Donnerstag, 21. Juli 2016

de propaganda fidei: Deutschland kann das

I.
Die Zivilreligion, id est die für Rousseaus république und insbesondere für die Bundesrepublik  funktional unverzichtbaren Glaubensvorstellungen des Bürgers, bedarf eines dogmatischen Gerüsts, einer funktionstüchtigen Organisation  sowie eines rituellen Rahmens. Das Ganze erinnert nicht zufällig an das ältere, jenseitsbezogene politische Vorbild: die Congregatio de propaganda fidei. Deren zeitgenössisch moderne Institutionalisierung erfährt der mündige Bürgerkonsument (sc. -e B-in) allabendlich in den TV-news sowie in den vermeintlich auf Pluralismus  - einer der zentralen Glaubenssätze der religio civilis -  ausgerichteten  Talkshows.

Zweifel an der Zivilreligion - sie sichert im demokratischen Staatswesen den Einklang zwischen den Regierenden und den Regierten oder umgekehrt die Identität zwischen dem Souverän der Theorie und dem Souverän der Praxis - sind unerwünscht, bei Rousseau gar bei Todesstrafe verboten. Über derlei Praxis sind wir in der Bundesrepublik Gottseidank seit 1948/49 hinaus.

Ganz ohne Zuchtinstrumente zur Befestigung der Glaubenstreue der Bürger und -innen kommt indes auch Merkels Bundesregierung nicht aus. Dies geschieht durch die Verbreitung von staatsbürgerlichem Optimismus: "Wir schaffen das!" Wer an derlei Dogmen zweifelt, verfällt der demokratischen Verachtung. Die Einsamkeit des von der moralischen Mehrheit mit Ausschluß Bestraften erkannte bereits Tocqueville in seinem Werk über die Demokratie in Amerika.
 
II.
In einer Anzeige in der Ausgabe des  FAZ am 20. Juli 2016 - und mutmaßlich  in manch anderen Blättern - verbreitete die Bundesregierung ihren Appell zu staatsbürgerlichem Optimismus in ungewohnt patriotischem Tonfall: "Deutschland kann das." Was Deutschland kann, ist "Integration, die allen hilft". Eine junge Frau, die einem angejahrten, immerhin noch lächelnden  Herrn im Rollstuhl  an Schulter und Unterarm faßt, lächelt den Leser an. Darunter der Text: "Siba Wardeh kümmert sich als ´Bufdi´ liebevoll um Senioren in Hof/Bayern.  Pflegeheim-Leiterin Sabine Dippold freut sich über die Hilfe der jungen Syrerin. Die Bundesregierung fördert neue Stellen im Bundesfreiwilligendienst zur Integration von Flüchtlingen. Erfahren Sie mehr darüber und über das neue Integrationsgesetz: www.deutschland-kann-das.de"

Der Betrachter der Werbeanzeige bekennt gewisse Zweifel bezüglich der Festigkeit  seiner Zivilreligion:  Wer war der im Dienste der Bundesregierung knipsende Werbefotograf, welcher PR-Fritze hat sich einen solchen Werbetext ausgedacht? Wie gelingt es in der politisch korrekten Massendemokratie, Zynismus, Moral, Hypokrisie, ein peinliches Bild und peinliche Prosa werbetechnisch zu kombinieren? Um zu demonstrieren, wie geschmacklos Propaganda sein muß, um die Fragwürdigkeit  von Politik, zuletzt Merkels verhängnisvolle Einladung an alle Welt, zu kaschieren? - Die PR-Abteilung der Bundesregierung glaubt anscheinend, sie könne das - mit den dafür  im Budget ausgewiesenen Steuergeldern.

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