I.
Zu den freiheitsichernden Einrichtungen der parlamentarische Demokratie, so steht es in den Lehrbüchern, gehört das Wechselspiel von Regierung und Opposition. In einer Großen Koalition, wie wir sie seit zig Jahren in der Bundesrepubik Deutschland erleben, fällt die Oppositionsrolle im Parlament naturgemäß schwächer aus, was wiederum das Regieren leichter macht. Mehr noch, in der Ära Merkel beoabachten wir eine Art Allparteienkoalition, die von den formal als Oppositionspartei fungierenden Grünen (und ihren medialen Followern/followers/Metagonist_inn*?!en) inspiriert und/oder dirigiert wird. (Die "Linke" ist zu vernachlässigen, so sehr sich die Truppe um Gregor Gysi, Ulla Jelpke und Katja Kipping bei ihren medialen Auftritten auch anstrengen mag.)
Die Erkärung dafür ist einfach: Kein Mensch in Deutschland, schon gar kein Politiker (m.), möchte als unökologisch, menschenverachtend und/oder den Menschenrechten (in breitestmöglicher Ausformung) abgeneigt, kurz unmenschlich und/oder undemokratisch erscheinen. Jeder ist ipso facto grün, jede sowieso. Die deutsch-demokratisch sozialisierte CDU-Kanzlerin Angela Merkel hat diese bundesrepublikanische Grundbefindlichkeit etwa ab anno 1990 erkannt und zur Maxime ihrer Politik gemacht. Nicht von ungefähr zielt sie für 2017 auf eine schwarz-grüne Koalition unter ihrer Ägide.
Wo keine reale Opposition im Parlament anzutreffen ist - von halbherzigen CSU-schwesterparteilichen Widerreden aus der bayerischen Landeshauptstadt einmal abgesehen -, fällt die Rolle der Opposition den verachtenswerten - und eben darum allseits verachteten - Populisten zu. Populisten genießen einen schlechten Ruf, obwohl der irgendwie lateinisch klingende Begriff aus den USA kommt und bis vor ca. drei Jahren hierzulande bis auf ein paar Politologen oder Lehrstuhlinhabern für US-amerikanische Geschichte noch unbekannt war. Wer hat in diesem unseren Lande je von Tom Watson oder Huey Long gehört? William Jennings Bryan? (Bundesrepublikanische Geschichtskenntnisse reichen trotz Christopher Clarks Bestseller allenfalls bis zum irgendwie mißglückten "Griff nach der Weltmacht" zurück, gründen im wesentlichen auf ein bißchen Weimar, auf dem Nazismus und auf 1968.)
Es gibt naturgemäß fast nur rechte Populisten, dazu ein paar linke wie Sarah Wagenknecht und ihren Saarländer Gatten, die aber nach wie vor für die "Linke" unentbehrlich erscheinen. Der "Linke"-MdB Gregor Gysi gehört seit einiger Zeit nicht mehr zu den Populisten.
II.
Wo es keine nennenswerte parlamentarische Opposition gibt, kommt unerwünschter Widerspruch nur noch von ein paar selbständig Denkenden innerhalb und außerhalb der All-Parteienkoalition. Der grüne Oberbürgermeister von Tübingen Boris Palmer, als Sohn eines schwäbischen Querkopfes aus dem Remstal bei den Grünen einst hochgeschätzt, gehört zu den wenigen, die frühzeitig die Grenzen - und den inhärenten Widersinn - der von Merkel inaugurierten, von einem jugendfrohen Jubelchor begleiteten "Willkommenskultur" erkannt haben. Mit seinen Überlegungen zu den Grenzen unbegrenzter Migration - er argumentiert als Mathematiker - stößt er überall dort, wo gründeutsche Emotionen die Analyse ersetzen, auf Unverständnis, gepaart mit moralischer Entrüstung. (S.: https://herbert-ammon.blogspot.de/2015/10/grune-stimme-der-vernunft-ii-boris.html. Zum Dauerthema verfehlter gründeutscher Politik in der Ära Merkel s.a.: H.A..http://www.globkult.de/politik/deutschland/1057-fluechtlingsstroeme-einspruch-gegen-die-leichthaendige-behandlung-eines-schwierigen-themas;
Zu den wenigen anderen Stimmen der Vernunft, die in der von der größtmöglichen Merkel-Koalition ausgelösten "Flüchtlingskrise" Widerspruch gegen naive - oder geplante? - Planlosigkeit eingelegt haben, gehört der Theologe und Philosoph Richard Schröder, ehedem SPD-Fraktionsvorsitzender der letzten (und ersten frei gewählten) Volkskammer der DDR. (Zur Erinnerung: Innerhalb der wiedervereinten SPD kam er seinerzeit in den 1990er Jahren als Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten nicht zum Zug.) Im Herbst 2015 wandte er sich gegen eine Politik, welche die von der für politisches Handeln grundlegenden Unterscheidung von herzensreiner Gesinnung und der Pflicht zur Verantwortung für die res publica ignorierte. (S. https://herbert-ammon.blogspot.de/2015/11/richard-schroder-eine-evangelische.html
Schröders jüngster Aufsatz mit dem Titel "Was wir Migranten schulden - und was nicht" zerlegt in präziser Analyse die von Begriffsverwirrung, gutgemeintem Aktivismus und Realitätsverweigerung geprägte Debatte um "Flüchtlinge" , "Migration", "Integration" - und "Leitkultur" ("...ob das nun Leitkultur oder sonst wie genannt wird"). Nahezu jeder Passus seines Artikels (in der FAZ v. 15.08.2016, S.6 http://www.faz.net/aktuell/politik/die-gegenwart/fluechtlingskrise-was-wir-migranten-schulden-und-was-nicht-14387586.html) erscheint zitierwürdig, u.a. die Kritik an der "zivilgesellschaftlichen" Organisation Oxfam: "Das Argument [von Oxfam], arme Länder würden viel mehr Flüchtlinge aufnehmen als reiche, ist doppelt schief. Arrm und reich macht hier nicht den Unterschied, sondern Nähe und Ferne." Schröder korrigiert auch die von Oxfam propgagierte "Lösung", die Flüchtlinge hierher zu holen. Von dem Geld, das wir monatlich für jeden Migranten ausgeben, könnte in den Herkunftsländern fünfzig Menschen geholfen werden.
Unter Bezug auf das in unserer Kultur eingewurzelte Bild des barmherzigen Samariters verweist Schröder auf die notwendige Unterscheidung von Barmherzigkeit und Gerechtigkeit. Hätte der Samariter auf seinem Wege nicht einen Elenden, sondern ein oder zwei weitere Opfer vorgefunden, wäre er an die Grenzen seiner spontanen Hilfsbereitschaft gestoßen.
Barmherzigkeit zeichnet den Einzelnen als Menschen aus. "Der Staat aber darf nicht barmherzig sein, weil er gerecht sein muss. Er muss nach Regeln verfahren und die Folgen bedenken. Wenn er Ausnahmen machte, wäre er korrupt." Fazit: "Der Ausdruck ´Willkommenskultur´ war und ist irreführend."
Allen Lesern von "Globkult" sei der Aufsatz empfohlen, darüberhinaus all
jenen, die sich aus christlicher Nächstenliebe unterschiedslos als Träger der "Willkommenskultur" betätigen. Ob Schröder unter protestantischen Protagonisten unbefleckter Gesinnungsethik Gehör findet, muß offen bleiben. (Zur frommen Denkungsart siehe bspw.: https://herbert-ammon.blogspot.de/2015/09/von-elend-und-streben-nach-gluck-in-der.html ) Immerhin hat inzwischen auch der EKD-Ratsvorsitzende Bedford-Strohm erkannt, dass "wir nicht alle aufnehmen können", oder so ähnlich.
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