I.
Wir – wir, ein exkludierender, ethno- und/oder egozentrischer Begriff, sofern nicht von Annalena und Claudia in ein deutsch-dekolonialistisches Schuldnarrativ verpackt – wir wissen was uns (!) am ersten Feiertag erwartet: die Weihnachtsansprache unseres Bundespräsidenten Steinmeier. Was ihm der/die/das Redenschreiber (m/w/d) aufgeschrieben hat und was er dem Volk zu verkünden hat, ist leicht zu antizipieren: Unser Entsetzen über den Krieg in der Ukraine, unsere Unterstützung für das leidende Volk (!) der Ukrainer inklusive effektiver Waffenhilfe zur Abwehr des Aggressors Putin. Inwieweit der Redenschreiber (sc. die -in) uns an den historischen Schuldanteil der Deutschen in den bloodlands (Timothy Snyder) erinnert, muss noch offen bleiben.
Danach folgt der Appell zur Vernunft, zum verständnisvoll sparsamen Umgang mit – kriegsbedingt - knapp gewordener Energie. In die grüne Ermahnung passt keine Bemerkung zu den am 26. September 2022 von unbekannter Hand gesprengten Pipelines Nord Stream I und II. Auch Überlegungen zum Nutzen des Weiterbetriebs oder gar der Wiederinbetriebnahme von abgeschalteten Atomkraftwerken wird man aus dem Munde des Bundespräsidenten kaum hören.
Als pastorale Ergänzung zu den bikonfessionellen Friedens- und Flüchtlingsbotschaften in den zusehends schwächer besuchten Kirchen selbst an Heiligabend werden wir Bundesbürger (m/w/d), jung und alt, sodann zu mehr Menschlichkeit und zum vorurteilsfreien Umgang mit den erneut - in höheren Zahlen als zu Merkels Zeiten – hereinströmenden Geflüchteten ermahnt. Ja, wir wissen: Niemand verlässt sein geliebtes Heimatland und oder/seine innig geliebte Familie (our family is our village) ohne Grund. Statistiken über proportional nicht-indigene Gewalttaten sind für eine Sonntagspredigt zu trocken und gehören – ins Ressort „Kampf gegen rechts“ von Innenministerin Nancy Faeser. Vermutlich erinnert Steinmeier auch an die permanente Bedrohung unserer Demokratie und Werteordnung, wie sie am 8. Dezember im gerade noch verhinderten Sturm der Reichsbürger auf den Reichstag manifest wurde.
II.
Die Öffentlich-Rechtlichen Rundfunkanstalten (ÖRR) bilden – als zur Kritik berufene Beobachter des Weltgeschehens für Gesellschaft und Staat unverzichtbar - eine aus Pflichtbeiträgen und staatlichen Budgets reichlich ausgestattete Institution unserer Demokratie. Vor dem Hintergrund des politischen Bildungsauftrags sowie des alles andere beherrschenden Datums des 24. Februar 2022 ist nicht anzunehmen, dass ein Scherzbold aus den unteren Rängen des Rundfunks des Kanzlers Neujahrsrede vom Vorjahr 2022 aus der Konserve holt und dem Publikum darbietet. Derlei Scherze – wie noch in den längst vergessenen 1980er Jahren – verbieten sich in so ernsten Tagen des Kriegsjahrs 2022/2023. Im übrigen ist Scholz nicht Kohl. Die Kennzeichnung „Scholzomat“ ist für heutige Spiegel-Journalisten/innen auch nicht mehr so witzig wie ehedem die „Birne“.
Was uns aus dem Munde Scholz´erwartet, ist schwer zu sagen. Obenan geht es um den Ukrainekrieg, der für Scholz eine „Zeitenwende“ einläutete. Ich gestehe, dass ich bis zu Putins Auftritt vor den Chargen seines Machtapparats – immerhin riskierte sein Sicherheitschef einen Augenblick lang Bedenken zu äußern – auch zu denen gehörte, die an eine Wiederkehr eines großen Krieges in (Ost-)Europa nicht glauben wollte. Die Fakten nötigten mich zu besserer Einsicht. Einen Ausweg aus Krieg und Kriegselend vermag ich nicht anzugeben, außer meinen privaten Appell zu entsprechenden Appellen Scholzens, Macrons (und Orbáns) an Putin, in milder Form auch an Joe Biden und Wolodomyr Selenskyi.
Scholz wird in seiner Neujahrsansprache also seine Hoffnung auf Frieden mit uns teilen, der indes – widerwillig - nur mit mehr deutschen Waffenlieferungen erreicht werden kann. Die Zeitenwende, der Realitätsschock, ist bis dato im pazifistisch gestimmten Volk noch nicht angekommen. Das muss sich ändern. Mit einem Riesenrüstungsbudget und Reparaturen an unseren traditionsreichen Panzern allein ist der ersehnte Friede nicht zu gewinnen. Scholz sollte sich – auch in seiner Neujahrsrede - an den kampfbereiten Grünen orientieren. Wenn zudem die Panzer mit Sonnenblumen bestückt werden, freuen sich die Ukrainer, und die Russen („Gruppe Wagner“ und andere) werden friedenswillig gestimmt.
Jedenfalls wird Scholz
am Neujahrstag 2023 dem Volk Verantwortung und Tatkraft der Ampel vor
Augen halten und um Vertrauen werben. Regieren - erst recht in einer Demokratie - ist auf Vertrauen gegründet, heißt es schon bei John Locke (all government is based on trust). Da die Ampel immer auf grün steht, können wir - trotz allerlei Magengrimmen - voll Vertrauen und Hoffnung ins Jahr 2023 starten.
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