Um das Publikum, dessen Interesse - außer in den an des Bloggers Kommentaren zu Krieg oder Frieden in Syrien offenbar äußerst interessierten USA (in der Rubrik "Publikum" altdeutsch als "Vereinigte Staaten" aufgeführt) - wieder nachgelassen hat, erneut zu mobilisieren, sei nachfolgend eine Notiz zum 11. September ("nine eleven") digital kundgetan.
Nach e-mail-Aufruf entnahm ich meiner zur Infantilisierung von Internet-Userinnen und -Usern "total" geeigneten Informationsquelle Yahoo! (mit Ausrufezeichen) folgende von AFP (Agence France Press, immerhin) übermittelte Meldung: Heute, am 11.09.2013, 17.14 h (MEZ oder WEZ?) versammelten sich in 86 Städten im Nordosten Spaniens "mehrere Zehntausende" zu einer Menschenkette.
Den Organisatoren der Demonstration geht es nicht um das Gedenken an Nine Eleven und der Opfer des Anschlags auf die Twin Towers. Nach dem Vorbild der baltischen Republiken im August 1989 findet eine Manifestation des katalanischen Unabhängigkeitsstrebens statt, für die bis zu 400 000 Teilnehmer auf den Straßen durch das Land an der Costa Brava mobilisiert werden sollen.
Die Frage ist nicht, ob die Zahl erreicht wird. Interessant sind vielmehr die mit dem Ruf nach Unabhängigkeit Kataloniens (Catalunya = "Gotenland") verbundenen Fragen: Warum besteht anno 2013 im EU-vereinten Europa ein derart anachronistisch anmutend nationalistisches, auf Eigenstaatlichkeit gerichtetes Bedürfnis nach nationaler Selbstbestimmung? Warum geben sich die Katalanen mit der in der spanischen Verfassung garantierten Autonomie ihrer Region (samt Zweisprachigkeit) nicht zufrieden? Geht es nur um banale Steuervorteile und Verteilungsfragen in dem von den bürgerlichen ("rechten"?) und den explizit linken (Esquerra republicana de Catalunya) Separatisten/Nationalisten noch immer als zentralistisch-undemokratisch attackierten spanischen Staat? Wie ist in der - vom nationalistischen Bazillus vermeintlich geheilten - Gegenwart die Virulenz des katalanischen (und baskischen) Kultur- und Sprachnationalismus zu erklären? Warum manifestiert sich in evidentem Widerspruch zu dem von universalistischen, individualistischen "Werten" dominierten 21. Jahrhundert ein Verlangen nach Eigenstaatlichkeit, gegründet auf kollektive Identität? Offenkundig sind derlei Widersprüche in den herrschenden akademischen Diskursen weder vorgesehen noch deren historische Aufklärung erwünscht.
In der Bundesrepublik Deutschland scheint das offizielle historische Gedächtnis auf die Jahre 1933 -1945 eingegrenzt. Das einst mit Pathos erinnerte Jahr 1813 ist aus den Schulbüchern - und den Medien - nahezu verschwunden. Iimmerhin ist das Jahr 1914 dank dem jüngsten Geschichtswerk von Christopher Clark The Sleepwalkers. How Europe Went to War in 1914 soeben auf deutsch erschienen: "Die Schlafwandler. Wie Europa in den Ersten Weltkrieg zog" ) ins Bewusstsein einer postnationalen, schuldsimulatorischen Medienöffentlichkeit gerückt. Aber welcher deutsche Bachelor-Student kann mit dem Datum 1714 - oder mit dem Jahr 1713 - etwas anfangen? Der Begriff "balance of power" findet in den jüngeren Curricula deutscher Gymnasien kaum Erwähnung, obgleich er zum Verständnis der deutschen Tragödie unverzichtbar ist.
Anders in Katalonien: Heute, am 11. September 2013, erinnerte man an die machtpolitischen Folgen des Friedens von Utrecht 1713, der Philipp V., den zum Erbfolger der spanischen Krone erhobenen Bourbonen- Enkel des "Sonnenkönigs", die Chance zum Angriff auf das seine ständischen Rechte verteidigende Katalonien bot. Nach vierzehnmonatiger Belagerung kapitulierte Barcelona vor den spanischen und französischen Truppen am 11. September 1714.
Im Jahr 1888 eröffnete man in der Stadt Barcelona die Gedenkfeiern zum 11. September als Nationalfeiertag Kataloniens. Es ging seither - ähnlich wie in den baskischen Provinzen - um die Wiedergewinnung der ehedem auf "die alten Rechte" gegründeten Selbstständigkeit unter den Fahnen des modernen Nationalismus.
Sezessionsbewegungen = Nationalismus = Separatismus: für die aufgeklärte Mehrheit in Europa eine Torheit, für die meisten "Linken" ein Ärgernis. Immerhin mimen innerhalb der bundesrepublikanischen Linken - in und außerhalb der "Linken" (ehedem "Linkspartei, ehedem...) - "Solidarität" mit der vermeintlich wesensverwandten Esquerra repubicana de Catalunya...
Letzte Meldung: Die Unabhängigkeitsbewegung brachte an die 350 000 mit Nationalfahnen demonstrierende Bewohner entlang der 400 km langen Strecke auf die Beine. Falsches - politisches - Geschichtsbewusstsein?
P.S. (20.09.2013): Laut letzter, weithin verschwiegener Information beteiligte sich etwa eine Million Katalanen an der bislang größten Manifestation für die Unabhängigkeit ihres Landes.
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