I. Am heutigen 9. Mai beging Russland mit einer großen Militärparade in Moskau den Tag des Sieges im Großen Vaterländischen Krieg gegen Hitler-Deutschland. Im Westen, nicht nur in der Ukraine, nimmt man Anstoß daran, dass eine Truppenparade auch auf der von Russland reannektierten Krim stattfinden sollte (oder bereits stattgefunden hat). Hingegen verzichtete man laut Radiobericht außerhalb der sezessionistischen Donbass-Region in den Städten der Ukraine, also auch in Kiew, auf die traditionellen Siegesfeiern.
In der Ukraine spielen sich im Gefolge der Kiewer "Majdan-Revolution" blutige Auseinandersetzungen ab, bei denen angesichts der komplexen politischen Szenerie die begriffliche Trennung von Volkserhebung, Nationalitätenkonflikt, Bürgerkrieg und gewaltsamer Sezession schwerfällt. Nur in einer aus jeweiligem Interesse vereinfachten Sichtweise, die von dem ost-westlichen oder west-östlichen Machtspiel abstrahiert, scheint die Konfliktlage klar. Für die derzeitige ukrainische Führung und ihre westlichen Unterstützer geht es um die Verteidigung der "Majdan-Demokratie" sowie die Souveränität des Landes gegen Putins Expansionismus, für die prorussischen Kräfte geht es um Selbstbestimmung und den Kampf gegen die ukrainischen "Faschisten" - ein unzulässig pauschalisierender Begriff, der indes zumindest hinsichtlich der gewalttätigen Truppe mit der Selbstbezeichnung "Rechter Sektor" nicht gänzlich abwegig erscheint.
Über die Zukunft der Ukraine in dem größeren, als Neuauflage des Ost-West-Konflikts gedeuteten Kontext zu spekulieren, ist müßig. Ungeachtet der jüngsten als konfliktmäßigend zu wertenden Worte Putins an die prorussischen Aktivisten im Donbass wird das blutige Spiel zwischen Separatisten und von Kiew entsandten Truppen wohl noch für einige Zeit weitergehen. Was danach kommt?
II. Vor dem Hintergrund der realen Kriegsszenen in einem von der Geschichte, nicht zuletzt von deutschen Truppen und Besatzern im II. Weltkrieg schwer geschundenen Land erinnerte man am vergangenen Montag (5.Mai 2014) auf "Arte" mit zwei Filmen an das Kriegsende 1945. Zuerst wurde Bernhard Wickis Film "Die Brücke" aus dem Jahr 1959 gezeigt, der auf Generationen von Nachkriegsdeutschen prägend wirkte. Anschließend brachte man "4 Tage im Mai" - ein Film, der vor nicht mehr als drei Jahren 2011 als ukrainisch-russische-deutsche Koproduktion unter der Regie von Achim von Borries entstand.
Mir ist entfallen, ob das Kriegsdrama auf einer historisch verbürgten Episode beruht oder der Imagination des Autors zu verdanken ist. In allen Details - vornehmlich in der Schlußszene, wo sowjetische und deutsche Soldaten gemeinsam gegen eine von einem auf Gewalt (und Vergewaltigung) gestimmten Major kommandierte Einheit kämpfen, ist ersteres eher unwahrscheinlich. Doch in anderen Passagen wird die vielfältige, widersprüchliche historische Wirklichkeit bei Kriegsende fassbar. Als in der Eingangsszene vor einem Waisenhaus unweit der Ostseeküste, wo eine kriegsmüde deutsche Einheit auf Evakuierung nach Dänemark hofft, sowjetische Truppen auftauchen, ist Schrecken zu befürchten. Doch die Gewalttaten bleiben aus. Ein von seiner kleinen Einheit verehrter russischer Hauptmann - er verlor im Krieg Frau und Sohn - bewahrt und beweist gegenüber den Feinden Menschlichkeit. Umgekehrt trifft er in der Leiterin des Waisenhauses, einer aus Sankt Petersburg emigrierten deutschen Adligen, auf ein unvoreingenommes, über Hassgefühle erhabenes Gegenüber.
Repräsentiert von überzeugenden Schauspielern, bewegte die Friedensbotschaft des Filmes dank differenzierender Betrachtung der Realität des Krieges. Selbst angesichts der jüngsten Kriegsszenen aus der Ukraine sollte der als Beitrag zur Versöhnung von Russen, Ukrainern und Deutschen geschaffene Film aus dem Jahr 2011 nicht als Zeugnis der Vergeblichkeit gesehen werden.
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