Alles starrt gebannt auf das Datum 1. September, auf die Wahlen in Sachsen und Brandenburg - dazu noch der 80. Jahrestag... Wie schlimm steht´s mit der deutschen Demokratie in den nicht mehr so neuen fünf Bundesländern, im "Osten", in "Ostdeutschland" (minus Berlin, genauer: minus Friedrichshain-Kreuzberg)? Welche Koalitionsarithmetik werden/können/sollen die TV-Auguren nach den ersten Hochrechnungen um 18.00 h betreiben? Geht´s in Sachsen noch ohne die "Linke" (was sich in Brandenburg noch nie als Frage gestellt hat)?
Um das demokratische Gewissen zu prüfen, betätigte ich den von der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung (slpb) hinsichtlich der Landtagswahlen produzierten und ins Netz gestellten Wahl-O-Mat. Wie bei früheren derartigen Internet-Spielen - egal wo offeriert, ob in irgendeinem Bundesland oder auf Bundesebene - wird der mündige Bürger und noch unschlüssige Wähler mit einem Paket von 38 statements konfrontiert, die ihm die Wahl zu drei bzw. vier Antworten eröffnen: (ich) stimme zu /neutral /stimme nicht zu. Wem ein zur "Wahl" gestelltes Thema nichts sagt - oder wer es zu doof findet -, kann die Frage auch überspringen. Letztere Möglichkeit stellt den Demokraten vor eine Gewissensfrage: Bin ich zu feige, drücke ich mich vor einer eindeutigen Antwort, oder bin ich nichts als ein schlecht informierter Politkonsument?
Ich habe mich trotz aller Bedenken wieder mal auf das Spiel eingelassen, nur um festzustellen, dass von den 38 statements höchstens 10 bis 12 so formuliert sind, dass sie überhaupt zu einer Antwort taugen. In der Überzahl handelt es sich um von den politische Bildnern mehr oder weniger grün eingefärbte Fragen, die zwar den jeweiligen Simplifikationen in der Wahlpropaganda der Parteien entsprechen mögen, indes ob ihrer geistigen Schlichtheit für den "kritischen" Bürger eine Zumutung darstellen, beispielsweise: Sollen entlang aller Landstraßen Radwege angelegt werden? Sollen alle Kohlekraftwerke schon vor 2038 abgeschaltet werden? Sollen abgelehnte Asylbewerber in Sammelunterkünften untergebracht werden (oder so ähnlich)? Brauchen wir in Sachsen ausländische Facharbeiter? usw.
Aus Zeit- und Hygienegründen habe ich an die 20 Fragen übersprungen, weitere 5 - 10 "neutral" behandelt. Danach galt es den dürftig beantworteten Beichtspiegel mit bis zu 8 Parteien aus dem Angebot abzugleichen. Zu meiner Erleichterung stand bei meiner digital ermittelten Präferenz nicht etwa die AfD ganz oben, sondern die "Freien Wähler". Immerhin die gehören in Sachsen - erst recht in Bayern - zur demokratischen Volkseinheit.
Das lässt hoffen: Wenn in Sachsen die um die welterfahrene Ex-Grüne Antje Hermenau gescharten Freien Wähler die Fünf-Prozent-Hürde überspringen - bei den Kommunalwahlen im Mai 2019 erwiesen sie sich als stärkste Gruppierung -, werden die Karten im Freistaat neu gemischt. Auch die Auswirkungen auf das abgeschottete bundesrepublikanische Parteiensystem und die größtkoalitionäre Regierung wären beträchtlich.
P.S. In Sachsen wa´r s nix mit den Freien Wählern, wohl aber in Brandenburg. So oder so, das Bild ist "bunter" geworden - und nicht nur grüner.
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