anstelle eines weiteren Nachrufs auf Helmut Kohl - er würde gewiss noch weniger Leser finden als der zwei Seiten lange von Rainer Blasius in der heutigen FAZ (v. 19.06.2017, S. 2-3) - begnüge ich mich mit nachfolgenden zwei Zitaten:
1) Aus dem einzigen Interview, das Kohl am 27.09.3003 der "Tageszeitung" (taz), vertreten durch den damaligen Chef der Bild-Zeitung Kai Diekmann, gewährte:
Frage: »Wie kommt es, dass der spätere Staatsmann Kohl besonders mit linken Amtskollegen im Ausland so gut konnte?«
Helmut Kohl: »Ich habe mich nie an diesen Fixierungen orientiert - schon weil links und rechts in jedem Land anders interpretiert werden. Im Wortsinn ein Linker ist sicherlich mein Freund Felipe Gonzales, der ehemalige spanische Ministerpräsident. Dieser weltoffene Mann, den Willy Brandt als seinen wahren Enkel in der Sozialistischen Internationale betrachtete, rief mich am Tag der deutschen Einheit früh morgens um 5 Uhr an und sagte: „Helmut, ich versuche schon seit Stunden, dich zu erreichen. Ich habe gerade eine Flasche deines Lieblingsweins hier und trinke sie auf Deutschlands Einheit und dein Wohl!“ Bei François Mitterrand hingegen habe ich mich oft gefragt, ob er wirklich ein Linker ist. Viele waren Sozialdemokraten, aber keine Sozialisten - jedenfalls nicht in dem Sinne wie die, die auf deutschen Straßen herumschrien. Ich habe immer auf den Menschen gesehen, das war für mich entscheidend, nicht links oder rechts.« http://www.taz.de/!5031676/
2) Auszug aus dem gestrigen Kommentar "Der letzte Tritt" von Thomas Rietzschel auf der "Achse des Guten":
»In der Geschichte, der deutschen zumal, kannte er [Helmut Kohl] sich aus; daraus entwickelte er die großen Linien. Diesem leidenschaftlich gesammelten Wissen verdanken wir die deutsche Wiedervereinigung. Da konnte dem beschlagenen Historiker keiner das Wasser reichen. Um seine Menschenkenntnis indes war es wesentlich schlechter bestellt. Der eine überlebende Beweis dafür ist Wolfgang Schäuble, der andere Angela Merkel. Nie war die kommunistisch geschulte, die überzeugte DDR-Bürgerin, „sein Mädchen“, die Ziehtochter, für die er sie lange halten wollte.
Noch mit ihrem Nachruf schämt sie sich nicht, Helmut Kohl, den George Bush sr. als „wahren Freund der Freiheit“ rühmte, einen letzten Tritt zu versetzen. Auch ihren „Lebensweg“, sagte sie, habe er „entscheidend verändert“. Dafür sei sie ihm „ganz persönlich dankbar“. Denn: „Ich konnte von da an auch ohne Angst beim alles überwachenden Staat leben.“
Im Klartext: Die amtierende Bundeskanzlerin betrachtet das unter Helmut Kohl vereinte Deutschland als einen „alles überwachenden Staat“, in dem sie als Politikerin „ohne Angst“ leben kann. Sich dafür in einem Nachruf bei Helmut Kohl zu bedanken, ist eine schlichte Unverschämtheit. Dass sich diese Aussage Merkels sprachlicher Unfähigkeit verdankt, ändert nichts an der ungewollten Offenbarung. Natürlich hätte sie sagen sollen, dass sie ohne Angst nicht „beim“, sondern „vor einem alles überwachenden Staat“ leben konnte."
Allein, sie ist wieder einmal in die selbst gestellte Wortfalle getappt. Der Freudsche Versprecher brachte die Gesinnung an den Tag. Er bestätigte, worauf Angela Merkel während ihrer bisherigen Kanzlerschaft zielstrebig hingewirkt hat und worauf sie weiter zusteuern will: Den Ausbau des omnipräsenten Staates nach ostdeutschem Vorbild.« http://www.achgut.com/artikel/merkels_letzter_tritt
Selbst wer den letzten Passus nicht ohne Einschränkung - war Angela seinerzeit als FDJ-Mädchen in Führungsfunktion aus protestantischer Frömmigkeit vom Geist ihres Staates so tief ergriffen oder bloß hinreichend versiert in der Dialektik der Anpassung? - teilen mag, kann nicht umhin, Merkels Zielstrebigkeit in der Behauptung von Macht sowie in der Kunst der Sebstbehauptung gegen die Herausforderungen der deutschen Sprache zu bewundern.
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