Montag, 10. Februar 2025

Arithmetik, Spekulation und Depression

Was Umfragen wert sind, erweist sich erst nach dem großen Ereignis, das uns nach den ersten Hochrechnungen am 23. Februar 2025 erwartet. Ich verfolge seit längerem fast täglich mit wachsender Spannung die Umfragen der diversen Institute wohl wissend, dass die opinion polls keine todsicheren Prognosen erlauben. Wer liegt richtiger, wer hat sein Ohr näher am Wahlvolk: Allensbach (CDU-nah), Forsa (SPD-affin), die Forschungsgruppe Wahlen, INSA rechts der sakrosankten Mitte oder jenes Washingtoner Institut, das zweimal Trumps Wahlsieg voraussagte und dieser Tage an die 25 (oder waren´s 26?) Prozent für die AfD und nur unter 30 Prozent für CDU/CSU vermeldete? 

Die Meinungsforscher (sc. die Meinungforschenden) räumen selbst ein, dass alle Wahlumfragen einen Unsicherheitsfaktor von plus/minus drei Prozent enthalten. Zudem kommen - im Hinblick auf die bis zuletzt unentschlossenen Wähler (m/w/d) stets unkalkulierbare Faktoren ins  Spiel - etwa ein neuer Messerangriff eines psychisch belasteten Asylsuchenden, eine entschlossene Faeser- Abschiebungsaktion von zwölf bis fünfzehn - aufgrund unhaltbarer Zustände in deutschen Asylbewerberheimen - straffällig gewordenen Afghanen, ein Terrorakt eines realen oder psychisch derangierten Neonazis, eine "Dunkelflaute" trotz längerem Tageslicht im Monat Februar, ein weiteres Debakel - nach  der  Krise bei VW - in der Autoindustrie, ein vom Klimawandel verursachter Schneesturm am Wahltag etc.

Dennoch verfolge ich die Umfragen mit großem Interesse, gestützt auf -  in Berliner Grundschulen und Mittelstufenzentren kaum noch vermittelbare - elementare Arithmetik. Ja, ich interessiere mich eben  auch für die Wahlchancen  der AfD, die stabil um die 20 Prozent liegen. Wenn die unter BfV-Verdacht gestellte Partei noch deutlich darüber landen sollte, besagte dies einiges über die Stimmung im Wahlvolk, das die Linksgrünen seit dem Heizungsgesetz hinreichend verabscheut und Merz, dem kommenden Kanzler, eine wirkliche Wende in der Migrationspolitik nicht mehr zutraut. 

Die Arithmetik ist verknüpft mit Spekulationen: Wenn die FDP - mutmaßlich - rausfliegt, ist es vorbei mit einer "Deutschlandkoalition". Aber was dann? Kommt die "Linke" über fünf Prozent, steht sie liebend gern fürs Koalitionsbett zur Verfügung. Ähhnliches gilt für die SPD, verdientermaßen derzeit um die 15 Prozent. Auch die Grünen - mit 12-15 Prozent zwar nur dritte in der  Rangfolge, aber meinungspolitisch  führend in der medialen Klasse - umwerben Merz mit versöhnlichen Worten aus dem Munde Habecks. Sorgen bereiten mir die Umfragen für Sahras BSW, die - wie in Erfurt - für eine "Brombeer-Koalition" in Frage käme. Da sich auch Söder sowohl in seiner Rhetorik wie in seiner Praxis als  äußerst flexibel erwiesen hat, kann der Wahlbürger (m/w/d) auch Schwarz-Grün als Merz-Option nicht von vornherein verwerfen. Völlig ausgeschlossen scheint hingegen eine stabile Mehrheitsregierung mit der AfD, der Partei des Gottseibeiuns. Andererseits: in der Politik  - und in der Liebe - ist alles möglich.

Nein, für demokratische Parteien der alles umfassenden Mitte kommen Bündnisse mit Rechtspopulisten/Rechtsradikalen/Rechtsextremisten  nicht in Frage. Das Entsetzen, die Empörung über den absehbaren  massiven Wahlerfolg und den Jubel der "Blauen" wird sich am Wahlabend entladen. Jedenfalls schließe ich für mich  und in meiner Arithmetik die auf der "Achse des Guten" und anderswo ventilierte Merz-Minderheitsregierung - mit fallweise akzeptierter AfD-Tolerierung -  aus. Immerhin wird sich zeigen, ob dem Merkel-Produkt AfD diesmal eine Vizepräsidentschaft im  Bundestag zugestanden wird. Das wäre schon mal fast so spannend wie die mutmaßlich wochenlang andauernde Regierungsbildung.

Was danach kommt? Sofern die Bundesrepublik in der Außenpolitik überhaupt einen gewissen Spielraum besitzt, kann es nach Baerbock nur besser werden. Das Nachdenken über längst fällige, grundsätzliche Veränderungen auf den zentralen Politikfeldern - Migration, innere Sicherheit, , Wirtschaft und Soziales, Bevölkerungswandel, Cannabis, Bildung und "Werte" - mündet in Depression: Die Chancen für eine Besserung der deutschen Zustände sind gering. Hoffen wir also auf ein Wunder.

 

 


Montag, 3. Februar 2025

Aus Afrika erneut wenig Gutes

Aus Afrika, dem Kontinent mit 1,5 Milliarden Menschen, kommen selten Nachrichten, meist nur schlechte. In den letzten Wochen ging es wie gewohnt um ertrunkene Flüchtlinge sowie um den seit Jahrzehnten andauernden "Bürgerkrieg" in der Demokratischen Republik Kongo - realiter ein Krieg zwischen Ruanda und Kongo/Kinshasa um die rohstoffreiche Ostprovinz Nord-Kivu mit der Hauptstadt Goma. Hinzu kommen jetzt ein paar knappe Meldungen über Südafrika, wo Präsident Ramaphosa ein Enteignungsgesetz in Südafrika unterzeichnet hat. (Zu Südafrika siehe meinen jetzt auch auf The European erschienen Reisebericht https://www.theeuropean.de/gesellschaft-kultur/suedafrika-trauert-seinen-verlorenen-jahren-nach) 

Das vom ANC, der trotz erheblicher Einbußen bei den letzten Parlamentswahlen immer noch stärksten Partei,  durchgesetzte Gesetz sieht vor,  Land - genauer: das zu 80 Prozent noch immer im Besitz von Weißen befindliche Farmland - sowie Immobilien auch ohne Entschädigung zu enteignen, wenn Kaufverhandlungen zu keinem Ergebnis führen. Das Gesetz wurde gegen den Widerstand der zwei Koalitionspartner des ANC, die liberale Democratic Alliance und die konservative Freedom Front, beschlossen. Die beiden Parteien sowie eine Farmerorganisation, die Transvaal Agricultural Union kündigten an, gegen das - im Kontext der sogenannten Empowerment-Politik stehende - Gesetz vor Gericht anzufechten. 

Unklar bleibt, ob Ramaphosa - unter dem Druck der "linken" Kräfte im ANC und der zwei noch radikaleren Oppositionsparteien der Economic Freedom Fighters (EFF) und der von dem hochkorrupten, 2018 als Präsident zurückgetretenen Jacob Zuma gegründeten Umkhonto we Sizwe (MK) -  das Enteignungsgesetz wider besseren Wissens unterschrieben hat. Im Fall des Inkrafttretens sind die ökonomischen Folgen abzusehen: ein weiterer Exodus der noch verbliebenen weißen Führungsschicht, Niedergang der Landwirtschaft, Abzug von Kapital aus dem nach wie vor stärksten Industrieland des Kontinents. Im schlimmsten Fall drohen Zustände wie in Simbabwe, wo es auch fünf Jahre nach dem Tod des Diktators Mugabe kaum besser geworden ist. 

US-Präsident Donald Trump reagierte auf das Gesetz mit der Drohung, sämtliche Finanzhilfen an den BRICS-Staat Südafrika einzustellen. Zudem dürften Enteignungen die - bislang durch das Handelsabkommen AGOA abgesicherten -   Handelsbeziehungen mit den USA, dem nach China zweitwichtigsten Handelspartner des Landes, weiter beeinträchtigen.  Bei seit 2023  negativer Handelsbilanz exportierte Südafrika im letzten Waren (hauptsächliche Erze und Agrarprodukte) im Wert von 6,5 Milliarden Dollar in die USA.(https://www.gtai.de/de/trade/suedafrika/wirtschaftsumfeld/us-wahl-welche-wirtschaftlichen-folgen-erwarten-suedafrika--1836318; https://www.achgut.com/artikel/Trump_droht_suedafrika_wegen_enteignungsgesetz)

Das Enteignungsgesetz fand in Deutschland - außer im "Handelsblatt" und auf der "Achse des Guten" kaum Resonanz. Auch vom Außenministerium kam bislang keine Reaktion. "Das letzte Mal um Südafrika ging es im September 2024, als Deutschland 22 Milliarden Dollar zum Umbau des Stromnetzes zur Verfügung stellte," heißt es auf AchGut.  Man darf wie immer am Ende nur hoffen, dass die Suppe am Ende nicht so heiß gegessen werden muss, wie sie in fünf Jahren "Beratungen" über das Gesetz gekocht wurde. Die Hoffnung ruht auf der Judikative.



Donnerstag, 23. Januar 2025

Nachtrag zum Eifer unserer Sprachpolizei

Bei Abfassung  meines Globkult-Kommentar zur jüngsten Meldung der deutschen Sprachpolizei (https://www.globkult.de/kultur/medien/2435-die-deutsche-sprachpolizei-gibt-bekannt)  waren mir einige Details der betreffenden zivilgesellschaftlichen Einrichtung noch nicht bekannt. Hinzugekommen sind überdies Wortmeldungen der migrantischen Berliner Bürgerin Chebli sowie eines Jungintellektuellen iranischer Herkunft, der biodeutsche Mängel in der Aussprache seines Namens bemängelt. 

Am 21.01.2025, eine Woche nach Bekanntgabe des - begriffslogisch widersinnigen - "Unwort 2024", stellten sich auf der ersten Seite des FAZ-Feuilletons ein dort seit längerem präsentes Autorenpaar, er israelischer, sie palästinensischer Herkunft, als Mitwirkende bei der Kürung des Unworts vor.  Auch diese beiden Unwort-Experten h.c. gehen auf  die Frage nach der Relevanz der deutschen Geschichte und der deutschen  Gedenkkultur für das derzeitige und künftige Deutsche Volk (Schreibweise laut Präambel GG)  nicht ein.

Bedürfte es eines Belegs für diese für die deutsche  Gesellschaft zentrale  - doch weithin ignorierte - Problematik, so liefert ihn die von der Berliner SPD lang als Protagonistin von Multikultiur und Integration protegierte Sawsan Chebli, 1978  als zwölftes Kind eines dreimal ausgewiesenen und dreimal remigrierten Asylbewerbers aus dem Libanon in  West-Berlin geboren. Chebli fungierte ehedem als Adlata von Bundespräsident Steinmeier, später als Staatssekretärin für Bürgerschaftliches Engagement und Internationales in Berlin unter dem Regierenden Bürgermeister Michael Müller, dem sie 2021 im Kampf um ein sicheres SPD-Bundestagsmandat unterlag. Nach leicht fragwürdigen Aussagen zum Gaza-Krieg rückte Chebli  etwas in den Hintergrund. Dieser Tage trat sie auf Instagram mit folgendem Appell an Mitmigranten hervor: „Bitte gebt nicht auf! Es ist auch euer Land. Demographie wird Fakten schaffen. Engagiert euch, erhebt eure Stimme – selbst wenn sie nicht hören wollen.“   

Mit solcherlei - ins Biologische zielenden - Ansagen will sich weder unsere Politik noch unsere  Intelligentsia noch die Marburger Sprachpolizei befassen.

Donnerstag, 9. Januar 2025

Fragen eines Wahlbürgers angesichts der Reichstagskuppel

Die Glaskuppel über dem Plenarsaal des Bundestags im Reichstag verdankt ihre Existenz einer ästhetischen Nachbesserung des Architekten Norman Foster, der ursprünglich - zwecks demokratischer Transparenz-  eine flache Glasschale über dem Gebäude vorgesehen hatte. Foster wiederum hatte anno 1993 von der Jury, genauer: von einer Konzeptkommission des Bundestags, den Zuschlag gegenüber dem Entwurf des Spaniers Santiago Calatrava erhalten, der mit einer hochgezogenen Kuppel dem mächtigen Wallot-Bau eine "leichtere" Gestalt gegeben hätte. Dank Foster dürfen wir uns jetzt  an dem durchsichtigen Eierbecher erfreuen.

Auf die Zuschauerrränge über dem lichtreichen Plenarsaal gelangen die Besucher (sc. -innnen m/w/d), hauptsächlich Schulklassen, zum Anschauungsunterricht "gelebter Demokratie"  mit einem Ticket und nach sorgfältigem elektronischen Screening. Selten erleben sie eine voll besetzte  Plenarsitzung, denn meistens befinden sich die Abgeordneten entweder in einer Ausschuss- oder Fraktionssitzung, in der Kaffeepause  oder bei medienwirksamen Auftritten. Während der Debatten im gewöhnlich weniger als halbleeren Plenarsaal bekommt das Publikum dann pathetisch vorgetragene Fensterreden zu hören und zu sehen, die sie ebensogut auf "Phoenix" oder  in Kurzversion in den TV-Nachrichten erleben könnten.  Gewiss, derlei Riten gehören zur Praxis der parlamentarischen Demokratie.

Spannend für uns parteilich ungebundene Zuschauer, nein falsch: für das als  Souverän aufgerufene Wahlvolk, wird sodann die  Eröffnungssitzung nach der durch Ausfall der Ampel bedingte Bundestagswahl am 23. Februar 2025. Gelingt der Partei "Die Linke" - dank Scheitern des Ampel-Wahlgesetzes vor dem Verfassungsgericht -   noch einmal  der Einzug in den Bundestag, und wird dann der - auch als Kanzelredner in der Evangelischen Kirche beliebte - Gregor Gysi als Alterspräsident präsidieren? Wird es - TV-perspektivisch vom Präsidium aus gesehen - (nach erneuter Änderung der Sitzordnung) rechts von der CDU/CSU-Fraktion  noch ein Grüppchen von FDP-Leuten als Brandmauer zur mächtig angewachsenen AfD -  zu sehen geben? Oder zieht anstelle der alten " Die Linke" mit dem BSW eine neue linke Kraft - mit für Demokraten der weitgespannten Mitte auch "rechts" klingendem Vokabular -  in den Bundestag ein? 

Den Umfragen zufolge kann Sahra Wagenknecht derzeit kaum auf ein spektakuläres Ergebnis rechnen, wohl aber die AfD, auch ohne direkte Geldspende von Elon Musk, wohl aber dank dessen verbal zugespitzter Unterstützung. Damit stehen wir mündigen Bürgerinnen und Bürger vor einer schwierigen Rechenaufgabe: Reicht es  - begrifflich fast so degoutant wie "Deutschlandfahne" - für eine "Deutschlandkoalition" in der Kombination von  CDU/CSU, SPD und FDP? Wohl eher nicht. Zielt Friedrich Merz, dank "vorbehaltloser" Unterstützung durch Markus Söder, anders als Habeck und Weidel der de facto einzig aussichtsreiche Kanzlerkandidat, entgegen allen Beteuerungen am Ende doch auf  Schwarz-Grün, wenn es denn für eine knappe Koalitionsmehrheit genügen sollte? Oder kommt es zu einer Wiederauflage der GroKo?

Wahlversprechen gelten bekanntlich nur bis zum Abend des Wahltags. Das gilt auch für die wahlkämpferischen Aussagen des CDU-Kanzlerkandidaten. Derlei Wissen macht dem/der auf einen realen "Politikwechsel" hoffenden Wechselwähler/-in die Wahl schwer. Selbst wenn es   - entgegen aller Wunschvorstellungen der Qualitätsmedien - nicht zu Schwarz-Grün kommen dürfte, sondern zu Schwarz-Rot, wird es in den entscheidenden Fragen wenig Veränderung geben. Die entscheidenden, miteinander verquickten Fragen sind: erstens, die Energiekrise, die maßgeblich die Wirtschaftskrise - mehr als eine zyklische Rezession - hervorgebracht hat; zweitens, Rentensicherung und Altersarmut; drittens, die ungeachtet reduzierter Zahlen ungehindert anhaltende Einwanderung und damit viertens: die mit  Schlagwörtern ("Integration", "Fachkräfte" "humanitäre Pflicht" etc.) vernebelte Problematik der kulturell-sozialen Transformation der deutschen Gesellschaft. 

Hinter diesen primär innenpolitischen Themen tritt die zentrale außenpolitische Frage hervor: Wie geht es weiter mit dem Krieg in der Ukraine? Wie wird Trump agieren? Wie stark ist der um unsere demokratischen Werte unbesorgte Putin? Und ist der für einen  "Deal" -  auf Kosten der wertebewussten Ukraine - überhaupt bereit? 

Auf die letzten Fragen weiß keine  - außer den Grünen sowie anderen "kriegstüchtigen" Protagonisten - der zur Wahl stehenden Parteien eine Antwort.Wir gehen einer ungewissen Zukunft entgegen. Wo soll der Souverän - a.k.a. der "mündige Bürger" (sc.-in) - seine zwei Kreuze auf dem Wahlzettel machen? Auf die Aufstellung der Listen und das innerparteiliche Gerangel hatte er ohnehin keinen Einfluss.