I.
Der Blogger hatte sich mit einem Kollegen zu einem Besuch des DHM (Deutsches Historisches Museum) im Schlüterschen Zeughaus verabredet, wo eine Sonderausstellung zu "Königgrätz" (s. https://herbert-ammon.blogspot.de/2016/07/koniggratz-notizen-zu-einem-vergessenen.html) zu sehen ist. Das Foyer des DHM hat seit der Eröffnung anno 2006 eine kräftige Umgestaltung erlebt. Längst hat man das großflächige Tableau, auf dem die seit Auflösung des Römischen Reiches variierenden Grenzen Europas sowie in dessen Zentrum (nicht ganz fehlerfrei (s. H.A.: DHM-Selbstbild einer Nation ohne Eigenschaften http://themen.iablis.de/2006/ammon06.html) aufleuchteten, aus der Eingangshalle entfernt. Die Einführung in die historisch-politische Kartographie findet nunmehr zu Beginn des Rundgangs auf einer Wand in der ersten Etage statt.
Den Besucher begrüßen am Eingang stattdessen zur Rechten die Statue des Reichsgründers Bismarck (sitzend), zur Linken eine gewaltige Bronzeplastik des Revolutionärs Lenin (stehend; von deutschen Truppen anno 1941 vor Leningrad geraubt und durch Zufall vor dem Einschmelzen zwecks Kanonenherstellung bewahrt) sowie ein noch monumentalerer Recke des Dritten Reiches (schreitend; laut Erklärung nicht von Arno Breker). Im oberen Stockwerk fällt der Blick auf die von Albrecht Dürer 1514 gemalten Kaiserporträts Karls d. Gr. und Sigismunds (1411/33-1437), daneben das mächtige Steinrelief des fränkischen Imperator Romanorum.
Weitere Exponate und Erläuterungen zum Frankenreich sucht man im DHM derzeit vergebens. Stattdessen setzt - mutmaßlich unter dem Aspekt des interkulturellen Dialogs - die (n.b.!) deutsche Geschichte jetzt gleich mit den Kreuzzügen ein. Auf dem Richtung Königgrätz verfolgten Weg durch die Jahrhunderte verweilen die beiden Besucher einen Augenblick beim Zeitalter der Entdeckungen. Eindrucksvoll ragt neben Martin Behaims Globus von 1492 ein ca. drei Meter hohes, verziertes Steinkreuz auf. Derlei Kreuze wurden von den Portugiesen auf ihrer Suche nach dem Seeweg nach Indien entlang der Küsten Afrikas errichtet und dienten als nautische Merkzeichen auf der Route zum Kap und darüber hinaus. Das Kreuz im DHM stand in der Gegend von Swakopmund und wurde zu kaiserlichen Kolonialzeiten von Südwestafrika nach Deutschland gebracht.
Auf der erklärenden Tafel wird der Besucher vermittels eines pädagogischen Fragekatalogs belehrt: Wohin gehören derartige, von ihrem originalen Standort entfernte historische Monumente? Nicht doch an den angestammten Ort, von wo sie von den Kolonialherren abtransportiert wurden? Wer kommt eigentlich als der rechtmäßige Eigentümer in Frage - das Land Portugual, der junge Staat Namibia oder die Bundesrepublik als Nachfolgerin des Deutschen Reiches? Keine Frage, es geht um unser historisches Gewissen (als Deutsche). - Was den zweieinhalb Meter hohen Lenin im Foyer betrifft, ist die Frage des richtigen Ortes und des rechtmäßigen Besitzes zur Zeit offenbar irrelevant.
II.
Die Erwartung, im Zentrum des Deutschen Historischen Museums eine dem deutschen - oder deutsch-deutschen und/oder deutsch-österreichischem - Schicksalsdatum angemessene, umfangreiche Ausstellung zu sehen, wird enttäuscht. Über die Details des preußisch-österreichischen Zwists um die erst 1864 im Deutsch-Dänischen Krieg gewonnenen Herzogtümer Schleswig, Holstein und Lauenburg erfährt man nur wenig. Der von Bismarck inszenierte Streit um Reformen im Deutschen Bund - die provokante Forderung nach einer gewählten Nationalvertretung - wird nicht weiter expliziert.
Zu betrachten sind die Bilder der Kontrahenten - links Bismarck, sein König Wilhelm I., dazu Roon und Moltke, gegenüber der österreichische Staatsminister Anton von Schmerling (1861-1865) -, die schlachtentscheidende Bewaffnung (modernes Zündnadelgewehr contra antiquierten Vorderlader) sowie mitten im Raum die mächtige Statue einer trauernden Germania.
Wir erfahren etwas über die Schlacht von Kissingen, weniger über die von Langensalza und die Rolle der hannöverschen Welfen im österreichischen Exil. Die historischen Schlußfolgerungen des deutsch-deutschen Krieges bleiben dem Betrachter überlassen. Vielleicht ist das auch gut so.
III.
Vor einem der Bilder auf dem Weg zur Reichsgründung - war´s die trotzige Germania mit blankem Schwert? - kommen wir ins Gespräch über die deutschen Zustände - damals und heute. Beiläufig fragt mich mein Kollege, ob ich über das jüngste "event" in Straßburg im Bilde sei. Laut - spärlichen - Medienberichten stach ein naturgemäß psychisch gestörter jüngerer Mann auf der Straße einen etwa Sechzigjährigen nieder, von dessen Kippa auf dem Kopf er sich provoziert fühlte. Es war zu erfahren, dass derselbe Mann bereits vor fünf Jahren in einem ähnlichen Anfall geistiger Erregung, womöglich aus überschießender Religiosität, einen anderen Mitmenschen mit einer Eisenstange traktiert hatte. Meinem Informationsbedürfnis war die Gewalttat in Straßburg entgangen, womöglich hatte ich die Sache unter "Vermischtes" überlesen. Oder die der Aufklärung des Bürgers/der Bürgerin verpflichteten Medien hatten es für ratsam gehalten, den Vorfall niedrig zu hängen...
An diesem Punkt gesellte sich entschuldigend ein Herr von Anfang vierzig hinzu. Er stellte sich als promovierter Unternehmer aus der Umgebung von Frankfurt am Main vor. Mit seiner aus Brasilien stammenden Lebensgefährtin wollte er das im DHM präsentierte historische Selbstbild der Deutschen betrachten. Jetzt hakte er sich in das Gespräch über die reduzierte Berichterstattung bei heiklen Ereignissen ein. Seit langem ärgere er sich über den Merkel-frommen Konformismus in der gesamten Medienlandschaft, nicht zuletzt in der FAZ. Völlig abwegig sei etwa das Interview zum Thema "Islam und Migration" gewesen, das unlängst FAZ-Redakteure mit Berlins Regierendem Bürgermeister Michael Müller und der Stellvertretenden Sprecherin Sawsan Chebli im AA (s. https://herbert-ammon.blogspot.de/2016/08/kurze-orientierungshilfe-der-weg-zu-gott.html geführt hätten. Unwidersprochen hätte die als Sprecherin der "Muslime in der SPD" fungierende Chebli kritische Vorbehalte gegen den Islam als Religion unter "Rassismus" rubrizieren dürfen. Über den richtigen Gebrauch des Begriffs könne sie seine dunkelhäutige Freundin aufklären. Diese, seit Jahren in Deutschland lebend, erfahre erst jetzt, seit dem Zustrom von "Flüchtlingen" aus aller Welt, fragende, zuweilen ablehnende Blicke, zuvor nie....
Eine ernstzunehmende Opposition zum Zickzack-Kurs Merkels - in beliebigen zentralen Fragen - sei innerhalb der politischen Klasse nicht existent. Vor diesem Hintergrund habe er in seiner Stadt eine Parteiversammlung der AfD besucht, wo er zwei angesehene ehemalige CDU-Leute antraf. Er selbst habe zuvor schon das Parteiprogramm der AfD studiert, darin aber nur Konzepte aus den 1980er Jahren gefunden. Dennoch... Vor dem Lokal hatten sich etwa 15jährige Schüler aufgebaut, die ihm trutzig ihr Schild mit der Kampfparole "Vielfalt statt Einfalt!" ( s.auch:https://herbert-ammon.blogspot.de/2016/04/durch-einfalt-zur-vielfalt.html) entgegenhielten. Unter Hinweis auf Funktion und Karriere bat er einen der jungen Protestierer um eine Definition des Begriffs "Einfalt". - Verlegenes Stottern, dann Schweigen...
IV.
Vor zwei Wochen, als sich die Ouvertüre zur epochalen "Flüchtlingskrise" erstmals jährte, machte selbst die staatstragende Wochenzeitung Die Zeit mit großem Titel "Als Deutschland die Kontrolle verlor..." und umfangreicher Chronologie im Mantel auf. Den stets moralischen und weltoffenen Hamburger Protagonisten der "Willkommenskultur" war offenbar die unfreiwillige Pointe ihres Titels entgangen: Nicht "Deutschland" hatte die Kontrolle verloren, sondern eine Regierung, die seit langen Jahren ihren grundgesetzlichen Regierungsauftrag mit alle Welt frappierender Nonchalance exerziert.
À propos Königgrätz: Vielleicht wird noch in diesem Jubiläumsjahr die historische Malaise der gewöhnlich zu füllig geratenen Dame Germania durch beherztes politisches Vorgehen Österreichs behoben.
Samstag, 27. August 2016
Freitag, 19. August 2016
Zum Tode von Ernst Nolte
I.
In der gestrigen ARD-Tagesschau wurde die Nachricht vom Tode Ernst Noltes erwartungsgemäß mit Vokabeln wie "der umstrittene Historiker" und "Vordenker der Neuen Rechten" bedacht. Des weiteren wurde der Bericht von Wolfgang Benz kommentiert, der Nolte erneut als Protagonisten eines verhängnisvollen Revisionismus kennzeichnete. Die Bücher des Verstorbenen reichten nicht an die Maßstäbe seriöser Forschung heran. Punkt.
Eine vorurteilsfreie Würdigung des Werkes des Historikers Nolte - er begriff seine Arbeiten als die eines Geschichtsdenkers - scheint in Deutschland noch immer kaum möglich. Immerhin liegt mit der Biographie von Siegfried Gerlich ein Buch vor, an dem auch ideologische Gegner des Verstorbenen keine "revisionistische" Spur finden können. Und es entbehrt nicht der Ironie, dass der Begriff des "Weltbürgerkriegs" im 20. Jahrhundert heute in allen Feuilletons ohne Bezug auf seinen Urheber Nolte (im Schlußkapitel des "Europäischen Bürgerkriegs") gehandelt wird.
Ich selbst hege gewisse Vorbehalte gegen Noltes Deutung des nazistischen Judenmords. Bedurfte es - trotz aller chronologischen Evidenz - erst der mörderisch-revolutionären Praxis der Bolschewiki, um die Mordinstinkte im nazistischen "Radikalfaschismus" (Nolte) freizusetzen? Zudem hat - aus meiner Sicht - Nolte in seiner Fixierung auf die totalitären Antagonisten im "Europäischen Bürgerkrieg" die gegen all die anderen "Minderwertigen" gerichtete, darwinistisch begündete Rassenideologie der Nationalsozialisten unterbewertet. Auch scheint mir der wertneutrale Faktor "Macht" - etwa in den so beliebigen wie zweckrationalen Konstellationen und Allianzen seit der Geburtshilfe des Ancien Regime für die (gemäß Nolte) "linke" Amerikanische Revolution bis hin zu den Weltkriegen - in Noltes auf die Macht der Ideologien gerichteten Reflexionen nicht hinreichend gewichtet. Womit ich wenig anfangen kann, ist Noltes Definition des Faschismus als des "Angriffs auf die praktische Transzendenz" bzw. auf das - aus dem Heidegger-Seminar entlehnte - eînai. Mir hat nie ganz eingeleuchtet, dass das von den beiden totalitären Bewegungen attackierte "Liberale System" eben dessen Ausdruck sei.
II.
Anstelle eines Nachrufes auf den im deutschen Krisenjahr 1923 geborenenen Historiker stelle ich nachfolgend einen Artikel vor, den ich anläßlich des 90. Geburtstags Ernst Noltes für die "Junge Freiheit" schrieb ("Einheit oder Vielfalt" in: JF 04/18.01.2013). (Ergänzend verweise ich auf meine Rezension von Noltes 2006 erschienenen Buches "Die Weimarer Republik. Demokratie zwischen Lenin und Hitler", in: JF 41/06.10.2006 https://jungefreiheit.de/service/archiv .)
III.
Am 11. Januar beging Ernst Nolte seinen 90. Geburtstag. Der andernorts hochgeehrte, in Deutschland jedoch verfemte Geschichtsdenker wurde in der Jungen Freiheit gewürdigt, ebenso in der FAZ. Auch dort wird der akademisch-medial genährte Argwohn gegen Nolte klar abgewiesen. Anders als der Frankfurter Sozialphilosoph Jürgen Habermas, der anno 1986 den absurden „Historikerstreit“ eröffnete, war Nolte in Jugendjahren gegen die Suggestionen des Nazismus gefeit. Wenn es ihm in oft eigenwilligen Zuspitzungen darum ging, „Auschwitz verstehbar“ zu machen, so gehörte Nolte trotz seines Festhaltens am „Prius“ des Klassenmordes der Bolschewiki und dem „kausalen Nexus“ nie zu den Verharmlosern, geschweige denn Leugnern des NS-Rassenmordes. Im Gegenteil: In spezifischer Denkweise verficht Nolte die These von der „Einzigartigkeit“ der NS-Verbrechen.
Hier ist nicht der Ort, die unendliche Debatte fortzusetzen. Angemerkt sei, daß die parallel zur Aufhebung des Nationalstaats sowie zur „multikulturellen“ Transformation betriebene Fixierung auf die historische Schande der Deutschen als Volk dem vermeintlich auf Freiheit und Gleichheit aller Individuen gerichteten linksliberalen Universalismus entgegensteht.
Übersehen wird von Noltes Feinden zudem, daß auch ihm im Ausblick auf das 21. Jahrhundert eine in partikularer Vielfalt geeinte Menschheit vor Augen steht. Das „linke“ Prinzip des Universalismus und dessen „rechte“ Negation, der Partikularismus, kämen am Ende zu einer friedlichen Synthese. Das Vehikel dieser Bewegung sieht Nolte in der Globalisierung.
Nicht im Einklang mit derlei Friedensvisionen stehen anno 2013 die weltpolitischen Fakten. Partikularismen, Machtansprüche, Antagonismen bestehen fort. Siehe Nahost: Wer will, wer vermag das Konfliktknäuel aufzulösen? Amerika, die EU, Israel, die Türkei? Daß die USA Universalismus mit Eigeninteresse verknüpfen, ist historisch nichts Neues. Ob die EU durch „noch mehr Einheit“ (Schäuble, Habermas etc.) Ungleichgewichte und Interessendivergenzen ausgleichen kann, ist die eine Frage; wie sie sich als Machtgebilde im globalen Spiel behaupten würde, die andere. Über die Projektionen der kapitalistisch erstarkten Han-Chinesen dürfen wir spekulieren. Und Rußland wird sich auch fürderhin westlichen Zumutungen nicht einfach fügen.
Mittwoch, 17. August 2016
Die reale Opposition: Stimmen der Vernunft (III)
I.
Zu den freiheitsichernden Einrichtungen der parlamentarische Demokratie, so steht es in den Lehrbüchern, gehört das Wechselspiel von Regierung und Opposition. In einer Großen Koalition, wie wir sie seit zig Jahren in der Bundesrepubik Deutschland erleben, fällt die Oppositionsrolle im Parlament naturgemäß schwächer aus, was wiederum das Regieren leichter macht. Mehr noch, in der Ära Merkel beoabachten wir eine Art Allparteienkoalition, die von den formal als Oppositionspartei fungierenden Grünen (und ihren medialen Followern/followers/Metagonist_inn*?!en) inspiriert und/oder dirigiert wird. (Die "Linke" ist zu vernachlässigen, so sehr sich die Truppe um Gregor Gysi, Ulla Jelpke und Katja Kipping bei ihren medialen Auftritten auch anstrengen mag.)
Die Erkärung dafür ist einfach: Kein Mensch in Deutschland, schon gar kein Politiker (m.), möchte als unökologisch, menschenverachtend und/oder den Menschenrechten (in breitestmöglicher Ausformung) abgeneigt, kurz unmenschlich und/oder undemokratisch erscheinen. Jeder ist ipso facto grün, jede sowieso. Die deutsch-demokratisch sozialisierte CDU-Kanzlerin Angela Merkel hat diese bundesrepublikanische Grundbefindlichkeit etwa ab anno 1990 erkannt und zur Maxime ihrer Politik gemacht. Nicht von ungefähr zielt sie für 2017 auf eine schwarz-grüne Koalition unter ihrer Ägide.
Wo keine reale Opposition im Parlament anzutreffen ist - von halbherzigen CSU-schwesterparteilichen Widerreden aus der bayerischen Landeshauptstadt einmal abgesehen -, fällt die Rolle der Opposition den verachtenswerten - und eben darum allseits verachteten - Populisten zu. Populisten genießen einen schlechten Ruf, obwohl der irgendwie lateinisch klingende Begriff aus den USA kommt und bis vor ca. drei Jahren hierzulande bis auf ein paar Politologen oder Lehrstuhlinhabern für US-amerikanische Geschichte noch unbekannt war. Wer hat in diesem unseren Lande je von Tom Watson oder Huey Long gehört? William Jennings Bryan? (Bundesrepublikanische Geschichtskenntnisse reichen trotz Christopher Clarks Bestseller allenfalls bis zum irgendwie mißglückten "Griff nach der Weltmacht" zurück, gründen im wesentlichen auf ein bißchen Weimar, auf dem Nazismus und auf 1968.)
Es gibt naturgemäß fast nur rechte Populisten, dazu ein paar linke wie Sarah Wagenknecht und ihren Saarländer Gatten, die aber nach wie vor für die "Linke" unentbehrlich erscheinen. Der "Linke"-MdB Gregor Gysi gehört seit einiger Zeit nicht mehr zu den Populisten.
II.
Wo es keine nennenswerte parlamentarische Opposition gibt, kommt unerwünschter Widerspruch nur noch von ein paar selbständig Denkenden innerhalb und außerhalb der All-Parteienkoalition. Der grüne Oberbürgermeister von Tübingen Boris Palmer, als Sohn eines schwäbischen Querkopfes aus dem Remstal bei den Grünen einst hochgeschätzt, gehört zu den wenigen, die frühzeitig die Grenzen - und den inhärenten Widersinn - der von Merkel inaugurierten, von einem jugendfrohen Jubelchor begleiteten "Willkommenskultur" erkannt haben. Mit seinen Überlegungen zu den Grenzen unbegrenzter Migration - er argumentiert als Mathematiker - stößt er überall dort, wo gründeutsche Emotionen die Analyse ersetzen, auf Unverständnis, gepaart mit moralischer Entrüstung. (S.: https://herbert-ammon.blogspot.de/2015/10/grune-stimme-der-vernunft-ii-boris.html. Zum Dauerthema verfehlter gründeutscher Politik in der Ära Merkel s.a.: H.A..http://www.globkult.de/politik/deutschland/1057-fluechtlingsstroeme-einspruch-gegen-die-leichthaendige-behandlung-eines-schwierigen-themas;
Zu den wenigen anderen Stimmen der Vernunft, die in der von der größtmöglichen Merkel-Koalition ausgelösten "Flüchtlingskrise" Widerspruch gegen naive - oder geplante? - Planlosigkeit eingelegt haben, gehört der Theologe und Philosoph Richard Schröder, ehedem SPD-Fraktionsvorsitzender der letzten (und ersten frei gewählten) Volkskammer der DDR. (Zur Erinnerung: Innerhalb der wiedervereinten SPD kam er seinerzeit in den 1990er Jahren als Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten nicht zum Zug.) Im Herbst 2015 wandte er sich gegen eine Politik, welche die von der für politisches Handeln grundlegenden Unterscheidung von herzensreiner Gesinnung und der Pflicht zur Verantwortung für die res publica ignorierte. (S. https://herbert-ammon.blogspot.de/2015/11/richard-schroder-eine-evangelische.html
Schröders jüngster Aufsatz mit dem Titel "Was wir Migranten schulden - und was nicht" zerlegt in präziser Analyse die von Begriffsverwirrung, gutgemeintem Aktivismus und Realitätsverweigerung geprägte Debatte um "Flüchtlinge" , "Migration", "Integration" - und "Leitkultur" ("...ob das nun Leitkultur oder sonst wie genannt wird"). Nahezu jeder Passus seines Artikels (in der FAZ v. 15.08.2016, S.6 http://www.faz.net/aktuell/politik/die-gegenwart/fluechtlingskrise-was-wir-migranten-schulden-und-was-nicht-14387586.html) erscheint zitierwürdig, u.a. die Kritik an der "zivilgesellschaftlichen" Organisation Oxfam: "Das Argument [von Oxfam], arme Länder würden viel mehr Flüchtlinge aufnehmen als reiche, ist doppelt schief. Arrm und reich macht hier nicht den Unterschied, sondern Nähe und Ferne." Schröder korrigiert auch die von Oxfam propgagierte "Lösung", die Flüchtlinge hierher zu holen. Von dem Geld, das wir monatlich für jeden Migranten ausgeben, könnte in den Herkunftsländern fünfzig Menschen geholfen werden.
Unter Bezug auf das in unserer Kultur eingewurzelte Bild des barmherzigen Samariters verweist Schröder auf die notwendige Unterscheidung von Barmherzigkeit und Gerechtigkeit. Hätte der Samariter auf seinem Wege nicht einen Elenden, sondern ein oder zwei weitere Opfer vorgefunden, wäre er an die Grenzen seiner spontanen Hilfsbereitschaft gestoßen.
Barmherzigkeit zeichnet den Einzelnen als Menschen aus. "Der Staat aber darf nicht barmherzig sein, weil er gerecht sein muss. Er muss nach Regeln verfahren und die Folgen bedenken. Wenn er Ausnahmen machte, wäre er korrupt." Fazit: "Der Ausdruck ´Willkommenskultur´ war und ist irreführend."
Allen Lesern von "Globkult" sei der Aufsatz empfohlen, darüberhinaus all jenen, die sich aus christlicher Nächstenliebe unterschiedslos als Träger der "Willkommenskultur" betätigen. Ob Schröder unter protestantischen Protagonisten unbefleckter Gesinnungsethik Gehör findet, muß offen bleiben. (Zur frommen Denkungsart siehe bspw.: https://herbert-ammon.blogspot.de/2015/09/von-elend-und-streben-nach-gluck-in-der.html ) Immerhin hat inzwischen auch der EKD-Ratsvorsitzende Bedford-Strohm erkannt, dass "wir nicht alle aufnehmen können", oder so ähnlich.
Zu den freiheitsichernden Einrichtungen der parlamentarische Demokratie, so steht es in den Lehrbüchern, gehört das Wechselspiel von Regierung und Opposition. In einer Großen Koalition, wie wir sie seit zig Jahren in der Bundesrepubik Deutschland erleben, fällt die Oppositionsrolle im Parlament naturgemäß schwächer aus, was wiederum das Regieren leichter macht. Mehr noch, in der Ära Merkel beoabachten wir eine Art Allparteienkoalition, die von den formal als Oppositionspartei fungierenden Grünen (und ihren medialen Followern/followers/Metagonist_inn*?!en) inspiriert und/oder dirigiert wird. (Die "Linke" ist zu vernachlässigen, so sehr sich die Truppe um Gregor Gysi, Ulla Jelpke und Katja Kipping bei ihren medialen Auftritten auch anstrengen mag.)
Die Erkärung dafür ist einfach: Kein Mensch in Deutschland, schon gar kein Politiker (m.), möchte als unökologisch, menschenverachtend und/oder den Menschenrechten (in breitestmöglicher Ausformung) abgeneigt, kurz unmenschlich und/oder undemokratisch erscheinen. Jeder ist ipso facto grün, jede sowieso. Die deutsch-demokratisch sozialisierte CDU-Kanzlerin Angela Merkel hat diese bundesrepublikanische Grundbefindlichkeit etwa ab anno 1990 erkannt und zur Maxime ihrer Politik gemacht. Nicht von ungefähr zielt sie für 2017 auf eine schwarz-grüne Koalition unter ihrer Ägide.
Wo keine reale Opposition im Parlament anzutreffen ist - von halbherzigen CSU-schwesterparteilichen Widerreden aus der bayerischen Landeshauptstadt einmal abgesehen -, fällt die Rolle der Opposition den verachtenswerten - und eben darum allseits verachteten - Populisten zu. Populisten genießen einen schlechten Ruf, obwohl der irgendwie lateinisch klingende Begriff aus den USA kommt und bis vor ca. drei Jahren hierzulande bis auf ein paar Politologen oder Lehrstuhlinhabern für US-amerikanische Geschichte noch unbekannt war. Wer hat in diesem unseren Lande je von Tom Watson oder Huey Long gehört? William Jennings Bryan? (Bundesrepublikanische Geschichtskenntnisse reichen trotz Christopher Clarks Bestseller allenfalls bis zum irgendwie mißglückten "Griff nach der Weltmacht" zurück, gründen im wesentlichen auf ein bißchen Weimar, auf dem Nazismus und auf 1968.)
Es gibt naturgemäß fast nur rechte Populisten, dazu ein paar linke wie Sarah Wagenknecht und ihren Saarländer Gatten, die aber nach wie vor für die "Linke" unentbehrlich erscheinen. Der "Linke"-MdB Gregor Gysi gehört seit einiger Zeit nicht mehr zu den Populisten.
II.
Wo es keine nennenswerte parlamentarische Opposition gibt, kommt unerwünschter Widerspruch nur noch von ein paar selbständig Denkenden innerhalb und außerhalb der All-Parteienkoalition. Der grüne Oberbürgermeister von Tübingen Boris Palmer, als Sohn eines schwäbischen Querkopfes aus dem Remstal bei den Grünen einst hochgeschätzt, gehört zu den wenigen, die frühzeitig die Grenzen - und den inhärenten Widersinn - der von Merkel inaugurierten, von einem jugendfrohen Jubelchor begleiteten "Willkommenskultur" erkannt haben. Mit seinen Überlegungen zu den Grenzen unbegrenzter Migration - er argumentiert als Mathematiker - stößt er überall dort, wo gründeutsche Emotionen die Analyse ersetzen, auf Unverständnis, gepaart mit moralischer Entrüstung. (S.: https://herbert-ammon.blogspot.de/2015/10/grune-stimme-der-vernunft-ii-boris.html. Zum Dauerthema verfehlter gründeutscher Politik in der Ära Merkel s.a.: H.A..http://www.globkult.de/politik/deutschland/1057-fluechtlingsstroeme-einspruch-gegen-die-leichthaendige-behandlung-eines-schwierigen-themas;
Zu den wenigen anderen Stimmen der Vernunft, die in der von der größtmöglichen Merkel-Koalition ausgelösten "Flüchtlingskrise" Widerspruch gegen naive - oder geplante? - Planlosigkeit eingelegt haben, gehört der Theologe und Philosoph Richard Schröder, ehedem SPD-Fraktionsvorsitzender der letzten (und ersten frei gewählten) Volkskammer der DDR. (Zur Erinnerung: Innerhalb der wiedervereinten SPD kam er seinerzeit in den 1990er Jahren als Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten nicht zum Zug.) Im Herbst 2015 wandte er sich gegen eine Politik, welche die von der für politisches Handeln grundlegenden Unterscheidung von herzensreiner Gesinnung und der Pflicht zur Verantwortung für die res publica ignorierte. (S. https://herbert-ammon.blogspot.de/2015/11/richard-schroder-eine-evangelische.html
Schröders jüngster Aufsatz mit dem Titel "Was wir Migranten schulden - und was nicht" zerlegt in präziser Analyse die von Begriffsverwirrung, gutgemeintem Aktivismus und Realitätsverweigerung geprägte Debatte um "Flüchtlinge" , "Migration", "Integration" - und "Leitkultur" ("...ob das nun Leitkultur oder sonst wie genannt wird"). Nahezu jeder Passus seines Artikels (in der FAZ v. 15.08.2016, S.6 http://www.faz.net/aktuell/politik/die-gegenwart/fluechtlingskrise-was-wir-migranten-schulden-und-was-nicht-14387586.html) erscheint zitierwürdig, u.a. die Kritik an der "zivilgesellschaftlichen" Organisation Oxfam: "Das Argument [von Oxfam], arme Länder würden viel mehr Flüchtlinge aufnehmen als reiche, ist doppelt schief. Arrm und reich macht hier nicht den Unterschied, sondern Nähe und Ferne." Schröder korrigiert auch die von Oxfam propgagierte "Lösung", die Flüchtlinge hierher zu holen. Von dem Geld, das wir monatlich für jeden Migranten ausgeben, könnte in den Herkunftsländern fünfzig Menschen geholfen werden.
Unter Bezug auf das in unserer Kultur eingewurzelte Bild des barmherzigen Samariters verweist Schröder auf die notwendige Unterscheidung von Barmherzigkeit und Gerechtigkeit. Hätte der Samariter auf seinem Wege nicht einen Elenden, sondern ein oder zwei weitere Opfer vorgefunden, wäre er an die Grenzen seiner spontanen Hilfsbereitschaft gestoßen.
Barmherzigkeit zeichnet den Einzelnen als Menschen aus. "Der Staat aber darf nicht barmherzig sein, weil er gerecht sein muss. Er muss nach Regeln verfahren und die Folgen bedenken. Wenn er Ausnahmen machte, wäre er korrupt." Fazit: "Der Ausdruck ´Willkommenskultur´ war und ist irreführend."
Allen Lesern von "Globkult" sei der Aufsatz empfohlen, darüberhinaus all jenen, die sich aus christlicher Nächstenliebe unterschiedslos als Träger der "Willkommenskultur" betätigen. Ob Schröder unter protestantischen Protagonisten unbefleckter Gesinnungsethik Gehör findet, muß offen bleiben. (Zur frommen Denkungsart siehe bspw.: https://herbert-ammon.blogspot.de/2015/09/von-elend-und-streben-nach-gluck-in-der.html ) Immerhin hat inzwischen auch der EKD-Ratsvorsitzende Bedford-Strohm erkannt, dass "wir nicht alle aufnehmen können", oder so ähnlich.
Donnerstag, 11. August 2016
Kurze Orientierungshilfe - der Weg zu Gott
I.
Interkulturelles Lernen ist die Voraussetzung für das Gedeihen unserer modernen/postmodernen Gesellschaft bei ihrem "Rendezvous mit der Globalisierung" (W. Schäuble), wie es in spezifischer Ausprägung derzeit in der "Flüchtlingskrise" anzutreffen ist. Hauptthema des Crash-Kurses sind die Inhalte und Varianten des Islam. Seit dem Auftritt einer "Sharia Police" in Wuppertal ist die Scharia - der Rechtskanon der muslimischen Umma - dem bis dato ignoranten Bundesbürger (sc. -r B-in) wenigstens als Begriff geläufig. An demokratischem Grundwissen fehlt es in der bundesrepublikanischen Multi- und Integrationskultur noch weithin.
Zur Erhellung der Problematik erklärt Sawsan Chebli,seit 2014 stellvertretende Sprecherin des AA und Initiatorin des Arbeitskreises "Muslime in der SPD", folgendes: "Wir dürfen die Integrationsdebatte nicht mit der Diskussion über Muslime und Islam oder Religion insgesamt vermengen. Mein Vater ist ein frommer Muslim, spricht kaum Deutsch, kann weder lesen noch schreiben, ist aber integrierter als viele Funktionäre der AfD, die unsere Verfassung in Frage stellen." Die stellvertretende Sprecherin im weltoffenenen AA am Werderschen Markt verzichtet auf Namensnennungen und spricht generalisierend, womöglich stellvertretend oder antizipatorisch für diensteifrige VS-Beamte in NRW. Ihr Vater, Erzeuger von zwölf Bundesneubürgern, darunter fünf kopftuchtragende Schwestern, hat womöglich im Alter das Grundgesetz (in Letztversion) ähnlich memoriert wie seine Tochter in Kindesjahren den Koran.
Die stellvertretende Sprecherin - sie entstammt einer palästinensischen Flüchtlingsfamilie und wurde 1978 in Berlin geboren - klärt interkulturell noch unzureichend gebildete Bundesbürger sodann über die in Verruf geratene Scharia auf: "Alle reden über Scharia, aber keiner weiß, was Scharia bedeutet. Scharia heißt auf Deutsch: Weg zur Quelle, also der Weg zu Gott. Sie regelt zum größten Teil das Verhältnis zwischen Gott und den Menschen." (S. FAZ v. 03.08.2016, S. 3)
II.
Fromme Demokraten werden dieser Definition nur beipflichten können. Indes erheben sich zuweilen noch Zweifel an der gottgefälligen Praxis des Weges (gr. methodos, f.), etwa bei Nachrichten aus Indonesien, wo der ob seiner (relativen) religiösen Toleranz vielfach gelobte größte islamische Staat auf Erden für die von sezessionistischer Unruhe geplagten Provinz Aceh auf Sumatra eine Sonderregelung bezüglich der an der Scharia orientierten Rechtspraxis zuließ. In Aceh gibt es eine reguläre Scharia-Polizei, die sich um die Einhaltung des richtigen Weges zu Gott kümmert. Unlängst wurde eine 18jährige Büßerin, den Hidschab tief im Gesicht, mit neun Stockhieben bestraft, weil sie in ihrem Zimmer mit einen 16jährigen Jungen angetroffen ("erwischt") wurde. Während die Vollstreckung der Strafe einem Mann zugewiesen wurde, untersteht die Rechtspflege der Scharia-Polizei einer im Rahmen der Regionalkultur emanzipierten Frau.
Amnesty International registrierte for 2015 in Aceh 108 Fälle von öffentlichen Auspeitschungen. Den Bericht über die unlängst eröffnete "Phase der Bestrafung" - sie folgte einer "Phase der Eingewöhnung" -
illustriert ein Bild einer weißgewandeten Frau, der vor einer Moschee öffentlich Stockhiebe verabreicht werden, weil sie ein Rendezvous vermittelt hatte.(Berliner Morgenpost v. 11.08.2016, S.5). Der interkulturell noch wenig geübte deutsche Bio-Bundesbürger gewinnt daraus eine wichtige Erkenntnis: Ein Rendezvous ist etwas grundsätzlich anderes als die einst auch in Europa von Heiratsvermittlerinnen betriebene Praxis der Eheanbahnung.
Interkulturelles Lernen ist die Voraussetzung für das Gedeihen unserer modernen/postmodernen Gesellschaft bei ihrem "Rendezvous mit der Globalisierung" (W. Schäuble), wie es in spezifischer Ausprägung derzeit in der "Flüchtlingskrise" anzutreffen ist. Hauptthema des Crash-Kurses sind die Inhalte und Varianten des Islam. Seit dem Auftritt einer "Sharia Police" in Wuppertal ist die Scharia - der Rechtskanon der muslimischen Umma - dem bis dato ignoranten Bundesbürger (sc. -r B-in) wenigstens als Begriff geläufig. An demokratischem Grundwissen fehlt es in der bundesrepublikanischen Multi- und Integrationskultur noch weithin.
Zur Erhellung der Problematik erklärt Sawsan Chebli,seit 2014 stellvertretende Sprecherin des AA und Initiatorin des Arbeitskreises "Muslime in der SPD", folgendes: "Wir dürfen die Integrationsdebatte nicht mit der Diskussion über Muslime und Islam oder Religion insgesamt vermengen. Mein Vater ist ein frommer Muslim, spricht kaum Deutsch, kann weder lesen noch schreiben, ist aber integrierter als viele Funktionäre der AfD, die unsere Verfassung in Frage stellen." Die stellvertretende Sprecherin im weltoffenenen AA am Werderschen Markt verzichtet auf Namensnennungen und spricht generalisierend, womöglich stellvertretend oder antizipatorisch für diensteifrige VS-Beamte in NRW. Ihr Vater, Erzeuger von zwölf Bundesneubürgern, darunter fünf kopftuchtragende Schwestern, hat womöglich im Alter das Grundgesetz (in Letztversion) ähnlich memoriert wie seine Tochter in Kindesjahren den Koran.
Die stellvertretende Sprecherin - sie entstammt einer palästinensischen Flüchtlingsfamilie und wurde 1978 in Berlin geboren - klärt interkulturell noch unzureichend gebildete Bundesbürger sodann über die in Verruf geratene Scharia auf: "Alle reden über Scharia, aber keiner weiß, was Scharia bedeutet. Scharia heißt auf Deutsch: Weg zur Quelle, also der Weg zu Gott. Sie regelt zum größten Teil das Verhältnis zwischen Gott und den Menschen." (S. FAZ v. 03.08.2016, S. 3)
II.
Fromme Demokraten werden dieser Definition nur beipflichten können. Indes erheben sich zuweilen noch Zweifel an der gottgefälligen Praxis des Weges (gr. methodos, f.), etwa bei Nachrichten aus Indonesien, wo der ob seiner (relativen) religiösen Toleranz vielfach gelobte größte islamische Staat auf Erden für die von sezessionistischer Unruhe geplagten Provinz Aceh auf Sumatra eine Sonderregelung bezüglich der an der Scharia orientierten Rechtspraxis zuließ. In Aceh gibt es eine reguläre Scharia-Polizei, die sich um die Einhaltung des richtigen Weges zu Gott kümmert. Unlängst wurde eine 18jährige Büßerin, den Hidschab tief im Gesicht, mit neun Stockhieben bestraft, weil sie in ihrem Zimmer mit einen 16jährigen Jungen angetroffen ("erwischt") wurde. Während die Vollstreckung der Strafe einem Mann zugewiesen wurde, untersteht die Rechtspflege der Scharia-Polizei einer im Rahmen der Regionalkultur emanzipierten Frau.
Amnesty International registrierte for 2015 in Aceh 108 Fälle von öffentlichen Auspeitschungen. Den Bericht über die unlängst eröffnete "Phase der Bestrafung" - sie folgte einer "Phase der Eingewöhnung" -
illustriert ein Bild einer weißgewandeten Frau, der vor einer Moschee öffentlich Stockhiebe verabreicht werden, weil sie ein Rendezvous vermittelt hatte.(Berliner Morgenpost v. 11.08.2016, S.5). Der interkulturell noch wenig geübte deutsche Bio-Bundesbürger gewinnt daraus eine wichtige Erkenntnis: Ein Rendezvous ist etwas grundsätzlich anderes als die einst auch in Europa von Heiratsvermittlerinnen betriebene Praxis der Eheanbahnung.
Freitag, 5. August 2016
Lotterie mit hohen Gewinnchancen
I.
Am 18. September 2016 wird in Berlin gewählt. Aus der Sicht des Bloggers bedürfte es nicht all des plakatierten Aufwands zur Mobilisierung des überwiegend passiven Souveräns, denn: das Ergebnis ist bereits abzusehen. Im Herbst - das genaue Datum richtet sich nach der Verhandlungsdauer über den neuen Koalitionsvertrag - kriegen die Berlinerinnen und B- (demokratisches Nullsuffix) eine neue Regierung. Der rot-schwarzen Koalition, so ist zu erfahren, erging es zuletzt wie einer langweiligen Ehe oder einer unter Dauerstress stehenden eingetragenen Partnerschaft: Sie hat sich "auseinandergelebt". Der Grund für die bevorstehende Trennung liegt in den üblichen Querelen, zuletzt in der Affäre um den CDU-Innensenator Frank Henkel. Dieser wollte sich mit der Räumung der seit Jahren von autonomen, mietfreien Lebens- und Gesellschaftsreformern besetzten Rigaer Straße 94 im linksgrünen Teilbezirk Friedrichshain als kompromißloser Rechtswahrer bei besorgten Berliner Bürgern einen Wahlbonus verschaffen.
Der Innensenator kam dem Wunsch des bis dato unbekannten Eigentümers der Immobilie Rigaer 94 - womöglich eine Diskretion bevorzugende Gesellschaft - nach, endlich für geordnete Rechtsverhältnisse zu sorgen und das Gebäude für gewinnbringende, aber auch wohltätige Zwecke zu restituieren. In einem Teil des Gebäudes sollten gemäß Merkels Peuplierungsprogramm - auf Senatskosten - Flüchtlingsmigrationsfamilien Herberge finden. Was der philanthropische Immobilienbesitzer für seine globalethische Pflicht halten mochte, stieß bei den sonst für Weltoffenheit bekannten Bewohnern ("Refugees welcome!" "No borders!" "Kein Mensch ist illegal!") offenbar auf ethnozentrisches Unverständnis. Jedenfalls scheiterte der Räumungsversuch am erbitterten Widerstand der bürgerlich-kapitalistischen Eigentumsbegriffen zutiefst abgeneigten, autonomen "Rigaer". Über die exakte Zahl der z.T. schwerverletzten Polizisten (gewöhnlich zwischen zwanzig bis hundert) ist der Blogger nicht im Bilde.
Für den Innensenator erwies sich die mißglückte Zwangsräumung noch in weiterer Hinsicht als kontraproduktiv, denn für die polizeiliche Durchsetzung von Rechtsnormen - sie stieß auch bei gentrifizierungsfeindlichen Nachbarn von "Riga 94" auf Unverständnis - fehlte die richterliche Anordnung. Mit Entrüstung mußte die Berliner Öffentlichkeit - selbst in den bürgerlichen Restvierteln - konstatieren, dass bei Henkels Aktion Recht nicht durchgesetzt, sondern übergangen wurde. Zur Erhellung der Gesamtproblematik: Soeben hat die grüne, bekennende Bezirksbürgermeisterin Monika Hermann - gleichfalls aus Sorge um ihr nicht mehr ganz so alternatives Kreuzberger grünes Wahlvolk - die Räumung der Gerhard-Hauptmann-Schule von den restlichen, dort seit ca. 18 Monaten residierenden refugees angeordnet.
II.
Rot-Schwarz ist also am Ende. Mutmaßlich werden in den Berliner Wettbüros bereits Wetten über die Postenverteilung im prospektiven rot-rot-grünen Senat plaziert. Immerhin kommt es bei der Neubesetzung des Senats - weiterhin unter Führung des unter Berliner "Linken" als "rechter Sozialdemokrat" geltenden Regierenden Bürgermeister Michael Müller - auch auf die Sitzverteilung im Roten Rathaus und auf die Prozentzahlen bei den Wahlen an.
Demokratie darf nicht populistisch ausarten, aber sie soll "spannend" sein. Die spannende Frage am 18. September wird sein, mit welcher Zahl von Sitzen die AfD ins Rote Rathaus einzieht, um fortan auch in der Hauptstadt ihrer Rolle als Schlagzeilenlieferant für die Medien gerecht zu werden. Ob die FDP mit ihrer "klandestin rechten", an Bürgerängste appellierenden Parole "Wir organisieren Sicherheit statt organisiertes Verbrechen" (oder so ähnlich) wieder mal ins Stadtparlament kommt, ist alllenfalls arithmetisch, bezüglich der Sitzverteilung, von Belang. Und ob die ursprünglich aufs jugendfrisch digitale Publikum spezialisierten "Piraten" - dank ihrer womöglich von Draghis EZB inspirierten Wahlgleichung "Wissen verdoppeln durch Teilen!" und ihrer plötzlichen Besorgnis über wachsende Altersarmut - als Hilfstruppe der künftigen Koalition fungieren können, sei dahingestellt. Alle Zeichen stehen auf Rot-Rot-Grün und solide Regierungsverhältnisse, ungeachtet der unkorrigierbar expandierenden Kosten für den Airport BER, für die Staatsoper Unter den Linden, für "Projekte" aller Art etc.
III.
Scheint die Sache somit bereits entschieden, könnte der bloggende Wahlbürger aus spätbourgeoiser Bequemlichkeit geneigt sein, auf den Sonntagsurnengang oder die Briefwahl zu verzichten. Auch sein Gewissen als citoyen bliebe gänzlich unbeunruhigt, gäbe es da nicht den Wahl-O-Mat, der ihn zu demokratischer Verantwortung ruft.
Es handelt sich um ein digitales Geduldspiel, welches, 1989 in den Niederlanden ersonnen, anno 2002 von der Bundeszentrale für politische Bildung per Lizenz erworben wurde. Für die Wahl am 18. September hat sich der Chef der Berliner Bildungszentrale zusammen mit einem Team von "engagierten" Jungwählern (Alter 18-26 Jahre) ein Puzzle ausgedacht, das sich aus 38 Thesen und 21 Parteien, d.h. den laut Wahlgesetz teilnahmeberechtigten Parteien, Sekten und Partikeln, zusammensetzt.
Der mündige Spieler-Bürger kann jeweils aus drei Antworten ("Stimme zu" - "neutral" - "Stimme nicht zu") eine wählen, die Frage überspringen oder doppelt gewichten. These Nummer 1 lautet: "Private Wohnungen sollen vollständig als Ferienwohnung vermietet werden dürfen". Die These gehört zu den "sozialen Themen", die laut Thomas Gill, dem Berliner Bildungschef, den Wählern besonders am Herzen liegen. Entsprechend heißt es in These 2: "Berlin soll weitere Flüchtlinge aufnehmen". These 3 zielt auf ein anderes Berliner Herzensanliegen: "Alle Spätverkaufsstellen (´Spätis´) sollen auch sonntags öffnen dürfen." (Die These orientiert sich offenbar an den wahlrelevanten Alkoholbedürfnissen Berliner Pastoren.) An für den Wahlausgang mutmaßlich weniger entscheidende Kunstbeflissene richtet sich These 7: "Freier Eintritt an allen staatlichen Museen Berlins!"
Dank der Schlichtheit der Fragen - sie erinnern an gewisse Techniken der politischen Soziologie (s. https://herbert-ammon.blogspot.de/2016/06/german-polspeak-and-german-empirical.html) - könnte der engagierte Bürger geneigt sein, jede der Thesen zu "überspringen". Überdies müßte er sich vorab die Mühe machen, sämtliche Verlautbarungen der erwähnten 21 Parteien zu analysieren, um sodann seine Wahl-O-Mat-Entscheidung zu treffen. Unter den Spielelementen tauchen Bezeichnungen wie die "Grauen Panther", "Die Violetten", Tierschützer, Gesundheitsforscher, eine "Bergpartei" [etwa Nachfahren der Montagnards? - H.A.] sowie Kürzel wie ALFA, PSD, DKP [lebt noch] BüSo usw. auf. Nur Kenner der Materie, beispielsweise von Berufs wegen damit befaßte Verfassungsschützer, sind mit den Etiketten vertraut. BüSo steht für die "Bürgerrechtsbewegung Solidarität". Für Berlin fordert BüSo "u.a. die Integration der Stadt in die Bewegung der Neuen Seidenstraße und die Aufgabe des Hauptstadtflughafens BER". Gewiß doch, für und gegen den Fortschritt kämpft seit Jahrzehnten Helga Zepp-LaRouche, Ex-Trotzkistin und Gattin des Texas-Milliardärs Lyndon La Rouche. PSG steht - wie auch anders - für "Partei Soziale Gerechtigkeit". Es handelt sich um einen unverzagt für Menschen-, nicht so sehr für Bürgerrechte kämpfenden, die Weltrevolution samt Weltfrieden ansteuernden Trupp von Trotzkisten.
IV.
Damit sich ein Wahl-O-Mat-Spieler nicht überfordert fühlt, hat die Bildungszentrale seine Wahlmöglichkeiten vorsorglich auf acht Parteien eingeschränkt. In einem Artikel der "Berliner Morgenpost" (v. 03.08.2026, S. 10) erfahren wir, dass das demokratische Gewinnspiel vor allem bei Jungwählern beliebt sei. Kein Wunder, denn in These 20 geht´s um den Anbau von Cannabis für den Eigenbedarf, in These 25 um Genderstudien (mutmaßlich mit garantiertem Master/Mistress-Abschluß), außerdem um Projekte gegen (nicht für) Rechtsextremismus sowie um "Wählen ab 16 Jahre!" (leider vorerst nur fürs Berliner Abgeordnetenhaus).
Der bei der Herstellung des Berliner Wahl-O-Mat mitwirkende Christian Stärk (22 J.) steht zu seinen demokratische Überzeugungen: "Ich fand es wichtig, dass die Themen nah dran waren an der Lebenswelt der Jugendlichen." Aus politischer Verantwortung testeten auch Berliner Spitzenpolitiker die Chancen ihrer Partei vermittels der Wahl-O-Mat-Lotterie. Der Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) erzielte ansehnliche 91,3 Prozent Übereinstimmung mit den Präferenzen seiner Partei, verwies jedoch zur Erklärung seiner weitreichenden Sympathien (76 Prozent) für Aussagen der AfD auf deren "heuchlerisches Programm". SPD-Chef Raed Saleh erreichte immerhin 98,8 Prozent. Knapp darunter lag der "Piraten"-Chef mit 93,5 Prozent, und dies gleich doppelt. Er gewann mit demselben Ergebnis bei der PSG. Dank demokratischer Standfestigkeit gelang dem bekennenden Klaus Lederer, Vorsitzender der Berliner "Linken", ein hundertprozentiger Gewinn. Einen Treffer von 100 Prozent erzielte auch der Grünen-Chef Wesener. Zur Vervollständigung des junggrün ausgestatteten Wahl-O-Mats hätte er sich indes noch "eine Frage zum Radverkehr gewünscht."
Für alle Nutzer im Netz: Das Spiel ist etwas zeitraubend, aber egal - jeder Demokrat kann gewinnen. Gewonnen hat auf jeden Fall der Lizenzgeber.
Am 18. September 2016 wird in Berlin gewählt. Aus der Sicht des Bloggers bedürfte es nicht all des plakatierten Aufwands zur Mobilisierung des überwiegend passiven Souveräns, denn: das Ergebnis ist bereits abzusehen. Im Herbst - das genaue Datum richtet sich nach der Verhandlungsdauer über den neuen Koalitionsvertrag - kriegen die Berlinerinnen und B- (demokratisches Nullsuffix) eine neue Regierung. Der rot-schwarzen Koalition, so ist zu erfahren, erging es zuletzt wie einer langweiligen Ehe oder einer unter Dauerstress stehenden eingetragenen Partnerschaft: Sie hat sich "auseinandergelebt". Der Grund für die bevorstehende Trennung liegt in den üblichen Querelen, zuletzt in der Affäre um den CDU-Innensenator Frank Henkel. Dieser wollte sich mit der Räumung der seit Jahren von autonomen, mietfreien Lebens- und Gesellschaftsreformern besetzten Rigaer Straße 94 im linksgrünen Teilbezirk Friedrichshain als kompromißloser Rechtswahrer bei besorgten Berliner Bürgern einen Wahlbonus verschaffen.
Der Innensenator kam dem Wunsch des bis dato unbekannten Eigentümers der Immobilie Rigaer 94 - womöglich eine Diskretion bevorzugende Gesellschaft - nach, endlich für geordnete Rechtsverhältnisse zu sorgen und das Gebäude für gewinnbringende, aber auch wohltätige Zwecke zu restituieren. In einem Teil des Gebäudes sollten gemäß Merkels Peuplierungsprogramm - auf Senatskosten - Flüchtlingsmigrationsfamilien Herberge finden. Was der philanthropische Immobilienbesitzer für seine globalethische Pflicht halten mochte, stieß bei den sonst für Weltoffenheit bekannten Bewohnern ("Refugees welcome!" "No borders!" "Kein Mensch ist illegal!") offenbar auf ethnozentrisches Unverständnis. Jedenfalls scheiterte der Räumungsversuch am erbitterten Widerstand der bürgerlich-kapitalistischen Eigentumsbegriffen zutiefst abgeneigten, autonomen "Rigaer". Über die exakte Zahl der z.T. schwerverletzten Polizisten (gewöhnlich zwischen zwanzig bis hundert) ist der Blogger nicht im Bilde.
Für den Innensenator erwies sich die mißglückte Zwangsräumung noch in weiterer Hinsicht als kontraproduktiv, denn für die polizeiliche Durchsetzung von Rechtsnormen - sie stieß auch bei gentrifizierungsfeindlichen Nachbarn von "Riga 94" auf Unverständnis - fehlte die richterliche Anordnung. Mit Entrüstung mußte die Berliner Öffentlichkeit - selbst in den bürgerlichen Restvierteln - konstatieren, dass bei Henkels Aktion Recht nicht durchgesetzt, sondern übergangen wurde. Zur Erhellung der Gesamtproblematik: Soeben hat die grüne, bekennende Bezirksbürgermeisterin Monika Hermann - gleichfalls aus Sorge um ihr nicht mehr ganz so alternatives Kreuzberger grünes Wahlvolk - die Räumung der Gerhard-Hauptmann-Schule von den restlichen, dort seit ca. 18 Monaten residierenden refugees angeordnet.
II.
Rot-Schwarz ist also am Ende. Mutmaßlich werden in den Berliner Wettbüros bereits Wetten über die Postenverteilung im prospektiven rot-rot-grünen Senat plaziert. Immerhin kommt es bei der Neubesetzung des Senats - weiterhin unter Führung des unter Berliner "Linken" als "rechter Sozialdemokrat" geltenden Regierenden Bürgermeister Michael Müller - auch auf die Sitzverteilung im Roten Rathaus und auf die Prozentzahlen bei den Wahlen an.
Demokratie darf nicht populistisch ausarten, aber sie soll "spannend" sein. Die spannende Frage am 18. September wird sein, mit welcher Zahl von Sitzen die AfD ins Rote Rathaus einzieht, um fortan auch in der Hauptstadt ihrer Rolle als Schlagzeilenlieferant für die Medien gerecht zu werden. Ob die FDP mit ihrer "klandestin rechten", an Bürgerängste appellierenden Parole "Wir organisieren Sicherheit statt organisiertes Verbrechen" (oder so ähnlich) wieder mal ins Stadtparlament kommt, ist alllenfalls arithmetisch, bezüglich der Sitzverteilung, von Belang. Und ob die ursprünglich aufs jugendfrisch digitale Publikum spezialisierten "Piraten" - dank ihrer womöglich von Draghis EZB inspirierten Wahlgleichung "Wissen verdoppeln durch Teilen!" und ihrer plötzlichen Besorgnis über wachsende Altersarmut - als Hilfstruppe der künftigen Koalition fungieren können, sei dahingestellt. Alle Zeichen stehen auf Rot-Rot-Grün und solide Regierungsverhältnisse, ungeachtet der unkorrigierbar expandierenden Kosten für den Airport BER, für die Staatsoper Unter den Linden, für "Projekte" aller Art etc.
III.
Scheint die Sache somit bereits entschieden, könnte der bloggende Wahlbürger aus spätbourgeoiser Bequemlichkeit geneigt sein, auf den Sonntagsurnengang oder die Briefwahl zu verzichten. Auch sein Gewissen als citoyen bliebe gänzlich unbeunruhigt, gäbe es da nicht den Wahl-O-Mat, der ihn zu demokratischer Verantwortung ruft.
Es handelt sich um ein digitales Geduldspiel, welches, 1989 in den Niederlanden ersonnen, anno 2002 von der Bundeszentrale für politische Bildung per Lizenz erworben wurde. Für die Wahl am 18. September hat sich der Chef der Berliner Bildungszentrale zusammen mit einem Team von "engagierten" Jungwählern (Alter 18-26 Jahre) ein Puzzle ausgedacht, das sich aus 38 Thesen und 21 Parteien, d.h. den laut Wahlgesetz teilnahmeberechtigten Parteien, Sekten und Partikeln, zusammensetzt.
Der mündige Spieler-Bürger kann jeweils aus drei Antworten ("Stimme zu" - "neutral" - "Stimme nicht zu") eine wählen, die Frage überspringen oder doppelt gewichten. These Nummer 1 lautet: "Private Wohnungen sollen vollständig als Ferienwohnung vermietet werden dürfen". Die These gehört zu den "sozialen Themen", die laut Thomas Gill, dem Berliner Bildungschef, den Wählern besonders am Herzen liegen. Entsprechend heißt es in These 2: "Berlin soll weitere Flüchtlinge aufnehmen". These 3 zielt auf ein anderes Berliner Herzensanliegen: "Alle Spätverkaufsstellen (´Spätis´) sollen auch sonntags öffnen dürfen." (Die These orientiert sich offenbar an den wahlrelevanten Alkoholbedürfnissen Berliner Pastoren.) An für den Wahlausgang mutmaßlich weniger entscheidende Kunstbeflissene richtet sich These 7: "Freier Eintritt an allen staatlichen Museen Berlins!"
Dank der Schlichtheit der Fragen - sie erinnern an gewisse Techniken der politischen Soziologie (s. https://herbert-ammon.blogspot.de/2016/06/german-polspeak-and-german-empirical.html) - könnte der engagierte Bürger geneigt sein, jede der Thesen zu "überspringen". Überdies müßte er sich vorab die Mühe machen, sämtliche Verlautbarungen der erwähnten 21 Parteien zu analysieren, um sodann seine Wahl-O-Mat-Entscheidung zu treffen. Unter den Spielelementen tauchen Bezeichnungen wie die "Grauen Panther", "Die Violetten", Tierschützer, Gesundheitsforscher, eine "Bergpartei" [etwa Nachfahren der Montagnards? - H.A.] sowie Kürzel wie ALFA, PSD, DKP [lebt noch] BüSo usw. auf. Nur Kenner der Materie, beispielsweise von Berufs wegen damit befaßte Verfassungsschützer, sind mit den Etiketten vertraut. BüSo steht für die "Bürgerrechtsbewegung Solidarität". Für Berlin fordert BüSo "u.a. die Integration der Stadt in die Bewegung der Neuen Seidenstraße und die Aufgabe des Hauptstadtflughafens BER". Gewiß doch, für und gegen den Fortschritt kämpft seit Jahrzehnten Helga Zepp-LaRouche, Ex-Trotzkistin und Gattin des Texas-Milliardärs Lyndon La Rouche. PSG steht - wie auch anders - für "Partei Soziale Gerechtigkeit". Es handelt sich um einen unverzagt für Menschen-, nicht so sehr für Bürgerrechte kämpfenden, die Weltrevolution samt Weltfrieden ansteuernden Trupp von Trotzkisten.
IV.
Damit sich ein Wahl-O-Mat-Spieler nicht überfordert fühlt, hat die Bildungszentrale seine Wahlmöglichkeiten vorsorglich auf acht Parteien eingeschränkt. In einem Artikel der "Berliner Morgenpost" (v. 03.08.2026, S. 10) erfahren wir, dass das demokratische Gewinnspiel vor allem bei Jungwählern beliebt sei. Kein Wunder, denn in These 20 geht´s um den Anbau von Cannabis für den Eigenbedarf, in These 25 um Genderstudien (mutmaßlich mit garantiertem Master/Mistress-Abschluß), außerdem um Projekte gegen (nicht für) Rechtsextremismus sowie um "Wählen ab 16 Jahre!" (leider vorerst nur fürs Berliner Abgeordnetenhaus).
Der bei der Herstellung des Berliner Wahl-O-Mat mitwirkende Christian Stärk (22 J.) steht zu seinen demokratische Überzeugungen: "Ich fand es wichtig, dass die Themen nah dran waren an der Lebenswelt der Jugendlichen." Aus politischer Verantwortung testeten auch Berliner Spitzenpolitiker die Chancen ihrer Partei vermittels der Wahl-O-Mat-Lotterie. Der Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) erzielte ansehnliche 91,3 Prozent Übereinstimmung mit den Präferenzen seiner Partei, verwies jedoch zur Erklärung seiner weitreichenden Sympathien (76 Prozent) für Aussagen der AfD auf deren "heuchlerisches Programm". SPD-Chef Raed Saleh erreichte immerhin 98,8 Prozent. Knapp darunter lag der "Piraten"-Chef mit 93,5 Prozent, und dies gleich doppelt. Er gewann mit demselben Ergebnis bei der PSG. Dank demokratischer Standfestigkeit gelang dem bekennenden Klaus Lederer, Vorsitzender der Berliner "Linken", ein hundertprozentiger Gewinn. Einen Treffer von 100 Prozent erzielte auch der Grünen-Chef Wesener. Zur Vervollständigung des junggrün ausgestatteten Wahl-O-Mats hätte er sich indes noch "eine Frage zum Radverkehr gewünscht."
Für alle Nutzer im Netz: Das Spiel ist etwas zeitraubend, aber egal - jeder Demokrat kann gewinnen. Gewonnen hat auf jeden Fall der Lizenzgeber.
Abonnieren
Posts (Atom)