Freitag, 26. Mai 2017

Politsprech angesichts des Terrors

Zu Weihnachten 2016 in Berlin, vergangene Woche in Manchester, heute in Oberägypten... Wir nehmen nur  noch beiläufig die Opferzahlen zur Kenntnis und sind dabei, uns an den Terror zu gewöhnen (was uns irgendein wise guy sogar empfohlen hat). Aus höherer politischer Einsicht - oder zur besseren Gewöhnung - hat man nach einem Terroranschlag in Russland umgehend darauf verzichtet, als Zeichen des Mittrauerns das Brandenburger Tor in den Nationalfarben des betroffenen Landes  anzustrahlen (wie noch ein paar Wochen zuvor nach einem Anschlag in der Türkei).. Nach dem Schreckensereignis in Manchester konnte/musste man folglich auf den Union Jack zur Illumination am Ende der Berliner Fanmeile verzichten...

Über die Wurzeln des aus dem Kulturraum des Islam aufgebrochenen "islamistischen" Terrors nachzusinnen, ist im Rahmen eines Blog-Artikels nicht möglich. Nur soviel: Wenn im weitesten Sinne die Konfrontation - eine große Anzahl von kulturellen, materiellen und militärischen "clashes" -  zwischen Okzident und Orient (vom Maghreb über Nahost bis zu den Philippinen),  den Nährboden für den derzeit  grassierenden "fundamentalistischen" - ein inadäquates, irreführendes Adjektiv - Terror bereitet hat, so bleibt dessen ungeachtet die Frage an "den Islam" - genauer: an die Vielzahl von Interpreten des Koran und die Wortführer der muslimischen communities, welche Rolle sie der Gewalt in der Botschaft des kriegsgewandten Propheten beimessen.

Mit derartiger Frage erregte der seinerzeitige Pontifex Benedikt XVI. anno 2006 in Regensburg allgemeine Entrüstung. Etwa zur selben Zeit befand auch noch der damalige EKD-Ratsvorsitzende Wolfgang Huber im Blick, das Verhältnis des Islam (Singular) zur Gewalt bedürfe einer Klärung. Inzwischen sind derlei Fragen nicht mehr zu vernehmen - schon gar nicht auf evangelischen Kirchentagen. Solch unziemliche Fragen könnten den interreligiösen Dialog belasten.

Das Wort "Islam" bedeute Frieden, so verkünden fromme Damen - mit oder ohne Kopftuch - in den Talkshows des ewig Gleichen. Es besteht Aussicht, dass derlei religiöse Kurzformel - ohne Querverweis auf die Houellebecquesche Übersetzung ins Französische "soumission" (= Unterwerfung) - demnächst in den Unterrichtsmaterialien für Grundschule und Sekundarstufe I zu finden sein wird.

Denn ungeachtet der Permanenz des Terrors vernehmen wir aus dem Munde unserer christlichen Spitzenpolitiker folgendes: "Im Islam werden viele menschliche Werte wie Gastfreundschaft und Toleranz sehr stark verwirklicht." Diesen gedankenreichen, sprachlich vollendeten Satz formulierte Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) anlässlich des Berliner Kirchentags. Ein paar Tage zuvor reagierte Bundeskanzlerin Merkel auf die Nachricht von dem Massaker in Manchester mit folgenden Worten:  "Mit Trauer und Entsetzen verfolge ich die Berichte aus Manchester. Es ist unbegreiflich, dass jemand ein fröhliches Popkonzert ausnutzt, um so vielen Menschen den Tod zu bringen oder ihnen schwere Verletzungen zuzufügen. - Meine tiefe Anteilnahme gilt allen Opfern und Betroffenen sowie den Angehörigen in ihrer Trauer und Verzweiflung. Dieser mutmaßliche terroristische Anschlag wird nur unsere Entschlossenheit stärken, weiter gemeinsam mit unseren britischen Freunden gegen diejenigen vorzugehen, die solche menschenverachtenden Taten planen und ausführen." Usw. usw.

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