Seit geraumer Zeit, seit etwa zwei
Jahren, läuft im freiesten Staat der deutschen Geschichte eine von
Protagonisten der Demokratie, der Freiheit und der Menschenrechte
betriebene Rufmordkampagne gegen Jörg Baberowski, Professor für
Osteuropäische Geschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin.
Baberowski zählt mit seinem Werk zu den international hoch
geachteten Vertretern seines Faches. Für sein Buch „Verbrannte
Erde. Stalins Herrschaft der Gewalt“ erhielt er 2012 den Preis
der Leipziger Buchmesse in der Kategorie Sachbuch/Essayistik.
2015
erschien sein Buch „Räume der Gewalt“ , worin er das Gewaltthema
aus der Logik der Oktober-Revolution, des von Lenin dekretierten
Roten Terrors und von Stalins Schreckensherrschaft herauslöste und
in einen historisch umfassenderen Rahmen stellte sowie mit
grundsätzlichen anthropologischen Fragen verknüpfte. Mit derlei
Fragen, wie sie zuvor der Yale-Historiker Timothy Snyder in seinem
Buch „Bloodlands. Europe Between Hitler and Stalin“ (2010)
aufgeworfen hatte, fand Baberowski in den Feuilletons noch weitgehend
Beifall.
Das
änderte sich, als der bei
der Mehrheit der Studenten
als
anregender Lehrer
geschätzte Baberowski im Herbst 2015 - in Humboldtscher Tradition
der nicht nur akademisch freien Rede - mit explizit politischen
Äußerungen hervortrat. Er gehörte zu den wenigen Hochschullehrern
im deutschen Bologna-System, die öffentlich Kritik an der am 4.
September 2015 von Kanzlerin Merkel in autokratischer Manier
verfügten Grenzöffnung für weit über eine Million reale und
imaginäre Flüchtlinge aus aller Welt übte.
Zur
Erinnerung: Merkel verteidigte ihre Einladung an alle Welt mit der
volksgemeinschaftlichen Suggestion: „Wir schaffen das!“ Wir
wissen inzwischen, dass der Kanzlerin mitsamt ihres engeren
Führungskreises angesichts des Ansturms bereits nach einer Woche
Bedenken kamen und die Regierung dabei war, vermittels der bereits
aufgebotenen Bundespolizei die Grenzen zu Österreich wieder zu
schließen. Dann kamen Merkel, de Maizière, Gabriel und Seehofer
wieder andere Bedenken wegen der daraus womöglich resultierenden
„hässlichen Bilder“. Folglich zelebrierte das „helle
Deutschland“ (J. Gauck) gegenüber den übrigen EU-Bruderstaaten
seine moralische Überlegenheit im Zeichen der „Willkommenskultur“.
Merkel verteidigte ihre Flutungsaktion mit dem trutzigen Satz, es sei
ihr „doch egal, ob ich daran [an dem Masseneinwanderung von
„Geflüchteten“] schuld bin. Jetzt sind sie da!“ Ein paar
Wochen später reiste sie in die Türkei, um mit Erdogan einen „Deal“
zur Unterbindung der Ägäis- und Balkanroute abzuschließen.
Während
die „Leitmedien“ - mit zeitweilig verhaltener Kritik in der FAZ
- Merkels Zick-Zack-Kurs mit Bewunderung begleiteten, ihr entgegen
aller Evidenz stets Mut und Moral attestierten, meldeten
selbstdenkende Persönlichkeiten wie Baberowski Widerspruch gegen
derlei politisches Gebaren – und dessen absehbar gefährliche
Folgen an. Jetzt sahen langzeitstudierende Jünger der
Weltrevolution, Angehörige einer trotzkistischen Sekte (wenngleich
unter dem Banner der IV. Internationale), die Chance zum Angriff auf
Baberowski, Abweichler vom bequemen Begriff des Stalinismus und
Verächter der reinen Lehre vom künftigen Reich der Gleichheit, der
Unfreiheit und des Weltfriedens.
Die
zunächst anonym operierenden Weltrevolutionäre empörten sich in
ihren Flugblättern zunächst auch über den Politikwissenschaftler
Herfried Münkler, der seine Vorlesungen mit ironischen Sprüchen
über simple Denkmuster und einfältige Gemüter würzte (und
obendrein angeblich zu schlechte Zensuren verteilte). Die
spätberufenen Klassenkämpfer operierten inzwischen mit der
Suggestivvokabel „rechts“ – die Allzweckwaffe in
bundesrepublikanischen Politkämpfen. Münkler, der anno 2014
politisch inkorrekt noch mit der Verteidigung der
„Schlafwandler“-Thesen von Christopher Clark hervorgetreten war,
konnte sich aus der Schusslinie zurückziehen, indem er gemeinsam
mit seiner Gattin ein Buch zu den „neuen Deutschen“
publizierte, das auf eine Verteidigung der Merkelschen
Einwanderungspolitik hinauslief.
Anders Baberowski, der an seiner Kritik an der ungeregelten, politisch unverantwortlichen Masseneinwanderung festhielt. Das rief die an deutschen Universitäten kontinuierlich mit studentischer Minimalbeteiligung (unter 10 Prozent) „gewählte“ AStA-Einheitsfront auf den Plan. Gegen einen Auftritt Baberowskis in Bremen im Herbst 2016 machte der dortige AStA mit den üblichen Antifa-Parolen („Hetzer“, „Rassist, „Rechtsradikaler“) mobil. Baberowski setzte sich gegen derlei Denunziationen juristisch zur Wehr – womöglich ein taktischer Fehler, denn das Oberlandesgericht Köln gab ihm bezüglich der Ehrverletzungen zwar in allen Punkten recht, bescheinigte den Antifa-Helden indes, ihre Parolen (exemplarisch für „linke“ hate speech) lägen noch innerhalb des Rahmens grundgesetzlich gesicherter Meinungsfreiheit.
Daraufhin
kam es (am 30.03.2017) zu einer Ehrenerklärung des Präsidiums und
des Dekanats der HU Berlin. In der von einer größeren Anzahl
unterzeichneten Erklärung heißt es: „Jörg Baberowski ist ein
hervorragender Wissenschaftler, dessen Integrität außer Zweifel
steht und der in der wissenschaftlichen Community hohes Ansehen
genießt. Seine in öffentlichen Debatten vertretenen Positionen sind
dabei durchaus kontrovers. Diese jedoch als "rechtsradikal"
zu bezeichnen, mag durch die Meinungsfreiheit gedeckt sein.
Gleichwohl ist festzuhalten, dass es sich dabei um Meinungen handelt,
die keine Allgemeingültigkeit besitzen. Das Präsidium der
Humboldt-Universität stellt klar: Die wissenschaftlichen Äußerungen
von Jörg Baberowski – insbesondere in ihren Kontexten – sind
nicht rechtsradikal.“ Etwa gleichzeitig (05.04.2017)
solidarisierten sich Mitarbeiter der Bundesstiftung zur Aufarbeitung
der SED-Diktatur mit Baberowski
in
einer Erklärung, die von DDR-Bürgerrechtlern wie Markus Meckel,
Gerd Poppe, Rainer Eppelmann u.a. unterzeichnet wurde.
Dessen
ungeachtet sahen aufgrund des Gerichtsurteils zur Meinungsfreiheit
nun offenbar einige außerhalb des politischen Sektenmilieus
angesiedelte Feinde ihre Chance zum Großangriff auf Baberowski.
Ende April erschien ein entsprechender Artikel im Berliner
„Tagesspiegel“. Zuletzt trat der an der Universität Bremen
lehrende Jurist Andreas Fischer-Lescano gegen Baberowski auf den
Plan, indem er dem AStA – ja was wohl? - „Zivilcourage“
attestierte: „Dieser Sieg des AStA [sic!]
ist
nicht hoch genug zu bewerten. Er ist das Verdienst couragierter
Studierender, die sich nicht haben ablenken lassen: Beim Fall
Baberowski geht es um viel mehr als nur eine Streitkultur. Es geht
darum sicherzustellen, dass an der Universität das rassistische
Vorurteil und die fremdenfeindliche Geste kritisiert werden dürfen.“
Vor ein paar Tagen (11.06.2017) durfte Fischer-Lascano mit einem
„Gastbeitrag“ der „Frankfurter Rundschau“ nachlegen.
Überschrift: „Die Selbstinszenierung eines Rechten“.
Der
Jura-Professor hält seine Attacken auf Baberowski offenbar für
„links“. In Wirklichkeit stehen die AStA-Helden sowie ihr Mentor
in bester deutscher Tradition.
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