I.
Kritik an der vom "Westen" gegenüber Russland verfolgten Politik war seit dem Eklat der Ukraine-Krise (datierbar auf den 23.11.2013), erst recht seit Ausbruch des Krieges im Donbass kaum irgendwo zu finden, am ehesten noch in den Leserbriefen, die auf blinde Flecken in der in den deutschen "Leitmedien" vermittelten Wahrnehmung hinwiesen. Durchwegs ging es im Politikteil, in den Korrespondentenberichten aus der Krisenregion, in den Leitartikeln sowie in den Feuilletons um die Verteidigung demokratischer Grundwerte auf dem Majdan, um die Erhebung des Volkes gegen den korrupten Janukowitsch und seine Oligarchen, um das Recht der Ukraine auf "Selbstbestimmung" gegenüber dem neo-imperial agierenden Russland unter dem autoritären, eurasisch inspirierten, aggressionslüsternen Putin.
Aus derlei Perspektive konnte man über die weniger erfreulichen Phänomene des auf dem Majdan versam-melten Protests hinwegsehen, die Hintergründe des Kriegsszenarios im Industrierevier am Don ausblenden, den gegen die "Separatisten" angerückten Bataillone des "Rechten Sektors" aus der Westukraine zumindest kämpferische Qualitäten zubilligen (wenn schon keine lupenreine demokratische Gesinnung). Nach dem Absturz - oder Abschuss? -des Flugzeugs MH17 der Malaysian Airlines über der Ost-Ukraine mit 298 Toten (s. dazu: spiegel-online vom 24.08.2014, http://www.spiegel.de/panorama/flug-mh17-was-das-schweigen-der-ermittler-ueber-den-abschuss-bedeutet-a-987100.html.) war die Sache für die Kommentatoren endgültig klar: In der Ukraine steht demokratische Freiheit gegen großrussisch gesteuerten Terror.
Schon vorher waren Zweifel an der offiziellen Doktrin verstummt, die da lautet: Russland, unter Putin in seine alte Tradition der Autokratie zurückgefallen, gehört nicht zu Europa. Entsprechend verkündete die neue EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini - bei ihrer Berufung durch Jean-Claude Juncker wurde ihr noch eine verständnisvolle Haltung gegenüber Putin nachgesagt - nach dem NATO-Gipfel in Wales (04.09.2014), was eben dort nicht zufällig der polnische Verteidigungsminister als erster erklärt hatte: Russland sei für Europa kein strategischer Partner mehr.
II.
NATO dixit. Der Ausschluss Russlands aus dem "gemeinsamen Haus Europa" scheint beschlossene Sache.
Mit Erstaunen liest man daher den mit "Lesen Sie Putins Stellenbeschreibung" übertitelten Artikel (in: FAZ v. 12.09.2014, S. 11) der langjährigen Russland-Korrespondentin der FAZ Kerstin Holm, aus deren Feder bis dato nichts anderes denn moralisch aufgebrachte Anklagen gegen die in Putins Reich herrschende Unfreiheit, Willkür, Schwulen- und Intellektuellenfeindschaft zu lesen waren. Die Journalistin scheint eine conversio erlebt zu haben. Denn Russland ist für sie untrennbarer Teil der "okzidentalen Kultur", die sie als einen großen Organismus begreift, der von den USA (als Kopf) über Europa (ein "formenreichen Körper", zugleich "Brutstätte und Paradiesgarten künstlerischer Ideen") bis nach Russland reicht, dem sie die Funktion der "tragenden Füße" zuweist. Weiter unten - nach Nennung der großen Namen der russischen Literatur und Musik - wird das Bild abgewandelt: "Ohne die russische Erfahrung würde die europäische Kultur vollends wattig und kastriert."
Nach all dem metaphorischem Überschwang kommt die Autorin zum Politischen, und zwar zu ihrer "Stellenbeschreibung des russischen Präsidenten". Gemeint sind die geopolitischen Handlungsbedingungen Putins in seinem unsicheren, geschwächten Riesenreich ("ein überdehntes, untervölkertes, rauhes Land"). Dieses sehe sich den politischen Konzepten der NATO unter Führung der USA ("das oberste Nervenzentrum in seiner geostrategisch exzeptionell begünstigten Lage") ausgesetzt.. "Im entwickelteren Westen" (?), will heißen im östlichen Mitteleuropa, habe die NATO das gesamte von Gorbatschow freigegebene Terrain besetzt und rücke immer näher an die russischen Grenzen heran. Die Analyse im Donbass der in Krieg ausgeuferten Konflikte zwischen Washington, Kiew und Moskau fällt für Putin bemerkenswert verständnisvoll aus: "Wie sollte da ein russisches Staatsoberhaupt den Gorbatschow-Jelzin-Kurs nicht bitter bereuen...?"
Die Autorin bemüht das Bild des russischen Bären, den man in seiner Höhle nicht reizen dürfe. Die am bösen Spiel mit dem Bären beteiligten Staaten werden mit Ausnahme der Amerikaner, deren "Spieltrieb so viel Spaß daran findet,diese [Putins] Schwäche auszunutzen und Russland zu reizen und zu destabilisieren", nicht genannt. Der bloße "Spieltrieb" mag dem Stil des Feuilletons entsprechen, nicht dem Wesen der Politik, gleichviel: Die Akteure in Kiew verlieren an demokratischem Glanz, nicht allein, weil sie - hier verfällt die Autorin in den üblichen Politjargon - ihre "allerersten Hausaufgaben" noch zu erledigen hätten. "Bisher haben sich die Regierenden, die den internen Konflikt zur Kraftprobe zwischen den Bevölkerungsgruppen eskalieren ließen, noch ihre westlichen Berater, ein Reifezeugnis ausgestellt." Dass es den "westlichen Beratern" nicht um ein Reifezeugnis geht, sondern um die geopolitische Besetzung einer Schlüsselregion, käme dem Kern der Sache analytisch näher. Immerhin warnt die Autorin - im Hinblick auf die diffizile historische Geographie der Ukraine - auch davor, die Rebellen im Osten "pauschal als ´Separatisten´ darzustellen".
III.
Das von der Autorin empfohlene Konzept einer bundesstaatlichen Neugliederung der Ukraine, eines friedlichen Ausgleichs mit dem durch "Finnlandisierung", durch einen auf Rücksichtnahme und Kooperation gegründeten Status des Landes, ähnelt den in Globkult (24.08.2014) von Christian Wipperfürth ("Die Ukraine, der Westen und Russland") vorgestellten Lösungsvorschlägen. Ob sich die Mächtigen ("Eliten", "decision-makers") in Washington, Brüssel und Berlin - wo offenbar selbst Außenminister Steinmeier auf einen harten Kurs eingeschwenkt ist - von derlei Überlegungen, die auf Frieden, Sicherheit und Kooperation "im gemeinsamen Haus Europa" zielen, beeindrucken lassen, steht dahin.
Wahrscheinlicher ist, dass man nach Vollzug der EU-Assoziierung der Ukraine großzügige Hilfe zukommen lässt. Materielle Unterstützung kann das Land immer gebrauchen, selbst wenn der - mit Einhilfe seitens Putin zustandegekommene - Waffenstillstand mit den Rebellen halten sollte. Wenn die Rundfunkmeldung der letzten Woche zutrifft, plant die Regierung in Kiew die Errichtung einer 2500 km langen Mauer zur Sicherung ihrer Grenze. Dafür benötigt sie gewiss mehr als nur Baumaterialien. Wir Mauergeprüften dürfen hoffen, dass es sich nur um eine Tatarenmeldung aus der östlichen Ukraijna handelt.
Montag, 15. September 2014
Mittwoch, 10. September 2014
Die Errungenschaften der neuen deutschen Rechtsordnung
Lesenswert in der "Qualitätszeitung" FAZ sind die Leserbriefe. In der heutigen Ausgabe (Nr.210 v. 09.09.2013, S. 6) bezieht der Frankfurter Professor Dr. Axel Schönberger Stellung gegen Bundesinnenminister Thomas de Maizière. Mit dem Satz, "die islamische Rechtsordnung der Scharia werde [Konjunktiv in der Zitation Schönbergers, apodiktischer Indikativ im Originalzitat] auf deutschem Boden nicht geduldet" hatte de Maizière auf den Auftritt einer mit uniformähnlichen Warnwesten ausgestatteten "Sharia Police" - selbst die wenngleich nicht unbedingt im Habermasschen Sinne universalistisch orientierten Salafisten bedienen sich des Englischen als global Pidgin - in Wuppertal, dereinst eine kalvinistisch-pietistische Hochburg, reagiert hatte.
Dass derlei Worte bestenfalls als populistische Scharfmacherei zu werten sind, entnehmen wir dem Leserbrief des o.g. Professors. Er belehrt den Innenminister Dr.jur. de Maizière über die in der Bundesrepublik herrschende Rechtspraxis, wonach in Rechtsfällen von Muslimen, die aus Ländern mit der Scharia als Rechtsgrundlage, "deutsche Gerichte ihrer Rechtsprechung seit langem (?) auch die Scharia zugrunde[legen]." Im einzelnen betreffe die von "deutschen Gerichten" - der indefinite Artikel lässt auf juristische Beliebigkeit schließen - geübte Praxis "Ehescheidungen, Unterhaltszahlungen an Zweit-, Dritt-, oder Viertfrauen, Aufteilungen von Witwenrenten einer polygamen muslimischen Ehe oder auch erbrechtliche Fälle, in denen Söhnen gemäß der Scharia ein größerer Anteil am Erbe als Töchtern zusteht."
Die Begründung von derlei "seit langem" - denkt der Jurist Schönberger an eine als Entgegenkommen an den samt Anhang ab 1941 in Berlin residierenden Großmufti von Jerusalem von NS-Juristen ersonnene Rechtsauslegung? - praktizierten Rechtsordnung zielt ins Universalistische und lautet wie folgt: "Selbstverständlich wendet die deutsche Justiz in Zeiten der Globalisierung auch islamisches Recht an, sofern es nicht zu den Grundrechten und unserer öffentlichen Ordnung in Widerspruch steht." Nur derjenige Leser (sc. dem Gleichheitsprinzip und der Gleichstellungspraxis gemäß auch diejenige Leserin), dem/der Art. 3, (2) GG und Art. 6 GG (im Grundrechtskatalog) nach all den Debatten über die - in der Scharia m.W. nicht vorgesehene - Homo-Ehe noch immer nicht geläufig sind, wird an der Formulierung "selbstverständlich" Anstoß nehmen. Bekanntermaßen duldet die metaphysisch gemeinte Formel "selbstverständlich" keinen Widerspruch, was schon die amerikanischen Revolutionäre um Thomas Jefferson wussten.
Der Jura-Professor räumt ein, dass es "durchaus Staaten [gibt], welche ausländisches Recht und damit auch die Scharia grundsätzlich nicht dulden." Doch in Deutschland sei dies nicht der Fall, "entgegen der Äußerung des Bundesinnenministers [wird] die islamische Rechtsordnung der Scharia in weiten Teilen auf deutschem Boden nicht nur geduldet, sondern ständig angewandt." Dass derlei Rechtspraxis die staatliche Rechtseinheit untergräbt, scheint den Rechtsprofessor nicht zu irritieren, im Gegenteil, er rechtfertigt sie mit dem Gleichheitsgrundsatz: "Eine [sic!] Verbot der Anwendung der Scharia etwa bei der Bemessung von Witwenrenten polygamer Ehen hätte beispielsweise die Benachteiligung von Zwei-, Dritt- oder Viertfrauen zur Folge." Offenbar geht es dem Autor dieses Satzes auch um mehr Gerechtigkeit in der globalisierten Welt.
Dass der Frankfurter Rechtsprofessor die in Ländern wie Saudi-Arabien geübte, das Vier-Frauen-Limit transzendierende Ehe- und Familienpraxis in seiner Argumentation nicht erwähnt, sei ihm nachgesehen. Schließlich geht es ihm um die höheren Werte unserer neuen deutschen Rechtskultur. Vor dem Hintergrund unserer Vergangenheit und gemäß dem Diktum unseres Gauck-Vorgängers Wulff haben wir die neue interkulturelle Rechtsordnung als "Bereicherung" zu verstehen. Wer dagegen Zweifel anmeldet, da ihm - ganz anders als dem Geschichtsdenker vor 100 Jahren - der reale Untergang des Abendlandes vor Augen steht, wer wie de Maizière "auf deutschem Boden" keine andere Rechtsordnung dulden will, wird nicht nur von Schönberger zurechtgewiesen. Für die nächsten Tage haben die Islamverbände (Plural) Demonstrationen gegen den in Nazistan obwaltenden "Rassismus" angekündigt. Die Demos werden sich vermutlich bis zum 3. Oktober 2014 hinziehen. Sie erinnern daran, dass die neue Rechtsordnung der Pflege unserer Willkommenskultur dient.
Dass derlei Worte bestenfalls als populistische Scharfmacherei zu werten sind, entnehmen wir dem Leserbrief des o.g. Professors. Er belehrt den Innenminister Dr.jur. de Maizière über die in der Bundesrepublik herrschende Rechtspraxis, wonach in Rechtsfällen von Muslimen, die aus Ländern mit der Scharia als Rechtsgrundlage, "deutsche Gerichte ihrer Rechtsprechung seit langem (?) auch die Scharia zugrunde[legen]." Im einzelnen betreffe die von "deutschen Gerichten" - der indefinite Artikel lässt auf juristische Beliebigkeit schließen - geübte Praxis "Ehescheidungen, Unterhaltszahlungen an Zweit-, Dritt-, oder Viertfrauen, Aufteilungen von Witwenrenten einer polygamen muslimischen Ehe oder auch erbrechtliche Fälle, in denen Söhnen gemäß der Scharia ein größerer Anteil am Erbe als Töchtern zusteht."
Die Begründung von derlei "seit langem" - denkt der Jurist Schönberger an eine als Entgegenkommen an den samt Anhang ab 1941 in Berlin residierenden Großmufti von Jerusalem von NS-Juristen ersonnene Rechtsauslegung? - praktizierten Rechtsordnung zielt ins Universalistische und lautet wie folgt: "Selbstverständlich wendet die deutsche Justiz in Zeiten der Globalisierung auch islamisches Recht an, sofern es nicht zu den Grundrechten und unserer öffentlichen Ordnung in Widerspruch steht." Nur derjenige Leser (sc. dem Gleichheitsprinzip und der Gleichstellungspraxis gemäß auch diejenige Leserin), dem/der Art. 3, (2) GG und Art. 6 GG (im Grundrechtskatalog) nach all den Debatten über die - in der Scharia m.W. nicht vorgesehene - Homo-Ehe noch immer nicht geläufig sind, wird an der Formulierung "selbstverständlich" Anstoß nehmen. Bekanntermaßen duldet die metaphysisch gemeinte Formel "selbstverständlich" keinen Widerspruch, was schon die amerikanischen Revolutionäre um Thomas Jefferson wussten.
Der Jura-Professor räumt ein, dass es "durchaus Staaten [gibt], welche ausländisches Recht und damit auch die Scharia grundsätzlich nicht dulden." Doch in Deutschland sei dies nicht der Fall, "entgegen der Äußerung des Bundesinnenministers [wird] die islamische Rechtsordnung der Scharia in weiten Teilen auf deutschem Boden nicht nur geduldet, sondern ständig angewandt." Dass derlei Rechtspraxis die staatliche Rechtseinheit untergräbt, scheint den Rechtsprofessor nicht zu irritieren, im Gegenteil, er rechtfertigt sie mit dem Gleichheitsgrundsatz: "Eine [sic!] Verbot der Anwendung der Scharia etwa bei der Bemessung von Witwenrenten polygamer Ehen hätte beispielsweise die Benachteiligung von Zwei-, Dritt- oder Viertfrauen zur Folge." Offenbar geht es dem Autor dieses Satzes auch um mehr Gerechtigkeit in der globalisierten Welt.
Dass der Frankfurter Rechtsprofessor die in Ländern wie Saudi-Arabien geübte, das Vier-Frauen-Limit transzendierende Ehe- und Familienpraxis in seiner Argumentation nicht erwähnt, sei ihm nachgesehen. Schließlich geht es ihm um die höheren Werte unserer neuen deutschen Rechtskultur. Vor dem Hintergrund unserer Vergangenheit und gemäß dem Diktum unseres Gauck-Vorgängers Wulff haben wir die neue interkulturelle Rechtsordnung als "Bereicherung" zu verstehen. Wer dagegen Zweifel anmeldet, da ihm - ganz anders als dem Geschichtsdenker vor 100 Jahren - der reale Untergang des Abendlandes vor Augen steht, wer wie de Maizière "auf deutschem Boden" keine andere Rechtsordnung dulden will, wird nicht nur von Schönberger zurechtgewiesen. Für die nächsten Tage haben die Islamverbände (Plural) Demonstrationen gegen den in Nazistan obwaltenden "Rassismus" angekündigt. Die Demos werden sich vermutlich bis zum 3. Oktober 2014 hinziehen. Sie erinnern daran, dass die neue Rechtsordnung der Pflege unserer Willkommenskultur dient.
Dienstag, 2. September 2014
Volkes Widerspruch zur Predigt
Ich schicke meinem letzten Kommentar zu den Weltläuften, genauer: zur politischen Zwecknutzung des Weltkriegsgedenkens, einen Leserkommentar hinterher, den ich soeben beim "Browsen" auf Welt-online fand: http://www.welt.de/politik/deutschland/article131811689/Gauck-droht-in-Polen-dem-Aggressor-Putin.html
Gerd H. • vor 19 Stunden
"Für mich, für uns, für alle Nachgeborenen in Deutschland, erwächst aus der Schuld von gestern eine besondere Verantwortung für heute und morgen."
NEIN, Herr Gauck!
Ich habe keine Schuld, meine Eltern nicht und meine Kinder auch nicht. Es erwächst auch keine besondere Verantwortung für mich und meine Kinder.
Der Leser Gerd H. zieht es angesichts der denkbaren Reaktionen auf seinen politisch unerwünschten Widerspruch zur letzten Gauck-Rede vor, sich als Anonymus vorzustellen. Dessen ungeachtet spricht er vielen Deutschen aus dem Herzen, die frei von familiären Nazi-Belastungen, den Mut aufbringen, die permanente Invokation und Instrumentalisierung eines kollektiven Schuldbegriffes für sich und ihre Kinder zurückzuweisen. Besäße Gauck oder sein Redenschreiber (hier auch: - e Redenschreiberin) den Mut, die Fähigkeit und die Größe, das Schuldthema historisch, historisch-ethisch, individualethisch - meinethalben seiner einstigen Profession gemäß in Abgrenzung vom protestantischen Ersatz-Credo auch theologisch - zu explizieren und zu differenzieren, und sodann - unbeschadet von dem zur rhetorischen Standardfloskel verkommenen "Schuld"-Begriff - von politischer Verantwortung zu sprechen, fände er kaum Widerspruch. Anstelle politischer Predigten leistete er einen historisch verdienstvollen Beitrag zur Auseinandersetzung der Deutschen mit ihrer komplexen, vom Nazi-Unheil überschatteten Geschichte und zum verantwortungsvollen Umgang mit der komplexen politischen Gegenwart.
Reden und Realitäten im Gedenkjahr 2014, zum 1. September
Von einem wohlwollenden Leser des Blogs ermahnt, aus dem Ferienaugust in den gedenktagsreichen September, will heißen, in die unerfreuliche und unfriedliche Wirklichkeit zurückzukehren, fühle ich mich in die Pflicht genommen. Die gestrigen (1.September 2014) von Kerzenlicht erwärmten Feierlichkeiten und historischen Gedenkreden auf der Danziger Westerplatte sowie die medialen Beschwörungen - es geht um demokratische "preparedness to preserve peace and freedom by military means" - der vom sinistren großrussischen Aggressor Putin ausgehenden Kriegsgefahren sind geeignet, das TV-Publikum in seiner demokratischen Friedensliebe zu erschüttern. Die bis dato friedliebenden Deutschen sollen unter Anleitung des einstigen Friedenspastors Joachim Gauck auf mehr Kampfmoral, wenn schon nicht auf Kriegsbereitschaft eingestimmt werden. Dabei geht es längst nicht nur um Waffenlieferungen an die Kurden und um weitere "robuste" friedenssichernde Einsätze der zur globalen Berufsfeuerwehr umfunktionierten Bundeswehr, sondern um die richtige Rekonstruktion des Feindbildes im Osten, um den Ausschluss Russlands aus dem "gemeinsamen Haus Europa". Resigniert erinnerte Michail Gorbatschow, der Erfinder der einst segensreichen Formel, an das Verblassen seiner - aus politischem Interesse geborenen -Friedensvision.
Ich wage die - von Wunschdenken hoffentlich ungetrübte - Prognose, dass es wegen des kleinen Krieges in der Ost-Ukraine, dessen Ursprünge in die west-östlichen Machtspiele vor dem 23.November 2013, in ihren tieferen Tiefen bis in den I. Weltkrieg zurückreichen, letztlich doch nicht zum großen Krieg des "Westens" mit der unter Putin wiedererstarkten Großmacht Russland kommen wird. Soviel Vernunft ist bei den meisten der am blutigen Kriegsspiel um das Donezk-Becken Interessierten, selbst bei der derzeitigen ukrainischen Führungsriege, erst recht bei dem kühlen Rechner Putin, vorauszusetzen. Dessen ungeachtet werden die Spielsteine in dem bereits in den 1990er Jahren, in der Ära des überforderten Jelzin, wieder eröffneten Great Game derzeit weiter verschoben. Die NATO plant die Errichtung von Stützpunkten im Raum zwischen Ostsee und Schwarzem Meer. Parallel dazu erscheint die NATO-Mitgliedschaft samt EU-Assoziation der Ukraine und Georgiens aus "westlicher" Perspektive erneut als eine "realistische" Option, geboten zuvörderst und unzweifelhaft aus den lautersten Gründen politischer Moral, als Reaktion auf Putins großrussisch-eurasisches Machtstreben.
Dass sich die deutschen Politik in diesem von mehreren Spielern aus unterschiedlichen Interessen und Motiven betriebenen Machtspiel in eine unbequeme Position gedrängt sieht, wird angesichts des Rückzugs des Außenministers Steinmeier von seiner bisherigen Vermittlerrolle evident. Den Ton der deutschen Außenpolitik bestimmen die Gedenkreden unseres Bundespräsidenten Gauck zum 1. August 1914 sowie zum 1. September 1939.
Ich darf meine "unz(w)eitgemäße" Betrachtung zu den Reden im Gedenkjahr 2014 mit einem erneuten Hinweis auf meinen bereits 2009 in Iablis erschienenen Aufsatz schließen:
H.A.: Geopolitik – Zur Wiederkehr eines verloren geglaubten Begriffs im 21. Jahrhundert, in:
http://www.iablis.de/iablis_t/2009/ammon09.html
Ich wage die - von Wunschdenken hoffentlich ungetrübte - Prognose, dass es wegen des kleinen Krieges in der Ost-Ukraine, dessen Ursprünge in die west-östlichen Machtspiele vor dem 23.November 2013, in ihren tieferen Tiefen bis in den I. Weltkrieg zurückreichen, letztlich doch nicht zum großen Krieg des "Westens" mit der unter Putin wiedererstarkten Großmacht Russland kommen wird. Soviel Vernunft ist bei den meisten der am blutigen Kriegsspiel um das Donezk-Becken Interessierten, selbst bei der derzeitigen ukrainischen Führungsriege, erst recht bei dem kühlen Rechner Putin, vorauszusetzen. Dessen ungeachtet werden die Spielsteine in dem bereits in den 1990er Jahren, in der Ära des überforderten Jelzin, wieder eröffneten Great Game derzeit weiter verschoben. Die NATO plant die Errichtung von Stützpunkten im Raum zwischen Ostsee und Schwarzem Meer. Parallel dazu erscheint die NATO-Mitgliedschaft samt EU-Assoziation der Ukraine und Georgiens aus "westlicher" Perspektive erneut als eine "realistische" Option, geboten zuvörderst und unzweifelhaft aus den lautersten Gründen politischer Moral, als Reaktion auf Putins großrussisch-eurasisches Machtstreben.
Dass sich die deutschen Politik in diesem von mehreren Spielern aus unterschiedlichen Interessen und Motiven betriebenen Machtspiel in eine unbequeme Position gedrängt sieht, wird angesichts des Rückzugs des Außenministers Steinmeier von seiner bisherigen Vermittlerrolle evident. Den Ton der deutschen Außenpolitik bestimmen die Gedenkreden unseres Bundespräsidenten Gauck zum 1. August 1914 sowie zum 1. September 1939.
Ich darf meine "unz(w)eitgemäße" Betrachtung zu den Reden im Gedenkjahr 2014 mit einem erneuten Hinweis auf meinen bereits 2009 in Iablis erschienenen Aufsatz schließen:
H.A.: Geopolitik – Zur Wiederkehr eines verloren geglaubten Begriffs im 21. Jahrhundert, in:
http://www.iablis.de/iablis_t/2009/ammon09.html
Abonnieren
Posts (Atom)