Montag, 26. Oktober 2015

Geheimes Deutschland? Kurze Zustandsbeschreibung der gründeutschen Republik

I.
Deutschland, das vor 25 Jahren dank der nationalen Beschränktheit der Ossies wieder vereinte, sodann von  verfassungspatriotischen Wessies - vor dem Mauerfall allesamt vehemente Gegner des auf die Wiedergewinnung der deutschen Einheit zielenden Verfassungsauftrags - unverzüglich nach einer Schockphase reokkupierten Restbestandes des kleindeutschen Reiches von 1871 zwischen Rhein und Oder, erlebt in diesen Tagen Sternstunden der Demokratie. Die wertebewusste Zivilgesellschaft schlägt wehrhaft zurück gegen jeden, der es wagt,  die gründeutsche Ideologie  in Zweifel zu ziehen. "Wer unsere Werte nicht teilt", so ließ sich der Oberbürgermeister von Kassel (CDU) vernehmen, der solle "unser Land" verlassen.

Der Satz ist als kaschierte Androhung der Ausbürgerung für zivilreligiöse Atheisten zu verstehen.Genauso verstand ihn Akif Pirincci, ein deutscher Thersites türkischer Herkunft. Sein Bildungsstand dürfte weit über dem Niveau der grünen und sonstigen Parteijugend liegen. Dessen ungeachtet bevorzugt er für seine aufkärerische Polemik gegen die "grün-links versiffte Gesellschaft", zuletzt gegen  "Die große Verschwulung" (2015 erschienen) eine zotig-fäkalisierende Sprache, die nicht jedermanns Sache ist (auch nicht die des Bloggers). Bei seinem letzten Auftritt bei "Pegida" in Dresden wurde es selbst den Zuhörern - bekanntlich allesamt "braunes Pack" -  zuviel, bis ihn dann selbst die Veranstalter in seiner Suada unterbrachen.

Erwartungsgemäß wurde Pirinccis Satz von den derzeit (sc. für "undeutsche", "rechte" Wertezweifler) nicht verfügbaren KZs ins Gegenteil verkehrt. Absehbar war die Empörung in den Medien sowie der übrigen Tugendwächter. Damit nicht genug: Das ZK der Zivilgesellschaft, die Verlagsgruppe Random House, d.h. Bertelsmann, die in der ohne jeglichen zivilgesellschaftlichen Protest ("Nein! Nichts als fake architecture!" oder dergl.) wiederaufgebauten Berliner Stadtkommandantur  (=Bertelsmann) residiert, sperrte unverzüglich die weitere Auslieferung der in ihren aufgekauften Verlagen (Goldmann, Heyne etc.) bislang erschienenen Bücher. Danach erklärten die Internet-Auslieferer, allen voran Amazon, den Vertrieb von Pirinccis Büchern für beendet. Was in der von Pirincci satirisch beschworenen  Nazi-Diktatur  der Ausschluss aus der Reichsschrifttumkammer - mit allen materiellen Folgen - bedeutete, praktiziert die Zivilgesellschaft heute unter anderen Vorzeichen. P.S.: Da Pirincci in Deutschland für sich keine Zukunft mehr sieht, denkt er an Emigration.

II.
Kennzeichnend für die bundesrepublikanischen Zustände ist der Umgang mit der - aus leicht ersichtlichen Gründen - ins "rechte" Abseits verbannten "jungen" Konkurrenzpartei AfD. Wie mit solchen "Feinden" unserer Wereordnung umzugehen sei, überlässt man den aus vielerlei staatlichen Töpfen alimentierten Kampftruppen der sog. Antifa. In der letzten Woche wurde das Auto der Europa-Abgeordneten Beatrix von Storch ( geb. Herzogin von Oldenburg), "abgefackelt". Den AfD-Vorsitzenden von Sachsen-Anhalt André Poggenburg traf es noch übler. Auf seinem Gutshof und ffirmensitz wurde eingebrochen, das Büro verwüstet, Laptops sowie ein Transportwagen gestohlen. Die Kämpfer gegen "rechts" hinterließen ein Foto des Politikers mit einer Zielscheibe vor dem Kopf.

Während jede von "Rechten" (und/oder Neonazis) verübte Straftat - dazu gehören die  sich häufenden Anschläge auf für Asylunterkünfte vorgesehene Gebäude - in den Medien gebührende Aufmerksamkeit erfährt und Empörung auslöst, verschwinden die oben genannten Gewaltakte gegen "Rechte" in den Randspalten der Zeitungen oder an unauffälliger Stelle in irgendeinem Artikel.

II.
Dem "Spiegel" (Druckausgabe) ging es vermutlich um Steigerung der Auflage, als er den als "Glosse" deklarierten jüngsten Essay des  Dramatikers Botho Strauß (geb. 1944) abdruckte. Als bedeutendster Autor der "Schaubühne" galt Strauß in den 1970er und 1980er Jahren in grotesker  Fehlwahrnehmung seiner Stücke als "links". Für die meisten zerbrach diese kognitive Dissonanz erst mit der Veröffentlichung des "Anschwellenden Bocksgesangs"  in dem Spiegel-Essay 1993, in welchem der Schriftsteller  angesichts der durch Einwanderung aus aller Welt, inbesondere aus dem Orient, einerseits, der gewaltsamen Ausbrüche von  Ausländerhass andererseits, Indizien für eine heraufziehende Tragödie diagnostizierte. Er schrieb in jenem Jahr:: "Zuweilen sollte man prüfen, was an der eigenen Toleranz echt und selbständig st und was sich davon dem verklemmten deutschen Selbsthaß verdankt, der die Fremden willkommen heißt, damit hier, in seinem verhaßten Vaterland, sich die Verhältnisse endlich jener berühmten ("faschistoiden") Kenntlichkeit entpuppen, wie es einst (und heimlich wohl bleibend) in der Verbrecher-Dialektik des linken Terrors hieß."

In seinem als  " Bewußtseinsnovelle" bezeichneten Buch  "Die Unbeholfenen"  (2007) schreibt Strauß, er habe das Empfinden, "als wäre ich der letzte Deutsche". "Ein Obdachloser". In seinem jüngsten Essay, überittelt "Der letzte Deutsche. Uns wird die Souveränität geraubt dagegen zu sein" bekennt sich Strauß explizit zur Tradition jener "Empfindungs- und Sinnierweisen, die seit der Romantik eine spezifisch deutsche Literatur hervorbrachten". Strauß reklamiert für sich den Rückzug in das "Geheime Deutschland". Weiter: "Ich möchte lieber in einem aussterbenden Volk leben als in einem, das aus vorwiegend ökonomisch-demografischen Spekulationen mit fremden Völkern aufgemischt, verjüngt wird, einem vitalen." Dazu eine bitter-romantische, alles andere befreiende Zukunftsvision: "Oft bringt erst eine intolerante Fremdherrschaft ein Volk zu Selbstbesinnung. Dann erst wird Identität wirklich gebraucht."

Aus dem Strauß-Essay ( https://blendle.com/i/der-spiegel/der-letzte-deutsche/bnl-derspiegel-20151002-85462 der letzte deutsche ) seien nachfolgend noch einige Sätze zitiert, die den Zustand der gründeutsch postnationalen Bundesrepublik, dem die politische  Realität negierenden Staatsgebilde in der Mitte Europas, treffend pointieren:
"Uns wird geraubt die Souveränität, dagegen zu sein. Gegen die immer herrschsüchtiger werdenden politisch-moralischen Konformitäten. Ihre Farbe scheinen parlamentarische Parteien heute ausschließlich in der Causa Schwulenehe zu bekennen."  (Der Satz lässt sich auf nahezu alle Akteure und Institutionen der bundesrepublikanischen Gesellschaft übertragen. H.A.)
"Das Gutheißen und Willkommen geschieht derart forciert, dass selbst dem Einfältigsten darin eine Umbenennung, Euphemisierung von Furcht, etwas magisch Unheilabwendendes auffallen muss."
"Das Kopftuch sei Zeichen von religiöser Selbstverwirklichung einer Frau, so eine gütige Angehörige der Grünen. Trefflicher kann man sein verständnisvolles Unverständnis [nicht eher bewusster Selbstbetrug? H.A.] nicht in Worte fassen. Man muss eben auch den rituellen Gehorsam in die Sprache der Emanzipation übersetzen."
"Bei uns bestimmen Massen und Medien das Niveau der politischen Repräsentanten, die allesamt Ungelehrte in jeder Richtung sind..."

"Der Hass Radikaler richtet sich wohl vordergründig gegen die Flüchtlinge - er ist vor allem eine unkontrollierte Reaktion auf das Vakuumempfinden, das ´die Politik´, wie man heute sagt, der Bevölkerung zumutet. Verantwortliche, die das Ende nicht absehen..." - H.A.: Zu ergänzen ist hier: "..., die das Ende nicht sehen wollen."


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