Mittwoch, 29. Juli 2015

Was wirklich links ist. Eine Begriffsklärung

Beim "Browsen" stieß ich über ein Zitat, das mir zugeschrieben, in Wirklichkeit von einer Autorin stammte, die wiederum  in einem Beitrag  zur politischen Bildung ( Legitim? Herrschaft durch Sprache in Politik und Wissenschaft ) meinen Aufsatz Politische Semantik: Zur Durchsetzung von Begriffen im herrschenden Diskurs (in Globkult. v.. 24.3.2008) als Beleg anführte, auf eine Kritik der herrschenden Sprachverwirrung.

Sie stammt von Günter Ropohl, emerierter Professor für für Wissenschafts- und Technikphilosophie an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main. In einem Aufsatz über Politische Korrektheit: Wider den Aufstand der Gutmenschen für "Novo Argumente" schrieb er folgendes:


«Die Pathologie des Moralismus hat mit politischen Orientierungen überhaupt nichts zu tun. Daran können gleicherweise Linke und Rechte leiden. Doch in der jüngeren Vergangenheit ist der Moralismus besonders in Kreisen ausgebrochen, die sich selbst zuschreiben, fortschrittlich und links zu sein. Aber mit den Grundsätzen wirklich linken Denkens haben sie nur wenig gemein. Die grundlegende Devise der Linken ist die „Befreiung des Menschen von den unbegriffenen und unkontrollierten Mächten der Gesellschaft und der Natur“. So hat Rudi Dutschke 1968 das Programm der antiautoritären Linken auf den Punkt gebracht, [6] und er konnte sich auf Karl Marx und Friedrich Engels berufen, für die „die freie Entwicklung eines jeden die Bedingung für die freie Entwicklung aller ist“. [7] „Freiheit“ ist der Grundgedanke der Linken, und eigentlich wären sie die wahren Liberalen, die sich bloß nicht so nennen wollen, weil der alte Wirtschaftsliberalismus über der Freiheit der Besitzenden die Freiheit aller anderen vergessen hat.

„Politische Korrektheit“ aber ist der Versuch, wieder einmal Herrschaft zu etablieren: diesmal über die Sprache und damit über das Denken. Sie ist eine neue unbegriffene Macht der Gesellschaft, und wer wirklich links denkt, muss sich dem widersetzen. Wer Herrschaft über die Sprache ausüben will, kann nicht links sein. Wenn beträchtliche Teile der Sozialdemokratie und der grünen Bewegung mit abwegiger Moralisierung die Sprache vergewaltigen, beweisen sie damit nur, dass sie längst nicht mehr zur Linken gehören, sondern das Diktat eines kleinbürgerlichen Moralismus errichten wollen. Was Wunder, wenn unabhängige Geister jenes moralinsaure Gebräu dann spöttisch als Gutmenschentum etikettieren! Es ist sehr verwunderlich, dass gewisse Zeitgeistauguren das dann auch noch mit linkem Denken verwechseln. [8]»


Dienstag, 28. Juli 2015

The Great Migration


I.
The Great Migration lautet  der eine in englischsprachigen Geschichtsbüchern noch gebräuchliche Terminus  für die germanische Völkerwanderung; der andere  "barbarian invasions". Im 21. Jahrhundert verläuft die Bewegung in umgekehrter Richtung als ehedem in der Zeit des Niedergangs Roms. Sie geht hauptsächlich von Süden nach Norden. Das Land, in dem man sich über den Ansturm aus aller Welt (und aus Ländern innerhalb und außerhalb EU-Europas) am wenigsten distanziert Gedanken machen darf, ist zweifellos Deutschland. Sonst gerät man in Teufels Küche.

Das beginnt mit der Begriffsverwirrung: Flüchtlinge aus politischen  Gründen, für die das Asylrecht nach Artikel 16a GG, ante revisionem Art. 16(2) gedacht ist - niemand dachte anno 1949 an die Zahlen von heute, auch nicht an die permanente begriffliche Ausweitung -, werden mit "Migranten" in einen Topf geworden, die wiederum als "Wirtschaftsflüchtlinge" auf das Mitleid der Migrationsbeauftragten, der Sozialindustrie, last but not least der Wirtschaftsverbände zählen dürfen, abgesehen von den staatlich alimentierten  "linken"  Klassenkämpfern, die für den revolutionären Endsieg eine Reservearmee von "refugees" benötigen.

II.
Blickt man nach Syrien, Irak und Afghanistan oder Eritrea,  so scheint die Asylproblematik  eindeutig. Verständnis und Sympathie überwiegen angesichts des Schreckens gegenüber der Skepsis hinsichtlich der Motive eines jeden einzelnen. Damit ist die Frage nach der Anzahl der Aufzunehmenden - und Integrierbarkeit mancher Gruppen - indes nicht beantwortet. Allein die Frage nach der Quantität der gebotenen Humanität ist bereits wieder tabuisiert.

Der "Spiegel" (Druckausgabe), 27.07.15)   - das Titelblatt geziert von einer Afghanin in rosa Kopftuch - macht mit Entsetzen auf: "Deutscher Fremdenhass", oder so ähnlich. Nicht zufällig wird  die Frage, wie und warum es zu den genannten Massenfluchten gekommen ist, in der gegenwärtigen Debatte, soweit sie  überhaupt seriös geführt wird , weithin ausgeblendet.  Es könnten die alten und neuen politischen Sünden - in vielen Fällen ununterscheidbar von imperialer Arroganz und gigantischer Dummheit - zur Sprache kommen. Wer weiß hierzulande etwas vom  Sykes-Picot-Geheimabkommen von 1916, wer will sich noch an die mörderische Absurdität des Irak-Krieges 2003 sowie an die Beseitigung des Diktators Muammar al Gaddafi erinnern? Widerspruchlos gelangten die um ihre Ehre besorgten "Großfamilien" aus Nahost ins Land, z.T. schon vor dem "Bürgerkrieg" im Libanon.  Wen kümmern die realen Folgen des Geschwätzes von der "Facebook-Revolution" ? Usw. usw. Wer zog die Strippen beim womöglich noch "erfolgreichen" Versuch, den Stabilitätsgaranten Assad Jr. zu stürzen? Denkt die NATO bei ihren derzeitigen Konsultationen etwa im Ernst daran, den Bündnispartner Erdogan zur Räson zu bringen?

III.
Auf dem Weg ins Traumland Europe/Germany befinden sich parallel zu den Flüchtlingen aus Nahost Abertausende von "Migranten" aus Pakistan, Indien, Bengalen und sonstwo. Der Hauptstrom kommt derzeit aus Afrika, selbst wenn die Statistiken für Deutschland derzeit auf den Kosovo verweisen..

Soweit Eritrea als Herkunftsland mit schlimmer Diktatur genannt wird, gilt es wiederum, nach den Ursachen der heillosen Geschichte zu fragen. Ursächlich war der alte Ost-West-Konflikt an einem seiner Schauplätze am Horn von Afrika. Man komme im Falle Eritreas nicht mit der Kolonialgeschichte. Vor Jahrzehnten lernte der Blogger in Erlangen einen jungen Eritreer als Flüchtling (?) kennen, der  ihm erzählte, sein Vater sei vom italienischen Faschismus in der Kolonie recht angetan gewesen.

Der Dauerkrieg zwischen Äthiopien iund Eritrea begann, als das von den Sowjets - und der DDR-Stasi - gestützte "progressive" Schreckensregime des Diktarors Haile Mariam Mengistu von diversen ethnischen "Befreiungsbewegungen" zum Kollaps gebracht wurde. Kaum war die Unabhängigkeit Eritreas  konzediert, ging der Krieg  um ein paar Quadratkilometer Wüste seitens Eritreas von neuem los. Eine unendliche Geschichte. Warum hat bislang keiner der westlichen Staatsmänner daran gedacht, mit  dem  Regime in dem failing yet warring state am Roten Meer so zu verfahren wie mit Gaddafi? Wie wär´s mit einer peace enforcing mission ?


Bei seiner Afrika-Tour hat Obama Eritrea gemieden. Ihn zog es ins Land seines unbekannten Vaters, nach Kenya. Für den Präsidenten Uhuru Kenyatta, Sohn des alten Yomo Kenyatta, Chef der Kikuyus, brachte der Luo-Abkömmling Obama eine erstaunliche  Botschaft mit: "Afrikas Zukunft liegt in Afrikas Händen."  Auf eine Spezifizierung der Botschaft, jenseits der Aufforderung zu demokratischen Reformen, verzichtete der Präsident. Umso mehr lag ihm das Schicksal der in Afrika ungelittenen Homosexuellen am Herzen. Solange denen diverse postkoloniale Staaten üble Strafen angedeihen lassen, liegen für die Helfer-Industrie hierzulande wiederum reichlich schwer zu widerlegende Asylgründe vor.

IV.
Die Bevölkerung Afrikas beträgt derzeit schätzungsweise eine Milliarde Menschen, eher noch  mehr. In einigen Jahrzehnten dürfte sich die Zahl vedoppelt haben. Wieviele Millionen davon weiterhin ihr Glück jenseits des Mittelmeers suchen werden, ist nicht abzusehen. Wie indes die Abermillionen in Europa dann - von der Natur der Sache her  "multikulturell" -  zu integrieren sind, wissen die, die davon in schönen Worten reden, mit Sicherheit selbst nicht.

Das Thema Afrika brachte der deutsche Staatsbürger Prinz Asfa-Wossen Asserate,  dem Lande, das ihm nach  dem  blutigen Coup des o.g. Mengistu Asyl  gewährte, bis heute dankbar, in der FAZ vom 17.Juli im Titel seines Beitrags auf den Punkt: Afrikas Hoffnung verlässt den Kontinent". Es sind nicht die Verfolgten oder die Elenden, die ihre Herkunftsregionen verlassen,  sondern die, die ihre Chancen kalkulieren können. Bezüglich der nach Europa hereindrängenden Massen sagte Asserate, " [wir] werden bald nicht mehr von Migration sprechen, sondern von einer Völkerwanderung".

Montag, 20. Juli 2015

Zum 20. Juli: Werte für die Bundeswehr


I.
Welche Bedeutung im Zeichen der totalen (Post-)Moderne allgemein in Europa noch irgendwelchen Traditionen zukommt, bedürfte einer weit ausgreifenden Untersuchung. Mutmaßlich gehört zu den am dürftigsten mit „gelebten“ Traditionen ausgestatteten Ländern in Europa  die Bundesrepublik Deutschland, ablesbar u.a. an den alljährlichen Kirchenaustritten - sofern konfessionelle Zugehörigkeit im vergangenen Jahrhundert - unter Vorbehalt -  noch als Indikator für (christliche) Traditionsbindung gelten konnte.

Indes kommt unter dem - in öffentlicher Rede gemiedenen - Aspekt der Zivilreligion kein Staatswesen ganz ohne Traditionen aus (wenngleich bundesrepublikanische Verfassungspatrioten den Glauben an ihre res publica allein aus der abstrakten und/oder deliberativen,  real und spezifisch höchsteigenen Vernunft ableiten möchten). Am schwierigsten haben´s dabei die – per Revision des Grundgesetzes - für ihren Wertedienst gleichgestellten, syntaktisch bevorzugten Soldatinnen, sodann die Soldaten. Ihnen müsste im Hinblick auf die euro-atlantische Wertegemeinschaft sowie auf die Einwanderungsgesellschaft bei der Eidleistung („Recht und Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen“) etwas unbehaglich zumute sein. Wo steht jeweils „Recht und Freiheit“ auf dem Spiel, und zu welchen bündnispolitischen Zwecken sollen sie - nach Abzug vom Hindukusch – demnächst ihr Leben riskieren?

II.
Der Begründung und Festigung bundesrepublikanischer Tradition dient seit einigen Jahren die Vereidigung von neuen Wehrwilligen am Abend des 20. Juli im Bendlerblock zu Berlin. Ausreichend bereitgestellte Polizei sorgt dafür, dass die Zeremonie nicht von lautstarken „linken“, vermeintlich pazifistischen, tatsächlich meist „antideutsch“ gestimmten Protestierern gestört wird.
Bei der diesjährigen Veranstaltung hält Klaus von Dohnanyi, Sohn des ermordeten Widerstandskämpfers im Amt Canaris Hans von Dohnanyi, eine Rede.

Die Frage drängt sich auf, inwieweit – von den Überzeugungen des Redners Dohnanyi abgesehen – die heutige, für globale Einsätze vorgesehene Bundeswehr noch in irgendeiner Traditionslinie zum 20. Juli zu sehen ist. Die „vaterländischen Gefühle“ (Peter York von Wartenburg), welche die Männer - und (phraseologiefrei) Frauen – um Stauffenberg im Bendlerblock bewegten, sind – als eine der Spätfolgen des Scheiterns von Attentat und Staatsstreich - teils historisch obsolet, teils politisch inkorrekt geworden. Die militärische – medial ans „deutsche Volk“ übermittelte - Traditionsstiftung der Berliner Republik zielt an der sozialen Wirklichkeit und der politischen Kultur der Bundesrepublik vorbei.

III.
Für Soldaten geht es zudem um praktische Fragen: Wie, d.h. mit welchen Waffen, sollen sie den Frieden bewahren (oder schaffen), der Freiheit, dem Recht usw. dienen? Für derlei Fragen ist, berufen von der Ministerin Ursula von der Leyen, die neue Staatsekretärin („Ich als Beamtin“) im Verteidigungsministerium Dr. Katrin Suder zuständig. Aus ihrer früheren Rolle als Direktorin bei McKinsey Consulting hat sie Begriffe des Business English als Equipment fürs neue Büro mitgebracht, beispielsweise „deep dive“ und „commitment“. Katrin Suder, Physikerin und Theaterwissenschaftlerin, hält die dreifache Bedeutung des Wortes im Deutschen (Hingabe, Verpflichtung oder Engagement) für geeignet, „um die Beziehung des Soldaten zu seinem Beruf zu beschreiben“, so der Autor des Porträts der Staatssekretärin (in: FAZ v. 17.07.2015).

Entsprechend beeindruckt zeigt sich die Rüstungssekretärin („Ich als oberste Rüsterin“)  von der besonderen Berufsauffassung der Soldat(sc.-inn)en. Für Katrin Suder ist Soldat sein auch eine „sehr emotionale, sehr wertegebundene Aufgabe“. Eine Spezifizierung der Emotionen und Werte ist dem Artikel nicht zu entnehmen. Den aus dem Wortlaut des Grundgesetzes abzuleitenden konventionellen – oder eben bloß traditionellen - Werten von Ehe und Familie (Art. 6;1: " Ehe und Familie stehen unter dem besondern Schutze der staatlichen Ordnung") ist die Staatssekretärin auf spezifische Weise verpflichtet (engl. committed to): „Mutter zweier Kinder, in gleichgeschlechtlicher Partnerschaft lebend.“ Welche Emotionen bei den Soldaten vermittels besserer Ausrüstung zu stärken sind, ist dem Bericht aus dem einstigen kaiserlichen Reichsmarineamt nicht zu entnehmen.

IV.
Klar, wenn die deutschen Soldatinnen und Soldaten wieder an die Front sollen, brauchen sie bessere Waffen, z.B. Panzer mit Sitzen, die auch für hochschwangere Soldatinnen gut abgefedert sind. Um den deutschen Panzerbau, bislang bei Kraus Maffei Wegmann (KMW) in besten Händen, sorgt sich auch Rainer Arnold, verteidigungspolitischer Sprecher der SPD im Bundestag. Er fordert (als „Fremde Feder“ in der FAZ v. 08.07.2015, s. 8): „Ausverkauf deutscher Panzer an Frankreich verhindern!“. Der Blogger reibt sich die Augen. Gefährdet derlei „Forderung“ nicht a) die deutsch-französische Freundschaft als Kern der Europäischen Union b) die Rüstungskooperation auf möglichst vielen Gebieten, zum Zwecke vereinheitlichter Standards, Kaliber und globaler Einsatzfähigkeit c) den Kampf gegen jede Art von Nationalismus? Arnold warnt vor einer Fusion mit dem französischen staatlichen Rüstungsunternehmen Nexter. Im Blick auf deutsche mittelständische Zulieferungsunternehmen schreibt er weiter: „Der französische Konzern Thales ist ein direkter Konkurrent, und die französische Politik versteht die nationalen Interessen zu wahren.“ 

Incroyable! Welche Töne! Bewegen den SPD-Verteidigungsexperten am Ende gar „vaterländische Gefühle“? Mitnichten. Es geht darum, den Verlust von Arbeitsplätzen zu verhindern, im Falle einer Fusion wandert „die auch mit Steuermitteln aufgebaute Technologie ins Nachbarland ab. Deutschland würde seinen Spitzenplatz unwiederbringlich verlieren. Und der ´Leopard der Zukunft´ würde ein Franzose.“

Man sieht: Auch hier geht es um nationale Werte, wenngleich mehr um materielle. Es bleibt die bedrängende Frage, ob auch Frau Suder mit allem ihrem bei McKinsey erworbenen Verständnis für die Materie, nicht zuletzt bei ihrem deep dive in die Seele und  die Sorgen der Truppe gegenüber derlei nationalen Emotionen Verständnis zeigt.


Dienstag, 14. Juli 2015

Non-Grexit und seine tiefere Bedeutung

I.
Seit dem 5. Juli 2011 steht Christine Lagarde, la plus américaine des Françaises, als Direktorin dem Internationalen Währungsfonds (IMF) vor. Nachdem sie vor einer Woche, unmittelbar nach dem überwältigenden OXI der von Tsipras zu patriotischem Widerstand aufgerufenen Hellenen, angekündigt hatte, man befürworte einen Schuldenschnitt und sei seitens des IMF zu weiteren Krediten samt Schuldenstreckung bereit, war die Marschrichtung in der Griechenland-Krise klar: Non-Grexit.

Schäuble, Juncker, Martin Schulz et. al. mochten danach noch so verärgert über Alexis sein, doch der hatte im politischen Euro-Poker von vornherein die besseren Karten . Den kompletten Grexit, den Austritt/Ausschluss der Griechen aus dem Euro wollte keiner, nicht einmal Schäuble mit seinem Fünfjahresplan für eine temporäre Parallelwährung. Nachdem das Grundsätzliche ziemlich klar war, konnte Tspiras mit seinen Reformvorschlägen – so unbefriedigend sie Schäuble und anderen derzeit noch erscheinen mögen – zusätzlich Punkte bei seinen wirklichen Sympathisanten in der Euro-EU sammeln.

II.
Ob Tsipras mit seinem Vorhaben und Versprechen, endlich den bislang de facto – und de jure Graecorum – von Steuerzahlungen unbehelligten Reichen/Superreichen mit ihren stolzen Yachten an den Küsten von Hellas ans Konto (im Ausland) zu gehen, Ernst macht und ob er damit durchkommt, tut wenig zur Sache. Sein letzter, nach dem Referendum der Troika offerierter Reformplan will das maritime Vergnügen nunmehr bereits von der Fünf-Meter-Yacht an aufwärts (statt wie beim letzten Plan von zehn Meter von Bug bis Heck) verteuern. 

Auch das zuletzt selbst von den EU-Oberen kritisierte Verteidigungsbudget dürfte ihm keine großen Kopfschmerzen bereiten. Denn der NATO-Generalsekretär warnt angesichts all der von neuem aus Osten heraufziehenden Gefahren vor Einsparungen bei Militär und Waffen. Damit sind nicht nur die vorübergehend friedenstrunkenen Deutschen gemeint, sondern auch das seit Leonidas, Rigas Pheraios, Metaxas (Oxi), Papagos, Thyella und Markos ob seiner andreía gerühmte Volk der freien Hellenen an der Südostflanke der atlantischen Wertegemeinschaft. (Etwaige Zweifel an der Lauterkeit deren Protegés in Kiew beseitigen diese derzeit in Gefechten mit ihrem „Rechten Sektor“. )

III.
Tsipras´ Flirt mit Putin war am Ende doch nicht so ernst gemeint wie befürchtet. Immerhin hat sich der Ausflug nach Moskau gelohnt. Von der geschmähten Troika bekommt er jetzt glatt 30 Milliarden € mehr – und im Zweifel noch mehr - als die bescheiden beantragten 54 Milliarden.

Leider eignet sich der seit 2010 erkannte und stets aufs neue verschleppte griechische Staatsbankrott nicht als Stoff für eine Komödie. Große Teile der Bevölkerung müssen darunter leiden, dass „wir Europäer“ das Gebaren der politischen Klasse zu Athen über Jahrzehnte hin akzeptiert, ja gefördert haben - vermittels reichlicher Subventionen aus diversen EG/EU-Fonds, durch großzügige Kooptation in den Euro, durch permanente Kreditvergaben (zu Niedrigstzinsen, dem vermeintlichen Heilmittel der 2008 aufgebrochenen Finanzkrise) sowie freundliche Ermahnungen.

Im vorerst letzten Akt des endlosen Dramas um Staatsbankrott und Grexit wurden auf der europäischen Bühne noch ganz andere Handlungsfäden erkennbar. Plötzlich wurden aus der historischen Requisitenkammer alte Feindbilder hervorgeholt. Zumindest fürs leicht erregbare Publikum taugten die als Hitler und Nazis in Uniform ausstaffierten Figuren Merkel und Schäuble. Das mag zwar allen vernünftigen Beobachtern als geschmacklos, dumm und primitiv erschienen sein, beweist indes, dass im Falle ernstlicher Interessenkonflikte im EU-vereinten Europa die unselige Historie jederzeit als politisches Zweckinstrument zu verwenden ist. Aus „lieben Freunden“ werden dann unversehens die für überholt geglaubten Stereotypen. In solchem Spiel haben´s die Deutschen wirklich schwer, während die anderen auf der Bühne ihre unbeschädigten Selbstbilder vorzeigen.

IV.
Sichtbar wurde noch ein anderer, politisch gravierender Aspekt der europäischen Familienverhältnisse. Deren Zentrum bildet die mit unterschiedlichen Zwecken verfolgte Liebesehe zwischen Deutschland, dem vermeintlichen EU-Hegemon, und Frankreich, der Führungsmacht gemäß eigenem Selbstverständnis. Unversehens kehrte Hollande seine Führungsrolle im Euro-Drama hervor, als er – die Rede garniert mit der Beschwörung der im antiken Mutterland begründeten Werte der Demokratie - den Grexit, selbst Schäubles Para-Grexit auf Zeit,  kategorisch ausschloss.

Hinter den derzeitigen Euro-politischen Unstimmigkeiten zwischen Paris und Berlin steckt ein grundsätzlicher, wenngleich meist verdeckter Dissens in Fragen der politischen Ökonomie. Die Mehrheit der französischen classe politique verfolgt - unbeschadet von den längst allenthalben missachteten Maastricht-Kriterien - seit der Einführung des Euro das Konzept einer weichen Währung. Mit dieser Zielsetzung trifft sie sich in der Theorie mit jenen „linken“ Keynesianern, die wachsende Staatsschulden noch nie als Problem betrachteten. Ferner passt das Konzept zu den politischen Zielsetzungen all jener Staaten und deren Eliten, die aus der EU endlich eine offene, d.h. vertraglich fixierte Transferunion machen wollen – à conto des deutschen Steuerzahlers.

Derlei Absicht und Durchsetzung bedeutete womöglich  noch nicht den Eklat der EU als Interessengemeinschaft, solange jedenfalls der Geist des „Populismus“ die ganze Konstruktion nicht gefährden kann. Ernst wird die unendliche Geschichte von Schulden, Krediten (= de facto Schuldenerlass), Hilfsprogrammen (=Transfers) und whatever it takes (Draghi) erst, wenn die deutsche Produktions- und Exportmaschine ins Stocken gerät. Wie die Bundesrepublik dann in einer Generation allein ihre binnenstaatlichen Sozialtransfers – und manch andere Konflikte - bewältigen soll, steht auf einem anderen Blatt.

Sonntag, 5. Juli 2015

Internet-Erfahrungen, Aussichten der res publica, Non-Grexit

Ungeachtet der den Klimawandel (→ global warming; S.Gabriel und die Braunkohle; Seehofer und die Nord-Süd-Megawatt-Trasse; Emissionshandel; gesamtgrüne Koalition) begünstigenden Sommertemperatur sieht sich der Blogger zum Bloggen genötigt. Aus folgenden Gründen:

1) Der Fluch des Internet (s. Eintrag vom 22.06.20; http://herbert-ammon.blogspot.de/2015/06/globkult-etc-von-fluch-und-segen-des.html )

Über Google+, den unentbehrlichen Popularisator meiner Kommentare zur Weltlage, gelangt man zu jener Unzahl von Follower (Kapitälchen, ohne gramm. sinnvolles Plural -s) und „Freunden“ sowie von deren „Freunden“, die man mit wenigen Ausnahmen weder kennt noch als „friends“ zu schätzen wüsste. Von der Fülle der ins Netz gestellten Welterklärungen, Weltbeglückungen, Seelenstrip-Shows, Verschwörungstheorien sowie Moralkeulen droht man regelrecht erschlagen zu werden, während die eigenen Verlautbarungen im Handumdrehen in die ungelesenen unteren Rubriken rutschen.

Beim „Browsen“ (= stöbern, beim Lesen überfliegen, Zeit totschlagen) in Google (ohne +) stieß ich auf folgenden Eintrag: Kritik der Tragödie - Download free ebooks, pdf & etc. Files www.fluffebook.org/1r5ba8_pdf-book-kritik-der-trag-ouml-die.pdf If you want to get Kritik der Tragödie pdf eBook copy write by good author ... Zivilreligion aus dem Geist der Tragödie von Herbert Ammon I. Die Kritik der. - Pech für den Blogger: Seine „Kritik der deutschen Zivilreligion aus dem Geist der Tragödie“ http://www.globkult.de/herbert-ammon/567-eine-kritik-der-deutschen-zivilreligion-aus-dem-geist-der-tragoedie findet derzeit auch das Interesse einer community von confidence tricksters. Ich empfehle den Essay gleichwohl der Aufmerksamkeit meiner Leser (sc. -/innen/XXYZ).

Und doch: Besser jedenfalls, von einem Betrüger hereingelegt zu werden, als in einen shitstorm (= neudt. für Denunziation, Anzeige, Attacke) zu geraten, wie es derzeit an der Humboldt-Universität dem Politikwissenschaftler Herfried Münkler und dem Osteuropa-Historiker Jörg Baberowski widerfährt. Immerhin, die HU-Oberen sowie einige, nicht alle, Kollegen haben die Angegriffenen - die anonymen Aktivisten („Münkler-watch“) werfen ihnen das denunziatorisch Übliche: Sexismus, Eurozentrismus, u. dergl., dazu schwer verständliche, arrogante Wissenschaftsrethorik vor – und deren Lehrfreiheit verteidigt. Die tapferen Widerstandskämpfer anno 2015 hingegen verteidigen ihre Vorgehensweise mit der Furcht vor schlechten Zensuren seitens der unter „linke“ Beobachtung Gestellten. Fazit: Die zu NS-Zeiten blühende Blockwartkultur  zeigt ihre Stärke noch 70 Jahre danach - als Bereicherung der kulturellen Vielfalt.

2) Die Bild-Zeitung, Zentralorgan des Volkes, liefert heute eine wichtige Ergänzung zu meinen Überlegungen zum richtigen Umgang mit der direkten Demokratie http://herbert-ammon.blogspot.de/2015/06/vom-richtigen-umgang-mit-direkter.html . Auf der Titelseite verkündet Bild das Resultat des „Bild-Referendums“: „89 Prozent stimmen für Nein!“ Gemeint ist natürlich nicht das von Tsipras empfohlene OXI zu den in schwer verständliches Griechisch übersetzten politischen Zumutungen der Trojka, sondern das „Nein!“ der vox populi Teutonici, d.h. der Bild-Leser. Immerhin: Dem Druck der von Bild veröffentlichten Mehrheitsmeinung der deutschen Bild-Bürger, einem Beispiel geglückter direkter Demokratie, wird sich selbst Merkel – man sagt ihr, der versatilen „mächtigsten Frau in Europa“, bereits Nachgiebigkeit in Sachen (Non-)Grexit nach – kaum entziehen können. Auf Merkel ist Verlass!

3) Merkel und ihr innerer Zirkel, so ist der gestrigen FAZ zu entnehmen, bereiten in Gesprächen - in den entsprechend teuren Lokalen und/oder der Bundestagskantine - die schwarz-grüne Koalition für 2017 vor. Naturgemäß wird bis dahin das bislang noch bestehende Vertrauen in den derzeitigen Koalitionspartner SPD „restlos aufgebraucht" sein. Deshalb braucht man „für einen modernen politischen Neuanfang“ schon jetzt einen vertrauenswürdigen Partner (Zitate aus dem Politsprech-Baukasten). Die neue Partnerschaft wird u.a. seitens der Grünen von Volker Beck (Menschenrechtsexperte mit einem gnädig vergessenen populärwissenschaftlichen Beitrag zum Thema „Pädophilie“), Omidpour (Verteidigungspoltik) und Konstantin von Notz (NSA-Untersuchungsausschuss) in Gesprächen mit den von Merkel beförderten CDU-Jungstars Peter Tauber (Generalsekretär) und Jens Spahn vorbereitet. Anders als bei früheren Annäherungen von Christ- und Gründemokraten handelt es sich diesmal weniger um eine „Pizza-connection“ -  "in unseren Kreisen bevorzugt man inzwischen edlere Speisen" (Kater Paul)– sondern primär um eine gay connection. Über Fragen der völligen „Gleichstellung im Eherecht“ der bis dato lediglich „Verpartnerten“ , der Minderung der CO 2 - Emissionen sowie eines noch moderneren Zuwanderungsgesetzes ( mutmaßlich zur Überwindung des düsteren Schattenbildes deutscher Geschichte) werde man sich gewiss einigen können. Schließlich sei man sich im Grundsätzlichen, wonach „Ökologie und Ökonomie kein Widerspruch“ sein müssen, bereits einig.

Die angestrebte Liebesheirat bedürfte, um mehrheitsfähig zu werden, nach einem prognostischen Kalkül des Bloggers noch eines dritten Partners. Für eine solche ménage à trois käme allein die FDP in Frage, die in den polls bereits wieder um die 5 % gehandelt wird. Die Sache hat nur noch einen Haken: Falls die AfD (ehedem Lucke-Partei) unter ihrer neuen Vorsitzenden Frauke Petry, der es nichts ausmacht, sich als „Nazi“ beschimpfen zu lassen, den Sprung in den Bundestag (im Reichstag) schafft, beginnt das Rechnen und Koalitionsverhandeln aufs neue.

4) Der erwartete Kommentar zum Non-Grexit, egal ob OXI oder NAI, steht aus. Er kommt vielleicht bei späterer Gelegenheit. Zum Thema nur soviel: Die Griechen,  genauer: die Mehrheit der für ihren Lebensunterhalt hart arbeitenden, sind schon seit langem nicht zu beneiden. Aber wer könnte oder sollte ihnen den richtigen Rat geben?