Dienstag, 18. Januar 2022

Der neue kalte Krieg

Ein kurzer Auszug aus meinem unter der Rubrik "Geopolitik" erschienenen Aufsatz "Der neue kalte Krieg", in: "Tichys Einblick" 02/2020, S. 20-24:

 

Noch in diesem Jahrzehnt wird die formal kommunistische Volksrepubik China, gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP), die USA als weltweit stärkste Wirtschaftsmacht ablösen. In nahezu allen Weltregionen ist das ostasiatische „Reich der Mitte“ dabei, unter dem Banner der „Neuen Seidenstraße“ (Belt and Road Initiative / BRI), der Proklamation eines vermeintlich allein friedlichen Zwecken und dem Fortschritt der Menschheit dienenden Konzepts, seine ökonomisch-politischen Machtinteressen zu entfalten. Diese Entwicklung ist begleitet von einem atemberaubenden Ausbau seiner Militärmacht einschließlich des Arsenals an Atomwaffen.

Das Selbstbewusstsein der chinesischen Führung kommt in dem Satz von Chen Yixin, dem ranghohen Vertrauten des Präsidenten Xi Jinping zum Ausdruck: „Der Aufstieg des Ostens und der Niedergang des Westens ist ein irreversibler Trend, die internationale Landschaft verändert sich zu unseren Gunsten“. Worte und Fakten signalisieren weitreichende politische Absichten. Vor diesem Hintergrund wird in den USA - und zwar verstärkt seit Bidens Amtsantritt - eine Debatte über das künftige Verhältnis zu China geführt. […]

[Nur geringer ] Zweckoptimismus durchzieht die Aufsätze der jüngsten Ausgabe von Foreign Affairs, deren Deckblatt die Porträts der Präsidenten Biden und Xi ziert, dazwischen die Überschrift „The Divided World. America´s Cold Wars“.[...]

„Internationale Systeme sind anarchisch, und Theoretiker sagen uns, dass kein Teil von Ihnen voll kontrolliert werden kann“, schreiben Hal Brands und John L. Gaddis. Die Einsicht in die Realitäten der „anarchischen“ Weltordnung des 21. Jahrhunderts ist hierzulande, wo man politischer Komplexität lieber mit Weltrettungspathos begegnet, noch immer wenig verbreitet. [...]

Nach den langen Jahren der Ära Merkel, die ein ungeordnetes Wechselspiel von Moral- und Interessenpolitik erlebten, bleibt zu sehen, wie die neue Bundesregierung mit den machtpolitischen Gegebenheiten der multipolaren Welt umzugehen gedenkt.

 

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