Samstag, 5. Juli 2014

Kriegsschulddebatte (Forts).:Gerd Krumeich über Versailles

Im Blick auf die stets mit dem Schlußsatz eines Blogs endenden Google-Exzerpte beginne ich den folgenden Kommentar mit dem  Hinweis auf meine früheren Blog-Einträge zur "revisionistischen" Kriegsschulddebatte:  (30.6.2014; 02.06.2014; 03.1.2014;17.12.2013) sowie auf einen Aufsatz zu "Versailles": https://www.academia.edu/3195505/Versailles_Gedenkort_deutscher_Geschichte
                                             
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Der Düsseldorfer Emeritus Gerd Krumeich, einer der besten Kenner der Geschichte des I. Weltkriegs, fügt im Interview mit Moritz Schwarz in  der "Jungen Freiheit" (Nr. 28/4.Juli 2014, S.3) der von Chr. Clark ausgelösten neuerlichen Kriegsschulddebatte einige bemerkenswerte Aussagen hinzu.

Einerseits wendet er sich gegen Clarks "absolute Reinwaschung der Deutschen" - eine m.E. überspitzte Lesart der "Schlafwandler" - und betont erneut "die deutsche Hauptverantwortung für die Auslösung des Krieges". Der Kaiser und die deutsche Reichsführung hätten Österreich zu einem schnellen, erfolgreichen Krieg mit Serbien ermuntert. Das von Österreich an Serbien gestellte Ultimatum (25.Juli 1914) sei von Wien in Abstimmung mit  Berlin in faktisch unannehmbaren Formulierungen verfasst worden. Ungeachtet dieser impliziten, auf Serbien gerichteten Kriegsabsicht sei man dabei allenfalls das Risiko der Ausweitung eingegangen - dies in deutlicher Distanz zu Fritz Fischer, der anhand der Julikrise  die seit 1912 verfolgte, zielstrebige deutsche Absicht zum großen Krieg, zum "Griff nach der Weltmacht" postulierte.

Mit der auch von anderen Fischer-Kritikern bekannten Argumentation bewegt sich Krumeich in gemäßigt revisionistischen Bahnen. Äußerst provokativ klingen hingegen andere Sätze des Interviews. Gegen John G.C. Röhl, der den Satz des Generalstabschefs Moltke, über "diesen Krieg, den ich geplant und begonnen habe", als "Beweis" für die Aggressivität des Deutschen Reiches zitiert, verweist Krumeich  auf die simple Tatsache, Kriegsplanung sei das Geschäft des Generalstabs. "Es ist beinahe ein Fetisch von Röhl, dieses Zitat in geradezu bösartiger Weise zu interpretierten."

Krumeich will nach eigenen Worten aus der von "Lagern" bestimmten Debatte über die moralische Kriegsschuld der beteiligten Mächte - mit Deutschland als des aus der Sicht der Fischer-Anhänger Allein- oder Hauptschuldigen - heraus.  Und so formuliert er am Ende  des Interviews, wo er Clarks historiographische Leistung - gerade im Hinblick auf die Kausalität des Zweiten Weltkriegs - würdigt,  einige frappierend "inkorrekte", geradezu unerhörte Sätze:

 "...Clarks Buch ist  in der Tat eine Absage an die Behauptung, wir Deutschen hätten eine Geschichte, die immer nur auf Hitler zugelaufen sei. Nach 1945 wurde Hitler mit Versailles erklärt und damit war keiner irgendwie schuld. Dann kam diese junge Historikergeneration, die diese Heuchelei zu Recht hinterfragt und die Strukturen recherchiert, hat. Doch hat das schließlich zu einer Konstruktion geführt - von Bismarck zu Hitler-, die auch nicht stimmte. Und ich meine, da müssen wir heute raus! Deshalb habe ich zum Beispiel auch wieder angefangen, vom Versailler Vertrag zu sprechen. Was mr prompt von halblinks bis halbrechts (!) den Vorwurf eingebracht hat, das möge ja alles historisch richtig sein, aber nationalpädagogisch sei es unverantwortlich! Dabei ist der Vertrag tatsächlich eine Katastrophe - ich hätte ihn übrigens auch nicht unterzeichnet. Und wenn heute so getan wird, als sei er doch eine ganz annehmbare Grundlage gewesen, dann lache ich mich kaputt! Nein, in dieser Hinsicht ist Clark wie ein Befreiungsschlag. Das erklärt auch den ungeheuren Erfolg seines Buches bei uns: Clark ist sozusagen der Medizinmann, der den Deutschen, die sich nach einer normalen Geschichte sehnen, Heilung bringt. Mit ihm haben wir es "amtlich".: wir sind auch nicht schlechter als die anderen.  Nun, das ist ja richtig, nur dürfen wir ob diese Glücksgefühls bitte nicht vergessen, wie es ansonsten historisch tatsächlich war."


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