Montag, 29. Mai 2017

Nach der evangelischen Heerschau

Die protestantische Heerschau zu Berlin und in der umbenennungsbedürftigen Lutherstadt Wittenberg ist nun vorüber. Die Bilanz: Good show dank all der aufgebotenen Stars, obenan Obama. Dessen mutmaßlich spesenfreien Auftritt - vor vier Wochen bekam er ein Honorar von 400 000 $ für eine Rede vor Bankern der Wall Street  - am Eröffnungstag zusammen mit Merkel vor dem Brandenburger Tor  kritisierte die SPD als Verstoß gegen das Gleichstellungsgesetz und Wahlkampfhilfe für die CDU. Für Furore im Internet sorgte die zu Jahresbeginn dank ihres privaten Kerosin-Emissionsablasskontos bis an die Datumsgrenze geflogene Reformationsreisende Margot Käßmann mit Äußerungen über die AfD, die anno 2017 einen umgekehrten Arierparagraphen in Deutschland anstrebe. Mit Spannung sieht der Medien und Moral konsumierende, kirchensteuerzahlende Blogger dem von Käßmann gegen Henryk M. Broder angekündigten Prozess wegen böswilliger Fehlzitation entgegen...

Vielleicht waren die Kosten des Spektakels  mit 23 Millionen Euro aus Kirchensteuermitteln sowie zusätzlichen 8 Millionen aus dem Staatssäckel etwas zu hoch. Hätte man das Geld nicht lieber den Armen gegeben - oder zeitgemäß exegetisiert: den "Geflüchteten"? Nein, lautet die evangelische Antwort unter Verweis auf Mk. 14, 7, wo Jesus die Kritik an der vermeintlichen Verschwendung von Alabaster und kostbarem Öl zurückweist. Die Salbung im Hause eines Aussätzigen in Bethanien hatte eine Frau vollzogen, was der zeitgenössischen Exegese vom Umgang mit Steuermitteln entgegenkommen dürfte.

Der Kirchentag (DEK) ist seit je eine evangelikale (dt. Neologismus, übs. aus dem Amerik. evangelical) Erweckung der Massen unter der Regie von theologisch progressiven, nicht- bzw. anti-evangelikalen Kirchenfürsten. Angesichts der massenhaft getragenen orangen Schals, auch T-Shirts,  mutmaßlich in Bangladesh kostengünstig hergestellt (mit der ungegendert eingewebten Aufschrift "Er sieht dich"), hätte  ein ungeübter Beobachter die Großveranstaltungen  auch für eine friedliche Neuinszenierung der bis dato allenthalben gescheiterten orangen Revolutionen halten können. Ein zentrales Thema war in der Tat die anscheinend noch unvollendete semantisch-sexuelle Revolution. Petra Bosse-Huber, Auslandsbischöfin der EKD tat folgendes kund: "Es braucht noch viel theologische Arbeit, um die Bilder auszurotten, dass nach der Bibel Mann und Frau füreinander geschaffen sind." Richtig, Bilder ausrotten will erst mal gelernt sein...

Welch absurde Geistesblüten auf  protestantischen Kirchentagsgefilden gedeihen,  hat Heike Schmoll in ihrem Beitrag ("Ändergender gegen Gott", in: FAZ v. 29.05.2017, S.9) dargestellt. Für das offizielle Liederbuch zum Kirchentag (Auflage 265 000) hat die Hamburger Gruppe "Lesben und Kirche (LuK)" die bekanntesten Kirchenlieder "in gerechter Sprache" umgedichtet. Herausgekommen sind groteske Verballhornungen auf Kosten von Sinn, Rhythmus und Reim ( e.g. "Lobet die Ew´ge" [statt "den Herren"], "O treue Hütrin" usw.) Die Redakteurin erwähnt, dass für Kirchenmusik (ohne pastorale Einlassungen), die jeden Samstag in der Kirche am Berliner Hohenzollernpatz dargeboten wird, von der Kirchenleitung kein Zuschuss zu bekommen ist.

Dass - abzulesen an den Austrittzahlen - mehr und mehr Menschen in diesem unserem Lande der Kirche den Rücken kehren, hat nicht nur damit zu tun, dass im Zeichen der säkularen (Post-)Moderne mehr und mehr Kirchensteuerzahler religiös unmusikalisch geworden sind, sondern weil sie der Selbstsäkularisierung, Selbstinszenierung und Ideologieanfälligkeit der Kirchenoberen  und ihres Bodenpersonals  überdrüssig sind.

P.S. Siehe meinen angehängten Kommentar bezüglich des leider - der Pointe wegen? -
fehlzitierten Mottos.

Freitag, 26. Mai 2017

Politsprech angesichts des Terrors

Zu Weihnachten 2016 in Berlin, vergangene Woche in Manchester, heute in Oberägypten... Wir nehmen nur  noch beiläufig die Opferzahlen zur Kenntnis und sind dabei, uns an den Terror zu gewöhnen (was uns irgendein wise guy sogar empfohlen hat). Aus höherer politischer Einsicht - oder zur besseren Gewöhnung - hat man nach einem Terroranschlag in Russland umgehend darauf verzichtet, als Zeichen des Mittrauerns das Brandenburger Tor in den Nationalfarben des betroffenen Landes  anzustrahlen (wie noch ein paar Wochen zuvor nach einem Anschlag in der Türkei).. Nach dem Schreckensereignis in Manchester konnte/musste man folglich auf den Union Jack zur Illumination am Ende der Berliner Fanmeile verzichten...

Über die Wurzeln des aus dem Kulturraum des Islam aufgebrochenen "islamistischen" Terrors nachzusinnen, ist im Rahmen eines Blog-Artikels nicht möglich. Nur soviel: Wenn im weitesten Sinne die Konfrontation - eine große Anzahl von kulturellen, materiellen und militärischen "clashes" -  zwischen Okzident und Orient (vom Maghreb über Nahost bis zu den Philippinen),  den Nährboden für den derzeit  grassierenden "fundamentalistischen" - ein inadäquates, irreführendes Adjektiv - Terror bereitet hat, so bleibt dessen ungeachtet die Frage an "den Islam" - genauer: an die Vielzahl von Interpreten des Koran und die Wortführer der muslimischen communities, welche Rolle sie der Gewalt in der Botschaft des kriegsgewandten Propheten beimessen.

Mit derartiger Frage erregte der seinerzeitige Pontifex Benedikt XVI. anno 2006 in Regensburg allgemeine Entrüstung. Etwa zur selben Zeit befand auch noch der damalige EKD-Ratsvorsitzende Wolfgang Huber im Blick, das Verhältnis des Islam (Singular) zur Gewalt bedürfe einer Klärung. Inzwischen sind derlei Fragen nicht mehr zu vernehmen - schon gar nicht auf evangelischen Kirchentagen. Solch unziemliche Fragen könnten den interreligiösen Dialog belasten.

Das Wort "Islam" bedeute Frieden, so verkünden fromme Damen - mit oder ohne Kopftuch - in den Talkshows des ewig Gleichen. Es besteht Aussicht, dass derlei religiöse Kurzformel - ohne Querverweis auf die Houellebecquesche Übersetzung ins Französische "soumission" (= Unterwerfung) - demnächst in den Unterrichtsmaterialien für Grundschule und Sekundarstufe I zu finden sein wird.

Denn ungeachtet der Permanenz des Terrors vernehmen wir aus dem Munde unserer christlichen Spitzenpolitiker folgendes: "Im Islam werden viele menschliche Werte wie Gastfreundschaft und Toleranz sehr stark verwirklicht." Diesen gedankenreichen, sprachlich vollendeten Satz formulierte Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) anlässlich des Berliner Kirchentags. Ein paar Tage zuvor reagierte Bundeskanzlerin Merkel auf die Nachricht von dem Massaker in Manchester mit folgenden Worten:  "Mit Trauer und Entsetzen verfolge ich die Berichte aus Manchester. Es ist unbegreiflich, dass jemand ein fröhliches Popkonzert ausnutzt, um so vielen Menschen den Tod zu bringen oder ihnen schwere Verletzungen zuzufügen. - Meine tiefe Anteilnahme gilt allen Opfern und Betroffenen sowie den Angehörigen in ihrer Trauer und Verzweiflung. Dieser mutmaßliche terroristische Anschlag wird nur unsere Entschlossenheit stärken, weiter gemeinsam mit unseren britischen Freunden gegen diejenigen vorzugehen, die solche menschenverachtenden Taten planen und ausführen." Usw. usw.

Donnerstag, 18. Mai 2017

Zum 70. Geburtstag von Michael Wolffsohn

I.
Vorbemerkung:
Der Historiker Michael Wolffsohn feierte in diesen Tagen seinen 70. Geburtstag. Anstelle einer Laudatio, in der die Verdienste Wolffsohns als Stimme der humanen und versöhnenden Vernunft zu würdigen wären, stelle ich eine Buchbesprechung vor, die ich 1991 während des ersten Golfkrieges gegen den irakischen Diktator Saddam Hussein verfasste. Obgleich vor langenJahren erschienen, hat der Text angesichts der kontinuierlich von politischen Erregungswellen erfassten deutschen Gesellschaft nichts an Aktualität eingebüßt. 

 Die Besprechung zu Michael Wolffsohn: "Keine Angst vor Deutschland" (Erlangen-Bonn-Wien 1990) erschien  in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung v.  04.03.1991 unter dem Titel "Der deutsche Michel als Softy".


II.
Am Golf ist Krieg [1991], und die Deutschen begehren, nicht schuld dran zu sein. Eine Erklärung für diese Haltung, in der Friedensbewegte und Bonner Regierende gar nicht so weit entfernt scheinen, findet der Leser in einem Essay von Michael Wolffsohn: „Neudeutsche Außenpolitik oder: Der deutsche Michel als Softy“. Die Deutschen hätten - „süße Früchte der Umerziehung“ durch Uncle Sam – der machtpolitischen Versuchung abgeschworen, was ihnen nun bereits wieder als „Machtvergessenheit“ angekreidet wird.

Die hier publizierten Essays und Fallstudien verfasste Wolffsohn im Jahr der durch die „Deutsche Oktoberrevolution“ wiedergewonnenen Einheit, als das Entsetzen über den angeblichen „deutschen Nationaltaumel“ weithin zum guten linksintellektuellen Ton gehörte. Wolffsohn widerspricht den Kassandra-Rufen: die vielbeschworene Angst der Nachbarn entsprang im wesentlichen der Abneigung der Eliten, den Status quo, die als Stabilitäts-garantie empfundene deutsche Teilung, in Frage zu stellen. Die in Umfragen ermittelte öffentliche Meinung des Auslands – mit Ausnahme Polens – zeigte für eine friedliche Wiedervereinigung überraschend früh und zunehmend Verständnis. Nicht zufällig sank jedoch die Zustimmungsquote in den Vereinigten Staaten in den achtziger Jahren von einer Mehrheit auf nur noch 36 Prozent. Besonderes Interesse verdienen divergierende Reaktionen auf die deutsche Dynamik nach dem Fall der Mauer in Israel sowie in der jüdischen Diaspora. Elie Wiesel, der unter Bezug auf den Holocaust die Wiedervereinigung ablehnte, sprach durchaus nicht im Namen der Juden, wenngleich für eine Mehrheit der amerikanischen Juden.

Zu den eher peinlichen Episoden der „Sanften Deutschen Revolution“ zählt Gregor Gysis wiederholter Appell an die jüdische Welt, die Vereinigung der beiden deutschen Staaten zu verhindern. Aber auch im Westen Deutschlands gedachten Protagonisten wie Günter Grass und Walter Jens, mit dem Auschwitz-Argument die Wiedervereinigung abzuwenden.

Wolffsohn stellt die verquere Logik noch einmal historisch richtig – machtpolitische, nicht moralpolitische Motive diktierten die deutsche Teilung. Sonst im Ton moderat, polemisiert er hier scharf gegen die ideologische Zwecknutzung der „Auschwitz-Keule und des Weimar-Hammers“ durch „Profi-Moralisten“ und „Profi-Historiker“, die von Auschwitz als „Schamschwelle“ reden, dabei „objektiv schamlos, wenngleich subjektiv und gewiß aufrichtig“ den Holocaust als ästhetisches und politisches Kunstmittel verwenden, „Die manipulative Instrumentalisierung von Auschwitz...schändet das Andenken der millionenfachen Opfer nationalsozialistisch-deutscher Schandtaten.“

Mit seinen Thesen erregt Wolffsohn Anstoß: bei den „ganz Rechten“, deren antisemitischen Nerv er trifft, bei den „ganz Linken“, darunter manchen Grünen, deren ständige Warnungen vor der „rechten Gefahr“ er als „Widerstandsspiel der Nachgeborenen“ abqualifiziert, sowie bei manchen jüdischen Glaubensgenossen. Jüdische Amtsträger und „besonders alternative Juden“ fühlen sich durch seine These von der „jüdischen Selbstamputation“ - der Reduktion jüdischer Identität auf den Holocaust – getroffen.

Wolffsohn irritiert seine Kritiker durch sein Selbstverständnis als deutschjüdischer Patriot. Unter Patriotismus versteht er zunächst ganz unpathetisch „die lebenswerte Gestaltung des Vaterlandes nach innen und außen“. Diese Art von Verfassungspatriotismus bezog sich, wie er eingangs selbstkritisch anmerkt, vor der Wende in der DDR lediglich auf den west-deutschen Staat. Erklärlich wird das Selbstzeugnis, wenn Wolffsohn behutsam von seinen „eigentlich nur positiven Lebenserfahrungen in Westdeutschland“ spricht. Im längsten Kapitel des Buches belegt er diese Feststellung mit mehreren Fallstudien zum Thema „Vergangenheitsbewältigung“. Die Bundesrepublik in der Ära Adenauer, so lautet Wolffsohns Fazit, war besser als ihr Ruf, nicht nur im Vergleich zum „Antifaschismus“ in der DDR und zur notorischen Praxis in Österreich. Natürlich weiß auch Wolffsohn, der die unzureichende Strafverfolgung anhand exakter Zahlen belegt, dass die juristische Vergangenheitsbewältigungkein bundesrepublikanisches Ruhmesblatt war. Doch nicht nur die Vialons und Globkes prägten das Gesicht der frühen Bundesrepublik. Namen wie Adolf Arndt, Ernst Benda, Martin Hirsch und Adalbert Rückerl stehen für eine unzweideutige Aufarbeitung der Vergangenheit im westdeutschen Rechtswesen.

Entgegen der von der „westdeutschen Bewältigungslyrik“ gepflegten „Legende von der zweiten Schuld“ konstatiert Wolffsohn anhand historischer Fakten einen fortschreitenden Läuterungsprozess, der lange vor dem großen Aufbruch der achtundsechziger Generation einsetze. Zu Recht bezeichnet er den Publikumserfolg der Neuauflage des „Tagebuches der Anne Frank“ im Sommer 1955 als ein „moralisch-historisches Urereignis“. Ließen 1949 noch 39 Prozent der Westdeutschen antijüdische Einstellungen erkennen, so stieg die Zahl derer, die für eine Bestrafung antisemitischer Aktivitäten eintraten, bis 1958 von 17 auf 46 Prozent. Im Januar 1960 waren es bereits 78 Prozent. Diese Umfrage fiel in jene Welle von Hakenkreuzschmierereien und Grabschändungen 1959/60, die als Zäsur in der politischen Kultur Nachkriegsdeutschlands gelten kann. Die historische Pointe: Gesteuert wurde die antisemitische Kampagne von östlichen Geheimdiensten, wie schon 1970 ein tschechoslowakischer Überläufer aufdeckte.

Nicht zuletzt die klare Haltung maßgeblicher Nachkriegspolitiker, mit Adenauer an der Spitze beförderte den westdeutschen Bewusstseinswandel. Dass der „Alte“ im Sinne deutscher Schuldabtragung konsequent „Geschichtspolitik“ betrieben habe, zeigt Wolffsohn am Beispiel der Wiedergutmachung. Ähnlich hielt sein Nachfolger Erhard den moralisch motivierten Kurs während der Nahostkrise 1964/65, als im Labyrinth von Politik, Waffen, und Moral die Hallstein-Doktrin zu Bruch zu gehen drohte, gegenüber der kühl interessenpolitisch fixierten Linie des Außenministers Schröder.

Die tieferen Quellen seines unzeitgemäßen Patriotismus erschließen sich aus Wolffsohns Reflexionen der Identitätsfrage: „Wer sind wir?“ Da geht es statt der Serienproduktion geschichtspolitischer Platten“ um die Verkettung jüdischer und deutscher Existenz nach Holocaust. „Was sagt man nach einem solchen Urverbrechen? Am besten nichts“ . Ein großes Schweigen, das nichts mit Verschweigen zu tun hat. Im Anschluss an Jaspers´ begriffliche Differenzierung nähert sich Wolffsohn der Schuldfrage als der „deutschen Seinsfrage“: Die politische Schuldfrage bleibt den Deutschen als Volk auferlegt, einzulösen durch ihr Verhältnis zum jüdischen Volk, durch „Judenpolitik“. Gleichwohl: „Schuld ist nicht erblich.“ 
 
Dass die säkularisierte Gesellschaft die metaphysische Schuldfrage nicht ausklammern kann, wird mehrfach angedeutet, nicht zuletzt in der Kritik an „sinnentleerten Schuldritualen“. Wenn Wolffsohn für den 9. November als nationalen Gedenktag des vereinten Deutschlands plädiert, so aufgrund der vielfältigen Bezüge dieses Datums. Dahinter steht auch das Empfinden eines jüdischen Deutschen, der – in seiner Kritik an der gedankenlosen Aneignung von Wörtern wie „Holocaust“ und „Shoah“ - an Friedrich Meineckes Begriff der „deutschen Katastrophe“ erinnert. „Die Katastrophe“ wäre nicht nur im wörtlichen Sinne eine angemessene Übersetzung des hebräischen „Shoah“. Hitlers Krieg, in dem Deutsche die unsäglichen Verbrechen begingen, „war auch eine deutsche Katastrophe“.

Dienstag, 2. Mai 2017

Deutsche Leitkultur: Leistungsfächer Mathematik und Deutsch

Kommt eine Debatte in diesem unserem Lande über eine - real deutsche, real europäische - Leitkultur - doch noch zustande? Als der Merkel-Rivale Friedrich Merz vor Jahren (anno 2009) eine Diskussion über Herkunft und Zukunft des integrationsbeflissenen Einwanderungslandes Deutschland anstoßen wollte, wurde seine Initiative unverzüglich von den Leitungsgremien und ideologischen Zulieferungsbetrieben der bundesrepublikanischen Zivilgesellschaft blockiert. Alle möglichen Geister fühlten sich berufen, das Nachdenken über ein zentrales Thema als "Rückfall in finstere Zeiten", als Wiederbelebung engstirniger, reaktionärer, nationalistischer, völkischer Denkmuster u. dergl. zu perhorreszieren. In Erinnerung geblieben ist eine Verlautbarung der Katholischen Jugend, die sich mit dem Begriff  "deutsche Leidkultur" hervortat. (Das sollte wohl witzig gemeint sein, sofern keine Spätfolge der deutschen Rechtschreibreform.)

Auch Angela Merkel, die zur gleichen Zeit noch kundtat: "Multikulti ist gescheitert", ließ ihren Parteifreund/-feind Merz im Regen stehen. Ende der Debatte. Die Schweigespirale schnappte zu, die immigration en masse dauerte an. Anno 2015 wurde sie in Millionenhöhe verstärkt, weil Merkel - nach plötzlicher Einsicht hinsichtlich der Folgen ihrer Einladung an alle Welt - aus tiefer Sorge vor  "hässlichen Bildern" die bereits umfassend vorbereiteten Grenzkontrollen wieder abblies, um sodann ein zutiefst patriotisches und humanes Bekenntnis abzulegen: Wenn man sie dafür kritisiere, dass ihr Land "ein freundliches Gesicht zeigt, dann  ist dies nicht mehr mein Land". Dixit Merkel. Merkels Manöver wurden von dem Journalisten Robin Alexander in einem beim Publikum höchst erfolgreichen Buch ("Die Getriebenen") offengelegt, ohne dass all dies in der größtmöglichen Koalition im Bundestag oder im gründeutschen Blätterwald  und in den Leitmedien Aufsehen erregte.


Der Wahlbürger fragt sich, ob de Maizières  neuerlicher Vorstoß in der "Bild"-Zeitung zur Definition einer für Neubürger und feministische Kopftücher tragende Neubürgerinnen, Doppelstaatler (sc.- innen),  Greencard-Besitzer(innen) usw. verbindlichen "deutschen Leitkultur" ohne Zutun der Kanzlerin geschehen ist. Schließlich geht´s darum,  im Hinblick auf die Septemberwahlen der AfD ein paar Prozente abzujagen, die womöglich für die Koalitionsarithmetik ausreichen.Rechenexempel:
Merkel 35 % + Göring-Eckardt/Özdemir 6% + Lindner 7% = ? (Lösung: Jamaika).

Es könnten für Merkel auch ein paar Prozente weniger sein - eine Problemstellung, die sodann als Testfrage fürs Abitur - wahlweise in den Fächern Sozialkunde oder Mathematik - im föderalen Bildungssystem tauglich wäre. Herausgefordert durch de Maizières Provokation fühlt sich insbesondere die Grüne Jugend. Ihr Bundessprecher und - ihre B-in entrüsten sich über de Maizières Werbespruch ("Wir sind nicht Burka"):  "Wir sind nicht Lederhose". Richtig: Züchtige Beinkleider könnten demnächst ein bundesrepublikanisches Kontroversthema abgeben.

Aus der junggrünen Erklärung verdienen folgende Kernsätze Beachtung:
2. Das Leistungsprinzip macht krank und verdient keinen Stolz. Ein gutes Zusammenleben kommt ohne Burn-out, Leistungsdruck und Ellbogenmentalität aus.
3. Die Lehren aus der deutschen Geschichte und der Schoah sind universell. Niemals kann etwas wie deutscher Nationalstolz auf den Gräueltaten des nationalsozialistischen Deutschlands aufgebaut werden.
Lerneifer ist den Junggrünen nicht abzusprechen.  Der erste Satz aus These 3) dürfte indes weder in der Volksrepublik China  noch unter bildungshungrigen Migrantenkindern ohne pädagogische Anstrengung zu vermitteln sein. Der zweite Satz in 3) eignet sich in deutschen Gesamtschulen zur Demonstration von Stilblüten.

Wenn die Grünen sich demnächst in Umfragen der Fünf-Prozent-Grenze nähern sollten, so verdanken sie dies den schulischen Leistungen ihrer Grünen Jugend im Fache "Deutsch (für die schon länger Hierlebenden)".