2015 erschien sein Buch „Räume der Gewalt“ , worin er das Gewaltthema aus der Logik der Oktober-Revolution, des von Lenin dekretierten Roten Terrors und von Stalins Schreckensherrschaft herauslöste und in einen historisch umfassenderen Rahmen stellte und zudem mit grundsätzlichen anthropologischen Fragen verknüpfte. Mit derlei Fragen, wie sie zuvor der Yale-Historiker Timothy Snyder in seinem Buch „Bloodlands. Europe Between Hitler and Stalin“ (2010) aufgeworfen hatte, fand Baberowski in den Feuilletons noch weitgehend Beifall.
Das änderte sich, als der bei der Mehrheit der Studenten als anregender Lehrer geschätzte Baberowski im Herbst 2015 - in Humboldtscher Tradition der nicht nur akademisch freien Rede - mit explizit politischen Äußerungen hervortrat. Er gehörte zu den wenigen Hochschullehrern im deutschen Bologna-System, die öffentlich Kritik an der am 4. September 2015 von Kanzlerin Merkel in autokratischer Manier verfügten Grenzöffnung für weit über eine Million reale und imaginäre Flüchtlinge aus aller Welt übten. Zur Erinnerung: Merkel verteidigte ihre Einladung an alle Welt mit der volksgemeinschaftlichen Suggestion: „Wir schaffen das!“ Wir wissen inzwischen, dass der Kanzlerin mitsamt ihres engeren Führungskreises angesichts des Ansturms bereits nach einer Woche Bedenken kamen und die Regierung dabei war, vermittels der bereits aufgebotenen Bundespolizei die Grenzen zu Österreich wieder zu schließen. Dann kamen Merkel, de Maizière, Gabriel und Seehofer wieder andere Bedenken wegen der daraus womöglich resultierenden „hässlichen Bilder“. Folglich zelebrierte das „helle Deutschland“ (J. Gauck) gegenüber den übrigen EU-Bruderstaaten seine moralische Überlegenheit im Zeichen der „Willkommenskultur“. Merkel verteidigte ihre Flutungsaktion mit dem trutzigen Satz, es sei ihr „doch egal, ob ich daran [an dem Masseneinwanderung von „Geflüchteten“] schuld bin. Jetzt sind sie da!“ Ein paar Wochen später reiste sie in die Türkei, um mit Erdogan einen „Deal“ zur Unterbindung der Ägäis- und Balkanroute abzuschließen.
Während die „Leitmedien“ - mit zeitweilig verhaltener Kritik in der FAZ - Merkels Zick-Zack-Kurs mit Bewunderung begleiteten, ihr entgegen aller Evidenz stets Mut und Moral attestierten, meldeten selbstdenkende Persönlichkeiten wie Baberowski Widerspruch gegen derlei politisches Gebaren – und dessen absehbar gefährliche Folgen an. Jetzt sahen langzeitstudierende Jünger der Weltrevolution, Angehörige einer trotzkistischen Sekte (wenngleich unter dem Banner der IV. Internationale), die Chance zum Angriff auf Baberowski, Abweichler vom bequemen Begriff des Stalinismus und Verächter der reinen Lehre vom künftigen Reich der Gleichheit, der Unfreiheit und des Weltfriedens.
Die zunächst anonym operierenden Weltrevolutionäre empörten sich in ihren Flugblättern zunächst auch über den Politikwissenschaftler Herfried Münkler, der seine Vorlesungen mit ironischen Sprüchen über simple Denkmuster und einfältige Gemüter würzte (und obendrein angeblich zu schlechte Zensuren verteilte). Die spätberufenen Klassenkämpfer operierten inzwischen mit der Suggestivvokabel „rechts“ – die Allzweckwaffe in bundesrepublikanischen Politkämpfen. Münkler, der anno 2014 politisch inkorrekt noch mit der Verteidigung der „Schlafwandler“-Thesen von Christopher Clark hervorgetreten war, konnte sich aus der Schusslinie zurückziehen, indem er gemeinsam mit seiner Gattin ein Buch zu den „neuen Deutschen“ publizierte, das auf eine Verteidigung der Merkelschen Einwanderungspolitik hinauslief.
Anders Baberowski, der an seiner Kritik an der ungeregelten, politisch unverantwortlichen Masseneinwanderung festhielt. Das rief die an deutschen Universitäten kontinuierlich mit studentischer Minimalbeteiligung (unter 10 Prozent) „gewählte“ AStA-Einheitsfront auf den Plan. Gegen einen Auftritt Baberowskis in Bremen im Herbst 2016 machte der dortige AStA mit den üblichen Antifa-Parolen („Hetzer“, „Rassist", „Rechtsradikaler“) mobil. Baberowski setzte sich gegen derlei Denunziationen juristisch zur Wehr – womöglich ein taktischer Fehler, denn das Oberlandesgericht Köln gab ihm bezüglich der Ehrverletzungen zwar in allen Punkten recht, bescheinigte den Antifa-Helden indes, ihre Parolen (exemplarisch für „linke“ hate speech) lägen noch innerhalb des Rahmens grundgesetzlich gesicherter Meinungsfreiheit.
Daraufhin
kam es (am 30.03.2017) zu einer Ehrenerklärung des Präsidiums und
des Dekanats der HU Berlin. In der von einer größeren Anzahl
unterzeichneten Erklärung heißt es: „Jörg Baberowski ist ein
hervorragender Wissenschaftler, dessen Integrität außer Zweifel
steht und der in der wissenschaftlichen Community hohes Ansehen
genießt. Seine in öffentlichen Debatten vertretenen Positionen sind
dabei durchaus kontrovers. Diese jedoch als "rechtsradikal"
zu bezeichnen, mag durch die Meinungsfreiheit gedeckt sein.
Gleichwohl ist festzuhalten, dass es sich dabei um Meinungen handelt,
die keine Allgemeingültigkeit besitzen. Das Präsidium der
Humboldt-Universität stellt klar: Die wissenschaftlichen Äußerungen
von Jörg Baberowski – insbesondere in ihren Kontexten – sind
nicht rechtsradikal.“ Etwa gleichzeitig (05.04.2017)
solidarisierten sich Mitarbeiter der Bundesstiftung zur Aufarbeitung
der SED-Diktatur mit Baberowski
in
einer Erklärung, die von DDR-Bürgerrechtlern wie Markus Meckel,
Gerd Poppe, Rainer Eppelmann u.a. unterzeichnet wurde.
Dessen
ungeachtet sahen aufgrund des Gerichtsurteils zur Meinungsfreiheit
nun offenbar einige außerhalb des politischen Sektenmilieus
angesiedelte Feinde ihre Chance zum Großangriff auf Baberowski.
Ende April erschien ein entsprechender Artikel im Berliner
„Tagesspiegel“. Zuletzt trat der an der Universität Bremen
lehrende Jurist Andreas-Fischer Lescano gegen Baberowski auf den
Plan, indem er dem AStA – ja was wohl? - „Zivilcourage“
attestierte: „Dieser Sieg des AStA [sic!]
ist
nicht hoch genug zu bewerten. Er ist das Verdienst couragierter
Studierender, die sich nicht haben ablenken lassen: Beim Fall
Baberowski geht es um viel mehr als nur eine Streitkultur. Es geht
darum sicherzustellen, dass an der Universität das rassistische
Vorurteil und die fremdenfeindliche Geste kritisiert werden dürfen.“
Vor ein paar Tagen (11.06.2017) durfte Fischer-Lascano mit einem
„Gastbeitrag“ der „Frankfurter Rundschau“ nachlegen.
Überschrift: „Die Selbstinszenierung eines Rechten“.
Der
Jura-Professor hält seine Attacken auf Baberowski offenbar für
„links“. In Wirklichkeit stehen die AstA-Helden sowie ihr Mentor
in bester deutscher Tradition.
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