I.
Merkels
Finanzminister Schäuble, wie seine Kanzlerin kein Meister des
Wortes, griff vor etwa einem Jahr in die Kiste seines Sprachschatzes, um dem
populismusanfälligen Wahlvolk die populationspolitisch
unverzichtbare Masseneinwanderung plausibel zum machen: Es handle
sich um das „Rendezvous mit der Globalisierung“. Beides –
Begriff und Metapher – sind analysebedürftig, teils
ökonomisch-politisch, teils sprachlogisch. Dem tumben Volk ist
derlei leider nicht zuzumuten, es versteht zu wenig von der Freiheit
und Notwendigkeit global offener Märkte und den sie begleitenden
Segnungen interkultureller Begegnung. Unter Rendezvous versteht
Ottilie Normalverbraucherin einen (mask.) date mit
allen möglichen Chancen. Die Chancen der Migration, namentlich die
kulturelle Bereicherung, wollen oder können die Ethnobürger - das sind die, "die schön länger hier leben" (Angela Merkel) - angeblich nur die mit
Haupt- und/oder Realschulabschluss, aber selbst viele Abiturienten im führenden
Bundesbildungsland Sachsen, nicht erkennen. Die Veränderungen in
„unserem Land“ bereiten ihnen Angst, heißt es.
Was
tun gegen derlei Angst (Pl. Ängste)? Zur Angstauflösung hilft
womöglich eine kollektive Psychoanalyse. Und dafür ist die
Wissenschaft gefragt. Wissenschaft wird heute mit Drittmitteln
betrieben oder gleich direkt von gut dotierten Stiftungen in Auftrag
gegeben. Eine Studie zu den diffusen Ängsten der schwindenden
Mehrheitsbevölkerung wurde von der EU bei der Bertelsmann-Stiftung,
der zivilgesellschaftlich wertebildungspolitischen Filiale des global
aufgestellten („positionierten“) Verlags, in Auftrag gegeben und
liegt nunmehr vor. Ergebnis: Die Angst vor der Globalisierung treibt
den Populisten in Europa - namentlich erwähnt: AfD (78 Prozent),
Front National (76 Prozent), FPÖ (69 Prozent) – angstbesessene
Wähler zu.
https://www.welt.de/politik/deutschland/article159852061/Angst-treibt-die-Waehler-zu-den-Rechtspopulisten.html
II.
Q.e.d. Offenbar
existieren derlei Ängste nicht bei den Wählerinnen und Wählern de .nichtpopulistischen Parteien. Aus dem zitierten welt-online-Artikel
ist auch nicht zu entnehmen, ob die demokratischen, also gesamtgrün
etablierten Parteien, von gewissen Ängsten bezüglich künftiger
Stimmenverluste beseelt sind. Hingegen sorgt sich Aart de Geus,
Vorstandsvorsitzender
der Bertelsmann Stiftung, ehedem Sozialminister der Niederlande, angesichts
des Studienergebnisses: „Wir
dürfen das Werben um besorgte Bürger nicht den Populisten
überlassen. Die etablierten Parteien müssen die Angst vor der
Globalisierung in ihre Arbeit einbeziehen.“
Vielleicht beschäftigen die Parteien – oder deren Stiftungen –
demnächst flächendeckend ein paar Streetworker zur
Angstprävention.
Die
Autorin der Studie Isabell Hoffmann sieht im Faktor Angst etwas
Positives: „Das ist ein Hoffnungsschimmer
für die Politik, denn Angst lässt sich leichter auflösen als
fest zementierte Werte.“ Es sei bei derlei positiver Prognose
immerhin vermerkt, dass die auf diese Weise angestrebte Auflösung
der Angst in Widerspruch steht zu der von den Bildungszentralen
betonten Fundierung der EU auf fest zementierten, nicht verhandelbaren Werten.
(Aus eben diesem Grund werden die Beitrittsverhandlungen mit Erdogan
nicht suspendiert.)
III.
Das
Problem „Angstanalyse“ (gr. análysis,
-e
Auflösung) ist zu komplex, um in einer kurzspaltigen Kolumne gelöst
zu werden. Stattdessen seien zwei der vielen Leserzuschriften zitiert,
deren Autoren leider anonym bleiben wollen. l: „Ich bin
selber Wissenschaftler. Die ´Studie´ betrachte ich nicht als
wissenschaftlich. ´Rechtsnational und populistisch´ ist eine Wertung. Liest man die Studie, so findet man noch wesentlich extremere
Wertungen, dort ist sogar von Rechtsextremismus die Rede. Ich gehöre
zu den Befürwortern wirtschaftlicher Globalisierung und zu den
Skeptikern politischer Globalisierung. Nach den Autoren der Studie
leide ich wegen letzterem unter ´Globalisierungsangst´. Warum
unterstellen die Autoren der ´Studie´ mir und anderen
Globalisierungsskeptikern ´Angst´ und somit Irrationalismus? Gibt
es dafür wissenschaftliche Gründe? Diese ´Studie´ gibt nur ein
Beispiel unter vielen ab, was Politik in der Wissenschaft anrichtet.
Was wir benötigen, sind nicht mehr solcher Studien. Was wir
benötigen, ist eine Trennung von Wissenschaft und Politik.“ (Jürgen L.)
2. Der/die Leserin A.V. schreibt kurz und bündig: "Mittlerweile findet man in Grimms Märchen mehr Wahrheit als in so manchen Studien."
2. Der/die Leserin A.V. schreibt kurz und bündig: "Mittlerweile findet man in Grimms Märchen mehr Wahrheit als in so manchen Studien."
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