Montag, 28. Oktober 2013

Migrationshintergrund: Lotta zieht um

Zu den väterlichen Pflichten zum Zwecke "nachhaltiger" Bildung  und Vorbereitung des Nachwuchses auf die Härten des Lebens (Kursvorschlag für das Bachelor-Studium in Erziehungswissenschaften [Kita-level]: sustainable socialisation for success and empowerment) gehörte dereinst das Vorlesen. Eine der Lieblingsgeschichten  der Kleinen stammte von der ehedem noch unzensierten  Astrid Lindgren und hieß "Lotta zieht um".

Eine Variante dieser Geschichte entdeckte der Blogger im  Feuilleton der FAZ. Das ist heute (28.10.2013)  weitgehend lesenswert, nicht zuletzt wegen der (gekürzten) Dankesrede der  Büchnerpreisträgerin Sibylle Lewitscharoff. (Zur Erläuterung: Sie wurde von der  zuständigen "Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung" u.a. wegen ihrer "Beobachtungsenergie" ausgezeichnet. Mit dieser Wortschöpfung ist  m.E. die Akademie ihrerseits in die engere Konkurrenz für die Benennung des alljährlich angeprangerten "Unwortes" gerückt...) Lewitscharoff bedankte sich bei der Jury mit einer  Bemerkung über das  Frauenschicksal  in der deutschen Sprache: "Vergessen wir nicht die Frauen. Die Frauenbewegung in Deutschland und in den Vereinigten Staaten ist ein Trampolin für ausgeschnitzte Verrücktheiten. Eine grauenhafte Grammatikschändung hat hierzulande die gesamte Bürokratie unterwandert und die Universitäten voll im Griff. An der Stelle sei es erlaubt, noch eine Grußadresse an unserem Präsidenten [sc. der Akademie] auszubringen: Professorin Heinrich Detering, willkommen in der weichen Welt des neuen deutschen Frauentums!"

Auf der letzten Feuilletonseite  finden sich die montäglichen Geburtstagswürdigungen von mehr oder weniger bekannten Persönlichkeiten, darunter ein Porträt der Schauspielerin Cornelia Froboess anlässlich ihres  70.  aus der Feder von Gerhard Stadelmeier. In der rechten Spalte  widmet Wiebke Hüster der Choreographin/Regisseurin Reinhild Hoffmann ein Geburtstagsportät, gleichfalls zum bevorstehenden 70. Da erfahren wir folgendes liebevoll gezeichnete Detail: "Als sie geboren wurde, 1943, war das Ende des Zweiten Weltkrieges noch furchtbar weit.  Ihr Geburtsort, Sorau in der Niederlausitz, gehört heute zu Polen. Sie konnte noch nicht sprechen, als ihre Familie mit dem Kleinkind Reinhild nach Süddeutschland umzog."

Genauere Details über den Umzug bleiben dem Leser vorenthalten, womöglich da die mutmaßlich noch jugendfrische Autorin über die historischen Umstände des Migrationsvorgangs anno 1945 nicht mehr im Bilde ist oder diese für biographisch belanglos hält. Vielleicht hatte sie beim Schreiben des betreffenden Satzes auch die fröhlichen Flausen der kleinen Lotta im Kopf. Immerhin kam dem  Blogger beim Lesen des Geburtstagsartikels  der Titel von Astrid Lindgren in den Sinn: "Lotta zieht um". In der Lotta-Geschichte kommt die sowjetische Armee  als Umzugshelferin  allerdings nicht vor.

Post scriptum:  Der Blogger, dem selben Jahrgang  wie die gewürdigte Choreographin angehörig, wurde "in Brzeg in dem von den Nazis besetzten Polen geboren", wie er vor Jahren  aus einem auf ihn gemünzten Flugblatt des AStA der FU Berlin erfahren durfte. Zur Geographie des Geburtsorts des Bloggers: Es handelt sich um die Stadt Brieg, ca. 40 km südöstlich von Breslau an der Oder in Niederschlesien gelegen, ab 1945 polnisch Brzeg. Der Umzugsberechtigungsschein aus der niederschlesischen Mittelstadt, seit 1950 zur Wojewodschaft Opole (Oppeln/OS) gehörig, wurde (vorbehaltlich) am 2. August 1945 in Potsdam-Cecilienhof ausgestellt.

Freitag, 25. Oktober 2013

Unter Freunden geht das gar nicht

Bundeskanzlerin Merkel, in der global media community oft als "die mächtigste Frau der Welt" bezeichnet, zeigt sich über den Zugriff der NSA auf ihr  Kanzlerinnen-Smartphone - oder war´s nur ein obsoletes ("mega-out") "Handy"? - entsetzt: "Unter Freunden geht das gar nicht", ließ sie verlauten. Ähnlich entsetzt zeigen sich die "Qualitätszeitungen" (DIE ZEIT, FAZ etc.) und/oder "Leitmedien". Eine derartige Verletzung der Privatsphäre - als ob es eine solche im Politikbetrieb überhaupt geben könnte -   sei nicht hinnehmbar, ein unerträglicher Affront gegenüber der Bundesrepublik Deutschland, dem so überaus wichtigen Verbündeten der USA. Obama könne womöglich gar nicht gewusst haben, was seine NSA da alles angestellt habe. Geheimdienste entfalteten oft  ein Eigenleben, ohne den obersten Dienstherrn von ihren sinistren Aktivitäten zu informieren etc.

Zu dieser bundesrepublikanisch-medialen Aufregung nur ein Kurzkommentar:

1. Die digitale Technik schreitet unaufhaltsam voran, mit  ihr die Überwachungstechnik. Selbstverständlich bedienen sich die Mächtigen derartiger Instrumente. Das liegt in der Natur der   Sache, ob in der Politik, ob in der Wirtschaft, leider selbst in der Wissenschaft.

2. Obama habe von derlei Machenschaften vielleicht gar nichts gewusst? - Um derartiges zu  vermuten, be-darf es eines Maßes an Naivität, welches der Blogger selbst den einfältigsten  Hofberichterstattern nicht un-terstellen möchte. Derart wohlmeinender Nonsens wurde indes  u.a. von ZEIT-online verbreitet, was immer-hin einen Leser zu einer Reminiszenz an die Nazi-Naivität der  Volksgenossen - und Volksgenossinnen - in-spirierte: "Wenn das der Führer  wüsste!"

3. Die Souveränitätsfrage im Zeitalter digitaler Möglichkeiten zu stellen, ist müßig. Wenn inmitten der künst-lichen Aufregung über den "Lauschangriff" zuweilen von Souveränitätsverletzung gesprochen wird, handelt es sich um journalistische Scheingefechte.Vom technischen Aspekt abgesehen, kann von  Souveränität des Post-Nationalstaats Bundesrepublik ungeachtet des 2+4-Vertrags keine Rede sein. Zu meinen, das - von   Interessenkonflikten sui generis durchzogene - Konstrukt EU  könne in souveräner Gemeinsamkeit den Übergriffen der verbündeten Vormacht trotzen,  ist entweder naiv oder  nicht ernst gemeint.

4. Natürlich war Obama an Merkels Strategie während der Euro-Krise interessiert. Natürlich interessiert er sich für die Rolle der Deutschen am Mittelmeer und in Nahost. Natürlich interessieren ihn die Grenzen deut-schen Wohlverhaltens, etwa im Hinblick auf den von den USA (nicht nur von den USA) seit langem ange-strebten EU-Beitritt der Türkei.

5. Kurz: Merkel irrt, falls ihre Worte ernst gemeint sein sollten: Doch, das geht unter Freunden,  schon im-mer. Nicht erst seit Lord Palmerston wissen wir, dass es in der Politik keine Freunde gibt, sondern nur Inter-essen.

P.S. Dass die Grünen sich am lautesten über die NSA - nicht über Obama - erregen, war zu erwarten. Handelt es sich bei der Abhöraffäre um eine politische Komödie, so passt der Auftritt der Berufsempörten trefflich in die Rollenverteilung.
 

Dienstag, 22. Oktober 2013

Rita Süssmuths "humanitäre Katastrophe". Nachtrag

Leserbriefe sind häufig der lesenswerteste Teil einer Tageszeitung. Zweifellos gehört die betreffende Rubrik in der FAZ nach wie vor zu dem, was die Zeitung  attraktiv macht. In der heutigen  Ausgabe (22.10.2013, S. 24) findet der Blogger zwei aufschlussreiche Zuschriften, die er der Aufmerksamkeit des Publikums empfehlen möchte.

1) Dier erste ergänzt und bestätigt meine Kritik an Inhalt (und Diktion) der naiven (?) Klage der CDU-Politikerin und einstigen Zentralrats-Katholikin Rita Süssmuth über die "humanitäre Katastrophe", die über die iranischen Volksmudschahedin in zwei Lagern im Irak hereingebrochen sei. Der Leserbriefschreiber Manfred Kaschel, Bottrop, ordnet die einst gegen den Schah Reza II. Pahlevi, heute gegen die "Islamische Republik Iran" operierende Gruppe als "die noch recht umfangreichen Reste einer stalinistisch geführten Bürgerkriegstruppe" ein. Gegen das Mullah-Regime gingen die "Volksmudschahedin" auch mit Attentaten vor. Sie standen bis 2009 auf der Terrorismus-Liste der EU (bis 2012 auf der Liste der USA, s. meinen Blog v. 16.10.2013)

Der Autor verwahrt sich gegen Süssmuths Terminus "Dissidenten" und erinnert die Katholikin Süssmuth an das Bibelwort: "Wer Wind sät, wird Sturm ernten." Er fügt hinzu: Für die Folgen dieses Sturmes sollte Frau Süssmuth aber nicht den deutschen Staat und Steuerzahler haften lassen. [...] Ich hoffe, dass Bundesinnenminister Friedrich diese besondere Art der Einwanderung auf Betreiben von Gutmenschen abbricht, nachdem bereits 46 Personen eingereist sind."

Der Blogger teilt die Hoffnung Herrn Kaschels, gibt ihr angesichts der herrschenden, taz-grün eingefärbten Ideologie indes nur geringe Chancen.

2) Der Staatssekretär a. D. Ulrich Thurmann äußert sich nicht nur sprachkritisch zum verpönten Begriff  "entartet", ein Partizipialadjektiv, das grundsätzlich nur noch als  Nazi-Vokabel wahrgenommen wird. Dafür gibt es Gründe, zuvörderst die geschichtsnotorische Ausstellung, die nach Eröffnung  im "Haus der Deutschen  Kunst" zu München  durch  die Städte des (noch nicht Groß-)Deutschen Reiches herumgereicht wurde.

Der Chef der "Alternative für Deutschland" (AfD) Bernd Lucke verwendete die Vokabel in
Zusammenhang mit den Euro-Rettungskünsten (die anscheinend vorerst Erfolge zeitigen, sofern die angeblich geminderten Staatsschulden Griechenlands nicht wieder EU-gerecht getürkt sind).
Herr Thurmann vermittelt Einsicht in die arcana des vom Bundestag trotz des faktischen Verzichts auf originäre, grundlegende Verfassungsrechte im Schnellverfahren gebilligten  - mediendeutsch: "abgesegnet" -  ESM-Vertrag vom 27. Sept. 2012. Demnach sind die geheimzuhaltenden Beschlüsse der für den Europäischen Stabilitätsmechanismus  (ESM) zuständigen Gouverneure jeglicher parlamentarischer Kontrolle entzogen.   Zusätzlich erinnert er an den "rechtswidrigen Verwaltungsakt", mit dem die Bundeskanzlerin anno 2011 die sofortige Einstellung der Kernkraftwerke im hessischen Biblis durchsetzte.

Anhand dieser Beispiele begründet der Staatssekretär a.D. seinen Austritt aus der CDU und rechtfertigt den Sprachgebrauch des Wirtschaftsprofessors Lucke. Überschrift: "Was Lucke meinte".

Mittwoch, 16. Oktober 2013

Humanitäre Katastrophen allerorten

In der FAZ v. 14.10.2013  bringt die einstige Gesundheits-/Familienministerin, sodann Bundestagspräsidentin (1988-1998) Rita Süssmuth (CDU) unter der Rubrik "Fremde Federn" ihre Empörung über eines der zahllosen, in den Medien derzeit unerwähnten Beispiele von Verfolgung, Terror und Asylsuche zum Ausdruck: "Im Irak eine humanitäre Katastrophe beenden!" Die Überschrift weckt Assoziationen an Flucht und Vertreibung der einst bis zu 1,5 Millionen im Zweistromland lebenden Christen unterschiedlicher Konfession (Aramäer, Armenier, diverse mit Rom  Unierte ), die zu Opfern der seit  dem zweiten Irakkrieg 1992- laut Wolfgang Günter Lerch (FAZ) in dem  wie stets unübertrefflich kenntisreichen Artikel vom 19.10.2013 bereits seit dem ersten Irakkrieg 1991 - herrschenden Zustände geworden sind. Nur ein geringer Teil hat im de facto unabhängigen kurdischen Teilstaat im Norden Sicherheit gefunden, viele andere wurden getötet oder sind geflüchtet - nicht wenige zunächst nach Syrien (unter das Regime Assads) -, eine schwindende Minderheit von Zurückgebliebenen kämpft angesichts des Terrors radikalislamischer Gruppen ums Überleben. Fragen drängen sich auf: Wie, wenn ja, unterscheidet sich deren Lage im sunnitischen Zentrum von denen im schiitischen Süden? Wie verhält sich der starke Mann Maliki (ein Schiit) gegenüber der verbliebenen Minderheit?

Sodann denkt der Leser an aus Syrien in den  Irak Geflüchtete, die teils als Flüchtlinge ihre Existenz fristen müssen, teils sich als "Kämpfer" für die nächsten Aktionen im syrischen Bürgerkrieg rüsten.

Der Text der humanitär besorgten Autorin Süssmuth zielt indes auf eine andere "humanitäre Katastrophe"  - ein in der lingua politica  mittlerweile fest etabliertes Oxymoron - in Nahost: Ihr geht es um die Rettung der in einem "Zwischenlager" mit dem Namen "Camp Liberty" bei Bagdad untergebrachten 3100 iranischen "Dissidenten". Zuvor waren diese "Dissidenten" - anscheinend über Jahre -  in einem anderen, ehedem "sicheren und gut ausgebauten" Camp Ashraf untergebracht.. Die dort Zurückgebliebenen wurden am 1. September von "iranischen und irakischen Todeskommandos" massakriert oder verschleppt.

An einer Stelle nennt Süssmuth - sie  erinnert in schönstem Politchinesisch daran, dass "auf der internationalen Tagesordnung  Attentate, militärische Gewalt, der Einsatz von chemischen Waffen stehen (sic!), ferner Hunderttausende Getötete" sowie die bekannten Flüchtlingsströme - die iranischen "Dissidenten" beim Namen: Es handelt sich um Angehörige der iranischen "Volksmudschahedin", die dereinst mit einer ideologischen Mischung aus Religion und Klassenkampf am Sturz des Schah-Regimes beteiligt waren, aber alsbald mit den durch die "Islamische Revolution" an die Macht gelangten Mullahs zerfielen. Ihren  "bewaffneten Kampf" setzten sie, mit Waffen unterstützt von den USA, an der Seite des Diktators Saddam Hussein - wir erinnern uns: 2003-2006 als einer der multiplen "Wiedergänger Hitlers" von einer "Koalition der Willigen" (Donald Rumsfeld) attackiert, aus Bagdad verjagt,in einem Erdloch aufgespürt  und schließlich zu Tode gebracht - gegen das ihnen aus spezifischen Gründen verhasste Mullah-Regime fort. Nach dem Ende des Diktators Saddam durften die Volksmudschahedin unter Protektion und militärischer Anleitung der Amerikaner ihren Privatkrieg fortsetzen, ungeachtet des Umstands, dass sie bis anno 2012 auf der US-Terrorliste standen (s. Jörg Lau: Wahnsinn mit System, in: DIE ZEIT, 4.10.2012 Nr. 41http://www.zeit.de/2012/41/Volksmudschahedin-Terrorliste-USA) Ihr Hauptquartier unterhalten die Volksmudschahedin unter der Führung von Marjam Rajawi - immerhin eine volksdemokratische  Quotenfrau, wenn schon keine CDU-Feministin wie Süssmuth - in Paris, gesponsert von s.o.

Mit den Volksmudjahedin machte ich vor einigen Jahren um die Weihnachtszeit vor dem Eingang zur Filiale der Deutschen Post-AG Bekanntschaft. Neben einer Plakattafel mit Porträts von Vermissten und Bildern von  fürchterlich zugerichteten Toten stand eine Frau, die meine Unterschrift unter eine Bittschrift sowie eine Spende für die Organisation forderte. Meine zurückhaltende Reaktion bedachte sie  mit lautstarken Schimpfworten, eine etwas unpassende Ouvertüre für den Weihnachtsfrieden.

Nun also fordert Frau Süssmuth: "Der Westen muss mehr tun!"[...] "Angesichts der katastrophalen Bedrohungslage ist es erforderlich, den Ausreiseprozess zu beschleunigen [usw]. Der Irak hüllt sich in Schweigen. Das kann nicht unsere, nicht Deutschlands Antwort sein." Ende.

In der Tat: Angesichts der höchst unfriedlich selbstverschuldeten  Genese dieser  "humanitären Katastrophe" und des  nahöstlichen Katastrophenbündels bleibt dem Blogger kaum mehr als zu schweigen. Wie bei manch ähnlichen Katastrophen denkt er darüber nach, wie  mit seinen Steuergeldern für mancherlei gute Zwecke dem Unheil abzuhelfen sei.




Sonntag, 6. Oktober 2013

Moralische Festung Europa

An die nahezu alltäglichen Meldungen von Flüchtlingen, die beim Versuch, aus unterschiedlichen Gründen - Kriegselend,  reale Armut, Wohlstandsversprechen - durch illegale Einwanderung in Europa zu entgehen,  auf erbärmliche Weise zu Tode kommen, hatte man sich in Europa gewöhnt, ungeachtet eines auf der Flüchtlingsinsel  Lampedusa verkündeten Appells des Papstes Franziskus I. an christliches Erbarmen.

Hingegen hat die jüngste Schiffskatastrophe, die weit über hundert Flüchtlingen - derzeit werden 143 gezählt -  einen schrecklichen Tod brachte, europaweites mediales Entsetzen ausgelöst.Von der diesbezüglich deutschnational einzigartigen Inszenierung der Medienberater und -innen erfuhr der Blogger, seit langem ein gemäßigt radikaler media refusenik,  erst heute nachmittag beim Sonntagskaffee bei Freunden.Die Moderatoren/Nachrichtensprecher (und - innen)  trugen am Tage der Katastrophe schwarz: schwarzer Anzug, schwarzes Kleidchen oder zumindest  schwarze Krawatte. Die Medien-PR-Berater hatten ganze Arbeit geleistet. Während zu Bestattungsfeiern das Tragen von Trauerkleidern zugunsten der Alltagsgarderobe - Pullover,  immerhin noch überwiegend in gedeckten Farben -  erkennbar zurückgeht, bekunden die fürstlich bezahlten TV-anchormen/women  kollektive Trauer über den Tod der Flüchtlinge. Derlei Heuchelei  will erstmal ohne Bühnenprobe gelernt sein...

Bittere Ironie beiseite:  Allenthalben sind Appelle an Mitleid und Mitmenschlichkeit zu vernehmen, erneut aus dem Munde des Papstes, sodann seitens der EU-Kommission, von Präsident Hollande und von Bundespräsident Gauck. Das Staatsoberhaupt, bis zum karriereträchtigen Mauerfall Pastor in Rostock,  rief den Bundesbürgern ihre Verpflichtung auf  "unsere europäischen Werte" ins Gewissen. Das klingt schön pastoral, in amtsgerechter säkularer Sprache. Was sind die "Werte", außer den von den hungrigen Einwanderern vermittels militant migration erstrebten materiellen Gütern? Geht es um die Früchte europäischer Aufklärung und Emanzipation, um republikanische Tugend? Um die deutsche Schuld/Scham als ideellem Werteangebot an Migrantinnen und Migranten? Um (post-)christliche Nächstenliebe? Um die "kulturelle Bereicherung" der an Hypermoral, Medienhype und geistiger Unterernährung leidenden Europäer, insbesondere der in schwindendem Maße wohlstandsgesättigten Deutschen? Um die Sicherung "unserer Renten" durch die Kinder der in die Sozialsysteme Einwandernden? Um mehr Schwarzarbeit im sozial verachteten unteren Dienstleistungsbereich? Um die Förderung einer "Willkommenskultur" zur Aufnahme von Millionen und Abermillionen in die geburtenschwache Moralfestung Europa?

Mitgefühl reiche nicht, die EU müsse schnell "die richtige Antwort finden", befand zu Recht der französische Premier Ayrault.  Unter allen Vorschlägen und "Forderungen" zum Umgang mit den Massen von illegalen Einwanderern (sans-papiers) klingen die vom französischen Außenminister Laurent  Fabius vorgetragenen am  nüchternsten und vernünftigsten. Fabius plädierte für eine Aufstockung der Entwicklungshilfe - Frage: für welcherlei fruchtbringende Projekte? - und ein entschlossenes Vorgehen gegen die Schlepper. Zudem fordert er mehr Geld für die EU-Grenzagentur Frontex (mit einem derzeitigen Jahresbudget von 50-60 Millionen €). Der italienische Ministerpräsident Letta erklärte, das Problem sei Libyen, Italien könne "nicht alles auf seine Schultern nehmen." Er vergaß hinzuzufügen, dass das "Problem" aufgrund des nach Intervention und Krieg,  Sturz und Tod Gaddafis erzeugten Chaos sich verschärft hat. Zudem: Wo liegen die Ursachen für die seit Jahrzehnten andauernden Massaker im tiefsten Afrika? Wie sind die Ethno- und Rohstoffkriege zu beenden?

Das Thema "Flüchtlingselend - illegale Einwanderung", meist subsumiert unter dem Begriff "Migration", wirft eine unendliche Kette von Fragen auf, die selbst mit der für politisches Handeln stets grundlegenden Unterscheidung von gesinnungsethisch spontanem Handeln  aus dem Geist der Bergpredigt  und verantwortungsethischer Distinktion zwischen Handlungszwängen, zwischen großen und kleineren Übeln nicht ad hoc zu beantworten sind. Für hochkomplexe, schmerzliche, schwierige Probleme gibt es keine einfachen Lösungen, womöglich gar keine Lösung. Mit Geld allein, mit dem Ausbau der Sozialindustrie in den wenigen ökonomisch  noch funktionstüchtigen Staaten, geschweige denn  mit  offenen Grenzen, werden die Einwanderungsströme sowenig zu regulieren sein wie mit schönen Worten. Schon vor etwa dreißig Jahren sagte der Sozialist (und Protestant) Michel Rocard, wir (= die Franzosen / die Europäer) könnten nicht das gesamte Elend der Welt bei uns aufnehmen. Die Völkerwanderung, die "Great Migration" des 21. Jahrhunderts,  in die Wohlstandszone Europas wird  anhalten (und Europa kulturell und sozial von Grund auf verändern), solange "die Europäer" - d.h. die Macht- und Funktionseliten  in der EU- keine verantwortungsvollen - und wirkungsvollen - Konzepte zur Minderung des Einwanderungsdrucks vorlegen und durchsetzen.


Mittwoch, 2. Oktober 2013

Ein Dissident im Multikulti-Paradies


  • Das verehrte Publikum wartet seit nahezu zwei Wochen auf einen weiteren (ein weiteres) Post. Ich muss die Leser auf einen  Beitrag aus meiner Tastatur noch etwas vertrösten. Als lesenswerte Alternative verweise ich auf  folgenden Auszug aus einem Buch des ehedem jugendfrischen Sponti Reinhard Mohr. Auf diesen politisch unerwünschten Kommentar  eines in der deutschen medialen Klasse äußerst selten anzutreffenden Dissidenten -  womöglich verdanken ihm die Grünen einen Teil ihrer peinlichem Stimmenverluste am vergangenen Wahltag, den 22. September - stieß ich beim Browsen bei Cicero-online:


EIN EX-SPONTI BEKENNTHurra, ich bin ein Spießer!

VON REINHARD MOHR   22. APRIL 2013

http://www.cicero.de/salon/reinhard-mohr-bin-ich-jetzt-reaktionaer-bekenntnisse-eines-altlinken/54193