Samstag, 29. Oktober 2016

Leseempfehlung - zur Praxis bundesrepublikanischer Diskurskultur

Der Osteuropa-Historiker Jörg Baberowski zählt in internationalem Maßstab zu den hervorragenden Gelehrten seines Faches. Wegen  seiner nonkonformen ("politisch inkorrekten") Thesen ist er wiederholt attackiert, in seiner akademischen Redefreiheit gehindert worden. Vor kurzem verweigerte ihm die Universität Bremen nach von "linken" Aktivisten angekündigtem Krawall  den zuvor zugesagten Raum für einen Vortrag, zu dem er von der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) eingeladen war. Störaktionen hat jüngst der AStA - seit eh und je eine aus Minderheitswahlen hervorgegangene vermeintliche Interessenvertretung der "allgemeinen" Studentenschaft - der Universität Hamburg in e-mails an die Evangelische Akademie sowie an die Landeszentrale für Politische Bildung (!) für einen für Donnerstag terminierten Vortrag Baberowskis angekündigt. Seine lieben HU-Kollegen - nicht zuletzt der kurzzeitig auch unter Beschuss geratene Herfried Münkler - ziehen es vor, ihm Solidarität zu verweigern, zu schweigen oder den Kopf einzuziehen. Parallelen zu 1933 sind dank bundesrepublikanischer Diskursfreiheit natürlich nicht gestattet...

Woran die erst- oder höchstsemestrigen Meinungs- und Moralmonopolisten Anstoß nehmen, sind zum einen Baberowskis Analysen des Phänomens Gewalt und Terror, zum anderen seine nonkonforme Haltung zur unverminderten Masseneinwanderung und deren Konsequenzen für Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Sozialstaat in Deutschland und Europa. Ich empfehle den Lesern und (-innen) von "Globkult" den nachfolgenden Artikel aus  der "Basler Zeitung", in dem Baberowski die  Problematik klar und ungeschminkt darstellt:
http://bazonline.ch/ausland/europa/wer-keine-wahl-hat-hat-keine-freiheit/story/17899780

Samstag, 22. Oktober 2016

Notwendiger Vorschlag

Dank Joachim Gaucks Ankündigung, nach all seinen anstrengenden Reisen und Reden, ökumenischen Gottesdiensten samt deutschen Schuldbekenntnissen in den politischen Ruhestand einzutreten, wird im kommenden, geschichtsträchtigen Jahr 2017 (Luther, Wilson, Lenin usw.) Schloss Bellevue bezugsfrei. In den Parteien, ob noch vereint in der Großen Koalition oder bereits entzweit im Hinblick auf künftige koalitionäre Optionen, sowie in der "interessierten Öffentlichkeit", sprich: in den Medien (print und online, TV und social media) hat die Debatte  über den besten, parteipolitisch nützlichsten, wenngleich überparteilich firmierenden Kandidaten  (den Zeitumständen gemäß am besten eine Frau usw.) bereits eingesetzt.

Sofern dem höchsten Staatsamt der Bundesrepublik Deutschland die Doppelfunktion politischer Repräsentation und gesellschaftlicher Integration zugedacht ist, sollte es für partei- und machtpolitische Spiele ungeeignet sein (wenngleich eben derlei Spiele  zum Wesen der Politik gehören). In einer Zeit, in der die insgesamt halkyonischen Jahrzehnte der alten Bundesrepublik und die mit großen Zukunftshoffnungen erfüllten Jahre der deutschen Wiedervereinigung  vorüber sind, in der unser Land offenkundig in eine Phase neuer internationaler Ungewissheiten und innergesellschaftlicher Spannungen eingetreten ist, kommt es auf politisch-ethisch integre, persönlich glaubwürdige Personen an der Spitze des Staates an.

Ohne Hintergedanken, aus Überlegung und Überzeugung, halten wir den Historiker Peter Brandt für den für die Wahl zum Bundespräsidenten 2017  geeignetsten Kandidaten. Eine Aufzählung seiner Qualifikationen erübrigt sich. Im Hinbllick auf die bevorstehenden Krisenjahre handelt es sich um einen notwendigen Vorschlag. (Zur Begründung siehe u.a.:  http://ulrich-siebgeber.blogspot.de/2016/10/macht-peter-brandt-zum-bundesprasidenten.html)

Dienstag, 18. Oktober 2016

Gemeinschaftsgefühle gegen eingefahrene Strukturen

I.
Zu den Segnungen des digitalen Zeitalters gehört die von der/dem mutmaßlich grünen Bundesbeauftragten für Datenschutz demokratisch gebilligte Überflutung mit unerwünschten Mails (Etym.: e-mail: Abk. f. elektronisch übermittelte Post aus dem am. Engl.;  zuweilen auch =  e-post, germanozentrisch und/oder völkisch, AfD-verdächtig). Für entsprechende Liebes-, Sex- oder Heiratsanträge aus aller Welt, Versprechen auf zins- und steuerfreie Gewinnbeteiligungen (häufig aus Nigeria), dazu Infos (= neudt. Benachrichtigungen) oder verlinkte Soldiaritätsappelle ist im Account die Rubrik "Spam" vorgesehen. Def.: "Über die ursprüngliche Bedeutung des Wortes Spam ´unerwünschte Werbe-E-Mails´ gibt es verschiedene Theorien, unbestritten ist jedoch, dass es aufgrund eines 1970 erstmals gesendeten Fernsehsketchs [sic] des englischen Monty Python's Flying Circus zu seiner heutigen Bedeutung kam" (http://www.wissen.de/wortherkunft/spam).

Anders verhält es sich bei den - zuweilen mehrmals täglich von diversen deregulierten Zustellungsdiensten (inkl. Thurn-und Taxis-gelbe Deutsche Post AG) noch menschlich, persönlich überbrachten Briefsendungen. Außer Rechnungen gehört hier die Masse in die Kategorie junk-mail und landet im real existierenden Papierkorb. (S. https://herbert-ammon.blogspot.de/2013/11/caritas-oder-junk-mail.html)

II.
Per  "DIALOGPOST. Ein Service der Deutschen Post"  (datumsfrei frankiert) empfing der Blogger dieser Tage einen persönlich adressierten Brief der Generalsuperintendentin der Evangelischen Kirche Berlin in einem "GOGREEN. Der CO2-neutrale Versand mit der Deutschen Post" bedruckten Kuvert. Auf zweiseitigem, handschriftlichen Faksimile, DIN-A 4, wendet sich die Pfarrerin und Generalsuperintendentin alle zwei Jahre  an ihr "liebes Kirchenmitglied",   weil es ihr "wichtig ist, dass wir evangelische Christen in Berlin voneinander [a.R.] wissen."

Die  hierarchiefreie Amtsträgerin lässt das Kirchenmitglied, i.e. das kirchensteuerzahlende Mitglied,  wissen, dass "wir zweifellos in aufgeregten Zeiten leben. Deutschland ist ein großartiges Land geworden mit weltoffenen, engagierten Menschen, die mich begeistern." Doch bei soviel Patriotismus  macht sich die Verfasserin gleichzeitig "große Sorgen. Immer mehr Menschen betreiben öffentlich ausländerfeindliche Hetze mit menschenverachtenden Parolen. Diese Angstmacherei spaltet unser Land." Nicht etwa auch umgekehrt.

Die Generalsuperintendentin findet das Ganze - wenngleich ohne Namensnennung - "beunruhigend !" (Ausrufezeichen im Text). "Klar, ich bin auch nicht frei von Angst vor Terror und Gewalt. - aber ich weiß: Angst macht eng."  Wie ist derlei Beklemmung abzuhelfen? (Anm.: Der Brief wurde vor dem von für das Bundesverdienstkreuz qualifizierten  Zimmergenossen verhinderten IS-Anschlag des naturgemäß erst in Deutschland "radikalisierten" und folglich mangels Fürsorge suizidierten syrischen Asylsuchenden verfasst.) "Wenn wir uns öffnen, wenn wir auf Menschen zugehen und uns unseren Ängsten stellen - dann können wir damit umgehen." Was tun, wenn wir den Dschihadismus mitsamt seinem technischen Erfindungsreichtum  als üble Gegebenheit der säkularisierten Gegenwart zur Kenntnis nehmen, ohne Angst zu empfinden (zumindest, solange die Bombe nicht in unmittelbarer Nähe gezündet wird)? - Zwischenbemerkung: Wir evangelischen Kirchensteuerzahler sind weder so noch so "Charlie Hebdo", oder was meint die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz dazu? Wie vermittelt sie angstfrei, gemeinschafts-und friedensförderlich den Vertretern (und -innen) des Kalifats die protestantische Homoehe für Kirchenvolk, Pfarrer und -innen? Gründet die Angst allein in der fehlenden Dialogbereitschaft der schwarzgewandeten Krieger oder auch in der Wahrnehmung kulturkampfbereiter Niqab-Migrantinnen und autochthoner Konvertitinnen? ( S. auch H.A.: https://herbert-ammon.blogspot.de/2014/06/beichtspiegel-und-burka.html)

III.
Gegen bestehende Angst und Gefahr schützt  "die Kraft der Gemeinschaft". Allen deutschen Erfahrungen mit  zuviel Gemeinschaft zum Trotz  gilt es, dem Gefühl der Gemeinschaft zu  "vertrauen, nicht nur im Privaten, sondern auch für die großen Herausforderungen einer sich verändernden Gesellschaft. - Das funktioniert!" Dafür gebe es "großartige Beispiele" - gemeint ist der "bewegende Einsatz" so vieler Menschen bei "Unterbringung und Integration von Geflüchteten in Deutschland." Das Gemeinschaftsgefühl entspringt noch immer jener Willkommenskultur, die Merkel ohne Widerspruch aus ihrer Kirche um 180 Grad gedreht hat. Womöglich entspringt auch die glückliche Steigerung der migrantischen Geburtenrate dem neuen protestantischen Gemeinschaftsgefühl.

Die Briefschreiberin verspricht das Erleben "dieses Gemeinschaftsgefühls" auch für das nächste Frühjahr "hier in Berlin".  Im  Kirchenkalender steht wieder mal der Deutsche Evangelische Kirchentag: "Sie sind herzlich eingeladen!" Die Einladung zum gemeinschaftsstiftenden Politpalaver geht anscheinend auf Luther zurück: "Luther hat vor 500 Jahren die Welt hinterfragt  und eingefahrene Strukturen aufgebrochen. Und auch wenn er heute der Promi unter den Reformatoren ist, er war damals nicht allein." Usw.

IV.
Die Innenseite des Faltblatts schmückt ein Bild, auf dem vier aus rohen Holzteilen (oder aus mit Holzmuster belegten Betonteilen?) über Eck zu Strukturen zusammengefügte Bauelemente kreuzförmig einen grün belaubten Baum umschließen. In der Mitte ein Gebet oder Segensspruch ("frei nach Wolfgang Dietrich"). Einer der  Segenssprüche besitzt Aussagekraft:
"Gott segne Dich...IN ZEITEN DES IRRWAHNS mit Vernunft."







Montag, 10. Oktober 2016

Deutsch-demokratische Schilderrevision

I.
Europa ist historisch reich an Beispielen des Bildersturms, vom Ikonoklasmus in Byzanz über die Bilderstürmer im Zeitalter der Reformation - im Hinblick auf das korrekte Gedenken im Jahr 2017 sei dabei immerhin mal was Positives über den Revolutionär, Fürstenknecht, Türken- und späten Judenfeind  Luther vermerkt - bis hin zur Französischen Revolution und den entsprechenden Aktionen unterschiedlicher bezbozhniki im 20. Jahrhundert. Im Zeitalter des demokratischen Wertepluralismus und/oder der wertegebundenen Demokratie sind derlei Praktiken unstatthaft. Die Ästhetik der Demokratie, id est der Zivilreligion, resultiert aus dem ideellen Konsens des demokratischen Diskurses. Sie manifestiert sich in unserer Gedenkkultur sowie - anders als in den meist schlicht durchnumerierten Straßennamen in den USA - in irgendwie  historisch begründeten Straßennnamen. Zuweilen kommt es - generationsbedingt - zu gewissen ästhetischen Korrekturen. Derlei demokratische Revision ist indes von der historisch belasteten Tradition des Ikonoklasmus zu unterscheiden.

II.
Mit den  in der grünstdeutschen Großstadt Freiburg i.B. angestrebten demokratischen Korrekturen befaßt sich der Feuilleton-Redakteur Patrick Bahners in der Samstagsausgabe der FAZ (08.10.2016, S.11). Laut Titel ("Stadtplanreformer auf dem Holzweg") schreibt der Autor in demokratisch-kritischer Absicht. Andererseits wendet er sich gegen das Argument, frühere Benennnungen ("Benennungsentscheidungen") seien "als Urkunden des Zeitgeists erhaltenswert". Bahners: "Aber eine Stadt ist kein Freilichtmuseum, und als Demokratie lebt eine Kommune in der Gegenwart." Der Sinn des zweiten Satzteils erschließt sich nur mit Anstrengung...


Der Artikel präsentiert das Ergebnis einer vom Freiburger Gemeinderat eingesetzten Kommission unter Vorsitz des Historikers Bernd Martin, der die demokratische Sichtung verfänglicher, verdächtiger und/oder unzeitgemäßer Straßennamen oblag. Offenbar ging es dabei nicht um Umbenennungen zugunsten der Frauenquote (demokratisches Minimum > 50 %), sondern um eine  deutsch-demokratische épuration der als peinlich befundenen Nationalgeschichte. Für derlei Zwecke stehen im Haushaltsplan westdeutscher Kommunen stets die nötigen Mittel zur Verfügung.

Unter den zur Umbenennung indizierten Freiburger Straßennamen befinden sich der des Kameramanns von  Leni Riefenstahl sowie von als Rassebiologen ausgewiesenen Medizinern. Bei derlei Namensgebern ist an der Arbeit der Kommission wenig auszusetzen, eine Neubenennnung mehr als ratsam. Anders steht es mit einem Schilderzusatz, dem man im Freiburger Gemeinderat kommissionsgemäß der Fichtestraße hinzufügen soll: "Johann Gottlieb Fichte (1762-1914). Nationalistischer Philosoph und erklärter Gegner Frankreichs". Kenntnisreich zerpflückt Autor Bahners  die als wissenschaftliche Begründung mitgelieferte "Kurzbiographie" des nach 1918 wiederentdeckten Nationalphilosophen. Er hätte hinzufügen können, dass Fichte ungeachtet seiner antifranzösischen, genauer: antinapoleonischen "Reden an die deutsche Nation" (1808) zeitlebens ein Verteidiger der Prinzipien der bürgerlichen Revolution blieb. Zum historischen Schockerlebnis für jüngere Kommissionsmitglieder sowie für Freiburgs junggrüne, studierende Jugend könnte denkbarerweise ein anderer Namenszusatz führen: "Johann Gottlieb Fichte, Namensgeber des Berliner sozialistisch-kommunistischen Arbeiterturnvereins ´ATV Fichte´".

Salomonisch verfährt Autor Bahners mit der Kommissionsempfehlung zuungunsten des in Freiburgs  Straßenplan erst 1981 mit einem "Martin-Heidegger-Weg" zu Ehren gekommenen kurzzeitigen Universitätsrektors und langjährigen Denkers zu Todtnauberg."Der Gemeinderat wird im Fall Heidegger eine genuin politische Entscheidung fällen müssen, die durch die Aktenlage nicht vorgegeben ist." (Richtig: An der Deutung der Akten, der Werke und der Tagebücher des bonbongeschmückten Denkers des "Seyns" arbeiten seit Jahrzehnten sowohl fleißige Apologeten wie Ankläger.) Weiter Bahners: "Kein NS-Rektor auf Straßenschildern, erst recht nicht Rektor Heidegger: Das ist eine vertretbare Wertung." Indes: "Wenn die Stadt umgekehrt zu dem Schluss kommt, dass der Philosoph dem Rektor zum Trotz den Eintrag auf dem Stadtplan verdient hat, wird sie der Freiheit des Denkens die Ehre erweisen."  - Das tiefe Dilemma der Demokratie: Die Frage der Freiheit wird der Gemeinderat genuin politisch zu entscheiden haben....

III.
Zum Schluß seines Artikels belegt  Bahners Artikel weitere Empfehlungen der Kommission mit der Wertung "philisterhaft". (Ein demokratisch zweifelhafter Begriff, der ob seiner Kontamination im deutschen Verbindungswesen längst einer Sprachkommission (z.B. in Darmstadt) zur Überprüfung vorgelegt werden sollte.) Die Freiburger Kommission hat noch eine Liste von Namenspatronen hinzugefügt, die "heute nicht mehr gewählt" werden würden. Als problematisch empfinden die gründeutschen Demokraten zu Freiburg Namen (Männer!) wie Bismarck und Blücher, den vormärzlichen Liberalen Karl von Rotteck, den radikalen 1848er Republikaner Friedrich Hecker, darüberhinaus auch Jacob Burckhardt und Erasmus von Rotterdam. Ob auch dessen weltgeschichtlcher Antipode Martin Luther - über die "richtige" Plazierung seiner monumentalen Statue: vor oder entrückt der Marienkirche, wogt derzeit ein Glaubensstreit in Berlins protestantisch-klerikalen Kirchenkreisen - im Freiburger Katalog künftiger Umbenennungen zu finden ist, ist dem zitierten Aufsatz leider nicht zu entnehmen.