Ganz Europa, besser die Meinungsbildner in EU-Europa, sind in Aufregung, aus Gründen, die auch den Blogger, teilweise mit leichter Verspätung, zum Bloggen bewegen:
a) wegen des Sieges der global rekrutierten Bayern von Bayern München über die internationalen Fußball-Preußen von Borussia Dortmund im DFB-Pokal in Berlin. Leider ist das große Ereignis von letzter Woche bereits wieder vergessen.
Heute geht´s in Lissabon um den Endsieg in der Champions´ League zwischen Atlético Madrid und Real Madrid. Der Schriftsteller Javier Marías bekennt sich im FAZ-Interview überraschend als Real-Anhänger. Dem Namen nach und seit Francos Zeiten historisch gesehen gilt Real als der Club der Bessergestellten, wäre also nicht nur aus der Linken-Perspektive einer Katja Kipping als "rechts" zu verorten. Marías ordnet aber Atlético als eher "links" ein , da seine Anhängerschaft hauptsächlich unter den im Süden Madrids angesiedelten Postproletariern zu finden sei. Nichtsdestoweniger galt Atlético in den Jahren nach dem Bürgerkrieg als der "Luftwaffenclub", da zu seinen Förderern einige Generäle aus Francos putschistischer Luftwaffe gehörten. War/Ist Atlético also nicht in Wirklichkeit "rechts"? Marías lässt den Leser im Unklaren, macht aber deutlich, dass in den Fankurven beider Vereine Neonazis und linke Ultras zu den Fußballschlachten aufmarschieren. Etwas verwirrend das Ganze. Zum Glück handelt es sich in den Stadien nur um politisch übereifrige Randgruppen...
b) wegen des Sieges von Conchita Wurst beim Eurovision Song Contest. Alle Europäerinnen und Europäer gratulieren dem/der siegreichen bärtigen Künstler/in Tom Neuwirth (aus Oberösterreich oder aus der Steiermark) zu ihrem/seinen Endsieg in der großeuropäischen Schnulzenparade. Conchita /Thomas steht für ein Europa der Vielfalt, für ein Europa ohne Grenzen, für Selbstbestimmung, für wirkliche Toleranz, für ein echtes Miteinander usw. usw. oder so ähnlich. Wir durften in der "Tagesschau" - oder war´s im ZDF?, jedenfalls prime time TV - miterleben, wie Conchita/Tom den Millionen von Europäerinnen und Europäern in derlei bewegenden Worten die unveräußerlichen Werte Europas zu Bewusstsein brachte. Europa ist bis auf weiteres noch ganz ergriffen.
Ganz Europa. Für die Organisatoren des Eurovision-Sängerinnnen- und Sängerkrieges reicht Europa nicht nur bis in die Türkei, bis Erzerum und Dyabakir, sondern bis nach Aserbeidschan mit der Ölhauptstadt Baku (wo der Jodelwettbewerb auf Englisch anno 2012 ausgetragen wurde) und noch weiter gen Osten, mindestens bis nach Eriwan, selbst wenn das nicht ganz zur armenischen Politik passt.
Auch Russland gehört beim eurovisionistischen Sängerinnen- und Sängerkrieg noch zum Haus Europa. Umso größer die Empörung, dass die Russen mit dem unmusikalischen Putin an der Spitze, an der Minnesängerin Conchita/Tom und ihrer Sangeskunst ("Like a phoenix") keinen Gefallen finden, beim nächsten Mal dem SängerInnenkrieg gar fernbleiben wollen. Der Russen Mangel an musikalischer Empfindsamkeit entspringt den unberechenbaren Tiefen ihrer halbasiatischen Seele - für wertebewusste westliche Friedensfreunde ein Grund zur Beunruhigung. Wie sagte doch - noch dazu in makellosem Englisch - der russische Eisenbahnminister Wladimir Jakunin beim letzten Deutsch-Russischem Forum in Berlin : "Die antike Definition der Demokratie hatte nichts mit bärtigen Frauen zu tun, sondern die Demokratie ist die Herrschaft des Volkes"? Solche Worte hören wir Europäerinnen und Europäer nur mit historisch informierter Entrüstung. Obendrein wagte es Jakunin, uns EU-Bürger als "Ethno-Faschisten" zu bezeichnen. Wir sind empört. Ehe wir mit weiteren Sanktionen drohen, sollten wir von dem Putin-Intimus Jakunin eine Erklärung fordern, ob er angesichts unserer gesamteuropäischen Aversion gegen Separatisten aller Art etwa bloß die linken Nationalisten in Schottland oder in Katalonien gemeint hat. Julia Timoschenko, zur anstehenden Wahl wiederum mit dem züchtigen blonden Zopf bekränzt, kämen derartige beleidigende Worte jedenfalls nicht über die Lippen.
c) wegen der bevorstehenden Wahlen zum EU-Parlament. Man ist doppelt besorgt, denn zum einen könnte eine womöglich noch schwächere Wahlbeteiligung als beim letzten Mal (43 % der EU-Wahlvölker) Desinteresse, fehlendes EU-Bürgerbewusstsein signalisieren. Zum anderen herrscht mediale Besorgnis ob des befürchteten Vormarsches der diversen euro- und/oder europaskeptischen "Populisten". "Populisten" sind all jene, die meinen, am ordre établi in EU-Europa etwas auszusetzen zu haben und glauben, daran etwas ändern zu können.
"Populisten" sind überdies jene, die meinen, dem trotz aller Volkssouveränität in politischen Dingen unverständigen "Volk" (lat. populus --> auch peuple, people) nach dem Munde reden zu müssen. We, the people etc. The voice of the people is the voice of God? - der mit Lateinkenntnissen ausgestattete Thomas Jefferson, wenngleich (sklavenhaltender) Urdemokrat, lag da einfach falsch. Nein, wir von demokratischen Werten bewegten Europäer halten uns an das Wort des alten Januschauers (auch wenn dessen Namen keiner mehr kennt/nennt): Vox populi, vox Rindvieh! Gott bewahre uns vor einer "Volksrepublik Europa" - die unlängst proklamierten Volksrepubliken in der östlichen Ukraine sind abschreckend genug.
Samstag, 24. Mai 2014
Freitag, 9. Mai 2014
Kriegsszenen - und ein bewegender Film zum Kriegsende
I. Am heutigen 9. Mai beging Russland mit einer großen Militärparade in Moskau den Tag des Sieges im Großen Vaterländischen Krieg gegen Hitler-Deutschland. Im Westen, nicht nur in der Ukraine, nimmt man Anstoß daran, dass eine Truppenparade auch auf der von Russland reannektierten Krim stattfinden sollte (oder bereits stattgefunden hat). Hingegen verzichtete man laut Radiobericht außerhalb der sezessionistischen Donbass-Region in den Städten der Ukraine, also auch in Kiew, auf die traditionellen Siegesfeiern.
In der Ukraine spielen sich im Gefolge der Kiewer "Majdan-Revolution" blutige Auseinandersetzungen ab, bei denen angesichts der komplexen politischen Szenerie die begriffliche Trennung von Volkserhebung, Nationalitätenkonflikt, Bürgerkrieg und gewaltsamer Sezession schwerfällt. Nur in einer aus jeweiligem Interesse vereinfachten Sichtweise, die von dem ost-westlichen oder west-östlichen Machtspiel abstrahiert, scheint die Konfliktlage klar. Für die derzeitige ukrainische Führung und ihre westlichen Unterstützer geht es um die Verteidigung der "Majdan-Demokratie" sowie die Souveränität des Landes gegen Putins Expansionismus, für die prorussischen Kräfte geht es um Selbstbestimmung und den Kampf gegen die ukrainischen "Faschisten" - ein unzulässig pauschalisierender Begriff, der indes zumindest hinsichtlich der gewalttätigen Truppe mit der Selbstbezeichnung "Rechter Sektor" nicht gänzlich abwegig erscheint.
Über die Zukunft der Ukraine in dem größeren, als Neuauflage des Ost-West-Konflikts gedeuteten Kontext zu spekulieren, ist müßig. Ungeachtet der jüngsten als konfliktmäßigend zu wertenden Worte Putins an die prorussischen Aktivisten im Donbass wird das blutige Spiel zwischen Separatisten und von Kiew entsandten Truppen wohl noch für einige Zeit weitergehen. Was danach kommt?
II. Vor dem Hintergrund der realen Kriegsszenen in einem von der Geschichte, nicht zuletzt von deutschen Truppen und Besatzern im II. Weltkrieg schwer geschundenen Land erinnerte man am vergangenen Montag (5.Mai 2014) auf "Arte" mit zwei Filmen an das Kriegsende 1945. Zuerst wurde Bernhard Wickis Film "Die Brücke" aus dem Jahr 1959 gezeigt, der auf Generationen von Nachkriegsdeutschen prägend wirkte. Anschließend brachte man "4 Tage im Mai" - ein Film, der vor nicht mehr als drei Jahren 2011 als ukrainisch-russische-deutsche Koproduktion unter der Regie von Achim von Borries entstand.
Mir ist entfallen, ob das Kriegsdrama auf einer historisch verbürgten Episode beruht oder der Imagination des Autors zu verdanken ist. In allen Details - vornehmlich in der Schlußszene, wo sowjetische und deutsche Soldaten gemeinsam gegen eine von einem auf Gewalt (und Vergewaltigung) gestimmten Major kommandierte Einheit kämpfen, ist ersteres eher unwahrscheinlich. Doch in anderen Passagen wird die vielfältige, widersprüchliche historische Wirklichkeit bei Kriegsende fassbar. Als in der Eingangsszene vor einem Waisenhaus unweit der Ostseeküste, wo eine kriegsmüde deutsche Einheit auf Evakuierung nach Dänemark hofft, sowjetische Truppen auftauchen, ist Schrecken zu befürchten. Doch die Gewalttaten bleiben aus. Ein von seiner kleinen Einheit verehrter russischer Hauptmann - er verlor im Krieg Frau und Sohn - bewahrt und beweist gegenüber den Feinden Menschlichkeit. Umgekehrt trifft er in der Leiterin des Waisenhauses, einer aus Sankt Petersburg emigrierten deutschen Adligen, auf ein unvoreingenommes, über Hassgefühle erhabenes Gegenüber.
Repräsentiert von überzeugenden Schauspielern, bewegte die Friedensbotschaft des Filmes dank differenzierender Betrachtung der Realität des Krieges. Selbst angesichts der jüngsten Kriegsszenen aus der Ukraine sollte der als Beitrag zur Versöhnung von Russen, Ukrainern und Deutschen geschaffene Film aus dem Jahr 2011 nicht als Zeugnis der Vergeblichkeit gesehen werden.
In der Ukraine spielen sich im Gefolge der Kiewer "Majdan-Revolution" blutige Auseinandersetzungen ab, bei denen angesichts der komplexen politischen Szenerie die begriffliche Trennung von Volkserhebung, Nationalitätenkonflikt, Bürgerkrieg und gewaltsamer Sezession schwerfällt. Nur in einer aus jeweiligem Interesse vereinfachten Sichtweise, die von dem ost-westlichen oder west-östlichen Machtspiel abstrahiert, scheint die Konfliktlage klar. Für die derzeitige ukrainische Führung und ihre westlichen Unterstützer geht es um die Verteidigung der "Majdan-Demokratie" sowie die Souveränität des Landes gegen Putins Expansionismus, für die prorussischen Kräfte geht es um Selbstbestimmung und den Kampf gegen die ukrainischen "Faschisten" - ein unzulässig pauschalisierender Begriff, der indes zumindest hinsichtlich der gewalttätigen Truppe mit der Selbstbezeichnung "Rechter Sektor" nicht gänzlich abwegig erscheint.
Über die Zukunft der Ukraine in dem größeren, als Neuauflage des Ost-West-Konflikts gedeuteten Kontext zu spekulieren, ist müßig. Ungeachtet der jüngsten als konfliktmäßigend zu wertenden Worte Putins an die prorussischen Aktivisten im Donbass wird das blutige Spiel zwischen Separatisten und von Kiew entsandten Truppen wohl noch für einige Zeit weitergehen. Was danach kommt?
II. Vor dem Hintergrund der realen Kriegsszenen in einem von der Geschichte, nicht zuletzt von deutschen Truppen und Besatzern im II. Weltkrieg schwer geschundenen Land erinnerte man am vergangenen Montag (5.Mai 2014) auf "Arte" mit zwei Filmen an das Kriegsende 1945. Zuerst wurde Bernhard Wickis Film "Die Brücke" aus dem Jahr 1959 gezeigt, der auf Generationen von Nachkriegsdeutschen prägend wirkte. Anschließend brachte man "4 Tage im Mai" - ein Film, der vor nicht mehr als drei Jahren 2011 als ukrainisch-russische-deutsche Koproduktion unter der Regie von Achim von Borries entstand.
Mir ist entfallen, ob das Kriegsdrama auf einer historisch verbürgten Episode beruht oder der Imagination des Autors zu verdanken ist. In allen Details - vornehmlich in der Schlußszene, wo sowjetische und deutsche Soldaten gemeinsam gegen eine von einem auf Gewalt (und Vergewaltigung) gestimmten Major kommandierte Einheit kämpfen, ist ersteres eher unwahrscheinlich. Doch in anderen Passagen wird die vielfältige, widersprüchliche historische Wirklichkeit bei Kriegsende fassbar. Als in der Eingangsszene vor einem Waisenhaus unweit der Ostseeküste, wo eine kriegsmüde deutsche Einheit auf Evakuierung nach Dänemark hofft, sowjetische Truppen auftauchen, ist Schrecken zu befürchten. Doch die Gewalttaten bleiben aus. Ein von seiner kleinen Einheit verehrter russischer Hauptmann - er verlor im Krieg Frau und Sohn - bewahrt und beweist gegenüber den Feinden Menschlichkeit. Umgekehrt trifft er in der Leiterin des Waisenhauses, einer aus Sankt Petersburg emigrierten deutschen Adligen, auf ein unvoreingenommes, über Hassgefühle erhabenes Gegenüber.
Repräsentiert von überzeugenden Schauspielern, bewegte die Friedensbotschaft des Filmes dank differenzierender Betrachtung der Realität des Krieges. Selbst angesichts der jüngsten Kriegsszenen aus der Ukraine sollte der als Beitrag zur Versöhnung von Russen, Ukrainern und Deutschen geschaffene Film aus dem Jahr 2011 nicht als Zeugnis der Vergeblichkeit gesehen werden.
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