Mittwoch, 15. August 2018

Leseempfehlung: Die Zukunft in Syrien

Dass Hintergründe und Verlauf - bis zum endlich absehbaren Ende -  des Bürgerkriegs in Syrien vielschichtiger und widersprüchlicher sind, als in der vorherrschenden Berichterstattung, die über Jahre hin auf Verständnis für die "demokratischen Rebellen" und Verdammnis des Diktators Assad sowie seines Schutzherrn Putin ausgerichtet war, ist einem distanziert kritischen Beobachter der nahöstlichen Szenerie stets klar gewesen. (Siehe meine Kommentare in Globkult, e.g. https://globkult.de/politik/deutschland/864-zum-unfrieden-in-nahost-unbequeme-faktenlagehttps://globkult.de/politik/deutschland/880-politische-bildung-vi-westerwelles-schutzfaehige-opposition-und-obamas-chemielabor-fuer-syrien.) Obgleich sich jetzt der Sieg Assads über über die hierzulande stets mit Sympathie gehandelten Rebellen, nicht zuletzt über die auf vereinzelte Stützpunkte zurückgedrängten Terrorbanden des IS("Islamischer Staat"), immer deutlicher abzeichnet, vermisst man in den Medien  und in den Verlautbarungen unserer classe politica konzeptionelle Überlegungen zur Zukunft des Landes in Nahost. Man spricht allenfalls über die fortschreitende  Integration von Flüchtlingen.

Eine Ausnahme bildet das Interview, das der Redakteur Simon Strauß mit der seit 2009 in Wien lebenden Frauenrechtlerin Rasha Corti führte ("Jetzt kann sich endlich alles ändern", in: FAZ v. 14.08.2018, S. 9). Die aus Raqqa - die Stadt wurde 2013 von  diversen islamistischen Milizen, zuletzt vom  IS überrannt - stammende Dokumentarfilmerin hält Assad keineswegs für unschuldig am Eklat und an den Gräueln des Bürgerkriegs, aber eben auch nicht für den alleinschuldigen.
 
Erhellend - wenngleich  politisch unerwünscht - sind die Kommentare zur Rolle der beiden Großmächte: "Russland hat immer zu uns gestanden, anders als die Amerikaner, die in anderen Ländern Rebellen wie die Taliban unterstützt haben." Auf die Frage, welche Rolle Russland künftig spielen solle: "Ja, Russland ist die einzige Hoffnung. Denn nur Putin kann Syrien vor dem Machthunger Erdogans schützen." Die Syrerin erläutert dessen - auf die Vereinnahmung Aleppos zielenden - Ambitionen anhand von Details der türkischen  Okkupation in den nördlichen Landesteilen.

Was weniger das Kopftuch als den Islam als solchen betrifft, erklärt die Frauenrechtlerin, dass  nach der "unmittelbaren Begegnung mit dem IS vielen Menschen begonnen [haben], den Islam und seine Radikalisierungspotentiale kritisch zu sehen." Hierzulande will man - etwa im "Dialog" von Christen und Muslimen - derlei kritische Fragen an die "dritte abrahamitische Religion" lieber nicht stellen.

Als peinliche Provokation für das gründeutsche Publikum müssen vor allem  Frau Cortis Worte über die Zukunft ihres Landes wirken. Nötig sei eine gemeinsame Syrienpolitik, auf die sich die Europäer und Russland verständigen sollten.  Auch die Zukunft der vor und nach 2015 Geflüchteten sieht sie in ihrem Heimatland. Zwar sei die Integration auf dem hiesigen Arbeitsmarkt die effektivste Integrationsmaßnahme, aber zugleich "halte ich es für die eigentliche Aufgabe einer verantwortungsvollen Integrationspolitik, dass sie ihre Einwanderer auch dazu ermutigt, in absehbarer Zeit in ihre Heimatländer zurückzukehren... Meine große Hoffnung besteht darin, dass diejenigen, die jetzt nach Europa geflüchtet sind, nach Syrien zurückkehren mit all den Fähigkeiten, die sie hier erworben haben." 


Samstag, 11. August 2018

Eine Kritik des grünen Gesamtkunstwerks

I.
Dass die Deutschen - die Biodeutschen, die Neudeutschen, die Passdeutschen, die cosmopolitan Germans sowie selbst die Antideutschen - grün fühlen, grün denken und vor allem grün fühlen sollen, wird bei jeder TV-Nachrichtensendung ersichtlich. Zugegeben, der Tagesrhythmus des Bloggers orientiert sich seit langem  nicht mehr an den öffentlich-rechtlichen TV-News, in denen er wenig Neues, schon gar nichts über die Hintergründe der gezeigten Spots erfährt, wohl aber ständig ermahnt wird, sich seiner Verantwortung für das das globale Elend, für die von uns Wohlstandsbürgern misshandelte Natur, für den Klimawandel und die Klimaflüchtlinge bewusst zu sein. Die relevanten Informationen und Bilder sind immer noch besser in Druckerzeugnissen zu finden, nicht zuletzt in den social media.

Den  Hütern der politischen Moral erscheinen diese neuen Informationsquellen als konsensstörend. Einige entrüsten sich gar in harten Worten über die "asozialen Medien", was offenkundig auf Fehlwahrnehmung beruht. Denn dass solcherlei Abwertung falsch ist, wird in diesen Augusttagen von Bildsequenzen auf youtube oder sonstwo belegt.

II.
Der Betrachter darf die politische Elite der Bundesrepublik beim Aufstieg auf den Grünen Hügel von Bayreuth bewundern. Das Festspielhaus oberhalb der fränkischen Markgrafenstadt hat seit seiner Eröffnung 1876 unbeschadet - bei der Bombardierung Bayreuths im April 1945 klammerte der "masterbomber" den Wagner-Tempel ausdrücklich als Zielobjekt aus - vier politische Systeme erlebt. Jahr für Jahr, von Ende Juli bis Ende August, wallfahrtet die gute Gesellschaft des Landes  auf den Grünen Hügel, um das von Wieland und Wolfgang  in den 1950er Jahren von jeglicher Erinnerung an Onkel Wolf bereinigte Gesamtkunstwerk des Meisters zu erleben und durch ihre bloße Präsenz zu vollenden.

Die ästhetische Tendenz der Bayreuther Weihespiele wechselte im vergangenen Jahrhundert im Sinne der jeweils herrschenden geistigen und politischen Ordnung. Dass anno 2018 der deutsche Geist grün durchtränkt ist, kam beim Einzug unserer Bundeskanzlerin zur diesjährigen Eröffnung zum Ausdruck. Sie erschien in prächtig grüner, langer Garderobe, nicht etwa in gewohntem Hosenanzug.  Eröffnet wurde die Saison mit "Lohengrin". Das Lächeln der Kanzlerin, die Feierlichkeit der Stunde, die Inszenierung des Politischen im Dienste des Erhabenen verbot die Frage nach dem tieferen Sinn des Ganzen.

III.
Wie monochrom grün es auf dem Grünen Hügel - mit Ausstrahlung auf das grüngeistige Volk - zugeht (und  künftig zugehen soll), demonstrierten sodann in strahlender Zweisamkeit Claudia Roth in hochgeschlossenem AfD-Blau und Anton Hofreiter in schwarzem Smoking mit schwarzer Fliege.

Den  Kommentar zum Auftritt des Paares liefert Necla Kelekin einem für eine Provinzzeitung verfassten Aufsatz, der wiederum nur im Internet zu finden ist ( http://www.buerstaedter-zeitung.de/panorama/aus-aller-welt/gastkommentar-von-necla-kelek-zu-den-gruenen-partei-ist-eine-fortschrittsbremse_18991171.htm#). Zu welcher Aufführung ist das grüne Heldenpaar den Grünen Hügel hinaufgeschritten? Gehört auch Karin Göring-Eckardt zu den Festspielgästen? Gibt´s noch andere grüne Wagnerianer/***Innen?

Statt mit derlei Klatschnachrichten befasst sich Kelek, deutsche Dissidentin mit Migrationshintergrund, mit Fragen zur grünen Weltmoral: "Herrn Hofreiter und Frau Roth hätte die Geschichte von „Lohengrin“ gefallen, fordert er doch das, was die abwesenden Grünen und die anwesende Kanzlerin Merkel in der Flüchtlingspolitik geschehen lassen: ´Nie sollst du mich befragen, noch Wissens Sorge tragen, woher ich kam der Fahrt, noch wie mein Nam’ und Art.´ Die Rolle des Lohengrin ist allerdings nicht mit einem Flüchtling besetzt und der Schwan kein Schlauchboot. Deshalb der Verzicht? Aber vielleicht kommen sie ja noch, denn das Frageverbot, an das Lohengrin seine Hilfe knüpft, erinnert an die Einwanderungspolitik, die die links-grüne Mitte seit Jahren betreibt. Da wird das Benennen der Probleme vor allem der muslimischen Migrantinnen – wie Frauenunterdrückung, Zwangsheirat, Vollverschleierung, das Kinderkopftuch und die Bildung von Gegengesellschaften, ebenfalls mit einem Frageverbot belegt. Unterstützt durch die Migrationsforschung wird mit stattlichen Beträgen der Rassismus der Deutschen erforscht, keine Forschungsgelder werden ausgegeben, um die Rolle der Moscheen in den Schulen zu ermitteln oder Verwandtenehen zu thematisieren... Die grüne Parteispitze versucht, wie der Soziologe Max Weber es in Politik als Beruf formuliert hat, alles zu tun, damit ´die Flamme der eigenen Gesinnung nicht erlischt´. Moralische Überlegenheit ersetzt das Argument, die eigene Befindlichkeit entscheidet über Dringlichkeiten... Claudia Roth redet mit erwachsenen Menschen so, als wären die in der Kita... Das ´Ach´ und Weh´´, (Lohengrin, Schluss des letzten Akts) der Berufspolitikerin Roth ist ein rührseliges Selbstbild, das belegt, dass sie die Probleme unseres Landes nicht begreift, sondern sie sich wie in ihrem blauen Kleid immer nur um sich selbst dreht. Wie ihre Partei!"

IV.
Zur Klärung der Lage, zum Begreifen der gesellschaftlichen Wirklichkeit, können marxistische Begriffe nach wie vor hilfreich sein. Das grüne Gesamtkunstwerk, ob nun dargeboten von Merkel oder von Roth, bildet den ideologischen Überbau der bundesrepublikanischen Gesellschaft. Wenn die Basis, die Wohlstandssicherheit der einst bürgerlichen Mittelschichten, ins Rutschen kommt, gerät auch der grüne Überbau ins Wanken.