Von einem wohlwollenden Leser des Blogs ermahnt, aus dem Ferienaugust in den gedenktagsreichen September, will heißen, in die unerfreuliche und unfriedliche Wirklichkeit zurückzukehren, fühle ich mich in die Pflicht genommen. Die gestrigen (1.September 2014) von Kerzenlicht erwärmten Feierlichkeiten und historischen Gedenkreden auf der Danziger Westerplatte sowie die medialen Beschwörungen - es geht um demokratische "preparedness to preserve peace and freedom by military means" - der vom sinistren großrussischen Aggressor Putin ausgehenden Kriegsgefahren sind geeignet, das TV-Publikum in seiner demokratischen Friedensliebe zu erschüttern. Die bis dato friedliebenden Deutschen sollen unter Anleitung des einstigen Friedenspastors Joachim Gauck auf mehr Kampfmoral, wenn schon nicht auf Kriegsbereitschaft eingestimmt werden. Dabei geht es längst nicht nur um Waffenlieferungen an die Kurden und um weitere "robuste" friedenssichernde Einsätze der zur globalen Berufsfeuerwehr umfunktionierten Bundeswehr, sondern um die richtige Rekonstruktion des Feindbildes im Osten, um den Ausschluss Russlands aus dem "gemeinsamen Haus Europa". Resigniert erinnerte Michail Gorbatschow, der Erfinder der einst segensreichen Formel, an das Verblassen seiner - aus politischem Interesse geborenen -Friedensvision.
Ich wage die - von Wunschdenken hoffentlich ungetrübte - Prognose, dass es wegen des kleinen Krieges in der Ost-Ukraine, dessen Ursprünge in die west-östlichen Machtspiele vor dem 23.November 2013, in ihren tieferen Tiefen bis in den I. Weltkrieg zurückreichen, letztlich doch nicht zum großen Krieg des "Westens" mit der unter Putin wiedererstarkten Großmacht Russland kommen wird. Soviel Vernunft ist bei den meisten der am blutigen Kriegsspiel um das Donezk-Becken Interessierten, selbst bei der derzeitigen ukrainischen Führungsriege, erst recht bei dem kühlen Rechner Putin, vorauszusetzen. Dessen ungeachtet werden die Spielsteine in dem bereits in den 1990er Jahren, in der Ära des überforderten Jelzin, wieder eröffneten Great Game derzeit weiter verschoben. Die NATO plant die Errichtung von Stützpunkten im Raum zwischen Ostsee und Schwarzem Meer. Parallel dazu erscheint die NATO-Mitgliedschaft samt EU-Assoziation der Ukraine und Georgiens aus "westlicher" Perspektive erneut als eine "realistische" Option, geboten zuvörderst und unzweifelhaft aus den lautersten Gründen politischer Moral, als Reaktion auf Putins großrussisch-eurasisches Machtstreben.
Dass sich die deutschen Politik in diesem von mehreren Spielern aus unterschiedlichen Interessen und Motiven betriebenen Machtspiel in eine unbequeme Position gedrängt sieht, wird angesichts des Rückzugs des Außenministers Steinmeier von seiner bisherigen Vermittlerrolle evident. Den Ton der deutschen Außenpolitik bestimmen die Gedenkreden unseres Bundespräsidenten Gauck zum 1. August 1914 sowie zum 1. September 1939.
Ich darf meine "unz(w)eitgemäße" Betrachtung zu den Reden im Gedenkjahr 2014 mit einem erneuten Hinweis auf meinen bereits 2009 in Iablis erschienenen Aufsatz schließen:
H.A.: Geopolitik – Zur Wiederkehr eines verloren geglaubten Begriffs im 21. Jahrhundert, in:
http://www.iablis.de/iablis_t/2009/ammon09.html
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