I.
In der "Tagesschau" - warum schaue ich mir die selektive Aufbereitung des Weltgeschehens überhaupt noch an ? - wurden die postchristlichen Zuschauer (in zuweilen semantisch zutreffendem partizipialen PC speak "die Zuschauenden") über die christlichen Varianten des Fastens informiert: Bei den Katholiken, bekannt für ihre Liebe zu Starkbier ab Aschermittwoch, geht es vielleicht immer noch um den Verzicht auf Fleisch (dank Massentierhaltung heutzutage billiger als Fisch), vor allem aber um "Misereor"-Spenden für die Abermillionen von Notleidenden in aller Welt. Bei den ehedem für asketische Lebensführung bekannten Protestanten, die den Mehrwert des Fastens gemäß Kirchenkalender für den Seelenhaushalt vor ein paar Dekaden wiederentdeckt haben, geht es um Selbstdisziplinierung durch Alkoholverzicht, um gemäßigte Nutzung des Automobils zugunsten des Klimaschutzes und ähnliches. Tägliches Fasten bis Sonnenuntergang, d.h. Annäherungen an die Riten des von Kirchenfürsten, von diversen Oberbürgermeistern, nicht zuletzt von dem habituell protestantischen Bundespräsidenten Steinmeier - im Sinne interreligiösen Dialogs und zivilreligiöser Vielfalt stehen bislang noch nicht im Programm.
Im Katholizismus, wie er heute nur noch von als "Tradis" bekannten vorkonziliaren Traditionalisten praktiziert wird, gilt das Fasten als Methode der Sündenabwehr. Als lutherisch sozialisierter Protestant kenne ich das Diktum des Reformators "Pecca fortiter", fühle mich also von allzu drückender Sündenlast nicht betroffen. Ich bekenne mich dennoch - in heuchlerischer Bescheidenheit - zu der im Katalog der Todsünden ganz oben stehenden superbia, im Deutschen bekannt als Hochmut.
II.
Die hochmütige Unbescheidenheit gründet in einer gewissen Begabung zu Prophetie in politicis, wozu namentlich in Fragen der deutschen Tagespolitik nicht viel gehört. Ich darf jedoch auch an andere Vorhersagen erinnern, so in der Anfangsphase des - womöglich vermeidbaren - Ukrainekriegs. Ich schrieb am 31. Mai 2022 auf Globkult: "Für die Ukraine bedeutete selbst ein beide Seiten erschöpfendes Patt eine Niederlage. Denn aller Wahrscheinlichkeit nach wird Putin die von ihm okkupierten Gebiete in der Ostukraine, die breite Landbrücke von Noworossija zur Krim, am Ende dieses Krieges nicht mehr herausgeben." (https://www.globkult.de/politik/europa/2207-moralpolitik-vs-realpolitik-anmerkungen-in-zeiten-des-krieges).
Am 3. Februar 2023 stellte ich bezüglich des weiteren Kriegsverlaufs folgende Alternativen vor Augen: "a) der ›totale‹ Sieg der einen oder anderen Seite
b) beidseitige Erschöpfung, die am Ende zu einem wie immer gearteten Kompromissfrieden nötigt
c) ein Regimewechsel in Moskau oder Kiew, der den Weg zu Verhandlungen eröffnet
d)
ein nachlassendes Interesse der USA, ein ›Einschlafen‹ des Krieges auf
dem Gebiet der Ukraine sowie ein Erstarren der Fronten im Donbas." (https://www.globkult.de/geschichte/zeitgeschichte/2273-die-ukraine-und-die-aktualitaet-des-peloponnesischen-krieges)
Wie die Dinge seit Trumps zweiter US-Präsidentschaft aussehen, zeichnet sich für eine denkbare Beendigung eine modifizierte Kombination der Alternativen b) und d) ab, ergänzt durch c), d.h. eine Ablösung Selenskyis als Präsident in Kiew.
Ich könnte meinen Prognosen in Fragen der großen Politik noch meine - unlängst auf Facebook veröffentlichte - Warnung vor naiven Hoffnungen auf eine friedvolle Entwicklung in Syrien nach der von Erdogan emöglichten Machtübernahme der sunnitischen Dschihadisten in Damaskus hinzufügen. Dass derzeit erneut Massaker - diesmal an Alawiten, Christen und Kurden, womöglich auch an Drusen - stattfinden, liegt in der Natur der politisch-kulturellen Landschaft des Nahen Ostens. Dass der "arabische Frühling" eine "westliche" Wunschvorstellung gewesen ist, dürfte mittlerweile sogar Annalena Baerbock klar sein.
III.
Zur deutschen Tagespolitik: Mein "prophetischer" Kommentar zur Spiegelfechterei im Wahlkampf erschien in meiner Globkult-Kolumne am 9. Januar https://herbert-ammon.blogspot.com/2025/01/fragen-eines-wahlburgers-angesichts-der.htm, auf The European https://www.theeuropean.de/gesellschaft-kultur/wie-lange-halten-wahlversprechen? und auf der "Achse" https://www.achgut.com/artikel/fragen_eines_wahlbuergers_angesichts_der_reichstagskuppel ein paar Tage später. Dass Merzens verhaltener Widerstand gegen den von der unvereinigten Linken - Sozialdemokraten, Grüne, Die Linke und CDUler wie Daniel Günther und Kai Wegner - geforderte Aufhebung der Schuldenbremse nur bis zum Wahltabend am 23. Februar anhalten würde, war vorherzusehen.(siehe https://www.globkult.de/politik/deutschland/2450-der-schwarz-rote-doppelwumms) Ebenso, dass eine reale Wende in der Migrationspolitik auch unter Merz nicht zu erwarten sei. Seit den Sondierungen, sprich Präliminarien des Koalitionsvertrags mit der SPD, ist sein Fünf-Punkte-Plan Makulatur, nicht anders als der - vermeintlich als Stachel ins Fleisch des grünlinken Establishment produzierte - ellenlange Fragenkatalog bezüglich der staatlich finanzierten NGOs.
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