschaft mit: "Afrikas Zukunft liegt in Afrikas Händen."  Auf eine Spezifizierung der Botschaft, jenseits der Aufforderung zu demokratischen Reformen, verzichtete der Präsident. Umso mehr lag ihm das Schicksal der in Afrika ungelittenen Homosexuellen am Herzen. Solange denen diverse postkoloniale Staaten üble Strafen angedeihen lassen, liegen für die Helfer-Industrie hierzulande wiederum reichlich schwer zu widerlegende Asylgründe vor.

IV.
Die Bevölkerung Afrikas beträgt derzeit schätzungsweise eine Milliarde Menschen, eher noch  mehr. In einigen Jahrzehnten dürfte sich die Zahl vedoppelt haben. Wieviele Millionen davon weiterhin ihr Glück jenseits des Mittelmeers suchen werden, ist nicht abzusehen. Wie indes die Abermillionen in Europa dann - von der Natur der Sache her  "multikulturell" -  zu integrieren sind, wissen die, die davon in schönen Worten reden, mit Sicherheit selbst nicht.

Das Thema Afrika brachte der deutsche Staatsbürger Prinz Asfa-Wossen Asserate,  dem Lande, das ihm nach  dem  blutigen Coup des o.g. Mengistu Asyl  gewährte, bis heute dankbar, in der FAZ vom 17.Juli im Titel seines Beitrags auf den Punkt: Afrikas Hoffnung verlässt den Kontinent". Es sind nicht die Verfolgten oder die Elenden, die ihre Herkunftsregionen verlassen,  sondern die, die ihre Chancen kalkulieren können. Bezüglich der nach Europa hereindrängenden Massen sagte Asserate, " [wir] werden bald nicht mehr von Migration sprechen, sondern von einer Völkerwanderung".

Montag, 20. Juli 2015

Zum 20. Juli: Werte für die Bundeswehr


I.
Welche Bedeutung im Zeichen der totalen (Post-)Moderne allgemein in Europa noch irgendwelchen Traditionen zukommt, bedürfte einer weit ausgreifenden Untersuchung. Mutmaßlich gehört zu den am dürftigsten mit „gelebten“ Traditionen ausgestatteten Ländern in Europa  die Bundesrepublik Deutschland, ablesbar u.a. an den alljährlichen Kirchenaustritten - sofern konfessionelle Zugehörigkeit im vergangenen Jahrhundert - unter Vorbehalt -  noch als Indikator für (christliche) Traditionsbindung gelten konnte.

Indes kommt unter dem - in öffentlicher Rede gemiedenen - Aspekt der Zivilreligion kein Staatswesen ganz ohne Traditionen aus (wenngleich bundesrepublikanische Verfassungspatrioten den Glauben an ihre res publica allein aus der abstrakten und/oder deliberativen,  real und spezifisch höchsteigenen Vernunft ableiten möchten). Am schwierigsten haben´s dabei die – per Revision des Grundgesetzes - für ihren Wertedienst gleichgestellten, syntaktisch bevorzugten Soldatinnen, sodann die Soldaten. Ihnen müsste im Hinblick auf die euro-atlantische Wertegemeinschaft sowie auf die Einwanderungsgesellschaft bei der Eidleistung („Recht und Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen“) etwas unbehaglich zumute sein. Wo steht jeweils „Recht und Freiheit“ auf dem Spiel, und zu welchen bündnispolitischen Zwecken sollen sie - nach Abzug vom Hindukusch – demnächst ihr Leben riskieren?

II.
Der Begründung und Festigung bundesrepublikanischer Tradition dient seit einigen Jahren die Vereidigung von neuen Wehrwilligen am Abend des 20. Juli im Bendlerblock zu Berlin. Ausreichend bereitgestellte Polizei sorgt dafür, dass die Zeremonie nicht von lautstarken „linken“, vermeintlich pazifistischen, tatsächlich meist „antideutsch“ gestimmten Protestierern gestört wird.
Bei der diesjährigen Veranstaltung hält Klaus von Dohnanyi, Sohn des ermordeten Widerstandskämpfers im Amt Canaris Hans von Dohnanyi, eine Rede.

Die Frage drängt sich auf, inwieweit – von den Überzeugungen des Redners Dohnanyi abgesehen – die heutige, für globale Einsätze vorgesehene Bundeswehr noch in irgendeiner Traditionslinie zum 20. Juli zu sehen ist. Die „vaterländischen Gefühle“ (Peter York von Wartenburg), welche die Männer - und (phraseologiefrei) Frauen – um Stauffenberg im Bendlerblock bewegten, sind – als eine der Spätfolgen des Scheiterns von Attentat und Staatsstreich - teils historisch obsolet, teils politisch inkorrekt geworden. Die militärische – medial ans „deutsche Volk“ übermittelte - Traditionsstiftung der Berliner Republik zielt an der sozialen Wirklichkeit und der politischen Kultur der Bundesrepublik vorbei.

III.
Für Soldaten geht es zudem um praktische Fragen: Wie, d.h. mit welchen Waffen, sollen sie den Frieden bewahren (oder schaffen), der Freiheit, dem Recht usw. dienen? Für derlei Fragen ist, berufen von der Ministerin Ursula von der Leyen, die neue Staatsekretärin („Ich als Beamtin“) im Verteidigungsministerium Dr. Katrin Suder zuständig. Aus ihrer früheren Rolle als Direktorin bei McKinsey Consulting hat sie Begriffe des Business English als Equipment fürs neue Büro mitgebracht, beispielsweise „deep dive“ und „commitment“. Katrin Suder, Physikerin und Theaterwissenschaftlerin, hält die dreifache Bedeutung des Wortes im Deutschen (Hingabe, Verpflichtung oder Engagement) für geeignet, „um die Beziehung des Soldaten zu seinem Beruf zu beschreiben“, so der Autor des Porträts der Staatssekretärin (in: FAZ v. 17.07.2015).

Entsprechend beeindruckt zeigt sich die Rüstungssekretärin („Ich als oberste Rüsterin“)  von der besonderen Berufsauffassung der Soldat(sc.-inn)en. Für Katrin Suder ist Soldat sein auch eine „sehr emotionale, sehr wertegebundene Aufgabe“. Eine Spezifizierung der Emotionen und Werte ist dem Artikel nicht zu entnehmen. Den aus dem Wortlaut des Grundgesetzes abzuleitenden konventionellen – oder eben bloß traditionellen - Werten von Ehe und Familie (Art. 6;1: " Ehe und Familie stehen unter dem besondern Schutze der staatlichen Ordnung") ist die Staatssekretärin auf spezifische Weise verpflichtet (engl. committed to): „Mutter zweier Kinder, in gleichgeschlechtlicher Partnerschaft lebend.“ Welche Emotionen bei den Soldaten vermittels besserer Ausrüstung zu stärken sind, ist dem Bericht aus dem einstigen kaiserlichen Reichsmarineamt nicht zu entnehmen.

IV.
Klar, wenn die deutschen Soldatinnen und Soldaten wieder an die Front sollen, brauchen sie bessere Waffen, z.B. Panzer mit Sitzen, die auch für hochschwangere Soldatinnen gut abgefedert sind. Um den deutschen Panzerbau, bislang bei Kraus Maffei Wegmann (KMW) in besten Händen, sorgt sich auch Rainer Arnold, verteidigungspolitischer Sprecher der SPD im Bundestag. Er fordert (als „Fremde Feder“ in der FAZ v. 08.07.2015, s. 8): „Ausverkauf deutscher Panzer an Frankreich verhindern!“. Der Blogger reibt sich die Augen. Gefährdet derlei „Forderung“ nicht a) die deutsch-französische Freundschaft als Kern der Europäischen Union b) die Rüstungskooperation auf möglichst vielen Gebieten, zum Zwecke vereinheitlichter Standards, Kaliber und globaler Einsatzfähigkeit c) den Kampf gegen jede Art von Nationalismus? Arnold warnt vor einer Fusion mit dem französischen staatlichen Rüstungsunternehmen Nexter. Im Blick auf deutsche mittelständische Zulieferungsunternehmen schreibt er weiter: „Der französische Konzern Thales ist ein direkter Konkurrent, und die französische Politik versteht die nationalen Interessen zu wahren.“ 

Incroyable! Welche Töne! Bewegen den SPD-Verteidigungsexperten am Ende gar „vaterländische Gefühle“? Mitnichten. Es geht darum, den Verlust von Arbeitsplätzen zu verhindern, im Falle einer Fusion wandert „die auch mit Steuermitteln aufgebaute Technologie ins Nachbarland ab. Deutschland würde seinen Spitzenplatz unwiederbringlich verlieren. Und der ´Leopard der Zukunft´ würde ein Franzose.“

Man sieht: Auch hier geht es um nationale Werte, wenngleich mehr um materielle. Es bleibt die bedrängende Frage, ob auch Frau Suder mit allem ihrem bei McKinsey erworbenen Verständnis für die Materie, nicht zuletzt bei ihrem deep dive in die Seele und  die Sorgen der Truppe gegenüber derlei nationalen Emotionen Verständnis zeigt.