Selbst von höchster
Instanz, vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, ist in
menschen- und völkerrechtlichen Kontroversen kein eindeutiges Urteil
zu erlangen, wenn es um politisch heikle Fragen geht. Vom
Zentralrat der Armenier in Deutschland (ZAD) erhielt ich soeben per
e-mail eine Stellungnahme zum jüngsten Urteil des Gerichts bezüglich
der armenischen Leidensgeschichte. Anläßlich des im
Kirchenkalender der lateinischen Christenheit anstehenden
Weihnachtsfestes 2013 und der allfälligen Friedensbotschaften stelle
ich für die Leser der Unz(w)eitgemäßen
Betrachtungen die Erklärung des ZAD ins Netz:
Genozid-Leugnung
„Ein verheerendes Signal für die europäische Werteordnung“, so kommentiert der Zentralrat der Armenier in Deutschland (ZAD) das jüngste Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, mit dem die Leugnung des türkischen Völkermords an den Armeniern im Jahre 1915 dem Recht auf freie Meinungsäußerung untergeordnet wird.
Der
zentrale Kern der Menschenrechte, so der ZAD, werde verletzt, wenn
die Würde des Menschen nicht mehr als unantastbar geschützt,
sondern der Beliebigkeit politischer Populismen ausgeliefert werde.
„Wenn die Opfer eines Völkermords unter dem Deckmantel der freien
Meinungsäußerung verleumdet und verleugnet werden dürfen, müssen
wir tiefgreifende Zweifel an der Gültigkeit eines europäischen
Wertekanons anmelden“, so der Vorstand des ZAD.
Den
Holocaust an den Armeniern und anderen ethnischen und religiösen
Minderheiten im osmanischen Reich zu leugnen, bedeute, die Würde von
über drei Millionen Ermordeten und von Hunderttausenden Flüchtlingen
und Vertriebenen zu leugnen. Und bedeute zudem eine tiefe Verletzung
der Würde der nachfolgenden Generationen, die dem Genozid entkommen
und in die Diaspora geflohen sind – in die europäische
Diaspora, deren Rechtsprechung nun offenbar dem verbreiteten
politischen Opportunismus nachgebe, mit dem die Europäische Union
der Türkei im Rahmen der Beitrittsverhandlungen eine hinterhältige
historische Lüge zuzugestehen bereit scheint. Indirekt, so
interpretiert der ZAD das Urteil, spricht das Gericht damit die
Anerkennung und Legitimation von Völkermord als zulässiges Mittel
der Politik aus.
Nun
rächt sich, zieht der ZAD ein Fazit, dass das deutsche Parlament vor
acht Jahren zwar den Genozid an den Armeniern inhaltlich anerkannt,
dabei aber mit Rücksicht auf die Türkei den einzig juristisch
korrekten Begriff – „Völkermord“ – peinlichst vermieden
habe. „Inzwischen“, so der ZAD, „ist auch die deutsche Politik
wieder weit hinter die Beschlüsse des Bundestags von 2005 zurück
gefallen.“
Der
ZAD fordert seit vielen Jahren die förmliche Anerkennung des
Völkermords an den Armeniern durch den deutschen Gesetzgeber, die
Aufnahme des Themas Völkermord in den europäischen Wertekanon und
damit in die Bildungsinhalte deutscher Schul- und Lehrbücher.
Frankfurt
am Main, 23.12.2013
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