Samstag, 28. Mai 2016

Religio civilis: Ein Nachfahre Kettelers zum Katholikentag

I.
Der Blogger, evangelischer Kirchensteuerzahler, hat sich zu Fragen der Relevanz  des tradierten Christentums in der radikal säkularisierten Welt des einstigen "Abendlands", mehrfach geäußert. Ich verweise auf die entsprechenden Globkult-Aufsätze zu Dietrich Bonhoeffer sowie auf einen 1999 erschienenen Aufsatz "Zum Elend des deutschen Protestantismus am Ausgang des 20. Jahrhunderts", der soeben in  Mai-Nummer des "Merkur. Zeitschrift für europäisches Denken" aufgelistet wurde: https://volltext.merkur-zeitschrift.de/article/mr_2016_05_0053-0062_0053_01.pdf?; s..a.: H.A.: "Zur Identitätskrise des deutschen Protestantismus A.D.. 2001", in: Thomas A. Seidel (Hg.): Gottlose Jahre? Rückblicke auf die Kirche im Sozialismus der DDR, 2002: https://www.academia.edu/3208028/Zur_Identit%C3%A4tskrise_des_deutschen_Protestantismus_A.D._2001; s.a. den aus einem Beitrag für die "Junge Freiheit" zu Bonhoeffer entstandenen Essay https://www.academia.edu/17510695/Zum_biographischen_Umgang_mit_dem_Bild_Dietrich_Bonhoeffers)

Es geht um das Dahinschwinden der christlich-religiösen Sinngebung in der  westlichen ("abendländischen") Moderne/Postmoderne, welches die - aus eben diesen Gründen, keineswegs bloß vulgär materiellen/ materialistischen Motiven -  schrumpfenden "Volkskirchen" durch  politischen Aktivismus, d.h. durch verabsolutierte gesinnungsethische Konzepte, vermeinen kompensieren zu können. Eklatante Beispiele dafür bieten seit langem die mit medialem Aufwand und Politikerprominenz betriebenen evangelischen oder katholischen Kirchentage. Das Großthema beim derzeitigen Katholikentag in Leipzig bildet parallel zur "Flüchtlingskrise" naturgemäß der "interreligiöse Dialog". .

II.
Was beide Kirchen dabei tunlichst vermeiden, ist eine überzeugende, realitätsgerechte Auseinandersetzung mit der Problematik des durch Jahrzehnte von  "Zuwanderung" sowie zuletzt durch die  Fluchtbewegungen aus dem nahöstlichen Chaos in Europa unübersehbar anwachsenden Islam - in all seinen  Spielarten. Auf die Selbstausdeutungen und die Selbstgewißheiten der betreffenden, der Aufklärung  und Säkularisierung abholden Offenbarungsreligion reagieren die Kirchen - von kritischen Stimmen wie dem einstigen EKD-Vorsitzenden Wolfgang Huber oder dem zurückgetretenen Papst Benedikt XVI.  abgesehen - durchwegs wohlwollend verständnisvoll.

Die Vorstellung friedlicher Koexistenz und Kooperation in der "globalisierten" Gegenwart und Zukunft gründet vorwiegend  in Bild und Begriff der "drei abrahamitischen Religionen". Weder eine historisch.-kritische noch eine theologisch differenzierende Reflektion des - letztlich auf die politisch-gesellschaftliche Gegenwart gemünzten - Begriffs findet statt. Stattdessen "fordert" - anders als das "Volk" fühlen sich die Vertreter der "Eliten" stets aufgerufen zu "fordern"- der derzeitige EKD-Vorsitzende Bedford-Strohm "flächendeckenden" Islamunterricht im (neuen) Deutschland. Als ob dadurch die Problematik der von der türkischen Ditib, von diversen Islamräten oder sonstigen Saudi-finanzierten Moscheeen und Koranschulen betriebene "Wertevermittlung" erfasst wäre. Als ob damit die tieferliegende Frage, wie die der kulturell-sozialen "Integration" in die - hierzulande mit spezifisch deutschen -  zivilreligiösen Dogmen ausgestattete Gesellschaft zu gewährleisten sei, beantwortet wäre...

 III.
Vor diesem Hintergrund spielt sich der Katholikentag im ehedem real-sozialistischen, heute nur noch real atheistischen sowie westlich-demokratisch umgeformten Leipzig statt. Zur ideologischen Absicherung des katholischen Politspektakels hat man Vertreter der AfD von vornherein ausgesperrt, obgleich zum Spitzenpersonal der verpönten "Populisten"-Partei konservativ fromme Protestantinnen wie Beatrix on Storch oder der bekennende - wenngleich progressiv geschiedene - Katholik Jörg Meuthen gehören.

Widerspruch gegen das kirchentagspolitische Arrangement ist in einem Artikel in "Cicero" zu finden. Darin verweist der Autor Klaus-Rüdiger Mai auf die lange heruntergespielte Gewalt gegen Christen in Nahost sowie derzeit in deutschen Flüchtlingsheimen: http://www.cicero.de/salon/streit-um-katholikentag-die-kirche-ordnet-sich-der-parteipolitik-unter/60957 . Ein Kommentar dazu kam von  einem (indirekten) Nachfahren des Gründers des I. Deutschen Katholikentages anno 1848 (und somit eines  historischen Stammvaters der CDU/CSU). Unter der Überschrift "Kath. Kirche im Sog des mainstreams" schreibt Michael von Ketteler: "Einer unserer berühmtesten Vorfahren, Bischof Wilhelm-E. von Ketteler aus Mainz, ein Mitbegründer des Kath.tags 1848, mußte sich in jüngster Zeit öfter im Grabe drehen. Ausschluß AfD, aber mit Herrn MP Ramelow (LINKE) und dem wegen einer Beleidigung von Kardinal Meissner verurteilten Volker Beck (B90/G) auf dem Podium. Ausschluß bekennender Christen, aber Betonung der Ökumene. Hier stimmt was nicht. Katholisches, christliches Bekenntnis sieht anders auch. Die CDU (Sternberg) hat den "Schuß" noch nicht gehört, "schießt" aber selbst - vereint mit rot-rot und grün auf mündige Wähler, statt Flagge zu zeigen. Wofür steht die DBK und das ZDK noch? Hört sich eher nach Merkel-Wahlverein an. Herr Sternberg spricht nicht für alle Katholiken, für mich schon lange nicht mehr. Schade."

Dienstag, 24. Mai 2016

Vorschlag: Regierungssitz an den Bosporus

Die Rhetorik der Kanzlerin findet in der ihr mehrheitlich noch immer gewogenen Qualitätspresse ihren Niederschlag in ausführlichen Zitaten, nicht etwa in knappen, konjunktivisch vermittelten Zusammenfassungen. In der  FAS ("Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung") war zuletzt folgender Merkel-Satz zu lesen: "Wenn Schwierigkeiten auftauchen, versuche ich sie zu überwinden oder andere Wege zu finden, damit wir es schaffen, eine Herausforderung zu meistern."

Merkel antwortete auf Fragen, die sich auf ihre Schwierigkeiten im Umgang mit Person und Politik des Präsidenten Erdogan bezogen. Übers Wochende weilte Merkel erneut - zum wievielten Male eigentlich? - in der Türkei, diesmal in Istanbul, um mit Erdogan über gewisse Unstimmigkeiten in der Ausdeutung und Anwendung des unter EU-Vorzeichen mit dem inzwischen - wegen Erdogan - zurückgetretenen Ministerpräsidenten Davutoglu geschlossenen Abkommens zur besseren Bewältigung der "Flüchtlingskrise" zu sprechen.

Nicht nur die Details des Abkommens sind für den bundesrepublikanischen Abendschau-Konsumenten etwas kompliziert: Es geht um die Rücknahme von offenbar unberechtigt in Europa (sprich: in Deutschland)  Asyl Begehrenden im Tausch gegen "Kontingente" von Berechtigten; vor allem aber geht´s um Visafreiheit für alle Bürger(-innen) der Türkischen Republik, die als prospektive Europäer die touristischen Schönheiten des Kontinents, ihre Verwandten und möglichen Ehegatten besuchen  und suchen möchten. Weiter hinten in der Türkei, mittlerweile auch schon in Istanbul, warten überdies noch eine Anzahl türkischer Bürger  kurdischer Herkunft, Sprache oder Gesinnung, der Drangsalierung in den anatolischen  Heimatregionen zu entkommen und/oder die PKK im sicheren deutschen Exil zu verstärken.

Wie den Internet-Zeitungen, nicht zuletzt dem vom Blogger ob seiner geistigen Schlichtheit geschätzten Yahoo!, zu entnehmen war, geht  Erdogan beim Tausch ("Deal") - migrantische refugees gegen
unglückliche Syrer mit realer Asylaussicht -  selektiv vor. Er behält die aus seiner Sicht besser qualifizierten Syrer, d.h. die von Merkels medialen supporters in der Phase der "Willkommenskultur" angekündigten Ärzte, Ingenieure, Professoren usw., bei sich im Land und schickt vor allem Kranke zur Genesung und geringer Qualifizierte (sprich: Analphabeten) zur Ausbildung gen Westen. Immerhin könnte es sich mangels verifizierbarer Daten bei derlei Yahoo!-Meldungen um ein bloßes Gerücht handeln.

Wie auch immer. Die Bewältigung der "Flüchtlingskrise, genauer. der mit der noch am 5. September 2015 proklamierten Einladung an alle schwerlich vereinbare Stopp der Einwanderung über die Agäis und die "Balkanroute", erweist sich als äußerst komplexe Materie, selbst für die "als Physikerin" stets rational operierende Kanzlerin Merkel. Wann immer es Erdogan beliebt, die Versuchsanordnung in Merkels Sozialexperiment durcheinanderzubringen, stehen neue Verhandlungen in Ankara oder Istanbul an. 

Noch macht Merkel, ungeachtet aller sonstigen Belastungen, etwa im Umgang mit der CSU und angesichts der Unsicherheitsfaktoren in dem künftigen schwarz-grün-gelben Koalitionskalkül, einen robusten Eindruck. Dennoch könnten zahllose weitere Flugreisen in die Türkei zu Erdogan an ihren Kräften - und an den Umfragewerten der CDU - zehren. Wäre es unter derlei Umständen nicht eine real denkbare Alternative, für die Dauer weiterer Verhandlungen mit dem starken Mann am Bosporus Teile der Bundesregierung - Kanzleramt, Inneres, Verteidigung, Familie - an den Bosporus zu verlagern, wenigstens zeitweise? In Istanbul, am grünen Ufer des Bosporus, stünden einige Gebäude in deutschem Besitz seit Kaisers Zeiten zur Verfügung. Ein längerer Aufenthalt in Ankara hingegen wäre Frau Merkel und ihren Getreuen kaum zuzumuten. Am Bosporus entginge man auch der im Zeichen des Klimawandels, verstärkt von sozialdemokratischen Kohlekraftwerken,  zu erwartenden  Berliner Sommerhitze.

Donnerstag, 12. Mai 2016

Unstatthafte Liaison: Landsleute unter sich

Letzte Woche waren in einer versteckten Randspalte der FAZ - die exakte Datierung ist mir wegen des Verlustes des betreffenden Exemplars nicht möglich - biographische Informationen von äußerst bedenklicher Natur zu lesen. Da ging es um die begrifflich und moralisch unzulässige, allein mit wissenschaftlich negativ besetzten Begriffen wie "kulturalistisch" und/oder "essentalistisch" zu definierende, auf landsmannschaftlicher Verbundenheit beruhende Beziehung zwischen dem anno 1975 verstorbenen Diktator Francisco Bahamonde Franco und Cubas Diktator Fidel Castro. Mir war bekannt, dass sich Fidel mit Francos Informationsminister - derartige Ämter sind in derlei Regierungssystemen unverzichtbar - Fraga Iribarne stets gut verstanden hatte. Nun war zu erfahren, dass der zum Kommunismus konvertierte Revolutionär Fidel anlässlich des Ablebens des unerbittlichen Reaktionärs Franco, Namensgeber des Franco-Faschismus, eine dreitägige Staatstrauer anordnen liess.


Wie ist derartiges politisches und begriffliches Fehlverhalten zu erklären? Aus der Geistesverwandtschaft von Diktatoren? Aus der geschichtsnotorischen Aversion der beiden gegen die Yanquis? Aus der intimen Nähe des bigotten Franco und des von franquistischen Jesuiten erzogenen Atheisten Fidel zur härteren Version des Katholizismus? Derlei Spekulationen führen wissenschaftlich nicht weiter.

Somit bleibt als einzige überzeugende Erklärung die vor- sowie antidemokratische, mithin RECHTE an im rauhen Galizien verwurzelte Seelenverwandtschaft. Auch der Castro-Freund Fraga Iribarne kam aus der Region...

Nachdem die Globkult-Leser/##**--Innen soeben erneut von Henning Eichberg über die Links-Rechts-Phänomenologie aufgeklärt wurden, werden sie womöglich durch die hier kolportierte FAZ-Randnotiz in neuerliche Verwirrung gestürzt.

Montag, 9. Mai 2016

Zum 8./9.Mai 1945: Eine Schachmiszelle

Den Kriterien einer Novelle mag die nachfolgende Geschichte nicht genügen, obgleich sie in diesem unserem Lande mit seiner spezifischen Erinnerungskultur durchaus als eine novella, als erzählenswerte Episode, gelten kann. Literarische Ansprüche liegen dem Blogger fern. Bezeichnen wir die kleine Geschichte - sie hat mit der in Russland besonders gepflegten Kunst des Schachspiels zu tun - als Schachmiszelle.

In einer Kleinstadt im Südwesten gibt es einen Schachclub, in dem sich mein fünfjähriger Enkelsohn anschickt, das königliche Spiel zu erlernen. Einer seiner Lehrmeister (oder auch Trainer, Partner, noch kaum Gegner) ist ein Herr in den hohen Siebzigern. Der erzählte ihm, wie er selbst in etwa gleichem Alter - in den Kriegsjahren - zum Schachspielen kam.

Der alte Herr stammt von einem Bauernhof in der Eifel. Im Krieg - wichtig wäre an dieser Stelle eine genauere Zeitangabe - wurde seinem Vater ein russischer Kriegsgefangener zugewiesen. Mit den Sprachkenntnissen scheint es auf beiden Seiten nicht weit her gewesen zu sein, was indes kein Hindernis war, dass sich der Gefangene mit dem kleinen Jungen (und umgekehrt) anfreundete. Der russische (begrifflich genauer: der sowjetische) Kriegsgefangene schnitzte für sich und den Jungen ein Schachspiel und brachte ihm die ersten Züge bei.

Es muss hier offen bleiben, ob der Krieg - er war an diesem Teil der Westfront 1945 im Hürtgenwald und an der Rur monatelang blutig festgefahren  - bereits im März mit dem Vormarsch der Amerikaner auf den Rhein beendet war. Es ist auch nicht bekannt, ob der russische Kriegsgefangene sich sogleich bei Ankunft der Amerikaner von den Bauersleuten verabschiedete. Der alte Herr, der die Geschichte seines frühen Schachunterrichts erzählte, erinnert sich jedoch an die Abschiedsworte seines jungen Lehrers: "Krieg kaputt, ich nach Hause."

Bekanntlich endete der Krieg für die sowjetischen Kriegsgefangenen nicht mit dem 8. oder 9. Mai 1945 (d´en pob´edyi). Stalin hatte sie von vornherein als "Verräter" und/oder "Feiglinge" qualifiziert. Da sie überdies Vergleiche mit den Zuständen  in der sozialistischen Sowjetunion hätten anstellen können, landeten die von den westlichen Siegermächten an den Hauptverbündeten überstellten Kriegsgefangenen, auch die Überlebenden deutscher Gefangenenlager, für lange Jahre im GULAG.

Für literarische Zwecke - das dénouement einer Novelle - ließe sich aus der obigen Episode eine Geschichte glücklichen Wiedersehens nach Jahrzehnten der von Ideologie, Haß und Gewalt dekretierten Feindschaft konstruieren. Indes handelt es sich nur um eine kleine, nicht gänzlich bedeutungslose Miszelle. Den Lesern dieses Blogs empfehle ich, die kleine Geschichte zusammen mit dem Bericht "Die Schura" von Michael Milutin Nickl  zu lesen: http://www.globkult.de/geschichte/personen/689-die-schura

Mittwoch, 4. Mai 2016

Zum Muttertag: Merkels Vermächtnis

I.
Am kommenden 8. Mai - ein Sonntag im wunderschönen Monat Mai - fallen mehrere Feiertage zusammen: Frankreich gedenkt - unter der Regie des Front National mit Marine Le Pen als Reinkarnation der Jungfrau von Orléans - seiner "rechten" Nationalheiligen Jeanne d´Arc. In Deutschland gedenkt man - nicht so medienwirksam wie im Vorjahr  - des 8. Mai 1945, den die "Linke", mutmaßlich inspiriert von einem Korps gehorsamer, unbekannter Parteisoldaten der "Linken"-Mitchefin  Katja Kipping, in guter alter DDR-Tradition zum nationalen Gedenktag - oder nicht eher zum arbeitsfreien postproletarischen Feiertag? - erheben möchte.

Zum dritten begeht man USA-, europa- und weltweit (?) den Muttertag. Hierzulande gedenken wir dabei all der Jahre, in denen "die Kanzlerin" Merkel ob ihres umfassend fürsorglich lächelnden Auftretens  als "Mutti" tituliert wurde. Diese Zeiten sind spätestens seit jenem 5. September 2015 vorbei, als "Mother Merkel" sich zur Schutzpatronin der alles Volk, genauer alle gründeutschen Enthusiasten und - innen,  berauschenden "Willkommenskultur" erhob.

II.
Die Folgen der medial befeuerten "Willkommenskultur" sind bekannt: Erdogan diktierte Merkel und "Europa" die eigenen Bedingungen für die  Sperrung der "Ägäis-Route" für alle "refugees", mit Ausnahme derer, die Merkel  vielleicht noch in "ihr Land"  lassen will. Entsprechend hat sich Merkels Physiognomie merklich verändert:  Statt mit dem einst allmütterlichem Lächeln wird sie in den Print- und Netzmedien derzeit hauptsächlich mit steifer Oberlippe und verschlossener Kinnlade abgebildet.

Dass sich ihre Miene wieder aufhellt, ist nicht zu erwarten. Der Eindruck entspringt keineswegs der bekanntermaßen Merkel-misslaunigen Stimmung des Bloggers. Eine so nüchterne wie zutreffende, zugleich ironisch-kaustische Abrechung mit der politischen Lebensleistung der als Kohls "Mädchen" zur Königsmörderin gereiften CDU-Chefin und Kanzlerin - jene von mir mehrfach skizzierte Mischung aus Machtinstinkt und -kalkül, aus Opportunismus und Prinzipienlosigkeit, von deutscher Vorzeigemoral und sprachlicher Insuffizienz - war in der gestrigen FAZ auf der ersten Seite des Feuilletons -  illustriert mit einem mit "der Kanzlerin" in  liebevoller Predigerinnenpose - zu lesen. Der Titel: "Merkels neue Kleider".  Der Autor Wolfgang Streeck, ehedem Direktor am Max-Planck-Institut  für Gesellschaftsforschung in Köln, wird von der Redaktion als "ein Merkel-Kritiker von links" vorgestellt.
Ich empfehle Streecks Aufsatz dem Publikum zum Muttertag:
http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/regierungsstil-merkels-neue-kleider-14212048.html

III.
Dass in den "Qualitätsmedien" die großkoalitionäre Merkel-Hofberichterstattung tendenziell einer kritischeren Betrachtung ihrer performance gewichen ist, war bereits vor dem Integrationsfest (Silvesternacht 2015/16) auf der Kölner Domplatte zu beobachten. Die Tendenz hat über die Monate hin - auch im Hinblick auf die Wahlerfolge der AfD - deutlich zugenommen. Heute (in der FAZ v. 04.05.2016, S.1 unter der Überschrift "Merkel: Kein Kurswechsel der CDU wegen AfD") wird Merkel bezüglich ihrer Zurückweisung der Suggestion, sie könne ihren Regierungsstil etwas mehr ins National-Konservative ändern, mit folgenden - zitierwürdigen - Worten zitiert: "Es gibt keinerlei neue Strategie, sondern es gibt die Aufgabe, die noch entschiedener angegangen werden muss, aus uns selber heraus darzustellen, was wir wollen, wohin wir gehen und welche Überzeugungen uns tragen." Bezüglich der EU-kritischen AfD bekundet Merkel ihre Überzeugung so: "Mich trägt zum Beispiel die Überzeugung, dass wir Europa stärken müssen." Der FAZ-Kurzbericht zu Merkels Überzeugungen schließt wie folgt:  "So könnten ´die Menschen´ überzeugt werden."

Eine kleine Anthologie Merkelscher Worte beglückt uns alle so in "ihrem Land"  zum Muttertag 2016. Ob Merkel ihre bis dato größtkoalitonär gestützte Kanzlerschaft bis zu den nächsten Bundestagswahlen 2017 durchsteht, ob ein Kanzlerinnensturz oder ein kurzzeitig inszenierter Koalitionsbruch bevorsteht,  sei als Spekulation in den Raum zwischen Kanzleramt und Bundestag (im Reichstag) gestellt. Bei Merkel ist alles möglich. Eine historische Leistung hat "die Kanzlerin" , nach fast 11 Jahren im Amt, jedenfalls schon vollbracht: Sie hat es geschafft, zu schaffen, was nicht sein durfte: eine neue Partei rechts von der CDU.