Freitag, 15. November 2024

Unzeitgemäße Gedanken zum "Volkstrauertag"

I.

Am kommenden Sonntagabend erwarten uns - abstinente oder widerwillige - TV-Konsumenten folgende Szenen: Zum Volkstrauertag findet eine Gedenkstunde im Bundestag statt, in der  "an die Opfer  von Gewalt und Krieg aller Nationen" (https://de.wikipedia.org/wiki/Volkstrauertag) gedacht wird. Für die diesjährige Feier wurde als Hauptredner  der rumänische Staatspräsident Klaus Johannis gewonnen. Zwei Fragen sind dabei offen: 1) Wie behandeln die von ihren Fraktionen bestellten Redner (bzw. deren Redenschreiber) das Thema Ukrainekrieg? 2) Wie reagieren die anderen Parteien, wenn der/die Redner/in der AfD auftritt?

Sodann sehen wir in den TV-Nachrichten, wie der Bundespräsident, vermutlich begleitet von einigen Vertretern der Bundeswehr, einen Kranz mit schwarz-rot-goldenen Schleifen in der Neuen Wache Unter den Linden niederlegt, um der Opfer der Kriege und der Opfer der von Nazi-Deutschland verübten Verbrechen zu gedenken.  

Der Volkstrauertag heißt ungeachtet seines völkischen Anklangs - und der bestenfalls indifferenten Anteilnahme der mit eigenen "Erzählungen" beschäftigten Staatsbürger mit Migrationshintergrund - noch immer so. Ein im engeren Sinne "nationales" Gedenken an die deutschen Kriegsopfer sowie der Gefallenen der beiden Weltkiege ist am Volkstrauertag nicht vorgesehen.  Immerhin  gedenkt man - Gegenstand einer weiteren TV-Szene - neuerdings auch der bei  - erfolglos abgebrochenen - Kriegseinsätzen (Afghanistan, Mali) sowie - als sei dies identisch - bei Unfällen im Dienst zu Tode gekommenen Soldaten und Soldatinnen (in ungegenderter Reihung) der Bundeswehr. Die entsprechende Pflichtübung fällt dem noch amtierenden Verteidigungsminister Boris Pistorius zu, den - im Hinblick auf  den bereits stattfindenden Wahlkampf - einige Auguren als zugkräftigeren SPD-Kanzlerkandidaten gegenüber dem an der "Schuldenbremse"  gescheiterten Ampelkanzler Olaf Scholz ins Spiel gebracht haben.

Der deutsche Gedenktag fällt in das  dritte Jahr des von Russlands Herrscher Putin am 24. Februar 2022 eröffneten Krieges gegen die Ukraine. Ob bei dessen Erwähnung der Kriegsopfer auf beiden Seiten gedacht wird, ist nicht anzunehmen, denn die Sympathien der meisten Deutschen und ihrer politischen Klasse - ausgenommen, versteht sich, AfD und BSW - liegen noch immer bei der Ukraine, dem Opfer des Aggressors Putin. Das könnte sich jedoch ändern, wenn der derzeit in die Defensive gedrängte Präsident Selenskyi von den Deutschen noch mehr Geld und/oder endlich die Lieferung von Taurus-Raketen fordern sollte, was den vom Grundgefühl  pazifistisch gestimmten Deutschen missfallen dürfte.

II. 

Ach ja, die heutigen Deutschen tun sich schwer mit ihren Gedenktagen, erst recht mit dem Gedenken an ihre Kriegstoten. Lange waren sie eingestimmt auf "Frieden schaffen ohne Waffen". Doch jetzt müsse Deutschland wieder "kriegstüchtig" sein, so proklamierte es unser Verteidigungsminister  anlässlich der am 24. Februar 2022 eingetretenen "Zeitenwende" (Scholz). Nicht überraschend sind seit dem Ukrainekrieg - vom Gazakrieg abgesehen - die Friedensparolen der Evangelischen Kirche, in den 1980er Jahre Hauptträger einer gegen "neue Nato-Raketen" gerichteten Friedensbewegung, hörbar verstummt.

Kriegstüchtig? "Kriegstüchtig" heißt nicht nur höhere Militärausgaben, heißt nicht nur Krieg mit Distanzwaffen wie Drohnen, Raketen und weitreichenden Feldhaubitzen. "Kriegstüchtig" heißt Vorbereitung auf Kampf, Zerstörung, Töten, Verstümmelung und Sterben.   

III.

"Troja hört nicht auf zu brennen", lautete der Titel eines Essays des Philosophen Peter Furth. (Siehe H.A.: https://www.globkult.de/gesellschaft/besprechungen-gesellschaft/862-eine-kritik-der-deutschen-zivilreligion-aus-dem-geist-der-tragoedie). Auf die Gefahr hin, von übelwollenden Zeitgenossen bewusst missverstanden zu werden, zitiere ich Auszüge aus dem Interview, in dem der 100jährige Kurt Meisner, ein aus Landsberg a.d.Warthe (heute Gorzów Wielkopolski) stammender Überlebender des Krieges, in den er 1942 als Siebzehnjähriger - noch als Arbeitsdienstleistender-  hineingeriet, in der ungeliebten "Jungen Freiheit" über seine Kriegserfahrungen berichtete (in: JF Nr. 47 v. 15.11.2024, S. 12). Das Interwiew führte Moritz Schwarz.

[...]  

Wie verarbeitet man das?

Meissner:  Danach hat keiner gefragt. Es war ja damals viel vom Heldentod die Rede. Ich aber habe die Realität in ihrer äußersten Brutalität kennengelernt - all die furchtbar Verwundeten, die Verstümmelten, die Sterbenden und die Toten, die ich so jung und völlig unvorbereitet sehen mußte und die bis heute in meiner Erinnerung sind...

Wie war es, mit 17 töten zu müssen?

Meissner: Auch das ist schrecklich. Aber wenn es heißt, er oder ich, dann zögern Sie nicht. Als MG-Schütze habe ich später viele Russen getötet, furchtbar. Doch so auf die Entfernung ging es noch. Aber ich war auch in Nahkämpfe verwickelt und mußte einmal einen jungen Russen mit meinem Dolch erstechen. Ich habe immer wieder an ihn gedacht und daran, daß auch er eine Mutter hatte, die hoffte und betete, er würde zu ihr heimkehren. 

[...]

Sie waren von Ihrem Kampf nicht überzeugt?
Meissner: Von unserem Kampf schon, denn wir kämpften schlicht ums nackte Überleben, aber nicht von diesem Krieg.
 
Wie hatten Sie bei Ausbruch [des Krieges] über ihn gedacht?
Meissner: Da war ich 15, und dachte natürlich Unsinn wie, er möge nicht so bald vorbei sein, damit ich ihn nicht verpasse. Denn die Heldengeschichten, die man uns darüber erzählte, gefielen uns natürlich.
 
Hatte man in Ihrer Familie denn keine politische Meinung,etwa zu den ihm vorausgehenden Streitfragen um Danzig oderden polnischen Korridor?
Meissner: Mein Vater, ein Bahnangestellter, war zwar SA-Mann, aber nur um beruflich voranzukommen. Mir selbst gefiel es im Jungvolk ganz gut, nicht aber später in der HJ, weshalb ich möglichst viele Lehrgänge besuchte, um nicht am normalen HJ-Dienst teilnehmen zu müssen. Stattdessen lernte ich nützliche Dinge, die mir später im Krieg das Leben retteten. 
 
Bis 1938 hatte ich allerdings nichts gegen die Nazis, doch als die Synagogen brannten, und ich anderentags die eingeschlagenen Schaufenster der jüdischen Geschäfte sah, waren sie bei mir unten durch, denn so etwas macht man nicht!
 
Fühlten Sie keinen Patriotismus? Viele junge Deutsche, die damals in den Krieg zogen, glaubten ja daran, das Vaterlandzu verteidigen?
Meissner: Nein, patriotisch war ich nie. Ich kämpfte nicht für Deutschland, sondern weil mir keine andere Wahl blieb. Ich kämpfte um mein Leben und für das meiner Kameraden.
 
Spielte es für Sie keine Rolle, daß Deutschland bei einer Niederlage die Vernichtung drohte?
Meissner: Die Niederlage war für mich schon ausgemachte Sache. Denn Sie müssen bedenken, als ich an die Front kam, gab es nur noch Abwehrkämpfe und Rückzug. Einen Sieg, das war klar, würde es nicht mehr geben – und so ist es ja auch gekommen.
[...]
Was ist mit ihrer Heimat? 

Meissner: Ja, das war schrecklich, daß wir nach dem Krieg nicht mehr nach Landsberg zurückkonnten. Ich vermisse meine Heimat noch heute. Aber es war nicht zu ändern...

Wie sind Sie mit all dem nach dem Krieg zurechtgekommen?

Meissner: Ich habe das mit mir selbst ausgemacht, da ich nie jemand war, der viel darüber geredet hat. Nach dem Krieg hatten wir nichts mehr, nicht einmal mehr eine Heimat. Erst mußte man am Leben bleiben, die Hungerwinter überstehen und dann wieder aufbauen. Ich denke manchmal, mein Gott, was wir ertragen mußten! Und die Jugend jammert, weil sie zu viel arbeiten muß und nicht genug Party machen kann. Ich habe Sorge, daß diese Generation - der alles zu fehlen scheint, womit wir uns durchgebissen und unter alle den Trümmern wieder hervorgearbeitet haben - das, was wir hier aufgebaut haben, nicht wird halten können. 

 
Interessiert sich die Jugend für Ihre Erlebnisse?
Meissner: Nein, ich bin jetzt hundert und fast meine ganze Generation ist tot, alle die mich noch verstanden haben. Zwar habe ich eine Tochter und Enkeltochter, aber sie kennen meine Welt nicht
mehr. Ich bin im Grunde sehr einsam. Oft denke ich an all die Verstorbenen und meine vielen gefallenen Kameraden, die im Krieg geblieben sind. Es wird Zeit, daß auch ich gehe.

Mittwoch, 6. November 2024

Trump is back

Eine tiefgründige Analyse der kulturellen Kräfte, die dem allseits verabscheuten Trump zu seinem come back ins Weiße Haus verholfen haben, war vor dem 5. November 2024 in deutschen Zeitungen und Medien kaum irgendwo zu finden. Man begnügte sich mit dem herablassenden Verweis auf die  - stets nur als weiße, offen oder versteckt rassistische  Unterschicht identifizierten -  "Abgehängten", die dem "Populisten" Trump - auf den das Etikett ohne Frage zutrifft - auf den Leim gehen. 

Nun ist die große Überraschung da, und die allseits entsetzten, sich geistig und moralisch überlegen dünkenden  Deutschen, die an Joe Biden allenfalls seine fortschreitende Debilität auszusetzen hatten, müssen sich auf die neue, durch die Rückkehr Trumps an die Spitze der verunsicherten Weltmacht USA entstandene Weltlage einrichten. Die große Unsicherheit erfasst alle Parteien, namentlich die Grünen als führende deutsche Meinungsmacht. Nur die beiden ungeliebten Randparteien AfD und BSW können als Trump-Versteher beanspruchen, auf die Dinge, die da auf Deutschland und Europa zukommen, vorbereitet zu sein.  

Eine umfassende Betrachtung des Trumpismus aus meiner Tastatur sei hier nur angekündigt. Bis dahin verweise ich die auf meine vor vier Jahren verfasste Globkult-Besprechung einer Art Trump-Biographie eines Bewunderers von The Donald: https://www.globkult.de/politik/besprechungen/1856-doug-wead-donald-trump-die-wahre-geschichte-seiner-praesidentschaft. Im Schlusssatz erwähnte ich den von Trumps Schwiegersohn Jared Kushner ausgearbeiteten Friedensplan für Israel-Palästina, der zu einem Friedenszustand im Nahen Osten führen sollte. 

Geschichte im Irrealis ist als Gedanke zulässig, für den Historiker sogar unverzichtbar. Wir wissen nicht, wie der Dealmaker Trump in den nächsten Jahren die von Kriegen und Krisen bestimmte Weltlage zu bewältigen gedenkt. Dennnoch sei die Frage erlaubt, ob die Katastrophen, die in den vier Jahren des Präsidenten Joe Biden über Israel und die Ukraine - und damit auch über uns - hereingebrochen sind, auch unter einem Präsidenten Trump stattgefunden hätten.

Samstag, 2. November 2024

Countdown

Countdown: Nur noch fünf Tage bis zu den US-Wahlen. Meine Position: Weder - noch. Nicht nur einige Facebook friends sprechen von einer Wahl zwischen Pest und Cholera. Noch im Sommer tippte ich auf Kamala Harris. https://www.globkult.de/.../2389-die-deutschen-hoffen-auf... Jetzt nimmt kein Buchmacher mehr Wetten an, oder?

Der mit mir seit den vergeblichen Bemühungen in der Stasi-unterwanderten - und längst im geschichtlichen Orkus der Grünen gelandeten -  "Berlin- und Deutschland AG" der sog. "Alternativen Liste" befreundete Peter Klepper, hat mit seiner Stellungnahme zum Ausgang und zu den Folgen der US-Wahlen - so oder so -  recht: Die ach so besorgten Deutschen sollten sich - ungeachtet ihrer Liebe zu Kamala - auf die Realität einstellen. 

Mehr Realitätssinn  und weniger grün eingefärbte Wunschvorstellungen -  eine solche Maxime gilt für das gesamte Feld der bedrängenden politischen Wirklichkeit. Sie gilt im Hinblick auf den Ukrainekrieg, dessen schnelle Beendigung Trump versprechen mag, die aber weder von ihm noch von uns - von mehr Geld und neuen Waffenlieferungen für Selenskyis "Siegfrieden" - abhängt, sondern, so unangenehm diese schlichte Erkenntnis sein mag, vom Machtkalkül Putins. Ob nun Trump oder Harris sich mit China als Rivalen - und mit dem wachsenden BRICS-Komplex - auseinandersetzen muss, ist weltpolitisch betrachtet von minderer Bedeutung. Ob  - im Blick auf die von den USA global ausstrahlenden Kulturpolitik - ein Sieg Kamalas oder Donalds vorzuziehen sei, ist eine Frage des Geschmacks. Kamala wird den Wokies entgegenkommen, Donald außer lauten Phrasen nichts gegen den allerorts vordingenden "progressiven" Nonsens unternehmen.    

Nüchterne Wahrnehmung der Dinge ist zudem geboten hinsichtlich der Zukunft der EU als eines von politischen Dissonanzen geprägten, nach innen auftrumpfenden, nach außen zahnlosen Machtgebildes, das seine Versprechen gegenüber der Ukraine und den Beitrittsaspiranten Moldavien, Georgien und Armenien in aller Wahrscheinlichkeit nicht einlösen kann. Das gilt sodann - bei allem Entsetzen über den 7. Oktober 2023 -  für Israels Krieg gegen Hamas in Gaza und gegen Hisbollah im Libanon (mit Teheran als schwer berechenbarem Faktor). Last but not least gilt dies für die - ungeachtet aller Grenzkosmetik und aller vermeintlich den Migrationsdruck mindernden Bezahlkarten - für die anhaltende Einwanderung von "Geflüchteten", während die aus der Migration erwachsenen Probleme der "Integration" den Kommunen, Stadtstaaten und Ländern allerorts über den Kopf wachsen. 

Gewiss, aus gebotener Selbstbscheidung,  sollte sich man sich  nicht zitieren, auch nicht wiederholen.  Das könnte das Publikum (m/w/d/o.A.) langweilen. (Siehe https://www.achgut.com/artikel/fragen_zu_den_us_wahlen_und_zum_demokratischen_fuehrungspersonal)

 

Mittwoch, 30. Oktober 2024

Reformationstag: Protestantische Theologen gegen Trumpisten

Parallel zu den Austrittszahlen aus den Kirchen hat der  Reformationstag am 31. Oktober, ehedem ein  Hochfest des deutschen Protestantismus, seine Bedeutung erkennbar eingebüßt. Die Gruselmasken von Halloween sind den Jüngeren heute besser vertraut als die markigen Bilder von Luthers Thesenanschlag an der Schlosskirche zu Wittenberg. Immerhin gibt es in einigen Bundesländern  noch schulfrei, und im atheistischen Bundesland Brandenburg wurde der Tag nach dem Mauerfall - unter dem längst vergessenen Ministerpräsidenten Manfred Stolpe - gar zum staatlichen Feiertag erhoben. Seither nutzen die Bewohner des Berliner Umlandes den arbeitsfreien Tag vor allem zu Einkäufen, jedenfalls nicht zum Besuch eines Reformationsgottesdienstes. 

Gedenkgottesdiente finden gleichwohl in den  Kirchen der Hauptstadt statt, obenan, auf mediale Wirkung bedacht, im Berliner Dom - gegenüber dem als "Humboldt-Forum" semantisch und inhaltlich neutralisierten "Schloss" mit dem "umstrittenen" christlichen Schriftzug um die nicht minder "umstrittene" Kuppel - sowie in der semantisch noch unumstrittenen Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche.

Den Inhalt der zum Reformationsfest verfassten Predigten können wir ohne Mühe antizipieren: Zu erinnern gilt es an den geistig befreienden Widerstand des von seinem Gewissen getriebenen Theologieprofessors Luther gegen das im ausbeuterischen Ablasshandel zugespitzte Machtgebaren der alten Kirche. Billige Gnade sei nicht zu kaufen, heißt es unter Bezug auf Dietrich Bonhoeffer. Dabei wird offen gelassen, ob die wenigen, meist grauhaarigen Gottesdienstbesucher, darunter einige mit dem Button  "Omas gegen Rechts", mit dem Begriff  "Gnade" überhaupt noch etwas anzufangen wissen.

Das Thema "Reformation" wird sodann fortgesponnen zur kritischen Betrachtung der Figur des Reformators und dessen historischer Überhöhung im Nationalprotestantismus. Das Erbe der Reformation - die Rede von der "Freiheit eines Christenmenschen" -  sei belastet durch das Versagen in der Nazizeit und das nur  halbherzige Bekenntnis zur deutschen Schuld nach 1945. Im Raum der AfD komme das völkische Gift der sog. "Deutschen Christen" erneut zur Wirkung. 

An dieser Stelle kehrt die Predigt zurück zum Vermächtnis des Widerstandskämpfers und Märtyrers Dietrich Bonhoeffer. Dessen Verständnis von gelebtem, auf Christus bezogenen Glauben, ziele auf tätige Hinwendung zu den Schwachen, Missachteten und Hilfsbedürftigen. Sein Verständnis des christlichen Pazifismus impliziere das Bekenntnis zum defensiven Gebrauch von Waffen gegen einen verbrecherischen Feind, wie wir ihn derzeit in Gestalt Putins und in seinem Krieg gegen die Ukraine erleben. 

                                                                        *

Als weiteres Thema einer deutschen Reformationspredigt kommt der amerikanische Wahlkampf in Frage. Ganz Deutschland starrt auf das Datum des 5. November. Laut Meinungsumfragen favorisieren über 70 Prozent der Deutschen Kamala Harris als künftige US-Präsidentin. Nur AfD-Wähler wünschen sich Donald Trump als Wahlsieger. Stoff genug für eine Predigt am Reformationstag sowie für den kommenden Sonntag vor den Wahlen am Dienstag.

Der Wahlkampf in den USA geht in seine letzte Phase. Aus den Meinungsumfragen - mit der diesen inhärenten Unsicherheitsmarge - ergibt sich keine eindeutiges Bild. In einigen Swing States scheint jedoch Trump vorne zu liegen.  In ihrem Abwehrkampf gegen den - entgegen vorherrschender Meinung anscheinend nicht nur beim weißen Prekariat populären -  "Populisten" Trump greift Harris inzwischen zur schärfsten Waffe, in dem sie ihn als "Faschisten" tituliert. Trump erklärt Kamala schlicht für "so stupid".

Während die meisten Medien, Intellektuellen, Film- und Popstars Harris unterstützen, hat Trump inzwischen auch einige prominente Namen auf seiner Seite, obenan Elon Musk. Ein weiterer namhafter Trump-Unterstützer ist der Journalist Eric Metaxas, Autor einer in hohen Auflagen publizierten Bonhoeffer-Biographie (Bonhoeffer: Pastor, Martyrer, Spy),Vorlage eines demnächst mit demselben Titel in die Kinos kommenden Filmes.

Metaxas ist Mitglied einer New Yorker Kirche von Presbyterianern, die  antiliberalen, fundamentalistischen Glaubenssätzen anhängen.  Gegen seine Rolle im Lager Trumps - bis bin zur Verteidigung des "Sturms auf as Capitol" am 6. Januar 2021 - und als Protagonisten eines rechten "christlichen Nationalismus" haben sich amerikanische und deutsche Theologen, obenan die ehemaligen EKD-Vorsitzenden Wolfgang Huber und Heinrich Bedford-Strohm, in einem Aufruf (in der Printausgabe "Die ZEIT" vom 17.10.2024) zu Wort gemeldet. 

Mit Recht weisen die Unterzeichner (die "Unterzeichnenden") darauf hin, dass Metaxas´ Buch "gerade im englischen Original sachlich fehlerhaft ist". Sie empören sich auch darüber, dass Metaxas in seinem neuen Buch den zwischen woken Linksliberalen und diversen "rechten" Kräften - von einigen (im europäischen Sinne) konservativen Intellektuellen über Evangelikale und/oder Fundamentalisten sowie "christliche Nationalisten"  bis hin zu gewaltbereiten Milizen - ausgefochtenen Kulturkampf mit dem Krieg gegen Hitler-Deutschland gleichsetzt. Der Trump-Anhänger Metaxas illustriere seine kämpferische, antiliberale  Rhetorik "sogar mit einem Foto, das eine Pistole auf einer Bibel zeigt. Diese Gewaltverherrlichung geht einher mit der Weigerung, zwischen dem heutigen gesellschaftlichen Kontext und Nazideutschland zu unterscheiden. Eric Metaxas ist kein vertrauenswürdiger Erzähler von Bonhoeffers Leben und Lehren."   

                                                          *

Die Kritik an verzerrender Interpretation der Schriften Bonhoeffers sowie am politischen Missbrauch Bonhoeffers im Wahlkampf für Trump ist nicht unbegründet. Nichtsdestoweniger sei vermerkt, dass die Auseinandersetzung mit Bonhoeffer auch im Lager "progressiver" Theologie - maßgeblich in der Ausdeutung der Gefängnisschriften Bonhoeffers unter weitgehender Ausblendung der voluminösen "Ethik"-Fragmente - vielfach in reduktionistischer und vorschnell aktualisierender Weise geführt wird.  (Siehe dazu meine Bonhoeffer-Aufsätze in Globkult, darunter meine Rezension des Bonhoeffer-Porträts von Wolfgang Huber  https://www.globkult.de/geschichte/rezensionen/2139-wolfgang-huber-dietrich-bonhoeffer-auf-dem-weg-zur-freiheit-ein-portraet).

Als  Negativ-Beispiel für eine "moderne" Sicht auf Bonhoeffer, genauer: für den Bezug auf Bonhoeffer im politisierenden Protestantismus  sei zum Schluss aus einem Aufsatz des Theologen Thorsten Dietz zitiert. Dietz, Professor für Systematische Theologie an der Evangelischen Hochschule Tabor und Privatdozent an der Universität Marburg, schreibt: "Metaxas’ Darstellung von Dietrich Bonhoeffer ist oft Fanfiction für christliche Nationalisten." (https://www.reflab.ch/billige-gnade-streit-um-bonhoeffer/?) Zwar sei Bonhoeffer "kein linksliberaler Theologe im heutigen Sinne" gewesen. Es gebe  "bei Bonhoeffer für rechte Formen des Christentums eine Reihe von verstörenden Anknüpfungspunkten", so in dessen erst später überwundenen "Nationalismus", in seinem von "Geschlechterhierarchie" abgeleitetem Verständnis von Ehe sowie in seinem - in der radikkalen Ablehnung der Französischen Revolution begründeten - Antiliberalismus. 

In schiefer Syntax und nur halbrichtig in der Aussage -  Bonhoeffers ironische Kommentare zur theologischen Flachheit des Spocial Gospel schlicht ignorierend - heißt es dann weiter: "Gerade sein Studienaufenthalt in den USA und die Begegnung mit schwarzen Gläubigen sowie auch der Social-Gospel-Theologie verdankt seine Theologie eine nachhaltige Wende zum Sozialen." Auf die Gegenwart bezogen erläutert der Autor das "Soziale" bei Bonhoeffer wie folgt:  "Bonhoeffers Bereitschaft zu selbstkritischer Hinterfragung privilegierter Personengruppen führen ins Zentrum heutiger Auseinandersetzungen... Eigene Privilegien einzuräumen und aufzugeben, das ist nichts, was heutige Menschen mit den Eigenschaften männlich, cishet (?) , weiss – mit Gelassenheit absolvieren."

Als nichtprivilegierter weißer Cis-Mann denke ich zum Reformationstag darüber nach, ob man derartige in kirchlichem Lehramt etablierte Theologie noch weiterhin gelassen mit Kirchensteuer finanzieren soll.



Mittwoch, 18. September 2024

Scholzens Drehtürpolitik

Noch ist Olaf Scholz Bundeskanzler, da Lindner die Chance zum Kanzlersturz - und zur Rettung seiner Partei über die Fünf-Prozent-Hürde -  immer wieder verpasst hat. Zugleich ist zu erfahren, dass jetzt bereits innerhalb der SPD an seinem Stuhl gesägt wird, dass der ob seiner martialischen Reden angeblich populäre Boris Pistorius als nächster Kanzlerkandidat ins Spiel gebracht werden soll.

Doch das sind Gerüchte. Vorerst ändert sich in diesem Lande - allen Wahlergebnissen in den längst nicht mehr neuen Bundesländern zum Trotz - nichts. Zwar hat die Innenministerin Faeser inzwischen erkannt, was die weiland Bundeskanzlerin Merkel nicht für möglich halten wollte, nämlich, dass man, um der militanten Migration zu begegnen,  Grenzen kontrollieren, gar schließen kann  - wenn sie es denn ernst meinte.  

Die starken Worte der Nancy Faeser sind nicht ernst gemeint. Was - angetrieben von Erregung über die AfD-Erfolge  -  die immer noch regierende Ampel als "verantwortungsvolle Migrationspolitik" propagiert, ist nichts anderes als eine Politik der Drehtüre: Ein paar illegale Straftäter - unter Hunderttausenden von illegal Eingewanderten - werden vor den Wahlen nach Afghanistan abgeschoben. Danach schließt Kanzler Scholz höchstselbst Abkommen mit Ländern wie Kenia und Usbekistan, die eine Anwerbung - de facto Abwerbung - von "Fachkräften" aus diesen Ländern vorsehen. 

Ungeachtet des geplatzten Migrationsgipfels stützt die CDU unter Merz die auf tiefgreifende Transformation der deutschen Gesellschaft zielende Politik der Ampel. Sollte die Ampel im Wahljahr 2025 von einer schwarz-grünen Regierung abgelöst werden, wird sich an den als "Migrationskrise" bekannten Zuständen in Deutschland wenig ändern. Wenn dann die "Brandmauer" zur AfD doch bröckelt und bricht, ist es für eine Politik, die  Deutschland erneuern  und als lebenswertes Land erhalten will, aller Voraussicht nach zu spät.  Als Ausweg aus der Misere droht sodann ein autoritäres Regime.


Mittwoch, 4. September 2024

Freunde und Helfer im Einsatz

Natürlich wäre ein Kommentar zu den - angesichts der Zustände im Lande sowie aufgrund aller Wahlumfragen erwartbaren - Wahlergebnissen in Thüringen und Sachsen angebracht.Vae Germaniae, Hannibal Höcke ante portas! Periculum in mora! Aufruf  an unsere Fachkräfte (mit und ohne Migrationshintergrund) in der Tiefbaubranche: Beeilt euch im Hinblick auf die Bundestagswahl 2025 mit dem Ausheben des Festungsgrabens vor dem Reichstag - zum Schutz der Demokratie vor Reichsbürgern, Corona- und Klimaleugnerinnen, Höcke-Jüngern, Sahra-Verehrern und ähnlich gesicherten Verfassungsfeinden! Immerhin kommt der entsprechende Bauauftrag auch von mir als Mitträger der Volkssouveränität, als verfassungstreuer postethnischer Bürger sowie als  Steuerzahler... 

Leider muss ich die Leser und -innen meines Blogs bezüglich einer zusätzlichen Wahlanalyse noch um etwas Geduld bitten. Zum einen hallen die Kassandrarufe durch sämtliche Medien, und in diesen Chor möchte ich mich mit dissonanten Tönen nicht einmischen.   Zum anderen lockt  der herrliche Spätsommer - nach allgemein medialer Meinung eine Folge des menschengemachten Klimawandels  - vom PC weg zum Badevergnügen in der Krummen Lanke.

Die Freude auf das Vergnügen im See bei angenehmer Wassertemperatur erfuhr am dritten Septembertag eine gewisse Störung. Während ich mein Fahrzeug (Verbrenner) durch eine beidseitig von geparkten Autos beengte Straße steuerte, kam in Schlangenlinien ein blauweißer Polizeiwagen - unter Verzicht auf  Blaulicht und Sirene - entgegengerast. An vorsichtiges Manövrieren, mit dem man gewöhnlich an einem entgegenkommenden Pkw vorbeikommt, war nicht zu denken. Aufs äußerste erschreckt, versuchte ich noch,  in eine schmale Parklücke auszuweichen. Da war der Polizeiwagen bereits auf meiner Höhe. Aus dem offenen Wagenfenster brüllte der von Amtswegen um meine bürgerliche Sicherheit besorgte Fahrer, ich solle gefälligst über den Bordstein fahren, um die Straße freizumachen. 

In derlei Fällen ist der  Bürger schon froh, wenn ihn der Polizist in der Höflichkeitsformel "Sie" anschreit. Mich bewegt sodann die Frage, ob unsere Berliner Polizei mit derlei rhetorischem Aufwand auch bei ihren stets folgenlosen Kontrolleinsätzen  im Görlitzer Park ("Görli"), am "Cotti", am "Helmi" oder sonstwo gegen drogendealende Fachkräfte  verfährt. Vermutlich halten sich die Ordnungskräfte da mehr zurück, um Stimmungsmache für die AfD zu vermeiden.


Sonntag, 11. August 2024

Deutscher Optimismus in der Sommerpause

Es gäbe genug Stoff für Kommentare zur bundesrepublikanischen Lokalpolitik und zum großen Weltgeschehen: die schleichende Wirtschaftskrise mitsamt fühlbarer Kosteninflation der Grundbedürfnisse, Faesers Schlag gegen die permanent drohende Machtergreifung der "Rechten", die deutsche "performance" bei den Olympics an der von Macron unzureichend gesäuberten Seine, die Klage der Landkreise über die Kosten der uns bereichernden Migration, die Erfolge im deutschen Bildungssystem (mit 261 1,0-Querschnittsnoten im diesjährigen Abitur in der Bundeshauptstadt Berlin),  die Einschränkung der Persönlichkeitsrechte durch EU-ferne Gesetzesvorhaben der Ampel für die Handhabung von Messern im sozial-kulturellen Alltag,  die medienwirksame Queer-Demo in Bautzen, die Spekulationen über die künftigen Regierungen nach den Wahlen am 1. September (Weltfriedenstag) in drei der  nicht mehr so "neuen" Bundesländer. 

Vor allem zu den Themen der global politics: Wie kommt die Ukraine im Kursker Oblast/Rayon voran, welchen Effekt erzielen deutsche Waffen im Hinblick auf den Siegfrieden über Putin? Wie reagiert Israel, wie der globale Westen, wie der globale Süden auf den erwarteten Doppelangriff von Hisbollah und der Mullahs in Teheran? Besteht noch  Hoffnung auf ein Ende des Gaza-Krieges, gar auf einen realen Frieden in Nahost?

Genug der Fragen, Sorgen und Spekulationen. Ich beschränke mich in diesen Sommertagen  auf einen Hinweis auf  meinen Globkult-Artikel  https://www.globkult.de/politik/welt/2389-die-deutschen-hoffen-auf-harris zu dem von um die Demokratie besorgten Deutschen mit Vorfreude erwarteten Sieg von Kamala Harris bei den US-Präsidentschaftswahlen. Daraus die Schlusspassage mit einer persönlichen Stellungnahme:

Ich kann mich für keinen der beiden Kandidaten (m/w) erwärmen. Ich habe jedoch das Gefühl, dass wir  – in der Bedrängnis eines zweifach geführten Kalten Krieges - am Ende des Wahltheaters eine kreischende Spätpubertäterin anstelle eines angejahrten Grosssprechers an der Spitze der westlichen Wertewelt erleben werden. Das wird - nach den mutmaßlich Entsetzen hervorrufenden Landtagswahlen in den drei „ostdeutschen“ Bundesländern -  vor allem „uns Deutsche“ - das neue „Wir“ unseres Bundespräsidenten – erfreuen.

Montag, 15. Juli 2024

Nach dem Fußballspektakel: Ein Blick von außen

I.

Naturgemäß überlagern die Berichte zum blutig gescheiterten Attentat auf Trump derzeit alle anderen Nachrichten, einschließlich der Kommentare zum Sieg der Spanier über die Engländer im Endspiel der Europameisterschaft. In den seitenfüllenden Berichten der FAZ  (v. 15.07.2024) war über den Verlauf des Attentats und das Innenleben des um Haaresbreite "erfolgreichen", von den Sicherheitsleuten erschossenen "mutmaßlichen" (juristisch-journalistische Pflichtformel) Mordschützen nichts Neues zu erfahren. Mit Ausnahme eines tiefgründigen Aufsatzes von Peter Graf von Kielmannsegg zum Vermächtnis des 20. Juli 1944 wäre die morgendlicheZeitungslektüre - insbesondere auch das Feuilleton -  den Zeitaufwand wieder einmal kaum wert gewesen. 

Den Sportteil überfliege ich seit langem nur mit kursorischem  Desinteresse. Die Helden meiner Kindheit und Jugend sind längst vergessen und/oder gestorben. Im Lauf der Jahre versiegte meine patriotisches Interesse an der  deutschen "Nationalmannschaft", auch an deutschen Siegen bei den Olympischen Spielen. Das "Sommermärchen" von 2006 verfolgte ich nur mit größtmöglicher Distanz, zog allerdings noch - mehr aus Freundschaftsgründen denn aus Begeisterung -  in die beflaggten Kneipen. Bei dem korrupten Spektakel in Qatar im Dezember 2022 ärgerte ich mich über Faesers provokant peinlichen Auftritt und registrierte mit Genugtuung das frühe "Aus" der namenlosen, zu PC-Gesten genötigten "Mannschaft". Ich gestehe jedoch, dass ich in den letzten Wochen -  zunächst wiederum mehr aus freundschaftlicher Verpflichtung denn aus Interesse -  ein paar EM-Spiele auf TV  angesehen habe. Und in der Tat: die spieltechnische Genauigkeit der Spanier, die Akrobatik von Spielern wie Yamal,Williams, Musiala oder Bellingham bereiteten ästhetisches Vergnügen. Die Enttäuschung Harry Kanes und seiner Leidensgenossen erregte mein Mitgefühl.

II.

Beim Durchblättern der Zeitung stoße ich auf die Kommentare aus dem Ausland zum Ausklang der Fußball EM 2024. Ins Auge fällt (S. 24, unten links) die Überschrift: "Frankreich. Altmodische Züge, dreckige Straßen". Das erweckt mein Leseinteresse, auch wenn ich die ICC-Züge  nicht so sehr als altmodisch, sondern das Reisen mit der Deutschen Bahn AG seit Jahren nur als qualvoll erfahre. 

Zur französischen Wahrnehmung wird der  langjährige Redakteur der Sortzeitschrift "LÉquipe" zitiert: "Dass die Züge altmodisch, langsam und unpünktlich sind, war bekannt, aber dass die Sauberkeit auf den Straßen nicht mehr vorhanden ist, sowie die Tatsache, dass man so viele Obdachlose auf der Straße sieht, hat mich schon überrascht."  

Nichts könnte die triste Gegenwart dieses unseres diversen und weltoffenen Landes schärfer abbilden als dieser Satz. Wer als Bürger mit offenen Augen durch die Städte - und durch die politische Landschaft - der "erweiterten Bundesrepublik" (dixit post 1990 J.H.) - geht, den kann  schon seit langem - spätestens seit der Ära Merkel - nichts mehr überraschen. (Siehe dazu auch meinen Artikel aus dem Jahr 2022:   https://www.tabularasamagazin.de/zur-aesthetik-des-muells-in-der-hauptstadt-und-anderswo/)

Mittwoch, 10. Juli 2024

Die NS-Ära in einem Ort in Oberbayern

Nachfolgend stelle ich für die Leser/innen meines Blogs die Besprechung eines Buches vor, das, entstanden aus umfangreicher Archivarbeit, die Banalität des Bösen der Nazi-Diktatur am Beispiel des Münchner Vororts Gröbenzell erhellt. Die Rezension erschien soeben auf Globkult.

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Die NS-Ära in einem Vorort von München

An Literatur über die NS-Ära ist wahrhaftig kein Mangel. Gleichwohl verdient in ahistorischer Gegenwart, da die rituellen Beschwörungen des „Nie wieder!“ auf eine gänzlich andere politisch-soziale und kulturelle Wirklichkeit treffen, ein aus umfangreicher Archivarbeit hervorgegangenes Buch Interesse, welches die Realität von damals anhand der Lokalgeschichte eines Ortes in Oberbayern anschaulich macht.

Gröbenzell war seit Anfang des 20. Jahrhunderts als Siedlung, angrenzend an den Münchner Vorort Pasing an der Bahnstrecke nach Bruck (Fürstenfeldbruck) entstanden. Ohne den Status einer selbständigen Gemeinde, verteilten sich um 1930 die ca. 1200 Bewohner auf fünf andere Gemeinden, die Mehrheit gehörten zum Dorf Olching. Ähnlich wie in anderen vor und nach dem I. Weltkrieg in der Nähe großer Industriestädte entstandenen Siedlungen, bestritten die Besitzer der Siedlungshäuser ihren Unterhalt als Arbeiter, Angestellte oder als kleine Selbständige sowie durch intensive Nutzung ihrer auf ehedem unfruchtbarem Moorgebiet erworbenen Grundstücke. Kennzeichnend für die örtlichen Lebensverhältnisse war die Zucht von hörnerlosen Ziegen, für die ein regsamer „Bocksverein“ auf entsprechenden Ausstellungen mehrfach prämiert wurde.

Von den umliegenden katholisch-konservativen Dörfern unterschied sich die traditionslose Siedlung – immerhin gab es eine katholische Kirche - durch die geringe kirchliche Bindung ihrer Bewohner. Hingegen existierte ein reges Vereinsleben, obenan der Interessenverein Gröbenzell (IVG), in dem aktivistische Mitglieder für die Selbständigkeit der Siedlung eintraten.

Zur Erhellung der politischen Ausgangslage - in der Phase relativer Stabilisierung der Weimarer Republik - können die Landtags- und Reichstagswahlen 1924 (Grafik 2, S.33) dienen, als der Völkische Block in Bayern (VBI) fluktuierend zwischen 17,1 und 5,1 Prozent der Stimmen erzielte. (Rainer Probst: Völkischer Block in Bayern (VBl), 1924/25, http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Völkischer_Block_in_Bayern_(VBl),_1924/25) Auf kommunaler Ebene traten anno 1924 SPD und KPD noch gemeinsam als „Linksblock“ siegreich hervor. (S.16, 33)

Bei den Reichstagswahlen am 20.5.1928 kam die NSDAP in Gröbenzell - bei mit 47,4 Prozent ungewöhnlich hohen Stimmenthaltungen - bereits auf über 20 Prozent. (S.21, 33) Als erste am Ort firmierende Partei trat sie am 19. September 1929 nach Gründung in der Bahnhofswirtschaft in Erscheinung. Soziologisch aufschlussreich ist das Personal der frühen Gröbenzeller NSDAP. Zu den Gründern und den kurz danach eingetretenen Aktivisten gehörten - als erster Vorsitzender - ein aus Bamberg zugezogener, frühpensionierter Postsekretär sowie dessen als „SA-Mutter“ gerühmte Ehefrau, der Protagonist der Sezessionisten im IVG, ein Dentist und Obmann des Schachklubs, Alois E. Drexler, der Bruder von Anton Drexler, dem Gründer der Münchner NS-Kernzelle DAP, ein entlassener Polizeioffizier aus Hessen, ein Bildhauer sowie – als Teilnehmer am Hitlerputsch 1923 und „Blutordensträger“ - fünf weitere Nationalsozialisten der ersten Stunde. Als machtgieriger Ortsgruppenleiter fungierte von 1932 bis 1945 der Buchhalter Martin Steger.(S. 32)

Am 14. September 1930 signalisierten die Reichstagswahlen mit 18,3 Prozent der Stimmen den Durchbruch der Hitler-Partei und die Krise der Republik. Deutlich abweichend vom Wahlverhalten sowohl im Bezirk Bruck sowie in der Gemeinde Olching, blieb die konservative Bayerische Volkspartei (BVP) in Gröbenzell mit nur 66 Stimmen (=10,7 %) unter den für das katholische Bayern gewohnten Zahlen. (20) Hingegen feierte die Gröbenzeller NSDAP mit 35,2 Prozent - wenngleich noch mit weniger Stimmen als für die SPD - einen spektakulären Erfolg. Im Krisenjahr 1932 schwankten in der politisch scharf gespaltenen Siedlung die Zahlen für die NSDAP bei Landtags- und Reichstagswahlen zwischen 29,4 und 27,9 Prozent. (S. 32, 29, 30)

Weltwirtschaftskrise, Arbeitslosenziffern, Notstandsküchen und politische Gewalt – nicht nur seitens der Nazis - liegen als Erklärung nahe. Zu Recht rückt der Autor Kurt Lehnstaedt den Evangelischen Verein ins Bild. Dessen Vorsitzender, der Pasinger Stadtvikar Werner Pürckbauer, legte bei seinem ersten Gottesdienst im April 1930 Flugblätter aus, in denen er die Gefahren des Bolschewismus und seitens der KPD beschwor. Den Evangelischen Verein stimmte er mit „Schallplatten aus dem Sowjetparadies mit ihren satanischen Melodien“ ein. (S. 23) Im Herbst 1933 annoncierte der Vorstand des Vereins die Einladung zu einem Vortrag des Vikars über „Die Sendung Adolf Hitlers im Lichte des Evangeliums“ im Schulhaus Gröbenzell. Ob derlei Botschaft auch antisemitische Töne enthielt, geht aus der Darstellung nicht hervor. (S.78)

Bei der Reichstagswahl am 5. März 1933 – im Gefolge von Hitlers Ernennung zum Reichskanzler, der „Verordnung zum Schutz des Deutsches Volkes“ (4. Februar 1933) und des Reichstagsbrands - lag die NSDAP in der Münchner Vorortsiedlung zwei Prozent über dem Ergebnis im Reich von 43,9 Prozent. (S.37). Die eigentliche „Machtergreifung“ bestand in der Übertragung der Regierungsgewalt in den Ländern an Reichskommissare, in Bayern an den General Franz von Epp als Generalstaatskommissar. Innenminister wurde der Münchner Gauleiter Adolf Wagner, der Himmler als Münchner Polizeipräsidenten installierte.

Wie im gesamten Reich, exekutierten im Bezirk Bruck die zur „Hilfspolizei“ ernannten SA-Leute die „nationale Revolution“ mit terroristischer Gewalt. Nicht wenige Sozialdemokraten und Kommunisten kamen in „Schutzhaft“ oder landeten im frisch etablierten KZ Dachau. Zu den Opfern gehörte der SPD-Gemeinderat Josef Schäflein, ein Zimmermann. Der SA-Mann, der ihn mit einer Eisenstange zum arbeitsunfähigen Invaliden geprügelt hatte, wurde nach dem Krieg zu zehn Monaten Gefängnis verurteilt. (S.42)

Die „Gleichschaltung“ begann mit der Verhaftung der bisherigen Amtsträger. Gebrochen von „Schutzhaft“ oder KZ, unterwarfen sich frühere Nazi-Opponenten der Diktatur, andere wählten den Weg der Anpassung bis hin zum Eintritt in die Partei. Mit Ausnahme des Gartenbauvereins, wo der mit einer jüdischen Frau verheiratete, evangelische Schreinermeister Hans Bär bis Herbst 1937 noch als Kassier und Zuchtwart walten konnte (S.38), besetzten im Trachtenverein, in der IVG, in der Freiwilligen Feuerwehr usw. Parteigenossen die Vorstandsposten. Von der KPD organisierter Widerstand im Bezirk Fürstenfeldbruck wurde im Sommer 1934 zerschlagen. Die gleichzeitigen SS-Mordaktionen während der sogenannten Röhm-Affäre erregten in der Gegend offenbar kaum Unruhe. (S.91) Der erwähnte Ex-Polizeioffizier überlebte seine Nähe zu Röhm und machte später bei der SS Karriere. Er fiel Ende 1941 als SS-Brigadeführer bei „Säuberungsaktionen“ gegen Partisanen in der Sowjetunion. (S.166f.)

Bis zum Kriegsbeginn 1939 erlebte die Siedlung einen regelrechten Bauboom mit wachsenden Einwohnerzahlen. Den banalen Alltag akzentuierten Propagandaveranstaltungen, Filme im neu errichteten Kino, nicht zuletzt die ideologisch aufgeladenen Festtage wie „Heldengedenktag“, Hitlers Geburtstag, Maifest, Sonnwendfeier usw. Am 6. November 1938 wurde in der Ortsmitte ein von dem ortsansässigen NS-Bildhauer entworfenes Mahnmal enthüllt, gewidmet „den Toten des Weltkrieges und der Bewegung“. Der große Festakt endete mit einem „kameradschaftlichen Zusammensein“ in der Bahnhofswirtschaft mit Blasmusik, Einlagen von HJ und BDM sowie Schuhplattlern des Trachtenvereins.

Das Mahnmal (Abbildung S.118) erregte den Spott („Teller mit Pudding“) der weniger Gläubigen. Aufschlussreich ist das Kapitel über regimekritisches Verhalten. Was sich in abfälligen Bemerkungen oder in spontanen Ausbrüchen des Unmuts manifestierte, inspirierte zu vielfältiger Denunziation. Bemerkenswert sind dabei die relativ „milden“ Strafurteile, die – zum Teil bis in die ersten Kriegsjahre hinein – von den bereits im März 1933 auf der Grundlage des „Heimtücke“-Gesetzes etablierten Sondergerichten gefällt wurden. Im Oktober 1942 zeigte ein Architekt den staatenlosen Kaufmann Waldemar (Wladimir) Rennenkampf, einen aus der namhaften deutsch-russischen Familie stammenden Emigranten, wegen Defätismus und Schwarzschlachtens an. Der in der Bauplattenproduktion tätige Unternehmer wurde zwar zu 15 Monaten Gefängnis verurteilt, das Verfahren jedoch eingestellt, da Rennenkampf – am Ort ein offenes Geheimnis - als V-Mann der Gestapo fungierte. (S. 145-149)

In erschütternden, sorgfältig recherchierten biographischen Details tritt in dem Kapitel „Ausgeschlossen aus der Volksgemeinschaft“ das Wesen des Nationalsozialismus – die Mischung aus Wahn und „Wissenschaft“, Bürokratie und Verbrechen – hervor. Unter den zahllosen Menschen, die in die Mühlen der „Rassehygiene“ - Sterilisation und Euthanasie - gerieten, sticht das Schicksal einer jungen, aus Düsseldorf stammenden Frau hervor. Die Hausärztin der Familie notierte Verhaltensauffälligkeiten und meldete den „Fall“ dem Amtsarzt des Bezirks, der eine „schwere geistige Störung“ diagnostizierte und die Einweisung in eine Heil- und Pflegeanstalt veranlasste. Die 18jährige Eva Link entging bei mehrfachen Verlegungen der „Aktion T“, wurde aber im Zuge der „wilden Euthanasie“ am 28. Mai 1943 in der Anstalt von Meseritz-Obrawalde getötet. In der bei Posen gelegenen Nervenklinik wurden mehr als 18 000 Menschen ermordet, bevor im Januar 1945 die Rote Armee das Areal besetzte. (S.184)

Der antisemitische Rassenwahn erfasste vier in Gröbenzell ansässige, aus „Mischehen“ hervorgegangene Familien. Dr. Kurt Schroeter, ein international anerkannter Heilpädagoge, emigrierte im Oktober 1937 nach Amsterdam, während seine „arische“ Frau, ausgebildet als Lehrerin, ihren Lebensunterhalt am Ort mit Nachhilfeunterricht, dem Verkauf von Wertgegenständen, Grundstücksteilen und Vermieten bestritt. Anfang 1943 wurde er ins Amsterdamer Ghetto umgesiedelt, Mitte August auf offener Straße verhaftet und am 15. November– unter Assistenz niederländischen Hilfspersonals - nach Auschwitz deportiert. Anfang Januar 1944 wurde sein Name – unter „Nr. 76 Holl. Jude 163397 Schroeter Kurt Isr., geb. 5.3.82“ - auf der Todesliste des Krematoriums registriert.

Im Hause ihres Schwagers Hans Bär suchte im Frühjahr 1939 die zum Katholizismus konvertierte Irma Löwenstein Zuflucht. Sie wurde am 1. April 1940 von zwei SS-Männeren mit einem Spürhund „abgeholt“ und in das bis Anfang Mai 1942 noch bestehende Israelitische Krankenhaus in München gebracht, von wo sie am „5.6.42 nach dem Osten abgeschoben“ wurde. Sie starb am 18. Januar 1943 als eine von 87 Toten auf der Quarantänestation in Theresienstadt. (S.204-6)

Aufschluss über das Verhalten der Bevölkerung während der Kriegsjahre vermitteln die Aufzeichnungen des katholischen Pfarrers Josef Auer. Nach der Kriegswende 1943 demonstrierten nur noch überzeugte Nazis wie der Ortsgruppenleiter Steger heldische Siegeszuversicht. Für das Finale des Dritten Reiches typische Szenen erlebte der Ort gegen Ende April 1945. Während eine versprengte Wehrmachtskohorte - nicht etwa SS-Einheiten – den Pfarrer zwang, eine weiße Fahne vom Kirchturm zu entfernen, gelang es einer mit weißer Fahne ausgerüsteten Gruppe unter Führung des jungen Martin Hatzinger in letzter Minute, den Ort kampflos an die Amerikaner zu übergeben. Nach Kriegsende rankte sich um die nächtliche Aktion Hatzingers - in Unkenntnis seiner NSDAP-Mitgliedschaft machten ihn die Amerikaner nach der Befreiung zum örtlichen Bürgermeister – die Legende, sie sei mit der – am 28. April blutig gescheiterten - Widerstandsgruppe der „Freiheitsaktion Bayern“ (FAB) koordiniert gewesen. (S.247)

Erhellt wird das dunkle Bild der NS-Ära in einem Ort der oberbayerischen Provinz durch wenige Beispiele menschlichen Anstands, auch seitens zweier gemäßigter Nationalsozialisten. Loyalität gegenüber seiner jüdischen Frau bewies der völkisch-nationale Gerhard von Branca, nach Kriegsende aktives Mitglied der CSU. (S. 187f., 195-7, 259). Bei einem der Elendszüge („Todesmärsche“) von Häftlingen des KZ-Außenlagers Kaufering nach Dachau verteilte die Lebensmittelhändlerin Viktoria Kiefl – offenbar ungehindert von den spärlichen SS-Bewachern - Brot an die Häftlinge.

Aus unserer Inhaltsskizze geht die Qualität des Buches – als eine über den lokalen Rahmen weit hinausreichende Geschichtsquelle – hervor. Was das Begriffsklischee vom deutschen „Tätervolk“ betrifft, so leistet das Buch in seiner faktenreichen Präzision einen Beitrag zur Differenzierung hinsichtlich der bedrückenden Wirklichkeit. Die historische Grauzone – die zwischen Einverständnis, Nichtwissenwollen/Verdängung und tatsächlicher Unkenntnis angesiedelten Bewusstseinslagen der Deutschen in den Kriegsjahren – wird indes an der Stelle verlassen, wo der Autor den Holocaust als „gewissermaßen eine Art offenes Geheimnis“ bezeichnet. (S.211)

Kurt Lehnstaedt: Gröbenzell in den Jahren 1933 bis 1945. Die fünfteilige Siedlung im Nationalsozialismus, Volk Verlag München 2015, 296 Seiten


P.S. Der Autor hat mir mitgeteilt, dass es es sich bei dem Trupp, der in der Endphase des Krieges den Pfarrer Auer bedrohte und  zum Einholen der weißen Fahne nötigte,tatsächlich um SS-Leutete handelte.Diese Leute hatten sich mit Wehrmachtsuniformen ausgestattet. Die entsprechende, vom Autor zitierte Passage in dem Originalbericht Auers ist jedoch missverständlich formuliert.
 

Mittwoch, 5. Juni 2024

Der allgrüne Wahl-o-Mat

I.

Die als "Europawahlen" deklarierten Wahlen zu dem - mit fürstlichen Diäten ausgestatteten, ansonsten weitgehend als parlamentarische Staffage fungierenden - EU-Parlament werden in der politisch-medialen Aufbereitung des Themas zum zentralen politischen Ereignis des Jahres 2024 stilisiert. Es geht um das demokratische Bekenntnis aller "Europäer" zu "Europa", abzulesen an der Wahlbeteiligung und dem Abschneiden der "rechten" (verfassungschützerischer Sammelbegriff Nancy Faesers für Nonkonformisten aller Art, für Konservative, Reaktionäre, reale oder imaginierte Faschisten sowie Neonazis) Parteien - nach Ausschluss der AfD aus der demokratisch geläuterten rechten Le Pen-Familie.  

Kritische Fragen zu den Mechanismen und Machtrealitäten - zur Verfassungswirklichkeit der EU - des Brüsseler Apparates werden in derlei Debatten grundsätzlich vermieden. Der zur Wahl aufgerufene "mündige Bürger" in den formal noch souveränen Nationalstaaten ist - soweit nicht "bekennender Europäer" - ratlos, welcher "Parteienfamilie" er sich zuzuordnen habe, wo  er denn sein Kreuz auf der langen Liste machen solle. 

Ginge es nur darum, die Parolen auf den Wahlplakaten für bare Münze zu nehmen, so enthielte immerhin das "Bündnis Deutschland" ein attraktives Wahlversprechen: "Vernunft statt Ideologie". Leider ist mir nicht klar,  wieviel Vernunft in der besagten Splitterpartei herrscht und auf wieviel Vernunft - und Einfluss - sie rechnen könnte.

Als mündiger Bürger und ratsuchender Wähler habe ich auf der "Achse des Guten" das von der Bundeszentrale für politische Bildung ausgearbeitete Ratespiel kommentiert.  https://www.achgut.com/artikel/der_allgruene_wahl_o_mat

II.
Der von der Bundeszentrale für politische Bildung (BpB) ins Netz gestellte „Wahl-O-Mat“ soll laut Eigenwerbung „keine Wahlempfehlung, sondern ein Informationsangebot über Wahlen und Politik“ sein. Bei „Wikipedia“ wird das von der Zentrale präsentierte Instrument politischer Bildung wohlwollend als „Wahlentscheidungshilfe“ – will heißen: eine Art Hilfsapparat für politisch Pflegebedürftige – vorgestellt.

Was ich von dem - von seinen Autoren (sc. -innen) selbst vermutlich als wertebewusst und genuin demokratisch empfundenen -  "Informationsangebot" halte, habe ich bereits anlässlich der Bundestagswahl 2021 einmal verdeutlicht.https://www.achgut.com/artikel/wahlomat_gruen_gefaerbtes_ratespiel Es handelt sich um wenig mehr als um grüne Wahlwerbung. Der in Form von 38 "Thesen" - in der Meinungsforschung auch bekannt als statements  - vorgestellte Fragenkatalog besteht aus nichts anderem als loaded questions, die beim "mündigen Bürger" (sc. der B-in und/oder  - wie im Fragenkatalog als demokratische Grundsatzentscheidung offeriert - B- ohne "Geschlechtseintrag")   a) ein schlechtes Gewissen wecken ("Die EU soll eine eigene Seenotrettung im Mittelmeer aufbauen." Oder auch: "Der Flugzeugtreibstoff Kerosin soll für Flüge in der EU steuerfrei sein.") oder b) eine differenzierende Betrachtung des fraglichen Themas gar nicht erst zulassen: Ja - neutral - Nein. Aliud non datur. Beispiele: "In der EU sollen mehr Flächen als Naturschutzgebiete ausgewiesen werden." "Die zulässige Menge an Fischen, die in EU-Gewässern gefangen werden dürfen, soll gesenkt werden.""Das Erasmus- Stipendium für Auslandsaufenthalte soll für Studierende, die über weniger finanzielle Mittel verfügen [?], höher sein." "Geschlechtsspezifische Gewalt gegen Frauen soll europaweit als Asylgrund anerkannt werden." Usw. usw. Nein ("stimme nicht zu") macht den Wahl-o-mat-Spieler AfD-verdächtig.

Ich gestehe, dass folgende "These" mein Urteilsvermögen - mangels Kenntnis der Materie - schlicht überfordert: "Urheberrechtlich geschützte Werke (z.B. Fotos, Musik, Literatur) sollen in der EU für nicht-kommerzielle Zwecke kostenlos verwendet werden dürfen." Was soll da die rot umrahmnte Ermahnung: "Bitte beantworten Sie die Thesen sorgfältig."?

Da die Dinge nicht so einfach sind, wie sie der Wahl-o-Mat - und eben auch die zur Wahl stehenden Parteien - auf  Wahlplakaten, in Talkshows und Fensterreden im Bundestag - suggerieren, bleibt einem "mündigen Bürger" kaum anderes übrig, als die  zur Wahl gestellte "These" abzuweisen, d.h  auf der Liste zu überspringen. Entsprechend antwortete der Wahl-o-mat am Ende des ideologischen Hürdenlaufs  sowie nach meiner Auswahl  (von der CDU/CSU über die Grünen zur AfD, über Sonneborns "Die Partei bis zu Sahra Wagenknecht) der zur "Europawahl" zugelassenen 34 oder 35  Parteien: "Leider kann der Wahl-O-Mat auf der Grundlage Ihres Antwortmusters kein individuelles und zuverlässiges Ergebnis berechnen."

 Ich hatte auch nichts anderes erwartet. Hätte ich gemäß der in die "Thesen" eingespeisten Vorgaben "gewählt", wäre ich ohne Frage bei den Grünen - oder bei den noch grüneren - wenngleich in violetter Farbe Stimmung machenden - Supereuropäern von VOLT gelandet. Als mündiger, auch sprachästhetisch sensibler Bürger kann ich deren urdeutschen Wahlaufruf "Sei kein Arschloch" jedoch nicht so recht goutieren. Ich lasse mich nicht - weder von der durchgrünten BpB noch von VOLT  - ver...