Samstag, 10. September 2016

Was uns lieb und teuer ist

I.
Bei der Kanzlerin aus der Uckermark ("Ich als Physikerin") weiß der citoyen fédéral nie, was sie als nächste Überraschung fürs Volk - für die "Menschen in diesem Lande" - in ihrem Sprechbaukasten hat. Nach dem für sie wenig beglückenden Wahlergebnis vom 4. September, welches innerhalb der classe politica e affermativa Spekulationen über ihr künftiges Schicksal - und ihren Platz in der Geschichte - auslöste, hielt es sie - und/oder ihr grünchristliches Küchenkabinett - für geraten, patriotische, nein: deutschnationale, geradezu völkische Töne anzuschlagen. Sie versprach dem vom ungebremsten Zustrom - bis dato in diesem Jahr bereits über 500 000, bis Jahresende etwa 700 000 - von Migranten/refugees/"Geflüchteten" (jüngster terminus purus) aufgeschreckten Wahlvolk: ""Deutschland wird Deutschland bleiben, mit allem, was uns lieb und teuer ist" (dixit Merkel, nicht Courths-Mahler).

Die Kanzlerin richtet sich in ihrer Haushaltsrede offenbar diesmal an "uns", die steuerzahlende Mehrheit. Sie verzichtet  darauf, von den neuesten Neubürgern Loyalität "zu diesem Lande" zu verlangen - eine Zumutung, die sie unlängst an Erdgans Migrantengemeinde aus Anatolien richtete. Richtig,  es geht es um "alles, was uns lieb und teuer ist". Da mögen einige nichtmigratorische Bewohner des Landes (Ethnobürger, Autochthone, Biodeutsche) sentimentale Vorstellungen von deutschem Wald, deutschen Denkern, deutscher Dichtung und Musik hegen, sofern diese nicht längst von jüngeren Kulturträgern wie "Jennnifer Rostock", "Thor´s Sturmgewitter", "Tote Posen" o. ä. verdrängt sind.

II.
Damit "wir Menschen in diesem Lande" nicht derlei verdächtigen Stimmungen verfallen, hat die Zivilgesellschaft gewisse Kontrollmechanismen bereitgestellt, bekannt unter dem aus Übersee importierten Label political correctness. Als bedeutendste Trägerin zivilreligiöser Rechtgläubigkeit, zugleich als Vermittlern der richtigen alt- und neudeutschen Sentiments versteht sich seit langem die EKD. Für das Lutherjahr 2017 wird der spätmittelalterliche Heros von Restbeständen nationalhistorischer Größe gereinigt, die feste Burg des trotz Reichsacht reichs- und kaisertreuen Dichters wird von Margit Käßmann aus Liebe zu Suleiman dem Prächtigen (a.k.a. Solyeman Kanonyi)  geschleift, des Reformators evangelische, protestantisch belastende Botschaft wird durch Verweise auf seine rabiate Polemik und auf seine noch übleren Alterspamphlete ins Fegefeuer protestantischer Schuldhaftigkeit befördert.


Vor den zeitgenössischen Aktivisten der protestantischen Inquisition ist selbst Johann Sebastian Bach, "der fünfte Evangelist", nicht mehr sicher. Was sich derzeit in der Geburtsstadt des frommen Thomaskantors abspielt, hat am 4. September 2016 Michael Klonovsky in seinen acta diurna festgehalten: http://www.michael-klonovsky.de/acta-diurna. Zur Erhellung der deutschen Zustände. empfiehlt der Blogger  seinem treuen Publikum den entsprechenden Tagebucheintrag  .

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