Freitag, 3. Juni 2016

Nachtrag: Lücke in der Presse, Leere im Plenarsaal

Ein notwendiger Nachtrag: Mein letzter Blog befaßte sich mit der inhaltlich und sprachlich angestrengten Begründung, die CDU/CSU-Fraktionschef Kauder für die Bundestagsresolution zum als solchen nunmehr klassifizierten Völkermord an den Armeniern "und anderen christlichen Minderheiten" in der FAZ (v. 2.6.2016) zu Papier brachte.  (Siehe:http://herbert-ammon.blogspot.de/2016/06/zum-gedenken-des-ageth-eine-textanalyse_5.html ) Ich verwies auf die in der Presse  erwähnte  Abwesenheit der Regierungsspitze ( Merkel, Steinmeier, Gabriel), die von deren diplomatischer Rücksichtnahme auf den Bündnis- und Geschäftspartner Erdogan zeugte. Dessen Reaktion blieb nicht aus: Einbestellung des deutschen Botschafters in Ankara, Abberufung des eigenen Botschafters aus Berlin.

So weit, so vordergründig, so typisch für Diplomatie unter "befreundeten" Staaten... Mit Erleichterung notierten Politiker und Zeitungen, dass die Erdogan-Regierung - anders als die vor nationaler Empörung überfließenden türkischen Zeitungen - offenbar eine Zuspitzung des geschichtspolitischen Konflikts vorerst nicht beabsichtigt. Erdogans neuer Ministerpräsident Binali Yildirim erklärte, niemand solle erwarten, dass sich "mit dieser oder ähnlichen Entscheidungen plötzlich unsere Beziehungen vollständig verschlechtern." Die Berliner Regierungskreise werden´s mit Erleichterung vernommen haben...

Für die Leser dieses Blogs mag eine weitere  Information in Yildirims auf Beruhigung zielender Stellungnahme wesentlich aufschlußreicher sein. Zu einem völligen Bruch werde es zwischen den für einander wichtigen Bündnispartnern auch deshalb nicht  nicht kommen, .weil von den 650 - hier irrt Yildirim: es sind nur 630 - Bundestagsabgeordneten lediglich 250 an der Abstimmung teilgenommen hätten. Man rechnet nach: Im Hohen Haus fehlten laut Yildirim 400 - in Worten: vierhundert - unserer Volksvertreterinnen und -vertreter. Warum wohl?

Da ich mir die TV-Nachrichten, i.e. as mediale Abendgebet mit der vorwurfsvolle dreinblickenden Marietta Slomka oder mit dem empfindsamen Claus Kleber fast immer erspare, kann ich nicht mit Bestimmtheit sagen, ob unsere um politisch-moralische Volksbildung bemühten Kameraleute am Donnerstagmittag das Publikum mit Zoom-Aufnahmen ins Plenum des Bundestags beglückten. Wenn ja, so hätte sich ein Bild blaubestuhlter Leere geboten.

Ich verließ mich - wie mutmaßlich auch Sie, liebe Leser - auf die Berichterstattung in der Qualitätspresse.In der besagten FAZ (v. Freitag 3.6) war zwar von einer Anzahl abwesender Abgeordneter die Rede. Bezüglich der überwältigenden Zahl von 400 Fehlenden blieb der Leser jedoch im unklaren über das demokratische Erscheinungsbild im Reichstag. Fazit des Bloggers: Gähnende Leere im Plenarsaal, arithmetische Lücke in  der Presse.

Die Gründe des Fernbleibens von 400 Volksvertreterinnen und -vertretern sind - bei aller Dringlichkeit sonstiger Geschäfte - mutmaßlich nicht allein terminlicher Natur. Denkbar ist, dass die Abgeordneten aus Wahlkreisen mit prekären Stimmenverhältnissen kommen und um ihre Wiederwahl besorgt waren. Nicht auszuschließen ist  auch eine Art Sicherheitsprophylaxe gegen unerwünschten Besuch empörter Mitbürger und/oder Wähler) im Bürgerbüro ihres Wahlkreises.

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