Sonntag, 9. Dezember 2018

Kurzkommentar zur Wahl AKKs

Nein, ich habe mir das inszenierte Getöse auf dem CDU-Parteitag in Hamburg - laut Zeitungsbericht wieder mal fast zehn Minuten SED-mäßiger Applaus für Merkel -   nicht  angesehen noch angehört, sondern abgewartet, was dabei herauskommt. Herauskam die knappe Mehrheit für Annegret Kramp-Karrenbauer. Zu deren Kür nun doch noch ein Eingeständnis: am späten Freitagabend - nach einer nicht übermäßig informativen Reportage über das staatlich indirekt  finanzierte Vordringen Chinas durch Investitionen auf dem deutschen Markt - guckte ich mir für ein oder zwei Minuten Kramp-Karrenbauers Auftritt vor den 999 Delegierten an. Inhaltlich nichts Neues - nichts, was auf eine politische Wende zum Besseren schließen lassen könnte -, kaum mehr als die alllseits bekannten polit-rhetorischen Versatzstücke und die entsprechend angestrengte "kämpferische" Gestik.

Dazu  noch ein Zitat von AKK auf dem - "für unser 21. Jahrhundert" - wichtigsten Informations - und Agitationsmedium Twitter: "Wir haben eine Verantwortung! Die Menschen verlassen sich darauf, dass wir unser Land stark machen. Wenn unser Wertesystem Standard überall in der Welt sein soll, geht das nur mit starkem Deutschland und starkem Europa. Das ist die Verantwortung, die über die CDU hinaus reicht." Derlei Worte erquicken das Volk, erwecken allseits Hoffnung, bei den Menschen in Deutschland, bei den gebeutelten Gelbwesten in Frankreich, ja weltweit -, klingen indes  nach Merkel: inhaltslos, immerhin in korrekter Syntax. 

"Unser Wertesystem": Interessanter als das, was sich die Katholikin Kramp-Karrenbauer darunter vorstellt, ist was, bei dem politischen Schaulaufen der Jusos - der Truppe,  aus der die SPD ihre künftigen  leaders rekrutiert - zu hören und zu sehen war. Eine nicht mehr ganz jugendliche Funktionärin ereiferte sich "als Feministin" für das Recht auf Abtreibung bis zum neunten Monat - nicht etwa neunte Woche - der Schwangerschaft. Der Antrag ging durch, Widerspruch regte sich nur bei einer Gruppierung "Pragmatische Mitte" (oder so ähnlich). Mit derlei "radikal emanzipatorischen" Proklamationen empfiehlt sich der Parteinachwuchs im Umfeld von Kevin Kühnert für künftige Führungaufgaben in Deutschland und Europa. 

Der SPD ist aus mancherlei Gründen - Übergang zum postindustriellen Zeitalter, volatiles Wahlvolk (nicht nur im "Osten"), Massenimmigration, dürftige Programmatik,  charismafreies Führungspersonal, Konkurrenz auf der Linken -  das frühere Wählerpotential (Industriearbeiter, untere Mittelschicht, "kleine Leute") - abhanden gekommen. Wenn sie künftighin bei bei Wahlen nicht über die Prozentzahlen der derzeitigen Umfragen hinauskommt,  hat die einstige "Volkspartei" SPD dies auch ihrem "kämpferischen", in Wirklichkeit nur  noch peinlichen Nachwuchs zu verdanken.

Also  doch lieber - faute de mieux  - Kramp-Karrenbauer? Kaum. Was längst not tut, wäre die Abkehr von der "unpolitischen Politik" (Ferdinand Knauss) des Merkelismus. Dessen  verantwortungsfreie Konzeptionslosigkeit ist  parteiübergreifend.


Donnerstag, 6. Dezember 2018

Das Lob des Ex-Generalsekretärs Ban Ki-moon

In einem Interview mit der FAZ ("Der Pakt wird wirken", in: 06.12.2018, S. 2) verteidigt der südkoreanische Diplomat Ban Ki-moon, von 2007 bis  2016 Generalsekretär der Vereinten Nationen, den nächste Woche in Marrakesch zur Unterzeichnung anstehenden UN-Migrationspaktes (Global Compact for Safe, Orderly and Regular Migration [GCM]). Die Wahl der - für Touristen, Filmfestivals sowie betuchte europäische expats attraktiven - Metropole im Süden Marokkos (abzüglich des  "umstrittenen" Territoriums Westsahara) für den Vertrag ist mutmaßlich kein Zufall, aber nicht ohne Ironie: Das von einem Nachfahren des Propheten regierte Königreich im Maghreb - es gilt im arabischen Raum als vergleichsweise "liberal" - steht unter multiplem Migrationsdruck: erstens als Land mit hohem Bevölkerungswachstum und entsprechend anwachsender, auf Einwanderung in Europa sinnender  Jugend (push), zweitens als mal stärker, mal weniger durchlässiges Durchgangsland (semi-attractive pull) für subsaharische "Migranten", drittens als Erzeuger von Kriegsflüchtlingen aufgrund der Annexion der spanischen Ex-Kolonie Rio de Oro ("Republik Westsahara") (collateral push), was den hehren Zielen des Migrationspaktes indes keinen Abbruch tut.

Ban Ki-moon - laut FAZ seinerzeit  mehr Bürokrat als Friedensbringer,  Förderer der Frauenquote in der 40 000 Personen umfassenden Bürokratie - kritisiert die wachsende Zahl der Nichtunterzeichner des Pakts (obenan die USA) als "verantwortungslos". Schuld an dem Widerwillen mancher Staats- und Regierungschefs seien auch die Mechanismen der (national-)staatlich etablierten Demokratie: Auf globalen Foren präsentierten sich viele Politiker von Rang als "Weltpolitiker", zu Hause aber würden sie "zu Geiseln der eigenen Wählerschaft".  Interessant wäre zu wissen, wie Ban Ki-moon die Einstellung der politischen Eliten in der zur Demokratie gereiften Republik Korea (Südkorea), ein nicht als immigrationsfreudig bekannter Staat, zu ändern gedenkt. Die grundsätzliche Frage, in welchem territorialem Rahmen demokratische Verfahrensweisen fürderhin zu praktizieren seien, solange die von "Universalisten" angestrebte, auf expandierende Menschenrechte zu gründende  Globaldemokratie noch in den Sternen steht (und sich das global operierende Reich der Mitte derlei ins Globalistische zielenden Projektionen freundlich lächelnd entzieht).

Ausdrücklich lobt der  Ex-Generalsekretär die deutsche Kanzlerin Angela Merkel "als Mutter der Migranten". Womöglich hatte er die mit einem syrischen Ankömmling für ein "Selfie" ins Smartphone lächelnde "Mutti" vor Augen. Wie wenig moralisch, sondern schlicht opportunistisch, es in der für die "Flüchtlingskrise" entscheidenden Septemberwoche anno 2015 im Kanzleramt tatsächlich zuging, scheint Ban Ki-moon nicht klar zu sein. Jedenfalls hat er das Buch von Robin Alexander "Die Getriebenen" - aus mangelndem Erkenntnisinteresse oder wegen fehlender Übersetzung? - nicht zur Kenntnis genommen.

Ban Ki-moon ist überzeugt, dass der Migrationspakt "moralisches Gewicht" hat und "große Wirkung entfalten" wird. Damit bestätigt er all jene, die ungeachtet der  bei der Abstimmung  im Bundestag hinzugefügten Vorbehaltserklärung sowie allerlei in der Erklärung selbst widersprüchlichen Punkte  den Pakt als Schwächung nationalstaatlicher Souveränität durch soft law, letztlich als Türöffner für weltweite Migration zurückweisen. (Siehe u.a. https://www.tichyseinblick.de/feuilleton/buecher/was-bedeutet-was-bringt-der-un-migrationspakt/?fbclid=IwAR0HVfAp0v6RHtS1u9XgFjU8LwmZq949d5Wx59WMxoEb6KrBgt1xgu0WzD8

Nüchtern betrachtet, geht es bei dem "Pakt für sichere, geordnete und reguläre Migration" - die Unklarheiten beginnnen bereits mit der Übersetzung - um den alten Widerstreit von (Hyper-)Moral und der Kunst, Notwendigkeit und Grenzen des Möglichen. Wer die Weisheit - und die behauptete Moral - des "Paktes" in Zweifel zieht, gehört in diesem Lande, "in dem wir gut und gerne leben" (Angela Merkel), selbstverständlich zu den "Rechten" - unter ihnen der verdiente Berliner SPD-Politiker Heinz Buschkowsky.