Für die alljährlich dem 20. Juli 1944 gewidmete Ausgabe der "Jungen Freiheit" (JF Nr.30/14) führte Moritz Schwarz ein Interview mit der Dokumentarfilmerin Irmgard von zur Mühlen, die zusammen mit ihrem Ehemann Bengt von zur Mühlen über achtzig Filme zur deutschen Geschichte geschaffen hat. Zu ihren wichtigsten Werken gehören die Dokumentarfilme zum 20. Juli, angefangen mit "Geheime Reichssache" (1979), ein Film, der erstmals die von Goebbbels unter Verschluß gehaltenen Szenen der Verschwörer-Prozesse in Freislers "Volksgerichtshof" öffentlich machte.
Als Frau von zur Mühlen ein paar Jahre später den Fernsehanstalten ihren Film über "Die Frauen des 20. Juli" anbot, stieß sie auf Desinteresse. Daraufhin wurde die Dokumentation zuerst im DDR-Fernsehen ausgestrahlt, was in der FAZ höchste Entrüstung erregte. Der Film wurde dann 1985 von Guido Knopp im ZDF gezeigt. Ähnlich desinteressiert reagierte noch 2001 der RBB (Rundfunkanstalt Berlin-Brandenburg), als von zur Mühlen ihren Film über Harald Poelchau, der als Geistlicher und unerkannter Mitverschworener viele Opfer der Nazi-Justiz auf ihrem letzten Weg zur Hinrichtung begleitete, präsentierte. "Hätte ich was über Schweinezucht in der Niederlausitz gemacht, hätten sie es gleich genommen! Aber der 20. Juli...."
Ethos und Motive der Verschwörer skizziert Frau von zur Mühlen, 1936 in Berlin geboren, wie folgt:. "Meist waren es Menschen von besonderer Haltung, wie man sie heute nur noch selten findet. [...] Vaterlandsliebe, Verantwortungsbewußtsein - das waren die hervorstechendsten Eigenschaften." Sie zitiert die Worte, mit denen Fritz-Dietlof von der Schulenburgs dem Präsidenten des "Volksgerichtshofs" Freisler entgegentrat:: "Wir haben diese Tat auf uns genommen, um Deutschland vor einem namenlosen Elend zu bewahren. Ich bin mir im klaren, daß ich dafür gehängt werde, aber ich bereue meine Tat nicht."
Was die ungeachtet der jährlichen Gedenkfeiern medial nach wie vor vorherrschende Geringschätzung des 20. Juli sowie die Wahrnehmung der Deutschen unter dem NS-Regime betrifft, so äußert Irmgard von zur Mühlen Widerspruch: "Es gab so viele Deutsche, die damals Zivilcourage beweisen haben, aber mir ist, als wolle das kein Mensch wissen."
Frau von zur Mühlen hat unter anderem einen Film über Fritz Lindemann, General der Artillerie, gemacht. Lindemann hatte als hochdekorierter Front- und Besatzungsoffizier in Polen im Umgang mit der leidenden Bevölkerung Zivilcourage - ein anno 2014 zum billigen Klischee geronnener Begriff - bewiesen. 1943 in den Führungsstab des OKH befördert, trat er in den Widerstand ein. Über Lindemann hat Bengt von zur Mühlen ein Begleitbuch mit dem Titel "Sie gaben ihr Leben. Unbekannte Opfer des 20. Juli. Fritz Lindemann und seine Fluchthelfer, Berlin-Kleinmachnow 1995, Der vergessene Verschwörer" herausgegeben, das auf den Forschungsergebnissen des Dresdner Historikers Wolfgang Welkerling basiert. Der "vergessene Verschwörer" Lindemann wurde nach einer vergeblichen Fluchtodyssee verraten und hingerichtet.
Siehe dazu meinen Aufsatz
"Ein Signal an Seydlitz über Madame Kollontai. Sperrige Fakten zur Geschichte des 20. Juli", erstmals in: in Geschichte-Erziehung-Politik (GEP) 7-8/1996, S. 401-403; auch in: GlobKult, http://www.globkult.de/herbert-ammon/592-ein-signal-an-seydlitz-ueber-madame-kollontai sowie in:.
https://www.academia.edu/2928425/Helmut_Lindemann_-_ein_ungeruhmter_Mann_des_20._Juli_1944
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