Zwei Themen beherrschen derzeit Politik, Medien und das Volk: die vierte Corona-Welle und die "Flüchtlingskrise" an der Grenze zwischen Polen und Belarus. Hinter den Bildern aus den Kliniken und von den frierenden Kindern, den kräftigen Baumfällern und Steinewerfern hinter dem Stacheldrahtverhau muss sogar die in Glasgow nur schlecht gebannte Klimaapokalypse in den Hintergrund rücken.
Nun also noch ein Kommentar zu dem - wie alle anderen Viren - ungebremst mutierenden Virus. Muss das sein? Vorab die Kautele: Man kann nie wissen, wer einen Text und den Verfasser (neulinks-dummdeutsch: den Verfassenden), aus Dummheit und/oder Bosheit missversteht. Deshalb in aller Klarheit: Wenngleich in vielen Dingen skeptisch, insbesondere gegenüber den edlen Absichten und edukativen Zielen der classe politica in diesem unserem Lande, gehöre ich weder zu den Impfskeptikern noch zu den Impfverweigerern, schon gar nicht zu den Corona-Leugnern.
Wie könnte ich auch? Im Februar und März dieses Jahres - kurz vor dem angekündigten Impftermin - hat mich Covid-19, britische Beta-Variante, für einige Wochen übel erwischt. Nach Entlassung aus der Klinik laut Bluttest ausgestattet mit hoher Immunitätsrate, habe ich mich gemäß medizinischer Maßgabe nach etwa sechs Monaten impfen lassen. Von long Covid verschont, bereite ich mich auf eine weitere Nachimpfung im Februar vor. Dies in der Hoffnung, dass mir die Adventszeit, sodann die Weihnachts- und Winterurlaubstage nicht durch einen neuerlichen totalen Lockdown oder Schneeausfall - vom Klimawandel über die Erderwärmung zur "Erderhitzung" - verdorben werden.
Mit derlei Hoffnungen nehme ich die derzeit je nach Inzidenzindex verhängten Einschränkungen meiner Bürgerfreiheiten, meines Alltags, in Kauf. Mehr noch: Ich befürworte eine möglichst umfassende "Durchimpfung" der Bevölkerung, organisch belastete Risikofälle ausgenommen. Für im Pflegebereich Arbeitende (hier: sinnvolles Partizip) sollte die Impfung selbstverständlich sein, des weiteren geht es um den Schutz - meinethalben auch um klassenübergreifende "Solidarität" - am Arbeitsplatz. Es handelt sich um eine Frage der Statistik: Wenngleich niemand vor Ansteckung gänzlich sicher ist, versprechen die Daten zu Covid-Erkrankungen eindeutig mehr Sicherheit für die Geimpften. Dieser "positivistische" Befund ist durch Ausnahmen - einer meiner Freunde liegt derzeit trotz zweimaliger Impfung auf Intensivstation - nicht zu widerlegen.
Was mir überhaupt nicht gefällt, ist der politische Umgang, genauer: die anhaltende politisch-dezisionistische Zwecknutzung der Pandemie. Als Meister in diesem Spiel erweist sich Markus Söder, der sich gestern noch für Lockerungen der Restriktionen stark machte, um heute eine bundesweite Impfpflicht zu fordern. Dass einige Politiker an 2G festhalten wollen, während der noch als Gesundheitsminister amtierende Jens Spahn 2G plus proklamiert, ist letztlich egal. Weniger belanglos, typisch für den aufgeregt selbstgenügsamen Politikbetrieb, erscheint hingegen, dass die CDU, jetzt bereits faktisch in der Opposition, plötzlich gegen die von der Ampel-Mehrheit im Bundestag beschlossenen Corona-Maßnahmen auftritt.
Dass die Pandemie parteipolitischen Zwecken dienen könnte, illustriert den Zustand politischer Moral in Deutschland. Zu den billigen politischen Tricks gehört auch, die hohe Zahl von Infektionen in Sachsen und Thüringen der AfD in die Schuhe zu schieben. Wie erklärt man die dunkelroten Infektionszonen in Bayern und Österreich? Warum müssen die Niederlande wieder strengere Regeln verhängen, warum bleibt Schweden bislang von der Pandemie weniger betroffen?
Die Frage, warum "die Politik" keine Vorkehrungen gegen die Wiederkehr der Pandemie getroffen hat, scheint müßig. Bis vor ein paar Wochen glaubten fast alle noch, das Schlimmste hinter sich zu haben. Anders als die vornehmlich an den Benzin- und Strompreisen abzulesende, nur die fröhliche Jugend beunruhigende Klimakatastrophe lässt sich permanente Angst vor dem Virus politisch schlecht vermitteln. Im übrigen hätte man damit nur den "Querdenkern" noch mehr Anhänger zugetrieben.
Es gibt - außer Tests, Impfungen und Hoffnung auf wirksame Medikamente - kein unzweifelhaftes Konzept gegen die für viele todbringende Pandemie. Es fällt auf, dass auch den Kirchen, sonst um "grüne" Apokalyptik nicht verlegen, zu Corona, zum Leiden und Sterben auf der Intensivstation, nichts einfällt. Der Tod kommt - nicht nur - bei den Protestanten in ihrer religiösen Botschaft des globalethischen Reduktionismus nur noch am Rande vor. So bleibt uns nur die wenig tröstliche Aussicht, das Corona-Virus Covid-19 werde im Zuge der "Durchseuchung" ganzer Länder und Kontinente seinen Schrecken verlieren, wenn die Bevölkerungen - hier: adäquater Terminus - ein gewisses Maß an Resistenz, vergleichbar den Gefahren der "normalen" Influenza, entwickelt haben. Diesbezüglich ist der aus dem Amt scheidenden Kanzlerin Merkel mit ihrer einmaligen Aussage zu Beginn der Corona-Krise im Frühjahr 2020 sogar einmal zuzustimmen.
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