Montag, 13. November 2023

Schöne Aussichten

Zerbricht die Ampel? Geht Hessen voran? Gelingt es, den Zustrom von "Geflüchteten" - die Migrationsströme- zu drosseln? Und wie? Spielt Brüssel, genauer: spielen alle EU-Schwesterländer mit? Welche Fahnen dürfen bei deutschen Demos (terminus popularis für Aufzüge, Kundgebungen, polizeilich angemeldete Meinungsbekundungen, frz. manif, populäre Kurzform für manifestation) in Zukunft geschwenkt werden? Wie integrieren wir deutsche Express-Neubürger in die deutsche Gedächtnis- und Gedenkkultur (mémoire collective)? Woher kommen die ungegenderten "Lehrpersonen", die bestrebt sind, die lieben Kleinen in Neukölln und anderswo zu wehrtüchtigen Demokraten (w/m/d) zu sozialisieren?

Wer hat ein Konzept für Nahost nach dem Gaza-Krieg? Wie lange hält die Ukraine gegen Putin durch?  Sichern die noch anzuwerbenden Fachkräfte unsere Renten? Kompensiert der neue youth bulge den indigenen age bulge? Wie lässt sich das Verhältnis von guter Gesinnung und hässlicher Wirklichkeit, von Moral- und Realpolitik bestimmen? Was sagt die derzeit tagende Synode der EKD dazu? Nimmt sie meinen diesbezüglichen Globkult-Aufsatz https://www.globkult.de/gesellschaft/identitaeten/2328-realitaetsverweigerung-als-frohe-botschaft zur Kenntnis (und zu Herzen)?   Last but not least: Wie kommt die deutsche Wirtschaft aus der derzeitigen Flaute zu neuem nachhaltigen Wachstum (sustainable growth)? Wieviel Schulden, wieviel Inflation sind dem Volk zumutbar?

Fragen über Fragen, allesamt schwer zu beantworten...Anstelle eines unergiebigen Kommentars zu den von den unerfreulichen Zeitläuften aufgeworfenen Fragen verweise ich auf Früchte meiner Morgenlektüre. Hoffnung durchzieht den Aufsatz von Matthias Alexander in der heutigen FAZ.  (nr, 264 v.13.11.2023, S.9). Unter dem Titel "So grün wird es nicht wieder" heißt es in der Zweitüberschrift: "Gendern war gestern, jetzt wird abgeschoben." Das Eckpunktepapier der neuen CDU-SPD-Koalition in Hessen zeige "den Beginn einer  neuen politischen Ära an". "Neue Ära" klingt gut, wenn sie denn auch noch käme!

Ganz anders, betrübt, ja hoffungslos  (auf Seite18) blickt der Leserbriefschreiber Peter Lang in unsere Zukunft. Er stellt seine knappe, nichtdestoweniger analytisch fundierte Prognose unter die zeitlos deutsche Verszeile von Heinrich Heine "Denk ich an Deutschland in der Nacht". Er schreibt: "Diese Nacht scheint sich nun langsam über das Land zu senken. die Deutschen nmüssen sich aber nicht sorgen: In vielen europäischen Ländern sind die Verhältnisse ähnlich. In Europa gehen die Lichter aus."

 


Donnerstag, 9. November 2023

Anmerkung zum Gedenktag am 9.November 2023

Am 9. November 2023 rückt in Deutschland die Erinnerung an die von nazistischen Schlägerbanden in zahllosen deutschen Städten und Dörfern verübten Schreckenstaten am 9. und 10.  November 1938 ins Zentrum des Gedenkens. Sie überlagert - abgesehen von Gedenkartikeln zum gescheiterten Hitler-Ludendorff-Putsch vor 100 Jahren - die Erinnerung an andere geschichtsträchtige, mit dem Novemberdatum assoziierte Ereignisse, einschließlich des Mauerfalls. Nichtsdestoweniger ragen in das Gedenken am heutigen 9. November die Szenen des am 7. Oktober 2023 auf grauenvolle Weise von der Terror-Organisation Hamas eröffneten Gaza-Krieges hinein. 

Auf eindringliche Weise stellt Chaim Noll in einem Aufsatz auf der "Achse des Guten" die - beim Thema "Antisemitismus"- weithin gemiedene Verknüpfung zwischen der deutschen Vergangenheit und der heutigen deutschen Gesellschaft her: "[Deutsche Politiker] werden wunderbare Reden halten am 9. November über die Notwendigkeit, die Juden in Deutschland zu schützen und die Werte der Demokratie hochzuhalten, ein paar Feierstunden lang wird die Stimmung gehoben und zuversichtlich sein, und schon der nächste Tag wird zeigen: Die Reden sind gute Vorsätze, doch den grauen Alltag, den Schulhof, die Straße überlässt man wie damals den brüllenden Barbaren."  https://www.achgut.com/artikel/zum_9._november_bruellende_barbaren

Nolls aufrüttelnde Sätze könnten sich auf die Rede beziehen, die Bundespräsident Steinmmeier anlässlich des 9. November vor einer Gruppe geladenern Gäste, daruntere die 102 jährigen Holocaust-Überlebende Margot Friedländer, gehalten hat. Er bezeichnete Deutschland als ein "Land mit Migrationshintergrund"  und das Grundgesetz als "Fundament unseres Zusammenlebens, das freiheit für alle garantiert, Bedrohung und Diskriminierung aber ausschließt."  

Die Rede des Bundespräsidenten von "Deutschland als Land mit Migrationshintergrund" ist gut gemeint. Die mit der allseits  beförderten Entwicklung zu einer "modernen Einwanderungsgesellschaft" verknüpften Fragen nach der Integrationskraft einer bedrückenden und verstörenden Gedenkkultur bleiben in derlei Worten erneut unbeantwortet. 

Von  Ausnahmen  - wie der oben zitierte Alarmruf von Chaim Noll -  abgesehen, stößt kritische Reflexion über die künftige ideelle Verfassung unseres Landes - jenseits des permanent als unverrückbar deklarierten Wertegrundlage des Grundgesetzes ("Verfassungspatriotismus") - sowie in concreto über die künftige Relevanz von historischen Gedenktagen auf Unverständnis oder auf indignierte Zurückweisung.  Wer auf die - in den Szenen auf deutschen Straßen und Plätzen manifesten - Gefahren kultureller Desintegration verweist, wird als "rechts" verteufelt.

Anstelle einer umfassenden Kritik der Problematik nationalen Gedenkens in der postnationalen Gesellschaft der Bundesrepublik verweise ich auf einen bereits anno 2015verfassten Aufsatz: https://www.globkult.de/politik/deutschland/985-fragen-zu-deutschem-gedenken-unter-den-bedingungen-einer-neuen-gesellschaft Außerdem wird die Thematik in meinem Gedenkaufsatz für Ulrich Schacht berührt:  https://www.globkult.de/geschichte/zeitgeschichte/2081-historische-schuld-und-politische-gegenwart