Der
nachfolgende Kommentar zum grünen Politspiel der Bundeszentrale für
politische Bildung (BpB) Wahl-O-Mat ist in kürzerer
Version bereits auf der „Achse des Guten“ erschienen:
https://www.achgut.com/artikel/wahlomat_gruen_gefaerbtes_ratespiel/P30#comment_entries
Ich
bitte die Fans von AchGut, die Globkult-Leser (sc. -innen) sowie meine Blog-Anhänger
(sc.-innen) um Nachsicht, dass mir auf der "Achse" bei der
Fangfrage nach einem Austritt aus der EU - propagiert von der AfD und
womöglich auch von der MLPD, von BüSo und von den Tierschützern -
ein stilistischer faux pas unterlaufen ist: Alarmglocken leuchten
natürlich nicht auf, sondern läuten, schrillen oder dröhnen. Das
missglückte Sprachbild passt indes zum Wahl-O-Mat: Auch der ist
schief.
Der/die/das
mündige Bürger vor der Wahl
In
Wahlen entscheidet das Volk, der Souverän, über seine politische
Zukunft. Sodann nehmen ihm die Parteien im Koalitionsgerangel die
Entscheidung wieder ab. Sie wirken – gemäß GG 21 (1) - bei der
politischen Willensbildung nicht etwa nur mit, sondern fixieren seit
anno ??? ihre parteispezifische Definition des Willens in
einem Koalitionsvertrag. Da zugleich der/die Bundeskanzler/in die
Richtlinien der Politik bestimmt, hängt bei der Willensausübung
nicht wenig von der Person des Mannes oder der Frau an der Spitze ab.
Für den Souverän, den mündigen Bürger, macht das die
Wahlentscheidung etwas einfacher. Es kommt auf die Physiognomie an.
Scholz
oder Laschet? In der letzten Phase vor dem 26. September gewinnt der
von wochenlanger Langeweile bestimmte Wahlkampf noch an Spannung. Mit
Olaf Scholz als freundlichem Kanzlerkandidaten zielt die SPD jetzt
auf die Regierungsübernahme, in welcher Koalition auch immer.
Die von den Umfragen in Depression gestürzte CDU/CSU spielt
Kassandra und warnt vor einem fatalen Linksrutsch – als ob in der
unendlichen Ära Merkel das gesamte System der Bundesrepublik nicht
längst nach „links“ gerutscht wäre. Zur Erläuterung: Auf der
staatstragenden Politachse Rechts-Links entzieht sich „links“
(wie auch „rechts“) einer klaren Definition. Inzwischen ist
„links“ irgendwie identisch mit „grün“ und umgekehrt.
Und „grün“ sind heute irgendwie alle, allen voran die CSU unter
dem wendigen Markus Söder.
Baerbock
is out. Die Grünen haben sich dank Baerbocks geschöntem
Lebenslauf von ihrer schönen Hoffnung, mit Annalena ins Kanzleramt
einzuziehen, verabschieden müssen. Wenn sie jetzt – mit nahezu
absoluter Erfolgsgarantie – „nur noch“ auf
Regierungsbeteiligung zielen, so brächte dies auf der Berliner Bühne
zwar Veränderungen in der Rollenbesetzung, nicht aber im Spielplan.
Denn seit langem, erst recht unter Merkels endloser Intendantur,
werden in Deutschland nur noch grüne Stücke gespielt. Die Themen
wechseln zwischen Apokalpyse und frischer Zukunft, Klimakatastrophe
und Weltrettung, Windrädern, Fachkräften und Ortskräften,
Tempolimit und Tesla, Freiheit und buntem Familienglück.
Wahl-O-Mat
Der
mündige Bürger (m/w/d), der/die/das angesichts der Weltlage, der
Energie-, Klima- und Corona- und Geschlechter-, Geflüchteten- und
sonstigen Krisen, gewisse Zweifel an der umfassenden Weisheit der
grün eingefärbten politischen Klasse hegt, überlegt, welche der
Farbabstufungen – mit roten „Linke“-Einsprengseln („Mieten
runter, Renten rauf!“) – er am 26. September wählen soll.
Als
Orientierungshilfe empfiehlt ihm/ihr/ihm die BpB ihren Wahl-O-Mat.
Laut Selbstbeschreibung ist der Wahl-O-Mat „keine Wahlempfehlung,
sondern ein Informationsangebot über Wahlen und Politik“. Die
Informationen bestehen aus 38 Fragen bzw. Aussagen („statements“),
die mit „stimme“ zu“, „neutral“ oder „stimme nicht zu“
zu beantworten sind. Der /die/das Befragte kann die Fragen aber auch
überspringen. Ganz entgegen der Absicht der politischen
Bildungsexperten ist dies immer dann angezeigt, wenn die
Fragestellung unklar, schief oder geistig zu schlicht erscheint. Das
trifft etwa auf die Hälfte des demokratischen Test- und
Tugendkatalogs zu.
Ob
man für die Beibehaltung einer Fallpauschale für stationäre
Krankenhausbehandlung eintritt oder nicht? Als Covid-Patient kenne
ich mich zwar auf der isolierten Krankenstation aus, nicht aber bei
der Kostenabrechnung, die ich per Versicherungskarte bereits bei der
Aufnahme für erledigt hielt. Ähnlich steht es mit der Frage nach
einer „Umsatzsteuer auch auf digitale Dienstleistungen“. Was und
wie, fragt sich der von seiner Steuererklärung geplagte Laie,
unterscheiden sich digitale Dienstleistungen von analogen oder
handwerklichen Dienstleistungen? Wäre ich FDP-Stammwähler, wäre
ich selbstverständlich gegen jede Art von Steuererhöhung.
Dass
Steuern auch mit „staatliche Preise“ umschrieben werden kann,
erscheint als politbegriffliches Novum:„Der
staatlich festgelegte Preis für den Ausstoß von CO2 beim Heizen und
Autofahren soll stärker steigen als geplant.“ „Ökologische
Landwirtschaft soll stärker staatlich gefördert werden als
konventionelle Landwirtschaft.“ Nicht nur eine Gewissensfrage für
libertär gesinnte FDP-Wähler, sondern für Produzenten und
Konsumenten: Was ist gemäß Brüsseler Bürokratie echt
öko?
Nicht
nur ins Herz der „Linke“- und SPD-Wähler zielt die Frage, ob
„auf hohe Einkommen wieder“ eine Vermögensteuer gelegt werden
soll. Was ist hoch? Eine Frage der Perspektive. Gegen die
Manager-Boni in der Finanzindustrie, wo es weniger um Industrie als
um Milliardenspiele geht, verspüre ich tiefsitzende,
kleinbürgerliche, Ressentiments, auch wenn ich die betreffenden
Profiteure nicht – nicht einmal nur so als Spaß gemeint - gleich
erschießen möchte wie eine „Linke“-Spitzenfrau.
Bei
der Frage nach einem „Austritt aus der EU“ leuchtet das
Alarmsignal auf. Bloß nicht in die Fänge der AfD geraten! Darf ich
fortan auch keine Abneigung gegen die Brüsseler Bürokratie mehr
hochkommen lassen? Die Wahl-O-Maten-Konstrukteure vermeiden die
Frage, wie es mit der EU weitergehen soll? Immerhin propagieren die
Grünen offen den europäichen Bundesstaat.
Dass
Antisemitismus mit mehr Geld zu bekämpfen sei, verdient ein „stimme
zu“. Die Frage bleibt: Wie, und wohin geht das Geld? Etwa auch an
Islamverbände, die künftig „staatlich anzuerkennen“ sind oder
auch nicht, oder lieber „neutral“? Die Verbände, selbst der
allenthalben hofierte minoritäre ZMD, passen nicht so ganz in unser
spezifisch deutsches Rechtsverhältnis von Kirche und Staat.
„Generelles Kopftuchverbot für Beamtinnen?“ Ja, nein, neutral,
Hidschab oder Niqab? Weiterhin Kirchensteuer, implizite demnächst
auch für die erwähnten Islamverbände? Wäre ich FDP-Stammwähler
(s.o.) wüsste ich eine klare Antwort: Nein! Allerdings zahle ich
seit Jahren geduldig meine Kirchensteuer an die Ev. Kirche
Berlin-Brandenburg-Schlesische Oberlausitz, mithin auch an die EKD,
den gesamtgrünen Wahlverein.
Vom
grünen Familiensinn der EKD, personifiziert durch Kathrin
Göring-Eckardt, inspiriert ist die – als „loaded question“ auf
tumbe AfD-Wähler zielende - Frage: „Das Recht anerkannter
politischer Flüchtlinge auf Familiennachzug soll abgeschafft
werden.“ Nicht minder suggestiv lautet „statement“
35: „Asyl soll
weiterhin nur politisch Verfolgten gewährt werden.“ Soll heißen:
Die wegen Armut, Krieg, Klima oder Queerness in die deutsche
Willkommenskultur Flüchtenden/Geflüchteten dürfen von den
hartherzigen Deutschen nicht ausgesperrt werden. Sodann soll noch der
Flugverkehr höher besteuert werden oder auch nicht, schließlich die
Unternehmen über Home office selbst entscheiden oder auch nicht.
Politische
Schonkost
Man
muss nicht bis zum Ende der demokratisch-didaktischen Selbstbefragung
durchhalten, um zu wissen, dass der digitale Wahl-O-Mat nach einem
grünen Programm abläuft. Den politischen Bildungsexperten der
Bundeszentrale ist daraus kein Vorwurf zu machen. Was sie eingespeist
haben, ist die gesamtgrüne Ideologie der Bundesrepublik im Wahljahr
2021.
Mit
den drängenden, komplexen Zukunftsfragen will der Wahl-O-Mat, so
wenig wie die wahlkämpfenden Parteien, die Wähler lieber nicht
belasten. Als da sind: Erhalt der Wirtschaftskraft, sinkendes
Bildungsniveau, Bevölkerungsentwicklung, Rentensystem, Einwanderung
(„Zuwanderung“), politischer Islam und Integration, Zinspolitik
der EZB und Inflation, europäische (!?) Außenpolitik.
Naturgemäß
beschränkt sich das Propagandamenü der Parteien im Wahlkampf auf
geistige Schonkost. Nicht anders der Wahl-O-Mat, der ein grünes
Ratespiel offeriert. Ach ja, da ist noch Frage 15, ob die
Bundesbehörden in Zukunft in ihren Texten gendern sollen? Diese
Frage wird nach dem 26. September den „Wählenden“ abgenommen.
Sie ist in den Koalitionsverhandlungen zu klären.