Sonntag, 7. Dezember 2025

Ein Dank an Ulrich Schödlbauer. R.I.P.

Ulrich Schödlbauer und seiner  wenige Wochen vor ihm verstorbenenen  Ehefrau Renate Solbach habe ich als Autor  und als Freund viel zu verdanken. Ich werde später versuchen, diesen Dank in einem angemessenen Nachruf auf meinem von Ulrich eingerichteten Blog  zum Ausdruck zu bringen. 

Aus mancherlei Gründen bin ich in diesen Adventstagen noch nicht selbst zur Abfassung eines solchen post mortem gekommen. Stattdessen zitiere ich für die Leser (sc-. -innen meines Blogs) Auszüge  aus dem so tiefgründigen wie einfühlsamen Essay, den Jobst Landgrebe, von Ulrich noch vor seinem leidvollen Ableben in die redaktionelle Arbeit eingewiesen, soeben auf der "Achse des Guten" (https://www.achgut.com/artikel/wer_war_ulrich_schoedlbauer_zum_tod_eines_literaten_und_denkers) veröffentlicht hat:  

"Als Citoyen (ein Bourgeois war er nicht) der alten Bundesrepublik war Schödlbauer ein klassischer Sozialdemokrat, der sich sein Leben lang die Partizipation aller Bürger an der politischen Willensbildung, aber auch am Wirtschaftswachstum und der Kultur wünschte und sich dafür einsetzte... Schödlbauer  [blieb] als Herausgeber, als Autor und als Literat seinen Vorstellungen und Werten immer treu, während sich im Laufe seines Lebens ein Werteverfall vollzog, der in dieser Geschwindigkeit historisch wohl selten so vorgekommen ist. Das schuf einen Graben zu den Zeitgenossen und führte auch zur Entfremdung von einigen seiner langjährigen Lebenswegbegleiter, die sich dem Zeitgeist anpassten. 

[...] [...]

In einer Landschaft der kulturellen Entdifferenzierung konnte einer wie Schödlbauer daher nicht den großen Erfolg genießen. Er gehörte überhaupt zu der eher seltenen Art Mensch, die in keine Vereinigung hineinpassen – wie Groucho Marx einst sagte „In einem Club, der mich aufnehmen würde, möchte ich kein Mitglied sein.” Ulrich Schödlbauer war ein äußerst liebenswerter und großherziger Mensch, ein Philanthrop, dem das Leben in mancher Hinsicht härter zugesetzt hat als vielen andern, die weniger klug, urteilsstark, sensibel und gewissenhaft sind. Er war ein Original und ein wirklich großartiger Denker, Literat und einer der besten Gesprächspartner, die ich je hatte. Wir, seine Freunde, vermissen ihn auf’s äußerste. Möge er in Zukunft viele Leser finden.

 

Sonntag, 23. November 2025

Ansichten des Krieges und Aussichten auf einen Frieden

I.

In Brüssel, in der CDU, bei den Grünen sowie in den regierungsfrommen Medien des Landes herrscht moralische Entrüstung über den zwischen Trump und Putin, genauer: zwischen Trumps Emissär Steve Witkoff und Putins Beauftragten Kirill Dmitriev, ausgehandelten - und derzeit noch offenen - 28-Punkte-Plan zur Beendigung des Krieges in der Ukraine. Die Rede ist von "Versailles" und "München". Wie immer bei aus dem Fundus der Historie geschöpften Schlagwörtern, zielt die propagandistische Absicht sowohl an der historischen Wirklichkeit als auch der politischen Gegenwart vorbei. 

Ohne Frage war der  Friedensvertrag von Versailles ein Diktat, welches das Deutsche Reich als allseits isolierter Verlierer des Großen Krieges am 28. Juni 1919 - nach vergeblichen  Protesten, zuletzt gegen den Alleinschuld-Artikel 231 - unterzeichnen musste. Er bildete den Rahmen für das System der Pariser Verträge, welches nach Vorstellung Woodrow Wilsons (1916: "He kept us out of war!") auf einen - durch den Völkerbund zu sichernden - Weltfrieden abzielte, aber - nicht nur in Deutschland - die Keime zu Revanche- oder Revisionskriegen in sich trug. Das in Revolution, Niederlage und Bürgerkrieg gefallene Russland gehörte nicht zu den Signatarmächten. Lenin, die Bolschewiki und die deutschen Kommunisten nutzten "Versailles"  für ihre Zwecke, wenn auch - in Konkurrenz mit den Nazis - vergeblich. 

Das Münchner Abkommen vom 20. September 1938 wurde zwar  von Hitler und den Westmächten - unter "Vermittlung" des faschistischen Diktators Mussolini - der Regierung der CSR aufgenötigt. (Dabei ist bezüglich der Vorgeschichte  zu erwähnen, dass die anhaltend  nationalistische Politik  tschechischer Regierungen seit 1919 den Nährboden für die Radikalisierung der "Sudetendeutschen" - und für Sezessionstendenzen bei den Slowaken - bildete. Nach München holte sich auch Polen mit dem Gebiet von Teschen ein Stück vom Kuchen.)  Das populäre, historisch-moralisch abwertende Bild des britischen Premiers Neville Chamberlain als des naiven Appeasers entspricht jedoch nicht den historischen Tatsachen. Chamberlain ging es darum, mit "peace in our time" eine Zeitspanne für den Wiederaufbau der britischen Armee zu gewinnen, was die RAF in der "Battle of Britain" im August 1940 denn auch  unter Beweis stellte. 

II.

Was die Gegenwart betrifft, so passt weder "Versailles" noch "München" zur Erhellung der Genese des  Ukrainekrieges sowie des der Ukraine - im Falle der Durchsetzung eines "faulen Friedens"  in Gestalt des Trumpschen 28-Punkte-Plans - bevorstehenden politischen Schicksals. Anders als - trotz allem -  die CSR 1938, ist die Ukraine alles andere als ein stabiles Staatsgebilde, das den Namen "Demokratie" verdient. 

Anders als 1938, geht es im Falle der Ukraine nicht um ein Machtspiel zwischen drei europäischen Mächten (GB, Frankreich und Hitler-Deutschland), sondern um ein Spiel mit zwei Großmächten und einer Reihe von Mitspielern mit unterschiedlichen Interessen und Ambitionen. Die USA ist seit der ersten Trump-Regierung dabei,  im geopolitischen Dreieck USA-China-Russland ihre Rolle als "einzige Weltmacht" zurückzunehmen und nach langer  Überanspannung ihrer Kräfte diese zu bündeln. Russland ist bestrebt, seine Rolle - als eine sich mehrfach düpiert fühlende - Großmacht wieder einzunehmen. Die "Europäer" verfolgen - entgegen aller Eintracht und Moral reklamierenden EU-Rhetorik - ihre jeweils eigenen Ziele. Die zentrale Mittelmacht Deutschland hat seit dem Abgang Schröders, sodann unter dem Opportunismus Angela Merkels, auf die Definition eigener Interessen verzichtet. 

Dass auch Russland unter Putin - erkennbar seit dem Eklat auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2007, deutlicher seit der Besetzung der Krim 2014 und evident seit 2022 - Krieg wieder als Instrument der Politik einsetzt, wirft die "westlichen" Axiome von "regelbasierter Politik" und der "Unverletzlichkeit der Grenzen" in Europa über den Haufen. Die Empörung darob ist besonders laut in Deutschland, wo man aufgrund der eigenen Geschichtskatastrophe  glaubt, amoralische, interessengesteuerte Kategorien seien im politischen Verkehr für immer außer Kraft gesetzt. Man wähnt sich im Besitz höherer Moral und begnügt sich - von mancherlei EU-Bruderstaaten unter Druck gesetzt - mit  der Rolle des demnächst wieder "kriegstüchtigen", aber zutiefst friedenswilligen Zahlmeisters. 

Wer wollte, konnte den Lauf der Dinge seit den 1990er Jahren  mit offenen Augen beobachten und - wengleich nicht in allen Aspekten - vorhersehen. (Siehe auch meinen Essay vom 3.Februar 2023, H.A.: https://www.globkult.de/geschichte/zeitgeschichte/2273-die-ukraine-und-die-aktualitaet-des-peloponnesischen-kriegesEinen nüchternen Blick öffnet erneut der jüngste Essay von Jobst Landgrebe auf der "Achse des Guten". https://www.achgut.com/artikel/der_sonntags_essay_was_war_der_ukraine_kriegssay   

Wir werden sehen, wie das große Spiel um und in der Ukraine in den Wochen bis zum christlichen Friedensfest weitergeht. Falls Trumps "Deal" - auf Kosten Selenskyis und seiner Oligarchie -  zustandekommt und gar dauerhaft tragen sollte,  so sollte dies auch hierzulande Anlass zu einer "Wende" im politischen Denken geben. Allzu großen Hoffnungen dürfen wir uns diesbezüglich aber nicht hingeben.  Denken im Raum der harten Fakten ist anstrengend. Schwarz-Weiß-Denken ist einfacher und sichert die Überlegenheit der eigenen Moral.  

Sonntag, 16. November 2025

Miszelle zum Volkstrauertag

Seit Deutschland - vermittels eines Schuldenpakets von 500 Milliarden €  und einer binär, d.h.  ungegendert angelegten, sprachsensibel abgeschwächten Form der Wehrpflicht - wieder "kriegstüchtig" werden muss, seit wertebewusste Verteidigungsexperten gar einen großen Krieg mit Putins Russland für 2029 vorhersagen, darf oder muss  im traurigen Monat November auch der Volkstrauertag wieder feierlich begangen werden. In heute-Journal und  Abendschau versammelt sich das Staatsvolk - sofern noch nicht zu den social media abgewandert - vor der Glotze, um  an den Trauerakten teilzuhaben. Das Hauptereignis sieht dann so aus: Seitwärts eines Gefallenendenkmals präsentiert eine Formation der Bundeswehr das Gewehr, Verteidigungsminister Pistorius hält mit kräftiger Stimme eine Gedenkrede,  Bundespräsident Steinmeier ordnet schwarz-rot-goldene Schleifen an den niedergelegten Kränzen, zum Schluss intoniert ein demokratisch diverses Musikkorps noch den "Guten Kameraden". Gesungen wird der Text Ludwig Uhlands nicht, da im Wortlaut nicht  gendersensibel genug. 

Womöglich bekommen wir im  TV zudem Ausschnitte von Predigten zu sehen und zu hören, die  postpazifistischen Pastorinnen oder Pastoren zum säkularen Gedenktag eingefallen sind. Ob auch  Störaktionen  und Schmierereien der "Antifa" ins Bild gerückt werden, bleibt abzuwarten. 

Immerhin könnten derlei Aktionen -  ganz entgegen ihrer "antifaschistischen" Intention - die Fragwürdigkeit des Gedenkens in der postnationalen Bundesrepublik ins Bewusstsein rücken. Denn von ehrendem Angedenken der in zwei Weltkriegen zu Tode gekommenen - gefallen, ermordet, verbrannt, vertrieben, verhungert oder erfroren - Millionen von Deutschen will unsere politisch-mediale Klasse nur wenig wissen. Von den Schrecken des Großen Krieges haben - im Unterschied zu den Franzosen und den Briten - die meisten Deutschen ohnehin kaum noch eine Vorstellung. Was die Opfer des Zweiten Weltkriegs betrifft, so überlagern der Holocaust sowie  - seit der entsprechenden Ausstellung in den 1990er Jahren  - die  Bilder des Vernichtungskrieges die Erinnerung an von Deutschen erfahrenes Leid, Leiden und Unrecht. Derlei "völkische" Erinnerung wird an die AfD und deren Sympathisanten hinter der "Brandmauer" ausgelagert. 

Inwieweit die demographisch schwindende Generation von jüngeren Deutschen sich noch von der im zivilreligiösen Kalender angezeigten  "Volkstrauer"  beeindruckt zeigt, ließe sich durch Umfragen ermitteln. Was die postnationale "moderne Einwandungsgesellschaft" angeht, so erreichen die Rituale  mit Sicherheit nur diejenigen, die in den salbungsvollen Gedenkreden selbst als Opfer gegenwärtiger Kriege und Bürgerkriege angesprochen werden. Die Erinnerungen der  - derzeit noch bestehenden - Mehrheitsgesellschaft ("Kartoffeln" und/oder "Nazis")  dürfte den meisten  so egal sein wie der "Antifa" und/oder den geistig womöglich anspruchsvolleren "Antideutschen".  

Wenn es um die Millionen der Toten beider Weltkriege geht, so werden die Redenschreiber die Sinnlosigkeit ihres Opfers hervorheben. Anders steht es mit dem Gedenken an die Soldaten - waren auch Soldatinnen darunter? -  die bei den Einsätzen der Bundeswehr in Afghanistan und in Mali ums Leben gekommen sind. Angeblich  wurde ab 2001 - so anno 2004 der damalige Verteidigungsminister Peter Struck -  "unsere Sicherheit auch am Hindukusch verteidigt." Spätestens 2021, nach dem überstürzten Abzug der Bundeswehr im Gefolge der USA,  war klar, dass der Tod der vor der Basis in Kundus gefallenen Soldaten sinnlos war. 

Über Sinn oder Unsinn von Kriegen zu entscheiden, war nie ins Ermessen der Millionen gelegt, die in den zwei Weltkriegen ihr Leben ließen.  Die Entscheidung über Krieg oder Frieden, über "richtige" - Frieden bewahrende oder Frieden erzwingende - Politik liegt auch in "unserer Demokratie" nicht beim Volk oder bei den Soldaten (sc. -innen), sondern bei der machtausübenden Führungsgruppe. 

Wie es im Ukrainekrieg und im neu aufgelegten Kalten Krieg weitergeht, wissen wir nicht. Gleichviel, wir ("gerade wir als Deutsche") müssen wieder "kriegstüchtig" werden.  Bei aller aufgesetzter Trauer am Volkstrauertag gilt es denn auch, patriotisches Pathos, heroisches Gefühl für "unsere Demokratie" ins Spiel zu bringen. Im Lektürekanon der demokratischen Gesamtschule sollte daher Wolfgang Borcherts Nachkriegsdrama "Draußen vor der Tür"auf keinen Fall  mehr vorkommen. Man hört indes, dass auf Podcast und Spotify Reinhard Meys Friedenschanson "Meine Söhne geb´ich nicht" Rekordhöhen erreicht.  


Freitag, 31. Oktober 2025

Reformbedarf im Land der Reformation

In Wahlkämpfen ertönt - gewöhnlich von progressiver Seite, aber auch wie zuletzt im Januar 2025 aus dem Munde des als konservativ betrachteten Friedrich Merz  - der Ruf nach Reformen. Die Wahlversprechen sollen beim Wahlvolk Hoffnungen wecken und  Stimmen bringen.. In den die Regierungsbildung vorbereitenden Koalitionsverhandlungen wird - seit wann eigentlich ? - ein ellenlanger Koalitonsvertrag ausgehandelt, in dem  Reformen - in Wirtschaft und Gesellschaft, seit Putins Krieg auch im Militärbereich - vereinbart werden. Inwiefern die versprochenen  Reformen - Wirtschaftswachstum durch Abbau der Bürokratie und Senkung der Energiekosten,  Minderung der Soziallasten, konsequente Anwendung der Asylgesetze,  alters- und gendergerechter Wiederaufbau einer "kriegstüchtigen" Bundeswehr etc. -  danach realisiert werden, hängt von vielerlei Faktoren,  von  Entschlossenheit und realer Kooperationsbereitschaft der koalierenden Parteien, von  innerparteilichen Macht- und Richtungskämpfen, sodann von externen Faktoren wie divergierenden Interessen in der EU sowie last but not least von globalpolitischen Playern wie Putin, Trump und Xi Jinping ab. 

Am Ende passiert wenig oder nichts. Im vierten Jahr einer Rezession, die alles andere ist als die Abwärtsbewegung in einem  Konjunkturzyklus, trat ein CDU-Politiker mit dem Vorschlag hervor, zur Vermehrung des BIP  und zur Stabilisierung den  Reformationstag am 31. Oktober als  bezahlten Feiertag abzuschaffen und als Arbeitstag zu nutzen. Der Mann verfehlt das Thema gleich doppelt: erstens ist der Reformationstag in Bundesländern wie Berlin schon längst abgeschafft, zweitens hat er nicht die allfällige Empörung der Gewerkschaften bedacht. (Siehe  H.A.: https://herbert-ammon.blogspot.com/2025/06/deutsche-feiertage-in-zeiten-sinkender.html)

Nichtsdestoweniger ist der - auf absehbare Zeit noch  - vergebliche  Reformvorschlag geeignet, einige Assoziationen über den Reformationstag, ehedem Hochfest des  Protestantismus, zu wecken. Der 31. Oktober 1517 wurde  erst  hundert Jahre später anno 1617 - gleichsam im Vorspiel zum Dreißigjährigen Krieg - erstmals im Kurfürstentum Sachsen zum Feiertag erhoben. In seiner welthistorisch epochalen Bedeutung prägte er sich erst im nationalbewegten 19. Jahrhundert ins deutsche und europäische Bewusstsein ein. Für den Philosophen Hegel begründete die Reformation Luthers als deutsche Revolution den Durchbruch zur Freiheit, was im katholischen Frankreich erst durch die Große Revolution Wirklichkeit geworden sei. Umgekehrt gilt - nicht nur  im Nachbarland -  allen konterrevolutionären Denkern seit Joseph des Maistre das Jahr 1517 und La Réforme  als der Sündenfall der Moderne. Von 1517 führte der Weg der gottlosen Neuzeit über die philosophes und das Jahr 1789 zu Lenin und zum Bolschewismus. 

Derlei negative Geschichtstheologie verfehlt - auch geistesgeschichtlich - die Komplexität historischer  Prozesse wie umgekehrt die - auf dem Boden des deutschen Idealismus gewachsene  - liberale  Theologie im Raum des Protestantismus. Alle Gewissheiten eines christlich-ethisch überhöhten Fortschrittsdenkens  zerbrachen im I. Weltkrieg. Mit christlichen Versatzstücken versehene Nationalromantik mündete in die Ideologie der sog. Deutschen Christen, den Weggenossen der  - teils offen atheistischen, teils neopaganen - Nationalsozialisten. In den Anfangsjahren  des Dritten Reiches bewahrten und bewiesen wesentlich mehr Katholiken als Protestanten Distanz gegenüber dem NS-Regime. 

Gegenüber der  "großen Maskerade des Bösen"  (Bonhoeffer) erwiesen sich selbst die Proklamationen der  Bekennenden Kirche  als letztlich unzureichend. Das an die Ökumene gerichtete Stuttgarter Schuldbekenntnis vom 19. Oktober 1945 benannte zwar die Verfehlungen und Versäumnisse der evangelischen Kirchen, war aber nicht geeignet, deren faktisches Versagen -   vor und nach dem Scheitern des 20. Juli  - zu erklären. Stattdessen wurden in der späteren Nachkriegszeit protestantisch- christliche Schuldbekenntnisse zusehends zu einer Art Anklage, vorgetragen im Gestus moralischer Überlegenheit,  im Sinne einer deutschen Kollektivschuld ausgeweitet und umgedeutet. Nicht wenigen Protestanten diente - mangels theologisch-philosophischer Alternativen -  die aus dem Ost-West-Konflikt resultierende deutsche Teilung als Dogma, als die historische Strafe deutscher Schuld. Vor allem die EKD wurde zum Sprachrohr substanzlos säkularer Proklamationen wie der Erklärung des Weltkirchenrats von Vancouver 1983: Gerechtigkeit, Frieden, Bewahrung der Schöpfung. Gewiss doch, aber wie?

Die Hoffnung auf geistige Erneuerung - Reform - nach der maßgeblich von protestantischen Aktivisten in der DDR initiierten Befreiung von bedrückenden, unmenschlichen Machtverhältnissen ist in den Jahren seit dem wundersamen Jahr 1989/90 verflogen. Nach kurzer Zeit durchwehte der alte bundesrepubkikanische,  linksliberale Geist - eine Mischung aus Schuldgefühlen, Selbstverleugnung und universalistischer Hypermoral -  erneut die deutsche Kulturlandschaft. Der Geist  wird bewegt von Intellektuellen, denen die deutsche Geschichte - von Luther über die Nationalbewegung, das  preußisch-protestantische Kaiserreich bis zum Nazireich - nur noch als geistige Negativfolie dient. Abgesehen von den wenigen Frommen im Lande, meist Geistesverwandte der amerikanischen Evangelikalen,  verkündet der zeitgenössische  Protestantismus  kaum mehr als eine Variante links-grüner Ideologie. 

Kein Wunder, dass derlei Botschaft immer weniger Menschen anspricht. Derzeit gehören noch 22 Millionen Menschen in Deutschland der evangelischen Kirche an. Nur zwei Prozent davon sind regelmäßige Gottesdienstbesucher. In wenigen Jahrzehnten wird sich die Zahl halbiert haben.

Reformen in allen Bereichen der deutschen Gesellschaft sind vonnöten. Von den in den diversen Gremien und Institutionen - Rundfunkräten, (staatlich geförderten) NGOs, Ethikräten und Parteien - vertretenen Protestanten sind - da nur Teil der gesellschaftlich-kulturellen Gesamtverfassung - leider keine fruchtbaren Anstöße zu Veränderungen - zu Reformen  in Staat, Gesellschaft und Kultur - mehr zu erwarten. In einem ahistorisch gewordenen Land wird früher oder später auch der Reformationstag einer "Reform" geopfert werden. 

 

 

 

 


Freitag, 24. Oktober 2025

Noahs Regenbogen als Markenzeichen politischer Bildung

Wie eine "Regenbogenfamilie" korrekt zu definieren ist, entzieht sich meiner Kenntnis. Vielleicht kennt sich Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU), der die "vielfältige" Hauptstadt im Sommer wochenlang mit der betreffenden Fahne beflaggte, in dieser Frage besser aus. Er meint jedenfalls, die sexuelle Identität müsse unter Artikel 3 "ins Grundgesetz rein".

Als Stino und Hete -  zwei Vokabeln, die m.W. nicht  in der von dem Berliner Staatsanwalt bzw. dem in Wiesbaden angesiedelten BKAgegen Norbert Bolz benutzten hessischen  Suchmaschine unter die Rubrik "Hass-und-Hetze" fallen -, natürlich auch altersbedingt, käme ich  in "unserer Demokratie"  als männlicher Familienminister (m, ohne Sternchen und Suffix) jedenfalls nicht in Frage. Als aus der Zeit gefallener Zeitgenosse und familienrechtlicher Laie würde ich vielleicht  die Familienverhältnisse der AfD-Vorsitzenden Alice Weidel der Kategorie "Regenbogen" zuordnen. Ich könnte mich aber auch irren, insofern Weidel einerseits ihr Privatleben streng abschirmt, andererseits den linken  Kampfbegriff "queer" für sich ablehnt, was wiederum aus Sicht aller progressiven "Linken" als Ausweis ihrer rechten, also irgendwie faschistischen Gesinnung völlig genügt. 

In der neunten Klasse eines hessischen Gymnasiums ("Hesse[n] vorn") erhielt mein Enkel im Fach "Powi" (Politik und Wirtschaft oder so ähnlich) die Aufgabe, ein Referat über die "Regenbogenfamilie" zu erarbeiten.  Ich nehme an, dass er sich als Pubertäter (sc. Pubertierender)  in sexualibus  - auch ohne das entsprechende Unterrichtsprogramm in der Grundschule und/oder der gymnasialen Unterstufe - zumindest theoretisch bereits einigermaßen auskennt.  

Ob er außerdem mit den Aspekten - und soziokulturellen Vorzügen - einer "Regenbogenfamilie" hinreichend vertraut ist, vermag ich nicht zu sagen. Ebensowenig, ob ihm bei seinem Vortrag eine demokratisch befriedigende Definition des Begriffs - konkretisierbar anhand von Beispielen aus dem Leben von Promis - gelingt. Vielleicht nähert er sich über die biblische Geschichte von der Sintflut und über die Berliner Schwulenparade, wo er  schon mal mit Erstaunen  feststellte, "da sitzt ja ein nackter Mann in der U-Bahn", sowie über Julia Klöckners Flaggenstreit dem Begriff des Regenbogens. Eine Erinnerung an Thomas Müntzer und die Schlacht von Frankenhausen (gelegen in Höckes Thüringen!)  - ist im Erwartungshorizont des  Lehrers mutmaßlich nicht vorgesehen, denn  die für den Lehrplan verantwortlichen zeitgenössischen Linksgrünen haben im Kampf gegen  Patriarchat und für Vielfalt  den altbackenen Klassenkampf (vorerst)  in  die ideologische  Abstellkammer  gestellt. Wichtiges Lernziel ist jedenfalls die definitorische Abgrenzung der  Regenbogenfamilie von der autoritären Klein- sowie von der konventionellen Patchwork-Familie. 

Mal sehen, wie sich mein pfiffiger Enkel durch das Ideologiegestrüpp durcharbeitet und welche Note er am Ende für seine Arbeit am Begriff kriegt. Mit Sicherheit kriegt er keinen Bonus, wenn er die binäre Sintflutgeschichte - vom Thema etwas abweichend -   um die Schweinigelei um den nackten, betrunkenen Noah erweitern wollte. Auf keinen Fall sollte er Weidel als  role model in Regenbogenfragen anführen. Da verstehen deutsche Progressivpauker keinen Spaß.  

P.S. Die Aufgabe wurde von einer Lehrerin (w) gesellt. Ich bitte die obige Fehlinformation (Lehrer, m) zu entschuldigen. 


Freitag, 10. Oktober 2025

In eigener Sache: Irrungen, Wirrungen im www.net

Art. 10 GG garantiert als  Grundrecht das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis. Ehedem wurde der Artikel nur von um juristische Konsequenzen unbesorgten Boulevard - und/oder Enthüllungsjournalisten sowie Geheimdiensten  unterlaufen.  Die digitale Revolution hat diese aus einem anderen technischen Zeitalter stammende Garantie der Persönlichkeitsrechte außer Kurs gesetzt. 

Für jeden Laien-Hacker, erst recht für Experten, ist es ein Kinderspiel, das e-mail-Konto eines Nutzers/Users (m/w/d) zu knacken, um an im Privatbereich übermittelte Informationen heranzukommen oder mit einem Virus das private Kommunikationsnetz lahmzulegen. Immerhin gilt derlei Zugriff auf die Privatsphäre noch als strafrechtliches Vergehen.  

Anders steht es mit dem von den Hütern unserer Persönlichkeitsrechte beschworenen Datenschutz. Der Handel mit Adressen (von Kunden, Abonnenten, Unterzeichnern von fruchtlosen Aufrufen)  gehört längst zum Geschäftsmodell zahlreicher Unternehmen. Meine Mobilfunknummer ist längst zu vielen Personen, Werbeunternehmen oder Umfrage-Instituten ("Haben Sie eine Minute Zeit, um ein paar Fragen zu beantworten?") bekannt, als dass ich mich über derlei Zudringlichkeit noch erregen könnte. Datenschutz als Bürgerrecht? My foot!

Es gab - gibt es sie vielleicht jetzt noch? - in meinem Umfeld ein paar wenige Leute, die sich dem Sprung ins www.net verweigerten. Sie blieben bei Kugelschreiber, Schreibmaschine, Briefen und Festnetz. 

Ich gehöre nicht dazu. Als Blogger und Autor auf Globkult und diversen online-Zeitschriften bin ich auf das www.net bzw. social media angewiesen, um meine - mutmaßlich wirkungslosen - Kommentare zu den unerfreulichen Weltläuften kundzutun. 

Das ist dem Internet-Kraken Google nicht entgangen. Dort wimmelt es von Einträgen unter meinem Namen. Die Sache wird etwas kompliziert dadurch, dass im Netz noch einige andere Träger meines Vor- und Nachnamens erscheinen. 

Doch selbst die Allmacht Google ist nicht frei von Irrtümern. Google stiftet Verwirrung, wo meine Existenz als Publizist mit dem Konterfei eines SPD-Lokalpolitikers aus meiner fränkischen Heimatregion illustriert wird. Dass dabei mein Recht - oder das Recht des betreffenden Politikers - auf das eigene Bild verletzt, meine oder dessen Eitelkeit gekränkt sein könnte,  interessiert Google nicht. Gegen Google sind wir machtlos, egal was Brüssel dagegen zu unternehmen gedenkt.

Verwunderung bzw. Ärger erregt ein anderer - offenbar unkorrigierbarer - Irrtum bezüglich meines aus Eigeninteresse initiierten Auftritts auf dem Internet-Portal academia.edu. Seit einiger Zeit versuche ich vergeblich, Publikationen auf meiner gewohnten Seite (mit Foto) hochzuladen. Es gelingt mir  einfach nicht mehr. Die betreffende Seite ist blockiert. Stattdessen landet der hochgeladene Text auf einer  anderen, neuen Seite unter meinem Namen -  und geichfalls  mit einem  fremden Fotoporträt. Mit der Folge, dass ich auf der "neuen" Seite - anders als auf der blockierten Seite -  nur noch ein paar "followers" habe und die Zahl der Leser (m/w/d) entsprechend bescheiden bleibt. 

Versuche, das in Kalifornien angesiedelte Portal zu einer Korrektur des fehlgelaufenen Algorithmus  zu bewegen, sind bis dato gescheitert. Vielleicht gelingt es geneigten Lesern meines Blogs, die anonymen Betreiber ( sc. -innen)  von academia.edu auf den mich schmerzenden Riß im www.net aufmerksam zu machen.

 

 

 

 

 

Freitag, 3. Oktober 2025

Reflexionen am und zum 3. Oktober 2025

I.

Patriotische Aufwallungen sind mir - ungeachtet eines anno 1982 zusammen mit Peter Brandt geschriebenen Aufsatzes mit dem Titel "Patriotismus von links"- wesensfremd. Nachdenken über die deutsche Geschichte, in die ich 1943 hineingeboren wurde, mündet - wohl auch altersbedingt - eher stets in Betrübnis und Ratlosigkeit angesichts des unsäglichen Grauens, das im 20. Jahrhundert von Hitler-Deutschland - von Deutschen, Gottseidank nicht von allen  - exerziert wurde. 

Nicht in Widerspruch dazu steht die Erinnerung an die immense Freude, die ich in den Tagen des Mauerfalls empfand und die sich im Einheitsjahr 1990 bis zu dem Datum des 3. Oktober fortsetzte. Die Bilder jenes weltpolitischen Wunderjahres - vom Tanz auf der Mauer über die DDR-Wahlen  am 18. März 1990 über die Stationen der 2+4-Verhandlungen bis zum Einheitstag am 3. Oktober -  haben sich unauslöschlich in mein Gedächtnis eingeprägt. 

Was wissen heute meine Enkel  davon? Was sagen ihnen  jetzt oder erst später noch Namen wie Alexander Jakowlew, Gerhard Schürer, Günter Mittag, Hans Modrow, Lothar de Maizière, Richard Schröder, Günter Krause  - oder Thatcher, Mitterand, Genscher, Edward Schewardnadze, Jimmy Baker, Douglas Hurd, Roland Dumas, Krysztof Skubiszewski? Was und wie erfahren sie davon in der Schule, auf Tiktok, auf Instagram, in ihren Whatsapp-Gruppen oder auf der Glotze? Am Vorabend des 3. Oktober standen einzig auf Arte zwei sehenswerte Sendungen zum deutschen Einheitstag auf dem Programm. Fehlanzeige auf allen anderen Kanälen. 

Was lernen unsere Jungen, die künftigen Träger (sc. m/w/d) "unserer Demokratie" bzw. unsere künftige "Elite", in den ehedem vorbildlichen deutschen Bildungsinstitutionen? Werden ihnen - außer der ausufernden Terminologie sexueller Verhaltensweisen -  die Begriffe Moralpolitik und Realpolitik, Faktizität und  Kontingenz vermittelt, kennen sie die Differenz zwischen Werten und Wahrheit, den Konnex von Interessen und Ideologie, die Mechanismen der Großen Politik bis hin zum "Selbstmord Europas"? Was sagt ihnen der Begriff "mors Dei"? Erkennen sie - bei allen Lernzielen der "politischen Bildung" -  die in den Nazi-Wahn mündende Synthese von Darwinismus und Vulgärromantik? 

Last but not least: Was gehen die laut immer neuer Statistiken - die nichts anderes belegen als den als "rechts" (gleich "rechtsextrem)" perhorreszierten Begriff "Bevölkerungsaustausch" - zahlenmäßig expandierenden, semialphabetisierten Schüler  (und -innen)  die Nazi-Verbrechen an?  Was die deutsche Teilung und die deutsche Einheit, was die - nicht nur von Protestanten - als Residuum christlicher Religion invozierte deutsche Schuld, was das von Angela Merkel als "Teil der deutschen Staatsräson" bezeichnete Verhältnis zu Israel?   

Soeben erfahren wir im Feuilleton der FAZ (vom 2. Oktober 1990, S.13) von "Vorboten (?) des Kulturkriegs".  Im Programm des ehedem zur "Aufarbeitung" der deutschen Katastrophe etablierten Münchner Instituts für Zeitgeschichte (IfZ) wird unter neuer Leitung auch die Zeitgeschichte thematisch umformatiert. Unter der Rubrik ("Achse") Intersektionalität soll es fortan ausdrücklich um "Race, Class und Gender" gehen. 

II.

So kämpft  anno 2025 nur noch ein Häuflein von wackeren Streitern  für die Bewahrung oder Erneuerung des "Abendlandes",  dessen Zentrum über viele Jahrhunderte hin das Sacrum Imperium Romanum  (Heiliges Römisches Reich, ab 1495 HRR Deutscher Nation) bildete.

Anstelle einer Elegie verweise ich  zum Tag der deutschen Einheit auf einen Text (kopiert aus dem Internet), der  noch gewisse Hoffnung birgt. Er stammt von Claudio Mancini, der sich - mutmaßlich aus persönlichen, jahreszeitlichen (oder klimatischen), womöglich auch politischen Gründen - meistenteils auf Sizilien - historisch weit entrückter mediterraner Schwerpunkt des Stauferreiches - aufhält und von dort mit seinem bissigen polit-satirischen Blog "Mancinis Scharfblick" interveniert. https://politsatirischer.blogspot.com/2025/10/kein-schoner-land-in-dieser-zeit-oder.html?

Unter dem Titel "Kein schöner Land in dieser Zeit ..., oder der freiwillige Weg in die bürgerliche Knechtschaft" erinnert er - horribile dictu - an große Deutsche. (Ich hätte seiner Aufzählung noch Namen wie Lessing und Kleist, Stresemann und Willy Brandt hinzugefügt.) Unbeirrt von bundesrepublikanischen Denkgeboten schreibt Mancini, es habe den Anschein, als wollten "unsere bunt-woken, gendernden, geschlechtsverirrten und ökonomisch wie historisch unbeleckten Staatslenker

...das Land Goethes, Schillers und Thomas Manns, -

...das Land Bachs, Beethovens, Schumanns und Händels, -

....das Land Dürers, Caspar David Friedrichs und Gerhard Richters, -

...das Land Kants, Hegels und Nietzsches, -

...das Land Gauss´, Einsteins und Plancks, -

...das Land Heines, Rilkes und Hölderlins, -

...das Land Adenauers, Bismarcks und Ludwig Erhards, -

...das Land Bonhoeffers und Benedikt XVI., -

...das Land Wagners, Brahms´und Händels,  

...das Land Albert Schweitzers, Robert Kochs und Paul Ehrlichs, -
 
...das Land Keplers, Humboldts und Heisenbergs, -
 
...das Land der Grimms, des Märchenschatzes  und des Nibelungenlieds, -
 
...das Land der Geschwister Scholl und Stauffenbergs, -
 
...das Land Siemens(´), Benz´ und Diesels,
 
den ´eingewanderten´ Analphabeten, marodierenden Judenhassern und martialischen Islamisten aus steinzeitlichen Kulturkreisen kampf- und widerspruchslos die Übernahme unserer Heimat überlassen!.. Dem Tag der deutschen Einheit gebührt eigentlich  der Titel: Tag der Reflektion, während Politiker fernab von jeglichen bürgerlichen Bedürfnissen alles tun, um ihren persönlichen Willen durchzusetzen. [...]
Sieht man sich nüchtern und reflektiert das "Gesamtpaket" der Eliten an, braucht man keine Fantasie, um zu wissen, wie es enden wird. Dennoch besteht Hoffnung, denn jedes Gewinde einer Schraube hat auch ein Ende..."


                                       




Sonntag, 28. September 2025

Nichts Neues aus der Hauptstadt "unserer Demokratie"

Massenveranstaltungen sind mir ein Greuel, ob in Fußballstadien, auf Kirchentagen oder auf "Demos". Selbst wenn die Organisatoren der - je nach Perspektive  - auf 60 000 bis 100 000 Teilnehmer ("Teilnehmende") geschätzten Demonstration  politisch zweifelsfreie und realpolitisch praktikable Konzepte zur Beendigung des Gazakrieges und einer friedlichen Lösung des Israel-Palästina-Konfliktes hätten vorlegen können, hätte ich mich von dem Spektakel ferngehalten. Welche/r der betreffenden Parteien/Organisationen/NGOs und ihrer Führungsfiguren/Strippenzieher verfügt - sofern von lauteren Absichten inspiriert - über die Machtmittel, um die Hamas zur Freilassung der Geiseln (samt Anerkennung Israels) bzw. Netanjahu zur Akzeptanz einer "gerechten" Zwei-Staaten-Lösung zu bewegen? Gut gemeint ist nicht immer gut gedacht.

Statt eines Klaustrophobie erzeugenden Massenevents bevorzuge ich an dem strahlenden Herbsttag ein bürgerliches Bildungserlebnis im Potsdamer Palais Barberini, dem von  Hasso Plattner gestifteten Museum, bevor dort eine Ausstellung zum Gedenken des Impressionisten Camille Pissarro, hierzulande weniger bekannt als Claude Monet oder Auguste Renoir, zu Ende geht. Aus ökologischer Verantwortung - und/oder wegen der knappen und kostspieligen Parkplätze im Stadtzentrum - gilt es die öffentlichen Verkehrsmittel zu nutzen. Nach wenigen Minuten in der S-Bahn kommt die Durchsage, wegen eines Notfalleinsatzes (?) sei die Strecke zwischen Botanischem Garten und Zehlendorf dauerhaft unterbrochen. Der quer über die Sitze schlafende Obdachlose, Barfüßer in zerlumpten Pantoffeln, ist von der Ansage nicht betroffen. Also Fußmarsch zur Bushaltestelle. Am S-Bahnhof Zehlendorf weist ein Bediensteter den Zugang zum immerhin intakten Aufzug. Keine weiteren Zwischenfälle auf der Strecke bis Wannsee, sodann Wannsee-Potsdam Hbf. 

In dem als hochmodern gepriesenen Bahnhof der Landeshauptstadt durchquert der Besucher hin zum Ausgang "Landtag" (im wiedererrichteten Stadtschloß, merke: Ceci n´est past un château) eine unendliche Passage von Imbißständen und Discounter-Läden, durchzogen vom Mief der Fastfood-Kulinarik. Wie können die "Mitarbeitenden" in derlei Umgebung einen 8-Stundentag durchhalten? 

Für die Rückfahrt nutzen wir den Haupteingang. Die S-Bahn kommt fahrplangemäß. Danach die Durchsage: "Wegen Gegenstände (sic!) auf der Strecke fahren die Züge nur unregelmäßig." Noch mal Glück gehabt. Entlang der Strecke folgt der Blick der unendlichen Serie von "Grafitti" an beliebigen Baulichkeiten (Wohnhäuser, Fabrik- oder Lagerhallen, Brückenpfeiler). Von besonderem Reiz ist die zu zwei Dritteln mit glitzernd grauer Farbe besprühte Wand eines erst jüngst mit ockerfarbenem Klinker verkleideten Gebäudes der Bahn. Darüber in Schwarz die "linke" Kampfparole ACAB.  

Ankunft am S-Bahnhof Steglitz. Mit dem Aufzug, nur mäßig verkratzt, unten angekommen, befinden wir uns in einem offenbar zweckfrei umzäunten Baulabyrinth unter dem "Steglitzer Kreisel", hoch aufragendes Wahrzeichen jahrzehntelanger Fehlpanung, Ineffizienz und Spekulation. Die Haltestelle an dem nach Hermann Ehlers, Nazi-Gegner und zweiter Präsident des Bundestages, benannte Platz bietet das - längst nicht mehr nur berlintypische -  Bild: Dreck, auf einem Telekom-Verteiler (rückseits beschmiert) mehrfach überklebte Plakate mit Aufrufen zu einer Klima-Demo von "Fridays for Future". Die in der überdachten Haltestelle sitzende Neubürgerin aus der Sahelzone - mit sozialstaatstabilisierendem Baby im Kinderwagen, fühlt sich von der Klimakrise nicht betroffen, In der Mitte des Platzes, am späten Abend auch Umschlagplatz für Drogen, steht eine Säule zum Gedenken der Opfer des Nazi-Regimes. Immerhin, der Bus hat nur ein paar Minuten Verspätung. 


Dienstag, 12. August 2025

Israel als Lackmustest für "Linke" und "Rechte"

Die Begriffe stehen unerschütterlich. Andernfalls müssten Verfassungsschützer ihr Instrumentarium ausmustern und sich nach geeigneteren Kategorien zur Darstellung der politischen Wirklichkeit umtun. Allerdings kommt den Hütern der bundesdeutschen Wohlanständigkeit noch immer der Umstand zu Hilfe, dass fast alle, die sich für moralisch und historisch für gut oder besser halten, sich als „links“ bezeichnen, und dass es hinreichend Leute gibt, die sich – ungeachtet des haut gout des Begriffs - in kämpferischer Attitüde als „Rechte“ bekennen.

Am historisch tief verwurzelten und immer wieder aufkeimenden Antisemitismus geraten die Kategorien durcheinander: War und ist Judenfeindschaft – in unvorstellbar mörderischer Ausprägung im Nationalsozialismus – ein ausschließlich rechtes Phänomen oder kehrt alter Judenhass heute in neuer Gestalt als linker Antisemitismus wieder? Der Lackmustest für heutige „Linke“ und „Rechte“ ist ihre Einstellung zu Israel.

Wie verträgt sich das linke Bekenntnis zu grenzenlosem Universalismus mit der „separatistischen“, auf jüdische Identität und Selbstbehauptung in feindlicher Umwelt gegründeten Idee des Zionismus? Ist die mit ihrer Hilfs- und Friedensmission für die Palästinenser im Gazastreifen an Netanyahu gescheiterte Klimaretterin Greta Thunberg noch immer eine Ikone der westlichen Linken oder findet sie neuerdings ihre Sympathisanten hauptsächlich bei Antisemiten auf der Rechten?

Traditionslinien  eines linken Antisemitismus

Eine tiefgründige Analyse des „modernen“ Antisemitismus – ein Bündel aus nachwirkend religiösen und säkularen Motiven, die Mixtur aus dem Sozialneid der Plebs und dem Ressentiment der alten Eliten - ist hier nicht zu leisten. Von Konservativen wie von selbstkritischen Linken wird auf die lange Traditionslinie eines „linken“ Antisemitismus verwiesen. Sie führt zurück auf Voltaires Attacken auf den deistischer Vernunft entgegenstehenden Gott der Juden. Antisemitisch klingt in der Frühschrift „Bruno Bauer und die Judenfrage“ Karl Marx mit seiner dialektischen Proklamation der „Befreiung der Juden vom Schacher“. 

Der Erfinder des Begriffs „Antisemitismus“ war der linksradikale 1848er Demokrat Wilhelm Marr. Antikapitalistisch eingefärbte Judenfeindschaft - „der Sozialismus der dummen Kerls“ (August Bebel) - ist bei Pierre-Joseph Proudhon sowie – mit Ausnahme der Saint-Simonisten (wiederum ausgenommen der zeitweilige Saint-Simonist Richard Wagner) - bei diversen sozialistischen Strömungen anzutreffen. Henri Rochefort, eine der Führungsfiguren der Pariser Commune 1871, fand sich im Lager der antisemitischen Feinde des unschuldig verurteilten Alfred Dreyfus wieder. Im Anarchismus des Revolutionärs Michail Bakunin verschmolzen Antigermanismus, Panslawismus und Antisemitismus zu einem ideologischen Amalgam. Nicht zuletzt kam Ende der 1940er Jahre der Antisemitismus bei Joseph Stalin, kurz zuvor noch Unterstützer der Staatsgründung Israels, zum Vorschein. 

In der antiimperialistischen Befreiungsideologie von „1968“ trat – in der Abkehr von linken Sympathien für den sozialistischen Zionismus - seit dem Sechstage-Krieg von 1967 ein unverkennbar antisemitisches Element zutage. Es eklatierte in dem am 9. November 1969 von der Berliner „Tupamaro“-Gruppe unternommenen Versuch, mit einem Brandanschlag auf die Synagoge in der Fasanenstraße den „deutschen Judenknacks“ - so der radikal linke Kommunarde Dieter Kunzelmann als Anstifter des Unternehmens - revolutionär zu überwinden. Die neulinken Terroristen der RAF begaben sich in den Nahen Osten, um in den Lagern der PLO die Techniken des revolutionären Kampfes zu erlernen.

Im decolonialism zerfließt die Scheidelinie

Zu den politischen Paradoxien oder Absurditäten der Gegenwart gehört die von vermeintlich linken Sachwaltern der Aufklärung propagierte Ideologie des Islamogauchisme. Geistige Vorarbeit leistete der französische Philosoph Michel Foucault mit seiner Sympathieerklärung für die Islamische Revolution und das blutige Mullah-Regime im Iran. Als Sachwalter der – evident antijüdischen – muslimischen Einwanderungsgruppen tritt in Frankreich Jean-Luc Melenchon mit seiner linksradikalen Bewegungspartei La France Insoumise (LFI) agitatorisch hervor. Die 2005 von diversen palästinensischen Organisation gegründete Israel-Boykott-Bewegung BDS findet im Westen breite Unterstützung unter linken Gruppen mit prominenten Protagonisten in Kultur und Politik.

 Vor dem Hintergrund des Gazakrieges spielen sich in deutschen Städten mit vor Jahren noch unvorstellbare Szenen („Juden ins Gas!“) ab. In der medialen Aufbereitung des Geschehens wird betont, dass bei den von Migrantengruppen inszenierten Anti-Israel-Demonstrationen sowohl radikale („woke“) Linke (mit Parolen wie „Queers for Palestine“) als auch – wenn auch äußerlich schwer erkennbar – Rechtsextreme vertreten seien. Immerhin waren die jüngsten gewaltsamen Aktionen an den Berliner Universitäten ausschließlich das Werk von migrantischen Aktivisten und indigenen Linksradikalen.

Die von progressiven Linken lange beliebte Formel, Kritik an Israel müsse „erlaubt“ sein, Israelkritik sei grundverschieden von Antisemitismus, hatte bereits nach dem – spätestens im Juli 2000 und nicht zuletzt an Arafat gescheiterten - Oslo-Abkommen an Überzeugungskraft verloren. Welche Seite trägt die Hauptschuld am Scheitern des stets ungewissen Friedensprozesses? Ob die unter Netanyahu forcierte Siedlungspolitik der Israelis auf der Westbank die Chancen für eine tragfähige – von westlichen Regierungen bis heute verfochtene – Zwei-Staaten-Lösung dauerhaft verhindert hat, erweist sich seit dem Hamas-Massaker am 7. Oktober 2023 zusehends als hypothetische Frage.

Angesichts des herrschenden Szenarios von Gewalt, Zerstörung und Tod kommt ein ehedem kaum bekanntes Projekt in den Sinn, das während der ersten Amtszeit Donald Trumps dessen Schwiegersohn Jared Kushner ersonnen hatte. Es sah einen entmilitarisierten Palästinenserstaat vor, der aus dem – durch leicht veränderten - Territorium der Westbank und dem mit einer exterritorialen Brücke (oder einem Tunnel) verbundenen Gazastreifen entstehen sollte. Kushners Idee mag schon damals realitätsfern gewesen sein, aber war sie „rechts“ oder „links“?

Welcher westliche Linke verfügte je über ein vernünftiges und praktikables Konzept zur Befriedung der Konfliktregion? Stattdessen erlebt im Zeichen der linksprogressiven BDS-Boykott-Bewegung gegen den „Apartheid-Staat“ Israel und der decolonialist theory die alte neulinke Befreiungsideologie eine Neuauflage. Die Kampfrufe „Free Palestine“, zugespitzt in „From the River to the Sea“, zielen auf die Beseitigung des jüdischen Staates. Damit zerfließt aber die von westlichen Linken behaupteten Scheidelinie zwischen Antizionismus und Antisemitismus.

Parolen, Psychologie und politische Gegenwart

Mit der Parole „Free Palestine from German guilt!“ bringen die palästinensischen Organisatoren der Demonstrationen provokativ ein – auch auf der sich als antifaschistisch und historisch unbefleckt verstehenden Linken wirksames - psychologisches Motiv ins Spiel. Es handelt sich um nichts anderes als die propagandistische Anverwandlung des im rechten Umfeld der AfD geläufigen Kampfbegriffs des „deutschen Schuldkults“. Die Korrelation ist eindeutig.

Viel weniger eindeutig ist die bei - zielgerichteten – Umfragen diagnostizierte Verbreitung antisemitischer Sentiments in der autochthonen Bevölkerung. Politisch unerwünscht ist die offenkundige Tatsache, dass Jsraelhass und Judenfeindschaft heute in erster Linie in den muslimischen Einwanderungsgruppen anzutreffen ist. Nicht zufällig werden die entsprechenden Äußerungen aus dem Munde migrantischer role models wie Sawsan Chebli (ehedem stellvertretende Sprecherin im AA, sodann Staatssekretärin im Berliner Senat) nur in den sozialen Medien kolportiert.

Bezüglich der vielen Stationen des Nahostkonflikts taugt zu dessen Erklärung nur die resignative Formel „tempi passati“. Die Gegenwart steht im Zeichen von Kontroversen auf der politischen Bühne, die das bequeme Links-Rechts-Schema aufbrechen. Die progressive Linke übt sich in Solidarität mit Palästina und sieht sich dabei genötigt, "linke" Grenzüberschreitungen zu vermeiden. Die rechte - von Verfassungsschützern als "in Teilen und/oder gesichert rechtsextrem" klassifizierte - AfD kämpft - rhetorisch und/oder taktisch -  mehrheitlich mit und für Israel.  

Aus der „Mitte“ heraus, genauer: seitens  der - die „demokratische Mitte der Gesellschaft“ repräsentierenden - Bundesregierung, proklamiert Bundeskanzler Merz, Israel erledige für uns alle „die Drecksarbeit“, verkündet sodann ein (partielles) Waffenembargo gegen Israel wegen dessen Vorgehen im Gazakrieg. Außenminister Wadephul will die deutsche Staatsräson in Bezug auf Israel von verordneter „Zwangssolidarität“ geschieden wissen. Aus den in derlei Worten und Taten enthaltenen Widersprüchen mögen – geeint in beidseitiger Aversion gegen Israels so glasklare wie risikoreiche Staatsräson - „Linke“ oder „Rechte“ Honig saugen.



Freitag, 18. Juli 2025

Hundstage für "unsere Demokratie"

Ein  Blick nach draußen genügt: Hundewetter im Hochsommer, zumindest in den nördlichen und östlichen Regionen des Landes. Wir erinnern uns: In den Nachkriegsjahren, in Jahren vor der globalen Erwärmung  und der Klimakrise, kannte man  im Juli noch die "Hundstage", wenn Hitze und Schwüle   die Arbeitslust im Wirtschaftswunderland minderte und die Schüler auf vorzeitigen Unterrichtsschluss ("hitzefrei") hofften. 

Nochmal zur Klarstellung: Ich bin kein "Klimaleugner". Ich akzeptiere die nur von wenigen Wissenschaftlern angezweifelte These vom CO2-Ausstoß als der (Haupt-)Ursache für das Abschmelzen der Gletscher und das Ausbleiben von "richtigen" Wintern in Mitteleuropa.  Dass ich dennoch an der "menschengemachten Klimakrise" gewisse Zweifel hege, hängt mit den "grünen" Konzepten und Praktiken der Klimarettung zusammen. 

Gewiss, der Abbau und die Beschaffung von Uran wirft Fragen auf. Dennoch: der von der AfD-Leihmutter Merkel -  laut Selbstaussage dachte sie stets "vom Ende her" - dekretierte Ausstieg aus der Kernenegie sowie die unter der Ampel-Regierung erfolgte Abschaltung der klimaschonenden Kernkraftwerke war ein gravierender ökologischer und ökonomischer Fehler. Nahezu alle Nachbarländer nutzen Atomstrom oder bauen neue Kraftwerke. Überdies gibt es inzwischen Reaktoren mit unfallsicheren  Kühlsystemen, in denen alte, abgebrannte Brennstäbe eingespeist werden können und wo deutlich weniger Restmüll übrig bleibt. 

Über die bei Produktion, Aufstellung, Betrieb sowie Abbau immer höher ragender Windkraftmühlen anfallenden CO2-Lasten, d.h das ökologische input-output-Verhältnis, findet man kaum verlässliche Daten. Auch gegen die fortschreitende Zerstörung von wertvollen Landschaften und/oder Naherholungsgebieten - als Beispiele seien  der Reinhardswald, der Hunsrück und die Uckermark genannt -  ist seitens professioneller  Umweltschützer, namentlich grüner NGOs,  nie Widerspruch zu vernehmen. Stattdessen werden - meist wirkungslose  - Proteste von örtlichen  Bürgerinitiativen abgewehrt oder als Inszenierungen von "Rechten"  perhorresziert. 

Dass der Sozialstaat in Gefahr gerät, wenn die Wirtschaftsdaten nicht mehr stimmen, bedarf keiner großen ökonomischen Analyse, ist nach modischem journalese  eine "Binse". Das wissen - nicht erst seit dem Ausscheiden Robert Habecks aus der Bundespolitik - auch die Grünen. Dennoch proklamieren sie noch immer den Vorrang grüner oder  als grün deklarierter Konzepte (Gendern, Quoten, Ökosteuern, Aufnahme von geflüchteten Opfern der "Klimakrise" usw.) 

Die von Grünen  verfochtene Ideologie durchdringt - vor allem seit der Ära Merkel  - alle Bereiche der deutschen Gesellschaft. Im Raum des Politischen fehlt es an Alternativen zur linksgrünen Definitionsmacht in Kultur, Wirtschaft und Gesellschaft. Nicht zufällig fühlt sich eine hohe  Mehrheit von Bürgern in ihrer Meinungsfreiheit zunehmend eingeschränkt.

Selbst die CDU/CSU ist - bis auf eine katholisch-konservative Minderheit, die jüngst Kanzler Merz und dem Fraktionschef Spahn bei der (mit Grün-Links abgesprochenen) Richterwahl   den Gehorsam verweigerte - von  grüner Ideologie beseelt. Solange sie an der - durch  Verbotsforderungen verstärkten - "Brandmauer" gegen AfD festhält, ist die deutlich unter 30 Prozent der Wählerstimmen gefallene Union in Bund und Ländern auf die Parteien der "linken Mitte" angewiesen. 

Die einstige "Volkspartei"  SPD  ist seit dem Ausscheiden des Pragmatikers Gerhard Schröder nicht viel mehr als ein weiteres grünes "Projekt" mit einem altsozialistisch-egalitär orientierten Flügel. Links von der  SPD hat sich  unerwartet eine aktivistische, medienmächtig verjüngte "Linke" etabliert, deren  Protagonisten wenn nötig auch grüne, öko-sozialistische Phrasen proklamieren.  Die - parallel zur AfD  als falsche Friedenspartei - teils ausgegrenzte, teils ins Spiel hereingenommene BSW kann hier außer Betracht beiben.

Die ideell gesamtgrünen Parteien operieren mit dem Begriff "Partei(en) der Mitte". Vereint im Kampf gegen die AfD bzw. gegen "Rechts" bilden sie eine  Art  Einheitsfront zur Verteidigung "unserer Demokratie". Dass sie mit dem Possessivpronomen "unser" die Demokratie okkupieren und  Diskussionen über Inhalte und Praxis  des Begriffs ausschließen, kommt ihnen in selbstgerechter Machtverwaltung nicht in den Sinn. Noch steht die grün-deutsche classe politique unverrückbar wie einst die deutsche Eiche. Allerdings ist der Himmel über "unserer Demokratie"  nicht nur von CO2-Emissionen gefährdet. Wenn in einem Staat Konfliktmomente akkumulieren, erweist sich grüne Zweckapokalyptik als untaugliches Herrschaftsinstrument. Dann stehen im Kalender der Republik ("unserer Demokratie") politische Hundstage.