Samstag, 7. Juni 2014

Gedanken zum Gedenken des D-Day

1. Heute versammelten sich die Mächtigen aus West und Ost in der Normandie zum Gedenken an den D-Day. Auch Merkel durfte dabei sein. In ihrer Gedenkrede im Ort Ranville, wo 322 deutsche Soldaten neben vielen britischen liegen,  traf sie den gewohnten Merkelschen Ton: Deutschland könne "dankbar" sein, "dass die Alliierten solche Opfer erbracht haben, um eines Tages die Befreiung vom Nationalsozialismus durchzusetzen". Andernorts traf sie sich zum distanziert wirkenden - so meine Information laut der  sexy-infantilen Infotainment-Internet-Berichterstattung in  yahoo! - Gespräch mit Putin. Auch Obama, der bei einer Gedenkveranstaltung seinen Nikotin-Kaugummi kaute, während die Marseillaise erklang, traf sich mit Putin. 

Selbst der neue ukrainische Präsident Poroschenko nutzte das Gedenken zu einem Gespräch mit Putin. Sie stimmten überein, dass dem Blutvergießen im Südosen der Ukraine [nicht in Novaja Rossija] "ein schnellstmögliches Ende" zu setzen sei. Wait and see. Wie das Spiel im Donbass weitergeht, steht noch offen.Wie Russland reagiert, wenn die USA Truppen demnächst in Polen - die Tschechen und Slowaken haben erstmal abgewinkt - stationiert, ist trotz aller Friedensbekundungen nicht abzusehen. Immerhin und Gottseidank: zum großen Krieg wird es nicht kommen. (Anm.: Die Deutschen würden auf keinen Fall mitmachen..)

2. Etwas verspätet schalteten wir eine Sendung auf Arte  zum Gedenken an den 6. Juni 1944 ein. Hochbetagte Veteranen, Überlebende  (und Angehörige der Gefallenen) der Schlacht auf beiden Seiten gaben ihren  Erinnerungen an die Schrecken des "längsten Tages" Ausdruck. Die Kämpfer von damals erinnerten sich in bewegenden Worten. Sie sprachen von Angst, Todesangst und verzweifeltem Überlebenswillen, vom Schmerz der Erinnerung an die neben ihnen getöteten Kameraden. Ein Engländer sprach, in bitterer, reuevoller Erinnerung, davon, dass auch sie, erbittert über den Tod der vielen an den Landungsstränden hingemähten Kameraden, .keine Gefangenen machten.  Ein  Deutscher sprach von den vielen, vielen Männern, die er, angsterfüllt hinter seinem MG knieend,  in Sekunden, Minuten zu Tode gebracht hatte.  Keine heroischen Reden, auch nicht, wo ein Mann aus einem Ort in Virginia vom notwendigen Opfer für die Befreiung von Hitler sprach. 

Die Sendung war eindrucksvoll, illusionslos und fair.  Im Nachspann wa rzu erfahren, dass die Sendung aus der unter dem Markenzeichen "History" firmierenden, spektakulär, oberflächlich aufgemachten - und nicht selten   fehlerbehafteten - histotainment-Werkstatt von Guido Knopp stammte. Doch für diese Dokumentation der Erinnerungen an den D-Day verdient der Fernsehprofessor ein Lob.

3. Bei einer Gedenkveranstaltung vor 7000 Gästen sprach der Sozialist Hollande bemerkenswerte Worte: «Ich möchte den Mut der Deutschen würdigen, die auch Opfer des Nazismus waren und in einen Krieg hineingezogen wurden, der nicht der ihre war und der nicht der ihre hätte sein sollen». Die Worte erinnern im Tenor an die versöhnliche Rede, die anno 1995 Francois Mitterand, kurz vor seinem Tode,  im Deutschen Bundestag hielt. Aus dem Munde der Feinde von gestern, die ihre spezifischen Geschichtsmythen pflegen, vernehmen wir Worte, die den Deutschen ("uns Deutschen") den Blick für die  Dialektik der Befreiung öffnen. Aus deutschem Politikermund  sind derlei Reflexionen kaum noch zu erwarten. Ebensowenig von unserer zeitgenössischen Intelligentsija.  

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