Sonntag, 17. November 2013

Unerwartetes Heldengedenken mit Dame, ohne Tante Antifa

Der Sonntagsspaziergang am grauen Novembertag führte auf die so genannte - von einem bezuschussten Verein getragene - "Domäne Dahlem", wo den Stadtbewohner eine  pastorales Bild aus vergangenen, brandenburg-preußischen Zeiten erwartet: offene abgeerntete Felder, Gemüsefelder, Wiesen mit Rindern, Pferden Schafen, dazwischen ein paar Ziegen, dazu Schweinekoben auf offenem, aufgewühlten Feld, mit glücklichen deutschen (?) Hausschweinen, alles ökologisch, versteht sich. Das  Betriebsgelände der einstigen   Staatsdomäne vor dem bescheidenen barocken Herrenhaus der zu Zeiten des Großen Kurfürsten vermählten Familien derer von Wilmersdorf und Haackes ist im Geviert angelegt, zur Rechten ein großes Ziegelgebäude mit Pferdestall sowie -  publikumsgerecht für Familien (?) mit kulturhistorisch-nostalgischen Empfindungen - Schmiede, Töpferei und Hühnerstall, am nördlichen Ende, dem Schloss gegenüberliegend der Kuhstall, zur Linken noch ein  Ziegenstall, dazu der Ausschank   und der Ökoladen. Für die auf diesem Terrain gewöhnlich reichlich vorhandenen Kinder dreht selbst ein Karrussell seine Runden, laut und unübersichtlich wird´s zu den häufig stattfindenden Festen und Märkten, spätestens auf dem voradventlich einsetzenden Weihnachtsmarkt.

Der Blogger schlenderte über den Hof, als die Kirmesmusik des vorübergehend mangels Besetzung arretierten Kinderkarrusells aussetzte und er von fern Trompetenklänge vernahm. Nanu, sind etwa fröhlich trompetende Roma jetzt auch  in Dahlem - in unmittelbarer Nähe zum protestantischen Nationalheiligtum, der Dahlemer Dorfkirche St. Anna, unterwegs?  Der Irrtum -  gleichsam ein interkultureller faux-pas - klärte sich bei näherem Zuhören auf: Eine einsame Trompete blies die Hymne vom "Guten Kameraden", und das in unmittelbarer Nähe zum gewöhnlich als Zentrum pazifistischen Aktivismus´ bekannten Niemöller-Hauses. Das bedurfte  der Aufklärung.

Dem Betrachter bot sich eine gänzlich ungewohnte Szene: Auf dem kleinen Hügel über der von einer Gabelung der Königin-Luise-Straße umsäumten Anlage, vor dem Gefallenendenkmal, fand eine Gedenkfeier statt: Auf der einen Seite, mit dem Rücken zum Betrachter, salutierten Vertreter der Bundeswehr in Uniform, ihnen gegenüber aufgereiht stand eine Gruppe junger Männer mit gelben "Deckeln" einer Studentenverbindung. Einer der in Zivil Gekleideten (ohne Verbindungsmütze) intonierte gerade die dritte Strophe des "Guten Kameraden". Endlich  wurde dem Spaziergänger klar: Hier wird der Volkstrauertag begangen, und das ziemlich militärisch, und zwar,  angesichts der Teilnehmer,  offenbar ohne obligate Selbstanklage. Sodann, ein gänzlich unerwarteter Anblick: Zur Linken, am Kopf zwischen den beiden Reihen, stand eine Pastorin in schwarzem Talar. Zweifel ausgeschlossen: Die Zeremonie fand mit geistlichen Weihen statt!

Was vor Jahren, in pazifistischen Hochzeiten, selbst noch 1993, während des ersten Irakkriegs, undenkbar schien, als die Parole "Nie wieder Krieg" das mit Stahlhelm gekrönte Gefallenendenkmal zierte,  gehört anno 2013 anscheinend wieder zum (post-)nationalen protestantischen Bekenntnis. Dem Wandel der Zeiten hält  offenbar kein Dogma stand: Deutsche Soldaten (und - innen) müssen wieder in den Krieg (und sei es ein "asymmetrischer", wie in Afghanistan , von wo sie gerade - "democratic mission unaccomplished" - wieder abziehen), Soldaten kommen zu Tode, sie können "fallen", also nicht nur so einfach friedlich sterben, und - wenn schon nicht bereits wieder "Helden" -  so erweist ihnen die Berliner Republik und in deren Diensten die Kirche - ehrendes Gedenken.

Inwieweit das Gedenken künftighin historisch zurückreichen soll und darf, wäre ein geeignetes Thema für die unendlichen Koalitionsverhandlungen. Dem Blogger ist  auch nicht klar, ob  das "Volk" -  genauer: die Bevölkerung der "bunten Republik" - wieder stärker für die  zivilreligiöse Feier am "Volkstrauertag" mobilisiert werden soll. Er fragt sich zudem, ob derlei Veranstaltungen demnächst an zentralerem Ort, etwa vor dem neuen Denkmal für die Bundeswehr, und ohne hinreichende Sicherheitsvorkehrungen stattfinden sollen. Bei der Gedenkfeier auf dem Dahlemer Hügel war von Tante Antifa und ihren kampfbereiten Kohorten nichts zu sehen. Diese warteten mutmaßlich auf ihren Kampfeinsatz bei der großen Kurden-Demo der PKK vom Alex bis zum "Rufer" vor dem Brandenburger Tor. Immerhin sollten sich Bundeswehr, Staat, Kirche und Verbindungsleute für  den nächsten Volkstrauertag vorsehen.

P.S. Der Tageszeitung (der FAZ, nicht der taz)  war  heute (8.11.2013) zu entnehmen, dass Bundespräsident Gauck, bis zum 9.November 1989 - und noch ein paar Tage länger - Pastor in Rostock, an der Schinkelschen Hauptwache Unter den Linden, in Begleitung von Verteidigungsminster Lothar de Maizère und Verfassungsgerichtspräsident Andreas Vosskuhle, an der "Zentralen Gedenkstätte der Bundesrepublik Deutschland für die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft" am  gestrigen Sonntag einen Kranz niedergelegt hat. Eine Chronologie des Gestalt- und Funktionswandels der Schinkelschen Hauptwache in den Jahrzehnten ab anno 1924 bis heute fiele außerhalb des Rahmens des gestrigen Blogs.




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