I.
Seit dem 5. Juli 2011
steht Christine Lagarde, la plus américaine des Françaises,
als Direktorin dem Internationalen Währungsfonds (IMF) vor. Nachdem
sie vor einer Woche, unmittelbar nach dem überwältigenden
OXI der von Tsipras zu
patriotischem Widerstand aufgerufenen Hellenen, angekündigt hatte,
man befürworte einen Schuldenschnitt und sei seitens des IMF zu weiteren Krediten samt Schuldenstreckung
bereit, war die Marschrichtung in der Griechenland-Krise klar:
Non-Grexit.
Schäuble,
Juncker, Martin Schulz et. al. mochten danach noch so verärgert über
Alexis sein, doch der hatte im
politischen Euro-Poker von vornherein die besseren Karten . Den kompletten Grexit, den
Austritt/Ausschluss der Griechen aus dem Euro wollte keiner, nicht
einmal Schäuble mit seinem Fünfjahresplan für eine temporäre
Parallelwährung. Nachdem das Grundsätzliche ziemlich klar war,
konnte Tspiras mit seinen Reformvorschlägen – so unbefriedigend
sie Schäuble und anderen derzeit noch erscheinen mögen –
zusätzlich Punkte bei seinen wirklichen Sympathisanten in der Euro-EU
sammeln.
II.
Ob
Tsipras mit seinem Vorhaben und Versprechen, endlich den bislang de
facto – und de jure Graecorum – von Steuerzahlungen
unbehelligten Reichen/Superreichen mit ihren stolzen Yachten an den
Küsten von Hellas ans Konto (im Ausland) zu gehen, Ernst macht und
ob er damit durchkommt, tut wenig zur Sache. Sein letzter, nach dem
Referendum der Troika offerierter Reformplan will das maritime
Vergnügen nunmehr bereits von der Fünf-Meter-Yacht an aufwärts
(statt wie beim letzten Plan von zehn Meter von Bug bis Heck)
verteuern.
Auch das zuletzt selbst von den EU-Oberen kritisierte
Verteidigungsbudget dürfte ihm keine großen Kopfschmerzen bereiten.
Denn der NATO-Generalsekretär warnt angesichts all der von neuem aus
Osten heraufziehenden Gefahren vor Einsparungen bei Militär und
Waffen. Damit sind nicht nur die vorübergehend friedenstrunkenen
Deutschen gemeint, sondern auch das seit Leonidas, Rigas Pheraios,
Metaxas (Oxi), Papagos, Thyella und Markos ob seiner andreía
gerühmte Volk der freien Hellenen an der Südostflanke der
atlantischen Wertegemeinschaft. (Etwaige Zweifel an der Lauterkeit deren Protegés in Kiew beseitigen diese derzeit in Gefechten mit
ihrem „Rechten Sektor“. )
III.
Tsipras´
Flirt mit Putin war am Ende doch nicht so ernst gemeint wie
befürchtet. Immerhin hat sich der Ausflug nach Moskau gelohnt. Von der geschmähten Troika bekommt er jetzt glatt 30
Milliarden € mehr – und im Zweifel noch mehr - als die bescheiden
beantragten 54 Milliarden.
Leider
eignet sich der seit 2010 erkannte und stets aufs neue verschleppte
griechische Staatsbankrott nicht als Stoff für eine Komödie.
Große Teile der Bevölkerung müssen darunter leiden, dass „wir
Europäer“ das Gebaren der politischen Klasse zu Athen über
Jahrzehnte hin akzeptiert, ja gefördert haben - vermittels
reichlicher Subventionen aus diversen EG/EU-Fonds, durch großzügige
Kooptation in den Euro, durch permanente Kreditvergaben (zu
Niedrigstzinsen, dem vermeintlichen Heilmittel der 2008
aufgebrochenen Finanzkrise) sowie freundliche Ermahnungen.
Im
vorerst letzten Akt des endlosen Dramas um Staatsbankrott und Grexit wurden auf der europäischen Bühne noch ganz andere Handlungsfäden erkennbar. Plötzlich wurden aus der historischen Requisitenkammer alte
Feindbilder hervorgeholt. Zumindest fürs leicht erregbare Publikum
taugten die als Hitler und Nazis in Uniform ausstaffierten Figuren
Merkel und Schäuble. Das mag zwar allen vernünftigen Beobachtern
als geschmacklos, dumm und primitiv erschienen sein, beweist indes,
dass im Falle ernstlicher Interessenkonflikte im EU-vereinten Europa
die unselige Historie jederzeit als politisches Zweckinstrument zu
verwenden ist. Aus „lieben Freunden“ werden dann unversehens die
für überholt geglaubten Stereotypen. In solchem Spiel haben´s die
Deutschen wirklich schwer, während die anderen auf der Bühne ihre
unbeschädigten Selbstbilder vorzeigen.
IV.
Sichtbar
wurde noch ein anderer, politisch gravierender Aspekt der
europäischen Familienverhältnisse. Deren Zentrum bildet die mit
unterschiedlichen Zwecken verfolgte Liebesehe zwischen Deutschland,
dem vermeintlichen EU-Hegemon, und Frankreich, der Führungsmacht
gemäß eigenem Selbstverständnis. Unversehens kehrte Hollande seine
Führungsrolle im Euro-Drama hervor, als er – die Rede garniert
mit der Beschwörung der im antiken Mutterland begründeten Werte der
Demokratie - den Grexit, selbst Schäubles Para-Grexit auf
Zeit, kategorisch ausschloss.
Hinter
den derzeitigen Euro-politischen Unstimmigkeiten zwischen Paris und
Berlin steckt ein grundsätzlicher, wenngleich meist verdeckter
Dissens in Fragen der politischen Ökonomie. Die Mehrheit der
französischen classe politique verfolgt - unbeschadet von den
längst allenthalben missachteten Maastricht-Kriterien - seit
der Einführung des Euro das Konzept einer weichen Währung. Mit dieser
Zielsetzung trifft sie sich in der Theorie mit jenen „linken“
Keynesianern, die wachsende Staatsschulden noch nie als Problem
betrachteten. Ferner passt das Konzept zu den politischen
Zielsetzungen all jener Staaten und deren Eliten, die aus der EU endlich eine
offene, d.h. vertraglich fixierte Transferunion machen wollen – à
conto des deutschen Steuerzahlers.
Derlei
Absicht und Durchsetzung bedeutete womöglich noch nicht den Eklat
der EU als Interessengemeinschaft, solange jedenfalls der Geist des „Populismus“
die ganze Konstruktion nicht gefährden kann. Ernst wird die
unendliche Geschichte von Schulden, Krediten (= de facto
Schuldenerlass), Hilfsprogrammen (=Transfers) und whatever it
takes (Draghi) erst, wenn die deutsche Produktions- und
Exportmaschine ins Stocken gerät. Wie die Bundesrepublik dann in einer
Generation allein ihre binnenstaatlichen Sozialtransfers – und manch
andere Konflikte - bewältigen soll, steht auf einem anderen Blatt.
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