Der Nikolaus kam heute morgen ohne Rute und überbrachte der "Linken" ihr Wahlgeschenk, indes erst im zweiten Wahlgang. Es ist müßig zu spekulieren, wer im ersten Wahlgang im Erfurter Landtag schön heimlich seinen Dissens mit der Parteiführung der SPD und/oder der sich als Erben der DDR-Bürgerrechtler verstehenden Grünen bekundete. Ebenso überflüssig sind Spekulationen darüber, wer denn im für Ramelow siegreichen Wahlgang sich seitens der Opposition der Stimme enthielt.
Die Art und Weise, wie in Thüringen die neue Regierung zustandegekommen ist, bedarf dessen ungeachtet eines Kommentars. Zum ersten: Dass nach 14 Jahren CDU-Regierung (mit SPD-Koalitionssukkurs) das Wahlvolk den "Wechsel" will, klingt auf den ersten Blick demokratisch plausibel. Doch dass nur 52 % der Wahlberechtigten noch an der parlamentarisch-demokratisch verfassten Politik, d.h. am Wechselspiel, Interesse zeigten, passt schon weniger zum Selbstbild der Demokratie. Es bleibt festzuhalten, dass angesichts der neuen parlamentarisch erzeugten Machtverhältnisse in Thüringen in den Medien kein Lamento über die in der Wahlbeteiligung manifest gewordene "Politikverdrossenheit" angestimmt wurde.
Zweitens: Ach, alle Appelle der einstigen Aktivisten gegen den - mittlerweile von Ramelow koalitionstechnisch konzedierten - Unrechtsstaat DDR und dessen politische Nachlaßverwalter blieben vergebens. Wolf Biermanns Brief an den zum letzten Protest rufenden Bürgerrrechtler Matthias Büchner- erst heute in Auszügen in der FAZ zu lesen - war in den Wind geschrieben. Warum wohl?
Die Antwort ist am wenigsten in den alle Ramelow-Wähler überzeugenden Inhalten des Koalitionsvertrages - wann wurde eigentlich derlei befristete Ersatzverfassung in die politische Praxis des bundesrepublikanischen Parlamentarismus eingeführt? - zu suchen, sofern es sich nicht um irgendwelche Versprechen fürs umworbene Wahlvolk handeln sollte. Die Antwort, warum die rot-rot-grünen Abgeordneten ihrem koalitionären Gewissen folgten, ist weit simpler (wenngleich hypothetisch): Im Falle der Nichtwahl Ramelows wäre es im Lande des "düringischen Uffruhrs" zu Neuwahlen gekommen. Den Grünen und den Sozialdemokraten wären womöglich noch weitere Sitze abhanden gekommen. Das wollte denn doch keiner der Volksvertreter(-innen) riskieren, am wenigsten die auf den hinteren Listenplätzen. Das Gewissen unterlag dem Wissen um die Ungewissheit der eigenen Zukunft, die Sorge um die allseits gefährdeten demokratischen Werte verschmolz mit dem schnöden materiellen Kalkül.
Der zweite Wahlgang war, so betrachtet, für die Vertreter der im September 2014 dezimierten Minderheitsparteien die erste Wahl.
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