I.
Am kommenden Sonntagabend erwarten uns - abstinente oder 
widerwillige - TV-Konsumenten folgende Szenen: Zum Volkstrauertag findet
 eine Gedenkstunde im Bundestag statt, in der  "an die Opfer  von Gewalt
 und Krieg aller Nationen" (https://de.wikipedia.org/wiki/Volkstrauertag)
 gedacht wird. Für die diesjährige Feier wurde als Hauptredner  der 
rumänische Staatspräsident Klaus Johannis gewonnen. Zwei Fragen sind 
dabei offen: 1) Wie behandeln die von ihren Fraktionen bestellten Redner
 (bzw. deren Redenschreiber) das Thema Ukrainekrieg? 2) Wie reagieren 
die anderen Parteien, wenn der/die Redner/in der AfD auftritt? 
Sodann sehen wir in den TV-Nachrichten, wie der Bundespräsident, vermutlich begleitet von einigen Vertretern der Bundeswehr, einen Kranz mit schwarz-rot-goldenen Schleifen in der Neuen Wache Unter den Linden niederlegt, um der Opfer der Kriege und der Opfer der von Nazi-Deutschland verübten Verbrechen zu gedenken.
Der Volkstrauertag heißt ungeachtet seines völkischen Anklangs - und der bestenfalls indifferenten Anteilnahme der mit eigenen "Erzählungen" beschäftigten Staatsbürger mit Migrationshintergrund - noch immer so. Ein im engeren Sinne "nationales" Gedenken an die deutschen Kriegsopfer sowie der Gefallenen der beiden Weltkiege ist am Volkstrauertag nicht vorgesehen. Immerhin gedenkt man - Gegenstand einer weiteren TV-Szene - neuerdings auch der bei - erfolglos abgebrochenen - Kriegseinsätzen (Afghanistan, Mali) sowie - als sei dies identisch - bei Unfällen im Dienst zu Tode gekommenen Soldaten und Soldatinnen (in ungegenderter Reihung) der Bundeswehr. Die entsprechende Pflichtübung fällt dem noch amtierenden Verteidigungsminister Boris Pistorius zu, den - im Hinblick auf den bereits stattfindenden Wahlkampf - einige Auguren als zugkräftigeren SPD-Kanzlerkandidaten gegenüber dem an der "Schuldenbremse" gescheiterten Ampelkanzler Olaf Scholz ins Spiel gebracht haben.
Der
 deutsche Gedenktag fällt in das  dritte Jahr des von Russlands 
Herrscher Putin am 24. Februar 2022 eröffneten Krieges gegen die 
Ukraine. Ob bei dessen Erwähnung der Kriegsopfer auf beiden Seiten 
gedacht wird, ist nicht anzunehmen, denn die Sympathien der meisten 
Deutschen und ihrer politischen Klasse - ausgenommen, versteht sich, AfD
 und BSW - liegen noch immer bei der Ukraine, dem Opfer des Aggressors 
Putin. Das könnte sich jedoch ändern, wenn der derzeit in die Defensive 
gedrängte Präsident Selenskyi von den Deutschen noch mehr Geld und/oder 
endlich die Lieferung von Taurus-Raketen fordern sollte, was den vom 
Grundgefühl  pazifistisch gestimmten Deutschen missfallen dürfte. 
II.
Ach
 ja, die heutigen Deutschen tun sich schwer mit ihren Gedenktagen, erst 
recht mit dem Gedenken an ihre Kriegstoten. Lange waren sie eingestimmt 
auf "Frieden schaffen ohne Waffen". Doch jetzt müsse Deutschland wieder 
"kriegstüchtig" sein, so proklamierte es unser Verteidigungsminister  
anlässlich der am 24. Februar 2022 eingetretenen "Zeitenwende" (Scholz).
 Nicht überraschend sind seit dem Ukrainekrieg - vom Gazakrieg abgesehen
 - die Friedensparolen der Evangelischen Kirche, in den 1980er Jahre 
Hauptträger einer gegen "neue Nato-Raketen" gerichteten 
Friedensbewegung, hörbar verstummt. 
Kriegstüchtig? "Kriegstüchtig" heißt nicht nur höhere Militärausgaben, heißt nicht nur Krieg mit Distanzwaffen wie Drohnen, Raketen und weitreichenden Feldhaubitzen. "Kriegstüchtig" heißt Vorbereitung auf Kampf, Zerstörung, Töten, Verstümmelung und Sterben.
III.
"Troja hört nicht auf zu brennen", lautete der Titel eines Essays des Philosophen Peter Furth. (Siehe H.A.: https://www.globkult.de/gesellschaft/besprechungen-gesellschaft/862-eine-kritik-der-deutschen-zivilreligion-aus-dem-geist-der-tragoedie).
 Auf die Gefahr hin, von übelwollenden Zeitgenossen bewusst 
missverstanden zu werden, zitiere ich Auszüge aus dem Interview, in dem 
der 100jährige Kurt Meisner, ein aus Landsberg a.d.Warthe (heute Gorzów 
Wielkopolski) stammender 
Überlebender des Krieges, in den er 1942 als Siebzehnjähriger - noch als
 Arbeitsdienstleistender-  hineingeriet, in der ungeliebten "Jungen Freiheit" 
über seine Kriegserfahrungen berichtete (in: JF Nr. 47 v. 15.11.2024, S.
 12). Das Interwiew führte Moritz Schwarz.
[...]
Wie verarbeitet man das?
Meissner: Danach hat keiner gefragt. Es war ja damals viel vom Heldentod die Rede. Ich aber habe die Realität in ihrer äußersten Brutalität kennengelernt - all die furchtbar Verwundeten, die Verstümmelten, die Sterbenden und die Toten, die ich so jung und völlig unvorbereitet sehen mußte und die bis heute in meiner Erinnerung sind...
Wie war es, mit 17 töten zu müssen?
Meissner:
 Auch das ist schrecklich. Aber wenn es heißt, er oder ich, dann zögern 
Sie nicht. Als MG-Schütze habe ich später viele Russen getötet, 
furchtbar. Doch so auf die Entfernung ging es noch. Aber ich war auch in 
Nahkämpfe verwickelt und mußte einmal einen jungen Russen mit meinem 
Dolch erstechen. Ich habe immer wieder an ihn gedacht und daran, daß 
auch er eine Mutter hatte, die hoffte und betete, er würde zu ihr 
heimkehren.  
[...]
Meissner: Ja, das war schrecklich, daß wir nach dem Krieg nicht mehr nach Landsberg zurückkonnten. Ich vermisse meine Heimat noch heute. Aber es war nicht zu ändern...
Wie sind Sie mit all dem nach dem Krieg zurechtgekommen?
Meissner: Ich habe das mit mir selbst ausgemacht, da ich nie jemand war, der viel darüber geredet hat. Nach dem Krieg hatten wir nichts mehr, nicht einmal mehr eine Heimat. Erst mußte man am Leben bleiben, die Hungerwinter überstehen und dann wieder aufbauen. Ich denke manchmal, mein Gott, was wir ertragen mußten! Und die Jugend jammert, weil sie zu viel arbeiten muß und nicht genug Party machen kann. Ich habe Sorge, daß diese Generation - der alles zu fehlen scheint, womit wir uns durchgebissen und unter alle den Trümmern wieder hervorgearbeitet haben - das, was wir hier aufgebaut haben, nicht wird halten können.
