Realgeschichte, Geschichtsschreibung, Geschichtspolitik - i.e. von Historikern produzierte, von Politikern angewandte "Narrative" -, historisch-politisches Geschichtsritual einerseits, persönliches Erleben samt subjektiver - somit selektiver - Erinnerung andererseits, klaffen naturgemäß auseinander. Sofern der Begriff der Dialektik nicht zur Aufhebung in den Hegelschen Himmel dient, halte ich die Rede von der "Dialektik der Befreiung" für brauchbar. Nicht aufhebbar ist darin Tod und Vernichtung, Leiden und Sterben von Millionen, Abermillionen Menschen.
Anstelle eines eigenen Kommentars zum heutigen Berliner Feiertag empfehle ich den Lesern meines Blogs den soeben veröffentlichten "Nachtrag" zum 8. Mai 2020.
https://globkult.de/blogs/ulrich-siebgeber-der-stand-des-vergessens/1883-8-mai-ein-nachtrag
Zudem verweise ich auf eine "Miszelle", die ich zu besagtem Datum vor einigen Jahren verfasste. Der Text hat m.E. nichts an Aktualität verloren. Allerdings müssen die seinerzeit im Präsens getroffenen Aussagen ins Präteritum gesetzt, die Zeitangaben um vier Jahre verändert werden.
https://herbert-ammon.blogspot.com/2016/05/zum-89mai-1945-eine-schachmiszelle.html
Was die "objektive" Betrachtung des Geschichtsdatums betrifft, empfehle ich den Essay von Michael Wolffsohn. Auch er spricht - auf der Ebene historischer Abstraktion - von der "Dialektik der Befreiung": https://www.theeuropean.de/michael-wolffsohn/weltgeschichtliche-betrachtungen-zum-8-mai-1945/
Freitag, 8. Mai 2020
Dienstag, 28. April 2020
Kommentar zum Grundrecht auf Meinungsfreiheit (gemäß Art. 5 GG)
Darf man in diesem unserem Land noch dürfen oder lieber nicht? Man darf, außer man gerät in die Verdachtzone. Im übrigen gilt: Wer nicht im grünen, merkelfrommen Chor mitsingt, hat in der pluralistischen, will sagen: realkonformistischen Gesellschaft nur geringe Chancen, Gehör zu finden.
Zur Klarstellung: Von der politisch-medialen Corona-Epidemie bzw. Endemie habe ich mich nicht anstecken lassen. Ich weigere mich auch nicht, Mund und Nase zu verhüllen, wenn ich in meinen überschaubaren Edeka-Markt gehe, genauer: wenn ich, ohne rechte innere grün-korrekte Überzeugung, mit dem Rad zum Einkaufen fahre. Ich weise zugleich Maskenverweigerer nicht zurecht, und ich halte mich von Berliner Massenveranstaltungen - wie integrationsförderliche Beerdigungen, Corona-Doppel-Demos auf dem Rosa-Luxemburg-Platz oder Kreuzberger Klassenkämpfe ("Myfest") - fern. Bezüglich des vertrackten Syndroms von Infektions- und Sterberisiken, ökonomischem Niedergang, Kollaps unseres vorbildlichen (nur von einigen "Linke"-Funktionären angezweifelten) Sozial-und Gesundheitssystems bekenne ich, nicht zu wissen, welche Maßnahmen denn die richtigen sind (oder wären). Soll man darüber spekulieren, zu welchem Termin in diesem unserem Land der Shutdown/Lockdown wieder aufgehoben wird? Ob und wie die avisierte Anti-Corona-Anleihen-Injektion den notorischen Schuldnerstaaten wieder auf die Beine hilft?
Ich möche mich auch nicht am feuilletonistischen Streit über Wolfgang Schäubles eigenwillig autoritative Interpretation des Grundgesetzes beteiligen, wonach die Würde des Menschen über dem ultimativen Lebensrecht des Menschen stehen soll. Schäuble hat insofern recht, als im Kriegsfall - und bei allgemeiner Wehrpflicht - Regierungen und militärische Befehlshaber nicht dem Lebensrecht der Rekrutierten vor politisch-militärischen Entscheidungen den Vorzug geben. Den Toten bleibt dann die Würde auf den Soldatengräbern, sofern nicht die besonders wertebewusste, pazifistisch-würdevolle Tante Antifa ihren Begriff von Menschenwürde zum Ausdruck bringt. Aktuell geht es Schäuble mehr um die Abwägung der ökonomischen und sozialpolitischen Risiken eines prolongierten Shutdown, also um ein eminent politisches Thema. Über die Probleme eines landwirtschaftlichen Familienbetriebs mit dem Ausgesinde sinnierte dereinst Helmut Qualtinger. Satire ist beim Thema Corona indes unangebracht, im Blick auf die eigene Zukunft im Pflegeheim irgendwie pietätlos.
Man darf also über vieles nachdenken, aber nicht alles aussprechen. Nun gibt es Gottseidank - außer dem in sozialer (und politischer) Isolation verfassten Blog - noch ein paar Medien, die dem freien Bürger demokratisch freie Meinungsbildung (Art. 5 GG) ermöglichen, z.B. die "Achse des Guten". Über dieses Medium schreibt - unter der Überschrift: "Unsere Liste der Guten" - der Ramadan-Verweigerer Hamed Abdel-Samad: „Die Achse-Autoren haben Kante und Biss und keine Angst, falsch zu liegen. Das macht sie beliebt und verhasst zugleich. Viele mögen die Achse nicht und lesen sie trotzdem heimlich. Das muss man erstmal schaffen.“
Zur Klarstellung: Von der politisch-medialen Corona-Epidemie bzw. Endemie habe ich mich nicht anstecken lassen. Ich weigere mich auch nicht, Mund und Nase zu verhüllen, wenn ich in meinen überschaubaren Edeka-Markt gehe, genauer: wenn ich, ohne rechte innere grün-korrekte Überzeugung, mit dem Rad zum Einkaufen fahre. Ich weise zugleich Maskenverweigerer nicht zurecht, und ich halte mich von Berliner Massenveranstaltungen - wie integrationsförderliche Beerdigungen, Corona-Doppel-Demos auf dem Rosa-Luxemburg-Platz oder Kreuzberger Klassenkämpfe ("Myfest") - fern. Bezüglich des vertrackten Syndroms von Infektions- und Sterberisiken, ökonomischem Niedergang, Kollaps unseres vorbildlichen (nur von einigen "Linke"-Funktionären angezweifelten) Sozial-und Gesundheitssystems bekenne ich, nicht zu wissen, welche Maßnahmen denn die richtigen sind (oder wären). Soll man darüber spekulieren, zu welchem Termin in diesem unserem Land der Shutdown/Lockdown wieder aufgehoben wird? Ob und wie die avisierte Anti-Corona-Anleihen-Injektion den notorischen Schuldnerstaaten wieder auf die Beine hilft?
Ich möche mich auch nicht am feuilletonistischen Streit über Wolfgang Schäubles eigenwillig autoritative Interpretation des Grundgesetzes beteiligen, wonach die Würde des Menschen über dem ultimativen Lebensrecht des Menschen stehen soll. Schäuble hat insofern recht, als im Kriegsfall - und bei allgemeiner Wehrpflicht - Regierungen und militärische Befehlshaber nicht dem Lebensrecht der Rekrutierten vor politisch-militärischen Entscheidungen den Vorzug geben. Den Toten bleibt dann die Würde auf den Soldatengräbern, sofern nicht die besonders wertebewusste, pazifistisch-würdevolle Tante Antifa ihren Begriff von Menschenwürde zum Ausdruck bringt. Aktuell geht es Schäuble mehr um die Abwägung der ökonomischen und sozialpolitischen Risiken eines prolongierten Shutdown, also um ein eminent politisches Thema. Über die Probleme eines landwirtschaftlichen Familienbetriebs mit dem Ausgesinde sinnierte dereinst Helmut Qualtinger. Satire ist beim Thema Corona indes unangebracht, im Blick auf die eigene Zukunft im Pflegeheim irgendwie pietätlos.
Man darf also über vieles nachdenken, aber nicht alles aussprechen. Nun gibt es Gottseidank - außer dem in sozialer (und politischer) Isolation verfassten Blog - noch ein paar Medien, die dem freien Bürger demokratisch freie Meinungsbildung (Art. 5 GG) ermöglichen, z.B. die "Achse des Guten". Über dieses Medium schreibt - unter der Überschrift: "Unsere Liste der Guten" - der Ramadan-Verweigerer Hamed Abdel-Samad: „Die Achse-Autoren haben Kante und Biss und keine Angst, falsch zu liegen. Das macht sie beliebt und verhasst zugleich. Viele mögen die Achse nicht und lesen sie trotzdem heimlich. Das muss man erstmal schaffen.“
Freitag, 24. April 2020
Marginalien aus dem Corona-Frühling
Zum richtigen Umgang mit dem Corona-Virus Covid 19 erlaube ich mir
als virologischer und allgemein-medizinischer Laie kein Urteil.
Ich selbst möchte jetzt nicht in der Haut von Politikern stecken,
die - gut oder schlecht beraten von sich widerstreitenden Experten -
zu Entscheidungen genötigt sind, deren Konsequenzen so oder so
schlecht abzuschätzen sind. Nichtsdestoweniger erlaube ich mir in
diesen vom unsichtbaren Virus befallenen Frühlingstagen einen
Kommentar zu den politischen Aspekten von Corona.
Da fallen als erstes - außer den Kosten und dem erzwungenen Verzicht auf das Gartenlokal - allerlei Widersprüche auf: Die EU zerfällt im Kampf gegen die paneuropäische Epidemie wieder in Nationalstaaten, die ohne Beachtung des accord communitaire du Schengen die Grenzen schließen, zugleich die gravierenden Unterschiede in den Gesundheitssystem der Mitgliedstaaten offenbaren. Daran nimmt kaum einer Anstoß. Allein der europäische Kampf gegen Ungarn unter Orbán, der seine Grenzen aus migratorischen Gründen bereits 2015 dicht gemacht hat, hält aus menschenrechtlich-moralischen Gründen an. Außer Kritik steht hingegen die politische Praxis im Musterstaat Bundesrepublik Deutschland, wo man unlängst eine Anzahl unbegleiteter Minderjähriger, z.T. unrasiert, aus den Flüchtlingscamps auf Lesbos eingeflogen hat. Zugleich bleiben zwischen den Bundesländern die Grenzen hochgezogen wie zuletzt zwischen den Besatzungszonen nach 1945 und etwas früher noch vor Gründung des Zollvereins 1834 (unter Ausschluss Österreichs).
Was deutsche Bundesbürger zudem verblüffen mag, ist das Rivalisieren einzelner Bundesländer wie zwischen Bayern und NRW - hier strenges Corona-Regime, dort gelockerte Zügel - beim Kampf gegen Corona. Gewiss, es geht dabei nicht nur um die Ängste, Sorgen und Wünsche der Bürger, der pervasiven Zivilgesellschaft sowie der Fußballclubs und/oder -fans, sondern auch um das Sondieren von Machtchancen vor bzw. nach dem noch nicht absehbaren Abgang Merkels als ewiger Kanzlerin. In Zeiten der Not schart sich das Volk um starke Führungsfiguren (sc. Führerinnen und Führer), so dass die Umfragen in diesen Tagen gänzlich anders aussehen als noch vor ein paar Wochen: CDU/CSU mit 38 Prozent ganz oben, die Grünen nur noch halb so hoch mit 18 oder 19 Prozent, die AfD, unlängst mit so guten wie schlechten Gründen unter Infektionsverdacht gestellt, fällt plötzlich unter 10 Prozent. Da wittert die FDP wieder Chancen, als Verfechterin der Freiheitsrechte des Bürgers gegen den großkoalitionären Ausnahmezustand hervorzutreten.
In Berlin gelten ohnehin seit je Sonderregelungen. Da, wie angekündigt, die "linken" Freiheits- und Klassenkämpfer nicht auf ihren Kampftag (mit vorhergehendem Kampfabend) am 1. Mai verzichten werden, hebt man die Einschränkung der Versammlungs- und Demo-Freiheit vorsichtshalber schon mal vorher halb auf. Ähnliches gilt bundesweit für die spätabendlichen Vergnügungen des Ramadan, während die ohnehin dünn besuchten Kirchen vorerst noch unter personell aufgelockerter Quarantäne stehen.
Für Kanzlerin Merkel zahlt sich die Pandemie offenbar politisch aus (siehe obige Umfragen). Dem drohenden wirtschaftlichen Kollaps in den seit langem von mangelnder Kreditwürdigkeit und nunmehr von Corona besonders befallenen EU-Südstaaten will sie mit einem riesigen digitalen Milliarden-Euro-Programm entgegenwirken. Sie wird unterstützt von Kulturschaffenden (und naturgemäß von grünen Politikerinnen), die - "aus europäischer Solidarität" - offen für Corona-Bonds plädieren, obgleich sie von Wirtschaftsfragen weniger verstehen als die Pächterin an der wegen Corona geschlossenen Eckkneipe.
Zweifel an der Weisheit unserer Kanzlerin ist - außer der erwähnten Kritik von Lindner (FDP) und Gauland (AfD) - kaum zu vernehmen. Ihr Diktum "Diese Pandemie ist eine demokratische Zumutung" könnte in kommenden Nach-Corona-Zeiten als Merksatz politischer Bildung dienen. Ausgerechnet in der sonst so regierungsfrommen FAZ (v. 24.04.2020, S.1) wagt der Leitartikler unerwartete Kritik: "Merkel legt beim Lockern der Beschränkungen eine Vorsicht an den Tag, die man sich von ihr schon in der Flüchtlingskrise gewünscht hätte."
Da fallen als erstes - außer den Kosten und dem erzwungenen Verzicht auf das Gartenlokal - allerlei Widersprüche auf: Die EU zerfällt im Kampf gegen die paneuropäische Epidemie wieder in Nationalstaaten, die ohne Beachtung des accord communitaire du Schengen die Grenzen schließen, zugleich die gravierenden Unterschiede in den Gesundheitssystem der Mitgliedstaaten offenbaren. Daran nimmt kaum einer Anstoß. Allein der europäische Kampf gegen Ungarn unter Orbán, der seine Grenzen aus migratorischen Gründen bereits 2015 dicht gemacht hat, hält aus menschenrechtlich-moralischen Gründen an. Außer Kritik steht hingegen die politische Praxis im Musterstaat Bundesrepublik Deutschland, wo man unlängst eine Anzahl unbegleiteter Minderjähriger, z.T. unrasiert, aus den Flüchtlingscamps auf Lesbos eingeflogen hat. Zugleich bleiben zwischen den Bundesländern die Grenzen hochgezogen wie zuletzt zwischen den Besatzungszonen nach 1945 und etwas früher noch vor Gründung des Zollvereins 1834 (unter Ausschluss Österreichs).
Was deutsche Bundesbürger zudem verblüffen mag, ist das Rivalisieren einzelner Bundesländer wie zwischen Bayern und NRW - hier strenges Corona-Regime, dort gelockerte Zügel - beim Kampf gegen Corona. Gewiss, es geht dabei nicht nur um die Ängste, Sorgen und Wünsche der Bürger, der pervasiven Zivilgesellschaft sowie der Fußballclubs und/oder -fans, sondern auch um das Sondieren von Machtchancen vor bzw. nach dem noch nicht absehbaren Abgang Merkels als ewiger Kanzlerin. In Zeiten der Not schart sich das Volk um starke Führungsfiguren (sc. Führerinnen und Führer), so dass die Umfragen in diesen Tagen gänzlich anders aussehen als noch vor ein paar Wochen: CDU/CSU mit 38 Prozent ganz oben, die Grünen nur noch halb so hoch mit 18 oder 19 Prozent, die AfD, unlängst mit so guten wie schlechten Gründen unter Infektionsverdacht gestellt, fällt plötzlich unter 10 Prozent. Da wittert die FDP wieder Chancen, als Verfechterin der Freiheitsrechte des Bürgers gegen den großkoalitionären Ausnahmezustand hervorzutreten.
In Berlin gelten ohnehin seit je Sonderregelungen. Da, wie angekündigt, die "linken" Freiheits- und Klassenkämpfer nicht auf ihren Kampftag (mit vorhergehendem Kampfabend) am 1. Mai verzichten werden, hebt man die Einschränkung der Versammlungs- und Demo-Freiheit vorsichtshalber schon mal vorher halb auf. Ähnliches gilt bundesweit für die spätabendlichen Vergnügungen des Ramadan, während die ohnehin dünn besuchten Kirchen vorerst noch unter personell aufgelockerter Quarantäne stehen.
Für Kanzlerin Merkel zahlt sich die Pandemie offenbar politisch aus (siehe obige Umfragen). Dem drohenden wirtschaftlichen Kollaps in den seit langem von mangelnder Kreditwürdigkeit und nunmehr von Corona besonders befallenen EU-Südstaaten will sie mit einem riesigen digitalen Milliarden-Euro-Programm entgegenwirken. Sie wird unterstützt von Kulturschaffenden (und naturgemäß von grünen Politikerinnen), die - "aus europäischer Solidarität" - offen für Corona-Bonds plädieren, obgleich sie von Wirtschaftsfragen weniger verstehen als die Pächterin an der wegen Corona geschlossenen Eckkneipe.
Zweifel an der Weisheit unserer Kanzlerin ist - außer der erwähnten Kritik von Lindner (FDP) und Gauland (AfD) - kaum zu vernehmen. Ihr Diktum "Diese Pandemie ist eine demokratische Zumutung" könnte in kommenden Nach-Corona-Zeiten als Merksatz politischer Bildung dienen. Ausgerechnet in der sonst so regierungsfrommen FAZ (v. 24.04.2020, S.1) wagt der Leitartikler unerwartete Kritik: "Merkel legt beim Lockern der Beschränkungen eine Vorsicht an den Tag, die man sich von ihr schon in der Flüchtlingskrise gewünscht hätte."
Samstag, 21. März 2020
Volkes Wut gegen den Himmel
Wie einst zu Zeiten des Pestbazillus, zerfällt die Menschheit in Zeiten des Virus in ihre menschliche Vielfalt. Die einen feiern ("machen Party"), die andern verkriechen sich - mit oder ohne Anordnung - in ihre Wohnung, wieder andere entdecken geängstigt, demütig oder empört die Macht des Schicksals. Auf RBB Kultur gab der Moderator die Anregung einer Hörerin weiter, man solle am Abend auf den Balkon gehen und gemeinsam mit den lieben Nachbarn "Freude schöner Götterfunken" singen. Offenbar ließ sich die Hörerin von TV-Bildern inspirieren, die noch vor einer Woche Italiener (w/m) beim gemeinschaftstiftenden Intonieren ihrer Nationalhymne zeigten. Hierzulande singt man, wenn überhaupt, anders, nämlich EU-europäisch, ungeachtet der rundum - von Polen bis Luxemburg, von Dänemark bis nach Österreich - national geschlossenen EU-Binnengrenzen. Mal sehen, ob bei niedrigen Temperaturen und kaltem Wind sich Corona-gefährdete Europäerinnen und Europäer auf die Berliner Balkone wagen...
Die Menschen sind, égalité hin oder her, verschieden. In dem bereits erwähnen Supermarkt überreichte eine Kundin der Kassiererin eine Bonbonniere als Dank an die Belegschaft für ihr tapferes Ausharren in der Gefahrenzone. Die Preise für Nahrungsmittel wie Brot und lagerungsfähige Salami sind deutlich gestiegen. Hingegen sind die Regale mit Konfekt, Kaffee und Marmelade immerhin noch gut gefüllt, auch der Zeitungsständer neben der Kasse. Von dort fällt die große Bild-Überschrift ins Auge: "Söder: ´Gott schütze unsere Heimat!´" Söder, fränkischer Herkunft, liegt die bayerische Heimat besonders nahe. Das (schwierige) Vaterland ist in diesem unserem Lande irgendwann - während der rot-grünen Koaliton oder erst in der Ära Merkel? - außer Kurs gesetzt worden, auch aus Rücksicht auf die Gefühle von Tante Antifa.
Auch in Zeiten der Demokratie, gegründet auf das Prinzip der Volkssouveränität, bedarf es von Zeit zu Zeit des Appells an den Himmel. Und wenn das Parlament den Auftrag des Volkes nicht mehr erfüllt, sei appeal to Heaven sogar als erneuter revolutionärer Ausweg erlaubt, schrieb einst John Locke. Dieser war ein früher Deist und hielt deshalb sonst nicht viel von Gottes Intervention in die Geschichte der Menschheit oder eines Volkes. Wie es Söder, der nach Amtsantritt zum Entsetzen aller liberal und islamophil Aufgeklärten in allen Amtsstuben Kreuze aufhängen ließ, mit der Gnade Gottes hält, ist seine spezifisch evangelisch-lutherische Glaubensfrage.
In den USA gehört die Anrufung "God bless America!" zum politischen Tagesgeschäft. Anders in unserer - speziell in Berlin - rundum aufgeklärten Gesellschaft. Vor besagtem Edeka-Markt belehrte eine autochthon blonde Mutter ihren sechzehn- oder siebzehnjährigen Sohn mit einem Wutausbruch über den bayerischen Ministerpräsidenten (und mutmaßlichen Nachfolger Merkels) und dessen Hilferuf an den Himmel: "Der Markus Söder ist eine blöde Drecksau!" Wie bitte? "Ja, der Söder ist usw."
Fragen: 1) Wer schützt die empörte Bürgerin vor einer Infektion? 2) Wem schenkt sie bei den nächsten Wahlen ihre demokratische Stimme? 3) Wie schützt sich der Sohn gegen diese magna mater?
Die Menschen sind, égalité hin oder her, verschieden. In dem bereits erwähnen Supermarkt überreichte eine Kundin der Kassiererin eine Bonbonniere als Dank an die Belegschaft für ihr tapferes Ausharren in der Gefahrenzone. Die Preise für Nahrungsmittel wie Brot und lagerungsfähige Salami sind deutlich gestiegen. Hingegen sind die Regale mit Konfekt, Kaffee und Marmelade immerhin noch gut gefüllt, auch der Zeitungsständer neben der Kasse. Von dort fällt die große Bild-Überschrift ins Auge: "Söder: ´Gott schütze unsere Heimat!´" Söder, fränkischer Herkunft, liegt die bayerische Heimat besonders nahe. Das (schwierige) Vaterland ist in diesem unserem Lande irgendwann - während der rot-grünen Koaliton oder erst in der Ära Merkel? - außer Kurs gesetzt worden, auch aus Rücksicht auf die Gefühle von Tante Antifa.
Auch in Zeiten der Demokratie, gegründet auf das Prinzip der Volkssouveränität, bedarf es von Zeit zu Zeit des Appells an den Himmel. Und wenn das Parlament den Auftrag des Volkes nicht mehr erfüllt, sei appeal to Heaven sogar als erneuter revolutionärer Ausweg erlaubt, schrieb einst John Locke. Dieser war ein früher Deist und hielt deshalb sonst nicht viel von Gottes Intervention in die Geschichte der Menschheit oder eines Volkes. Wie es Söder, der nach Amtsantritt zum Entsetzen aller liberal und islamophil Aufgeklärten in allen Amtsstuben Kreuze aufhängen ließ, mit der Gnade Gottes hält, ist seine spezifisch evangelisch-lutherische Glaubensfrage.
In den USA gehört die Anrufung "God bless America!" zum politischen Tagesgeschäft. Anders in unserer - speziell in Berlin - rundum aufgeklärten Gesellschaft. Vor besagtem Edeka-Markt belehrte eine autochthon blonde Mutter ihren sechzehn- oder siebzehnjährigen Sohn mit einem Wutausbruch über den bayerischen Ministerpräsidenten (und mutmaßlichen Nachfolger Merkels) und dessen Hilferuf an den Himmel: "Der Markus Söder ist eine blöde Drecksau!" Wie bitte? "Ja, der Söder ist usw."
Fragen: 1) Wer schützt die empörte Bürgerin vor einer Infektion? 2) Wem schenkt sie bei den nächsten Wahlen ihre demokratische Stimme? 3) Wie schützt sich der Sohn gegen diese magna mater?
Donnerstag, 19. März 2020
In eigener Sache: Nachtrag zu Corona
Nein, ich habe die TV-Rede der Kanzlerin an ihr Volk - am doppelten demokratischen Gedenktag des 18. März -, pardon an „die Bevölkerung“, nicht mit angesehen/angehört. Mir genügte der Auszug in der ARD-Tagesschau: Merkel sprach, was der/die Redenschreiber für den Teleprompter aufgeschrieben hatten: „Seit der Deutschen Einheit, nein, seit dem Zweiten Weltkrieg gab es keine Herausforderung an unser Land mehr, bei der es so auf unser gemeinsames solidarisches Handeln ankommt.“ Der Pleonasmus im erweiterten Relativsatz könnte sogar von Merkel selbst stammen.
Die FAZ (v.19.03.2020), nach der ich hier – das Adjektiv großgeschrieben - zitiere, schwächte das nach AfD-Phraseologie klingende Volksgemeinschaftspathos etwas ab, indem sie auf Seite 1 mit „Merkel: Größte Herausforderung seit 1945“ titelte. Gewiss, die Jüngeren – zu ihnen gehört selbst Angela Merkel (Jahrgang 1954) - haben keine so genaue Erinnerung an jene schlimmen Zeiten. So oder so – Inhalt und Ausstattung von Merkels Rede - mit dem Reichstag im Hintergrund und zwei großen Fahnen zu ihrer Linken - dürfte das Missfallen jener – für den Kampf gegen rechts gewöhnlich unentbehrlichen - radikaldemokratischen Gruppen (im Dienste von Tante Antifa) erregt haben, die bereits über indymedia dazu aufgerufen haben, den Corona-Shutdown für revolutionäre Zwecke zu nutzen.
Wir („wir“!) werden zu Ruhe, Besonnenheit und Solidarität aufgerufen. So richtig scheint der Appell nicht anzukommen. Als ich in dem nahegelegenen, überschaubaren kleinen Supermarkt ein älteres Paar bat, mich mit meinem Einkaufswagen vor den leergeräumten Regalen passieren zu lassen, erregte sich der Ehegatte (?), mich hätte wohl bereits die allgemeine Erregung ergriffen. Es gelang mir kaum, den aufgebrachten Kunden – immerhin ein gemäß conventional wisdom mit Selbstdisziplin ausgestatteter Deutscher asiatischer Herkunft – zu beschwichtigen.
Richtig, es gilt Ruhe zu bewahren. Deshalb möchte ich an dieser Stelle mitteilen, dass ich an der subversiven Suggestion „Coronavirus: Merkel rechnet mit 300 000 Toten“ unschuldig bin. Zwar freue ich mich, dass meine Globkult-Kommentare (zuletzt: Globkult v. 14.März 2020) auch andernorts erscheinen. Für die alarmierende Überschrift in „The European“ bin ich indes nicht verantwortlich, wie der entsprechende Link belegt: /https://www.theeuropean.de/herbert-ammon/predigten-in-zeiten-pandemischer-ungewissheit/
Im übrigen gilt es nachfolgenden Merkel-Merksätzen zu vertrauen: „Wir in Deutschland haben ein funktionierendes System der Existenzsicherung. Und das funktioniert auch weiter.“ Ob das System noch weiter funktioniert, wenn es die EU-Zentralbank – wie angekündigt - mit einer „Bazooka“ bearbeitet, bleibt abzuwarten.
Mittwoch, 4. März 2020
Update zu einer Eloge auf Trump
Vor ca. einer Woche
veröffentlichte ich auf Globkult die Besprechung eines
voluminösen, aber inhaltlich dürftigen Buches Donald Trump
https://globkult.de/politik/besprechungen/1856-doug-wead-donald-trump-die-wahre-geschichte-seiner-praesidentschaft.
Einleitend nannte ich den ehemaligen New Yorker Bürgermeister
Michael Bloomberg als den von demokratisch gesitteten Wählern der
middle class als Alternative zum neureichen Plebejer (und/oder
Populisten) Trump erhofften Kandidaten. Diese Hoffnung hat sich
erledigt. Nach dem Super Tuesday, der Joe Biden in den primaries
bei den Demokraten in Führung
gehen ließ, hat Bloomberg seine Kandidatur zurückgezogen. Mit hoher
Wahrscheinlichkeit wird somit der als gemäßigter Kandidat der
„Mitte“ (und des Parteiapparats der Demokraten) bekannte Biden
als Herausforderer Trumps auftreten.
Wie
die Wahlen im November 2020 ausgehen, ist somit wieder ungewiss.
Biden wird versuchen, über seinen sicheren Anhang bei der Mehrheit
von Afroamerikanern und Latinos hinaus die 2016 zu Trump
übergelaufenen Wähler der weißen Arbeiterschaft zurückzugewinnen.
Unklar ist noch, wie Bernie Sanders als enttäuschter campaigner
seine junge
Anhängerschaft künftig einstimmen wird.
Falls
das Corona-Virus nicht politisch paralysierend wirkt und
beispielsweise medienwirksame Massenversammlungen oder
Haus-zu-Haus-Besuche (canvassing) verhindert,
werden wir in den kommenden Monaten wieder ein unterhaltsames, von
Verdächtigungen, Suggestionen und Polemik erfülltes Wahlspektakel
erleben. Trump wird sein ganzes Repertoire an Pöbeleien und
Invektiven über „Ukraine Joe“ ergießen, die Demokraten werden
alte und neue Argumente - Sexist, Kryptorassist, Putin-Freund etc. -
finden, um den Amtsinhaber aus dem Weißen Haus zu befördern.
Dass
für amerikanische Wahlkämpfe die „Oktoberschlacht“
ausschlaggebend sein kann, wenn die die Wahlkampfteams mit
spektakulären Informationen über das Privatleben des Gegners in die
Offensive gehen, ist dem erwähnten Buch des Trump-Lobredners Douglas Wead zu
entnehmen. Im Falle Trumps, der anno 2016 mit Zeuginnen gegen
Hillarys Gemahl Bill aufwartete, erwiesen sich die Vorwürfe
mangelnder Moral als wirkungslos. Die von ihren republikanischen
Opponenten als „Dems“ verspotteten Demokraten werden sich also
etwas anderes einfallen lassen müssen.
Montag, 2. März 2020
"Radikalisierte Modernisierungsverlierer"
Lange habe ich gezögert, einen Kommentar zu den jüngsten mörderischen Taten von offenkundig mit Wahnideen beseelten Menschen zu schreiben. Hat es überhaupt noch Sinn, gegen den Strom der veröffentlichten Meinung zu schwimmen, für die stets von vornherein feststeht, dass nicht ein verwirrter Geist Menschen zu evident "sinnlosen" Schreckenstaten inspirieren kann, sondern dass dafür der "rechte" Ungeist, in concreto die AfD, verantwortlich ist? Selbst in der FAZ erstellten die Redakteure die erwünschte politische Diagnose, was indes erheblichen Protest in - immerhin veröffentlichten - Leserbriefen hervorrief (FAZ v. 27.02.2020, S. 7).
Für die politische Einordnung der Morde - und des Suizids - in Hanau war es offenbar ohne Belang, dass der Killer bereits im November 2019 eine Wahnbotschaft an den Generalbundesanwalt geschickt hatte, ohne dass dies zu einer Überprüfung des Betreffenden, eines Waffen besitzendenden Mitglieds in einem Schützenverein, geführt hätte. Reflexionen über das - dem Begriff entzogene - "Böse", das in einer offensichtlich kranken menschlichen Seele angelegt sein kann, sind für politische Publizistik offenbar ungeignet. Selbst in den Feuilletons ist für verstörende, in die Abgründe menschlicher Existenz zielende Betrachtungen kein Platz. Man überlässt derlei Themen lieber den en masse produzierten Horrorfilmen, die neben den tagtäglichen Krimis das Unterhaltungsbedürfnis gestresster Arbeitsmenschen befriedigen. Gehaltvolle, für politische Instrumentalisierung untaugliche Analysen sind allein bei der ungeliebten Konkurrenz der Internet-Zeitschriften zu finden. Ich verweise auf den als "Offenen Brief" übertitelten Aufsatz des Neuropsychologen und Psychiaters Wolfgang Meins auf der Achse des Guten: https://www.achgut.com/artikel/offener_brief_an_den_generalbundesanwalt_dr._peter_franke_zum_attentat_von_
Den Anstoß für diesen Kommentar zu derlei - mutmaßlich auch in Zukunft den Alltag westeuropäischer Gesellschaften akzentuierenden - Schreckenstaten gab eine Feuilleton-Kritik der Aufführung einer Adaption von Michel Houellebecqs Roman "Unterwerfung" in Mühlheim. Der Kritiker mokiert sich über die Figur des "modernemüden", opportunistisch vor dem Islamismus kapitulierenden Protagonisten bei Houellebecq. Er fügt daran folgende Schlusspointe: "Sein [des Negativhelden Francois] brutal realer Gegenpart aber sind die radikalisierten Modernisierungsverlierer in Halle und Hanau, die ihr Werk fernab der Theatertafeln verrrichten." Der 29jährige Amokfahrer, der am Rosenmontag im nordhessischen Volkmarsen zahllose Menschen - teilweise schwer - verletzte, gehört offenbar nicht zu den Modernisierungsverlierern. Auch ist über seine Radikalisierung bis dato nichts bekannt.
Für die politische Einordnung der Morde - und des Suizids - in Hanau war es offenbar ohne Belang, dass der Killer bereits im November 2019 eine Wahnbotschaft an den Generalbundesanwalt geschickt hatte, ohne dass dies zu einer Überprüfung des Betreffenden, eines Waffen besitzendenden Mitglieds in einem Schützenverein, geführt hätte. Reflexionen über das - dem Begriff entzogene - "Böse", das in einer offensichtlich kranken menschlichen Seele angelegt sein kann, sind für politische Publizistik offenbar ungeignet. Selbst in den Feuilletons ist für verstörende, in die Abgründe menschlicher Existenz zielende Betrachtungen kein Platz. Man überlässt derlei Themen lieber den en masse produzierten Horrorfilmen, die neben den tagtäglichen Krimis das Unterhaltungsbedürfnis gestresster Arbeitsmenschen befriedigen. Gehaltvolle, für politische Instrumentalisierung untaugliche Analysen sind allein bei der ungeliebten Konkurrenz der Internet-Zeitschriften zu finden. Ich verweise auf den als "Offenen Brief" übertitelten Aufsatz des Neuropsychologen und Psychiaters Wolfgang Meins auf der Achse des Guten: https://www.achgut.com/artikel/offener_brief_an_den_generalbundesanwalt_dr._peter_franke_zum_attentat_von_
Den Anstoß für diesen Kommentar zu derlei - mutmaßlich auch in Zukunft den Alltag westeuropäischer Gesellschaften akzentuierenden - Schreckenstaten gab eine Feuilleton-Kritik der Aufführung einer Adaption von Michel Houellebecqs Roman "Unterwerfung" in Mühlheim. Der Kritiker mokiert sich über die Figur des "modernemüden", opportunistisch vor dem Islamismus kapitulierenden Protagonisten bei Houellebecq. Er fügt daran folgende Schlusspointe: "Sein [des Negativhelden Francois] brutal realer Gegenpart aber sind die radikalisierten Modernisierungsverlierer in Halle und Hanau, die ihr Werk fernab der Theatertafeln verrrichten." Der 29jährige Amokfahrer, der am Rosenmontag im nordhessischen Volkmarsen zahllose Menschen - teilweise schwer - verletzte, gehört offenbar nicht zu den Modernisierungsverlierern. Auch ist über seine Radikalisierung bis dato nichts bekannt.
Montag, 10. Februar 2020
Vom Wesen gelebter Demokratie
Für die Leser meines Blogs mein Globkult-Kommentar zum Schauspiel auf mehreren Bühnen:
Vom
Wesen gelebter Demokratie in Deutschland
von
Herbert Ammon
I.
Was
sich seit dem 05.02.2020 in Thüringen abspielt, ist ein Lehrstück
in demokratischer Theorie und Praxis. Was immer man vom demos und
seiner Befähigung zur Herrschaft (kratía)
halten mag – bitte sehr: wir sind hier nicht in der einer
Aufführung eines Stückes von Aristophanes -, der Theorie (und dem
Grundgesetz nach) beruht unsere politische Ordnung auf dem Prinzip
der Volkssouveränität. Etwas anders ausgedrückt: Das Volk (Wer ist
das Volk? „Wir sind das Volk!“ Wer ist Wir? We, the
people!? Das Deutsche Volk gemäß
Präambel des GG?) übt seine Macht (krátos)
aus, indem es über sich selbst herrscht. Den theoretischen Zirkel
durchbrechen allein die Staatstheoretiker oder eben - gemäß
marxistischer Theorie – die real Herrschenden.
In
der DDR war das theoretische Problem ehedem - ehe sie vor dreißig
Jahren an einer von den Sowjets (=Rätedemokraten) unter Gorbatschow
erlaubten - Volkserhebung zugrunde ging - in der Praxis vorbildlich
gelöst: Es herrschte die Partei als Vorhut des werktätigen Volkes.
Ein paar Sitze in der Volkskammer und Posten auf Bezirksebene
kriegten auch die anderen Parteien ab, von der CDU bis hin zur NDPD.
Damit war die Einheit von Volk und Staat verwirklicht und garantiert.
In den Anfangsjahren des ersten sozialistischen Staates auf
deutschem Boden gebrauchten seine Theoretiker auch den Begriff
„Volksdemokratie“.
Womöglich
wurde einigen Theoretikern – etwa nach Hinweisen von staatsfrommen,
aus dem Westen übergesiedelten Theologen mit griechischen
Grundkenntnissen - der Pleonasmus peinlich, so dass sie ihn
irgendwann fallen ließen, ohne dass sich an der Praxis – der
Diktatur mit „Schwert und Schild“ (=Stasi) bewehrten SED -
wesentliches änderte. Einige DDR-Denker erklärten das politische
System jetzt als Umsetzung der von Rousseau proklamierten Identität
von Volk und Regierung. Immerhin verzichtet man aus
Reputationsgründen in den 1980er Jahren auf die von Rousseau
geforderte Todesstrafe für Feinde der réligion civile.
Auch baute Honecker nach den von
F.J. Strauß vermittelten Milliardenkrediten die Selbstschussanlagen
ab. Geschossen wurde an der Staatsgrenze auch noch danach. Der
einstige braun glattrasierte, mit Minen bestückte Grenzstreifen ist
jetzt ein grüner Streifen durch Deutschland, begrünt von den
Grünen, die einst die Deutschen vor der Einheit des Volkes schützen
wollten und die jetzt im Bündnis mit der „Linken“, der SPD und
Merkels CDU das Land, die grüne Natur und die Demokratie vor der
Machtergreifung Höckes bewahren.
II.
In
der durch Beitritt der DDR 1990 erweiterten Bundesrepublik
Deutschland hat man – von einigen Ausnahmen auf den Lehrstühlen
abgesehen – die zur Diktatur verführende – demokratische
Identitätstheorie des „Bürgers von Genf“ stets abgelehnt. Auch
mit dem in GG 20(1) vorgesehenen Prinzip der (Volks-)Abstimmungen
als Instrument der Volkssouveränität geht man in der Praxis
dergestalt um, dass man es gar nicht erst anwendet und die Forderung
nach Umsetzung den „Populisten“ als demagogische Parole
überlässt. Ehedem waren die Grünen Vorkämpfer direkter
Demokratie, bis sie ihre Liebe zum Parlamentarismus und zum
Parteienstaat entdeckten.
Danach
gehörte die „Linke“ (hervorgegangen aus allerlei Metamorphosen)
neben der AfD zu den Populisten, jetzt gibt es nur noch „rechte“
Populisten: die AfD. Gegen die „Rechten“, gegen die AfD
insgesamt, nicht nur gegen den „Flügel“ um Höcke, auch gegen
alle, die als „Rechte“ identifiziert werden, ist der
Schulterschluss aller Demokraten geboten. Von Fall zu Fall ist für
den demokratischen Kampf gegen „rechts“ auch der Einsatz von
Freikorps - im zeitgemäß schwarzen Gewand der „Antifa“ -
unverzichtbar.
Anders
als die Weimarer Republik ist die Bundesrepublik eine wehrhafte
Demokratie. Ein breites Bündnis demokratischer Parteien verteidigt
die Republik und die „offene Gesellschaft“ („bunt statt braun“)
gegen ihre Feinde. Wo der Feind in die Parlamente vorgedrungen ist,
gilt es das Prinzip der parlamentarischen Demokratie und ihre
Verfahrensweisen im demokratischen Sinne zu modifizieren. Alles
andere wäre vor dem Hintergrund der (ethnisch-)deutschen Geschichte
unverzeihlich.
III.
Die
Ereignisse im Erfurter Landtag bieten Stoff für Dramatiker, denen
der Sinn - nicht nur - nach Satire steht: Nach den Wahlen reicht es
für den amtierenden Ministerpräsidenten nicht mehr zur
parlamentarischen Mehrheit. Der CDU-Vorsitzende weiß nicht recht, ob
er dem als seit einigen Jahren protestantisch-frommen Chef einer
atheistischen Partei zur Wiederwahl verhelfen soll. Während seine
„Freunde“ auf höheren Parteiebenen ihm demokratisch abraten,
begehrt die Basis (das Partei-Volk) im Lande auf. Da sieht der
allseits gehasste Höcke seine Chance, das „Machtkartell“ aus
lauter lupenreinen Demokraten aufzubrechen. Gewählt wird ein
unbescholtener Unbekannter aus dem Kreis der Freien Demokraten. Er
nimmt die Wahl an und leistet seinen Amtseid sogar mit religiöser
Bekräftigung.
Auf
dem - vorläufigen – Höhepunkt des Stückes wirft eine Dame dem
soeben gemäß Verfassung des Freistaats Thüringen erwählten
Ministerpräsidenten einen Blumenstrauß vor die Füße. Das hätte
dem Stück eine Wende geben können – das Bild
bürgerlich-demokratischer Wohlanständigkeit ist dahin, die „Linke“
in Thüringen kehrt zu ihren unbürgerlich-proletarischen Ursprüngen
zurück.
Nichts
dergleichen. In Gestus und Worten der Dame – sie studierte dereinst
Pädagogik für Massenerziehung - bewährt sich der Geist der alten
Volksdemokratie: „Wir
werden Bodo Ramelow aufstellen, wenn wir wissen, wir haben eine
demokratische Mehrheit, ansonsten orientieren wir auf Neuwahlen.“
In
einem
Spiel
mit
lauter wankelmütigen Figuren ragt sie als Person mit unbeugsam
demokatischen Überzeugungen hervor. Sie kämpft seit Pioniers- und
Kindestagen (geb.1977), seit ihrem frühen Eintritt ins politische
Leben, seit 2004 dauerhaft mit Sitz im thüringischen Landtag, gegen
den wieder aufkommenden Faschismus.
(S. Henryk F. Broder:
https://www.achgut.com/artikel/bedeutende_denkerinnen_und_denker_des_21._jahrhunderts_s._h._w
Jetzt
endlich, in der Abwehr des Faschismus – über dessen Herkunft sie
sich als kämpferische Demokratin keine Gedanken zu machen braucht -
findet die Pädagogin von allen Seiten Unterstützung. Aus Afrika
spricht die in der DDR sozialisierte Kanzlerin (dea ex ac in
machina) auf Smartphone ein Machtwort, in Bayern fordert ihr
potentieller Nachfolger die Errichtung einer Brandmauer, um das
braune Gelichter vom inneren Reich der Demokratie fernzuhalten. Es
geht längst nicht mehr um den Freien Demokraten Kemmerich, über
dessen Cowboystiefel sich die FAZ
mokiert
(und nicht über die blauen Söckchen der Blumenstraußwerferin). Es
geht um die Rettung der repräsentativen Demokratie in Deutschland.
Das muss endlich auch der vom Landtag der Vertretung des Volkes,
erwählte Ministerpräsident einsehen. Er tritt vom Amt zurück.
IV.
Für
Kemmerichs demokratische Gewissensentscheidung war nicht zuletzt das
volksdemokratische Engagement der Antifa ausschlaggebend. Sie
verzierte das Haus des FDP-Politikers Thomas Emmerich mit
Kampfparolen und bedrohte seine Familie. Derlei Spiele erheitern den
demokratischen Alltag der Berliner Republik. Sie bieten den
Bürgerinnen und Bürgern der Bundesrepublik Deutschland Anschauung
vom Wesen gelebter Demokratie.
Dienstag, 4. Februar 2020
Leseempfehlung zum Brexit
I.
Ich enthalte mich bis auf weiteres eines unz(w)eitgemäßen Kommentars zum Brexit. Dieser (Dem.pron., m.) wurde von niemandem (auch nicht von David Cameron) für möglich gehalten, von allen guten Europäern, erst recht von guten Deutschen, bekämpft, aber von dem souveränen Inselvolk (abzüglich der nach Souveränität strebenden Schotten) beschlossen und von Boris zum 31.01.2020, 24. 00 h (Central European Time) termingerecht vollzogen. Schon aus Gründen grammatikalischer Gendersensibilität, nicht allein aufgrund unserer besonderen Verantwortung vor der Geschichte, müssen wir Deutsche den Brexit ablehnen.
Wir sind zutiefst verstört - auch dies eine Lehre aus unserer Geschichte - über der Engländer Verlust an common sense. Wie war das möglich? Uns kann sowas nicht passieren. Davor schützt uns das Grundgesetz, das zwar Volksabstimmungen (Art. 20,2 GG) vorsieht, aber aufgrund historischer Erfahrung auf die Anwendung des Verfassungsprinzips lieber verzichtet. Schließlich lernt hierzulande jedes Schulkind, weiß jeder Abiturient (w/m/d), erst recht jeder Bachelor (engl., aus dem Mlat. baccalaureus, dort noch m., heute genusneutral), dass Hitler vom deutschen Volk gewählt wurde. Ja, genau: Das war am 30. Januar 1933, oder so ähnlich... Oder war´s der 23. März? Deshalb operiert heute nur die AfD mit der populistischen Forderung nach Volksabstimmungen, die Grünen schon lange nicht mehr...
II.
Es gab aber auch Zeiten vor dem britischen Beitritt zur EWG (1973), lange vor Maastricht (1992/1993) und der EU und lange vor dem 31. Januar 2020, dem denkwürdigen Tag, als Maireed McGuiness, die irische Präsidentin des Europaparlaments, den politischen Obszönitäten des arch-Brexiteers Nigel Farage nur durch Abstellen des Mikrophons Einhalt gebieten konnte. Es war die Zeit des swinging London, als der deutsche Schüler Dirk Maxeiner - heute Redakteur bei Achse des Guten - Bildungserlebnisse in Soho suchte. Zur Aufheiterung in all unserer medial beförderten Betrübnis empfehle ich seinen von Jugenderinnerungen inspirierten Artikel zum Brexit: https://www.achgut.com/artikel/der_sonntagsfahrer_goodbye_uschi
Mittwoch, 22. Januar 2020
Korrekturen in der "Zeitung für Deutschland"
Die FAZ betreibt nach wie vor Eigenwerbung mit einem dem Leser (w/m/d/qu) schmeichelnden Cartoon samt Textzeile "Dahinter steckt immer ein kluger Kopf". Einige kluge Köpfe fühlen sich davon offenbar nicht mehr angesprochen, denn der kontinuierliche Auflagenschwund der "Zeitung für Deutschland" ist nicht allein mit dem Vordringen der digitalen Medien, dem Einbruch der Werbeanzeigen sowie der Expansion eines in den social media nörgelnden und ignoranten Publikums zu erklären. Jedenfalls häufen sich Kündigungen von Abonnenten, die sich der gegenüber Berlin politisch und geographisch distanzierteren NZZ zuwenden.
Meine Leseunlust angesichts der großkoalitionär affirmativen Redaktionslinie reicht bis dato für eine Kündigung nicht aus. Selbst im Feuilleton sind zuweilen lesenswerte, politisch nonkonforme Artikel zu finden. Mein gelegentlich aufwallender Ärger speist sich hauptsächlich aus ästhetischen Quellen. Dass nach Anpassung an die verkorkste "Rechtschreibreform" die FAZ-Autoren (w/m) nicht mehr zwischen der Konjunktion (ehedem "daß") und dem Artikel "das" unterscheiden können, verursacht steten Ärger, nicht minder, dass in einigen Artikeln regelmäßig der einen oder anderen Persönlichkeit "Referenz" erwiesen wird. Da die FAZ Merkel, der CDU und den Grünen die Treue hält, ist der Niedergang der SPD für sie kein Thema. Schade. Es wäre interessant zu erfahren, ob daran etwa auch Ralf Stegners Umgang mit der "Ortographie" auf Twitter zu tun haben könnte.
Die digitale Revolution hat in den Zeitungshäusern das alte, miteinander rivalisierende Dreigestirn Redakteur-Setzer-Korrektor zerstört. Erschwerend hinzu kommt der Generationenwechsel. Wo jugendlicher Optimismus, Klimabesorgnis und europäisch-postnationales Bewusstsein zusammentreffen, kommt es auf historische Grundkenntnisse nicht mehr an. Unter der Überschrift "Die Südtiroler bleiben Italiener" - das Thema war die von Seiten Österreichs derzeit nicht mehr ventilierte Forderung nach doppelter Staatsangehörigkeit - schrieb die FAZ-Autorin Anna-Lena Ripperger, anno 1946 sei "mit dem Pariser Abkommen zwischen Deutschland und Italien...die Grundlage für Südtirols Autonomie" gelegt worden. (FAZ v. 17.01,2020, S.8). Heute ist in einer von zwei Korrekturen zu erfahren: "Das Südtirol-Abkommen wurde 1946 zwischen Österreich und Italien..." (FAZ. v. 22.01.2020, S.6) Eine Entschuldigungsfloskel hält die Redaktion bei der sich häufenden Anzahl von Korrekturen anscheinend nicht mehr für nötig.
Meine Leseunlust angesichts der großkoalitionär affirmativen Redaktionslinie reicht bis dato für eine Kündigung nicht aus. Selbst im Feuilleton sind zuweilen lesenswerte, politisch nonkonforme Artikel zu finden. Mein gelegentlich aufwallender Ärger speist sich hauptsächlich aus ästhetischen Quellen. Dass nach Anpassung an die verkorkste "Rechtschreibreform" die FAZ-Autoren (w/m) nicht mehr zwischen der Konjunktion (ehedem "daß") und dem Artikel "das" unterscheiden können, verursacht steten Ärger, nicht minder, dass in einigen Artikeln regelmäßig der einen oder anderen Persönlichkeit "Referenz" erwiesen wird. Da die FAZ Merkel, der CDU und den Grünen die Treue hält, ist der Niedergang der SPD für sie kein Thema. Schade. Es wäre interessant zu erfahren, ob daran etwa auch Ralf Stegners Umgang mit der "Ortographie" auf Twitter zu tun haben könnte.
Die digitale Revolution hat in den Zeitungshäusern das alte, miteinander rivalisierende Dreigestirn Redakteur-Setzer-Korrektor zerstört. Erschwerend hinzu kommt der Generationenwechsel. Wo jugendlicher Optimismus, Klimabesorgnis und europäisch-postnationales Bewusstsein zusammentreffen, kommt es auf historische Grundkenntnisse nicht mehr an. Unter der Überschrift "Die Südtiroler bleiben Italiener" - das Thema war die von Seiten Österreichs derzeit nicht mehr ventilierte Forderung nach doppelter Staatsangehörigkeit - schrieb die FAZ-Autorin Anna-Lena Ripperger, anno 1946 sei "mit dem Pariser Abkommen zwischen Deutschland und Italien...die Grundlage für Südtirols Autonomie" gelegt worden. (FAZ v. 17.01,2020, S.8). Heute ist in einer von zwei Korrekturen zu erfahren: "Das Südtirol-Abkommen wurde 1946 zwischen Österreich und Italien..." (FAZ. v. 22.01.2020, S.6) Eine Entschuldigungsfloskel hält die Redaktion bei der sich häufenden Anzahl von Korrekturen anscheinend nicht mehr für nötig.
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