Alle Welt - von London bis Wien, von Brüssel bis Berlin, von Paris bis Rom - erwartet mit Spannung den Ausgang der Europawahlen genannten Wahlen zum EU-Parlament. Wie schlägt die FPÖ-Party in Ibiza, der Eklat in Wien, der Aufenthalt Steve Bannons in einem Pariser Luxushotel auf die Wahlergebnisse in den 28 EU-Ländern (still includig the UK, mind you) durch? Ist es vorbei mit dem Vormarsch der Rechtspopulisten? Wie hoch ist die Wahlbeteiligung, Barometer demokratischen Bewusstseins in Deutschland und sonstwo?
Wer sich die Abende nicht durch TV-Talkshows verderben will, ist am Tag danach auf die Kommentierung in den online-Medien angewiesen, in der Hoffnung, dass der/die Kommentator/-in nicht die falsche Brille aufgesetzt hat. Bei Tichys Einblick ist für den deutschen Demokraten Vorsicht geboten, denn das liberal-konservative Magazin steht im Verdacht, Zweifel am größtkoalitionären, gründeutschen Wertekanon zu säen.
Unter derlei Vorbehalt ist die Nachlese der letzten Anne-Will-Show von Alexander Wallasch zu empfehlen: https://www.tichyseinblick.de/kolumnen/alexander-wallasch-heute/katarina-barley-rechts-von-uns-die-anderen/?fbclid=IwAR0wT28TD_QPhcT-2lo1EAIFiglaN0evDkdUnQjiXN_DyWzbtI8aj6xYJfs. Nein, es geht nicht darum, des Autors Kritik am Auftritt Katarina Barleys zu teilen - ich habe die Show ja selbst nicht gesehen -, sondern um eine spezifische Passage im Text. Es handelt sich um ein - meist nur in Kurzversion bekanntes - Zitat aus dem Talkshow-Geplappere der Grünen-Politikerin, unvollendeten Theologin und einstigen EKD-Funktionärin (Präses der Synode) Karin Göring-Eckardt bei einer früheren Anne-Will-Sendung.
Darin tat Göring-Eckardt folgendes kund: „Dieses Land wird sich verändern. Und es wird sich ziemlich drastisch
verändern. Und es wird ein schwerer Weg sein, aber dann glaube ich,
können wir wirklich ein besseres Land sein. Und daran zu arbeiten, das
mit Begeisterung zu machen, die Leute mitzunehmen, auch die, die Angst
haben (..) das ist eigentlich die historische Chance in der wir sind.
Das ist wahrscheinlich sogar noch mehr als die deutsche Einheit, was wir
da erreichen können. Was die Kanzlerin gemacht hat, ist eine große Idee
davon, was es heißt, dieses Land neu zu denken. (…) Die Arbeitgeber
scharren längst mit den Füßen und sagen: Wir brauchen diese Leute. (..)“
Wenn die "Populisten" - in Deutschland die AfD, längst nicht mehr die "Linke" um Katra Kipping, Petra Pau, und Bodo Ramelow - am kommenden Sonntagabend trotz des FPÖ-Skandals in und um Österreich auf peinlich hohe Prozentzahlen kommen sollten, so liegt die Erklärung im obigen Zitat.
Dass sich "das Land" vor allem in der Ära Merkel "drastisch" verändert hat wie nie zuvor, ist ein unübersehbares Faktum. Keine der "etablierten" Parteien verfügt über ein tragfähiges Konzept, wie die daraus erwachsenen Probleme zu beheben seien. Es ist die Mischung aus Ignoranz und Arroganz derer, die "daran arbeiten", auf dem "schweren Weg" "die Leute mitzunehmen".
Dass "die Leute", vulgo das "Volk", in der Regel einen leichteren Weg bevorzugen, liegt in des Menschen Natur. Dass sich immer mehr Leute weigern, sich auf einen Weg in eine Zukunft "mitnehmen" zu lassen, die alles andere als beglückend sein wird, ist der Grund für den Aufstieg der "Populisten". Daran wird auch der termingerechte Fall der FPÖ nichts ändern.
Dienstag, 21. Mai 2019
Mittwoch, 15. Mai 2019
Politisch progressives Bewusstsein im Zentrum Europas
Anstelle eines zeitraubenden Kommentars zur fortschreitenden amentia (siehe auch lat. dementia) in unserem im Zentrum Europas gelegenen Lande genügt für heute ein Auszug aus einem Leserbrief (in der FAZ nr. 112 v. 15. Mai 2019, S. 6):
"[...] Die Ministerin Barley hat im Hinblick auf die Entziehung der deutschen Staatsbürgerschaft ein schlechtes Argument verwendet. In der Sache hat sie die bestehende Rechtslage verteidigt. Die SPD hat ebenso wie die CDU/CSU mit ihrer Migrationspolitik große Teile ihrer Mitglieder (sic!) in die Arme der AfD getrieben. Deshalb war aber diese Politik nicht falsch.
Wenn ein Migrant nach den Gesetzen seines Landes mehrere Frauen haben darf, dürfen unsere Einwanderungsgesetze von Migranten nicht verlangen, dass sie sich von einem Teil ihrer Frauen trennen für die sie ja eine Verantwortung haben. Das spielt es keine Rolle, was ´die Deutschen´ umtreibt, die nur eine Frau haben."
Die Leserin/der Leser/die des Lesens noch Kundigen dürfen spekulieren, ob die Leserbrief-Redaktion die obige Evaporation des postdeutschen Volksgeistes unter der Überschrift "SPD-Politik nicht falsch" ganz ohne Hintergedanken oben an erster Stelle hingesetzt hat.
"[...] Die Ministerin Barley hat im Hinblick auf die Entziehung der deutschen Staatsbürgerschaft ein schlechtes Argument verwendet. In der Sache hat sie die bestehende Rechtslage verteidigt. Die SPD hat ebenso wie die CDU/CSU mit ihrer Migrationspolitik große Teile ihrer Mitglieder (sic!) in die Arme der AfD getrieben. Deshalb war aber diese Politik nicht falsch.
Wenn ein Migrant nach den Gesetzen seines Landes mehrere Frauen haben darf, dürfen unsere Einwanderungsgesetze von Migranten nicht verlangen, dass sie sich von einem Teil ihrer Frauen trennen für die sie ja eine Verantwortung haben. Das spielt es keine Rolle, was ´die Deutschen´ umtreibt, die nur eine Frau haben."
Die Leserin/der Leser/die des Lesens noch Kundigen dürfen spekulieren, ob die Leserbrief-Redaktion die obige Evaporation des postdeutschen Volksgeistes unter der Überschrift "SPD-Politik nicht falsch" ganz ohne Hintergedanken oben an erster Stelle hingesetzt hat.
Dienstag, 14. Mai 2019
Exzellente Wissenschaft in und für Europa
"Exzellent" - geschrieben trotz permanenter Rechtschreibreformen derzeit mit "z", nicht wie noch zu Goethes Zeiten mit "c" - gehört zu jenen Vokabeln, mit denen der Sprecher - oder heute mehr die Sprecherin - signalisiert, eine anspruchsvollere Diktion zu pflegen als die lieben Kollegen und/oder Konkurrentinnen. Auch in politisch-medialen Debatten ist die Vokabel zuweilen gebräuchlich, wenn etwa die Leistungen (performances) von Ministerinnen wie Ursula von der Leyen oder von deren unlängst entlassenen, langjährig für die Beschaffung exzellenter Rüstungsgüter zuständigen Staatsekretärin Katrin Suder zu beurteilen sind. "Exzellent" klingt vornehmer, gebildeter als die grünen Gebrauchsvokabeln "toll" oder "finde ich irgendwie total gut".
Ob ihrer Leistungen als Bezirksstadträtin für Bildung, sodann als Bürgermeisterin im Berliner "Problembezirk" Neukölln - wer erinnert sich noch an ihren so tatkräftigen wie illusionslosen Vorgänger Heinz Bukowsky? - genießt Franziska Giffey einen guten, in den Augen ihrer Genossinnen und Genossen einen exzellenten Ruf. Dank ihrer Bewährung an der Problemfront gelangte Giffey ins Amt der Familienministerin (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend) im vierten Kabinett Merkel. Mutmaßlich erfüllt sie dort ihre Aufgaben - nicht zuletzt im gesetzlich erweiterten Begriffsfeld "Familie" - zu "vollster Zufriedenheit" (Terminus für "gute" Leistungen in Arbeitszeugnissen) ihrer Kanzlerin.
Kritische Worte, hässliche Bemerkungen, läppische Witzchen über Giffey waren im Berliner Politbetrieb bis dato nicht zu hören. Seit ein paar Tagen ist das anders. Die CDU-Vorsitzende und prospektive Merkel-Nachfolgerin Annegret Kramp-Karrenbauer nimmt Anstoß an Giffeys mit deren Politlaufbahn verquickten akademischen Leistung. Anno 2009 war Giffey als Dozentin an der Verwaltungsakademie Berlin tätig, außerdem Europabeauftragte des Bezirks Neukölln. Zugleich schrieb sie an einer Dissertation zum Thema "Europas Weg zum Bürger - die Politik der Europäischen Kommission zur Beteiligung der Zivilgesellschaft" - im Blick auf die olympischen Aspekte europäischer Politik und die nur von populistischer Propaganda beklagten ("hochgepuschten") demokratischen Defizite der EU ein grundlegend wichtiges Forschungsthema. Drei Monate, nachdem Giffey (verh.) ihren Sohn zu Welt brachte, reichte sie ihre Dissertation am Otto-Suhr-Institut der FU Berlin ein.
Die digitale Revolution hat als neuen Unternehmenszweig die Durchleuchtung von wissenschaftlichen Forschungsarbeiten hervorgebracht. Eines davon ist die auf Plagiate spezialisierte Internet-Plattform "Vroniplag" (Etymologie fragwürdig). Ob Vroniplag aus reinem Wissenschaftsethos heraus am Ruin von politischen Titelträgern (sc. -innen) arbeitet oder aus materiellem Interesse in diesem Bereich unternehmerisch tätig geworden ist, entzieht sich unserer Kenntnis. Jedenfalls stieß "Vroniplag" in Giffeys wissenschaftlichem Werk auf zahlreiche Passagen (angeblich auf jeder dritten Seite), die den Kriterien streng wissenschaftlicher Arbeit nicht entsprechen.
An diesem Punkt akademischen Streits überschneiden sich Wissenschaft und Politik. Da in früheren Fällen (Karl-Theodor von und zu Guttenberg, CSU, sowie Annette Schavan, CDU) sich die politischen Gegner (SPD, Grüne etc.) die Chance zur akademischen Desavouierung der Konkurrenz nicht entgehen ließ, beschwört nun Kramp-Karrenbauer die Einhaltung der Maßstäbe strenger Wissenschaft für die SPD-Ministerin Giffey. Im Volksmund ist derlei bekannt als "Retourkutsche".
Was immer der wissenschaftliche Wert der besagten Dissertation, die Aufregung um Giffeys Promotion hat noch einen realen politischen, nicht nur wissenschaftspolitischen Aspekt. Es geht um den von FUB, HUB und TUB erstrebten Exzellenzstatus, der die drei Berliner Universitäten aus dem minderrangigen Einerlei der deutschen Universitätslandschaft herausheben soll. Die politisch - auch europapolitisch - erhellenden Details der Affäre entnehmen wir der FAZ: "Die Doktormutter Giffeys, die Politik- und Sozialwissenschaftlerin Tanja A. Börzel, muss sich den Vorwurf gefallen lassen, bei Giffeys Dissertation allzu großzügig verfahren zu sein und mögliche Plagiate nicht genau geprüft zu haben. Pikanterweise ist sie amtierende Direktorin des Exzellenzzentrums "The EU and its citizens" und Sprecherin des neuen Exzellenzclusters "Contestations of the Liberal Script", also unmittelbar mit dem Verfahren verbunden." ("Ohne Ansehen der Person", in: FAZ v. 14.o3.2019, S. 3).
Ob ihrer Leistungen als Bezirksstadträtin für Bildung, sodann als Bürgermeisterin im Berliner "Problembezirk" Neukölln - wer erinnert sich noch an ihren so tatkräftigen wie illusionslosen Vorgänger Heinz Bukowsky? - genießt Franziska Giffey einen guten, in den Augen ihrer Genossinnen und Genossen einen exzellenten Ruf. Dank ihrer Bewährung an der Problemfront gelangte Giffey ins Amt der Familienministerin (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend) im vierten Kabinett Merkel. Mutmaßlich erfüllt sie dort ihre Aufgaben - nicht zuletzt im gesetzlich erweiterten Begriffsfeld "Familie" - zu "vollster Zufriedenheit" (Terminus für "gute" Leistungen in Arbeitszeugnissen) ihrer Kanzlerin.
Kritische Worte, hässliche Bemerkungen, läppische Witzchen über Giffey waren im Berliner Politbetrieb bis dato nicht zu hören. Seit ein paar Tagen ist das anders. Die CDU-Vorsitzende und prospektive Merkel-Nachfolgerin Annegret Kramp-Karrenbauer nimmt Anstoß an Giffeys mit deren Politlaufbahn verquickten akademischen Leistung. Anno 2009 war Giffey als Dozentin an der Verwaltungsakademie Berlin tätig, außerdem Europabeauftragte des Bezirks Neukölln. Zugleich schrieb sie an einer Dissertation zum Thema "Europas Weg zum Bürger - die Politik der Europäischen Kommission zur Beteiligung der Zivilgesellschaft" - im Blick auf die olympischen Aspekte europäischer Politik und die nur von populistischer Propaganda beklagten ("hochgepuschten") demokratischen Defizite der EU ein grundlegend wichtiges Forschungsthema. Drei Monate, nachdem Giffey (verh.) ihren Sohn zu Welt brachte, reichte sie ihre Dissertation am Otto-Suhr-Institut der FU Berlin ein.
Die digitale Revolution hat als neuen Unternehmenszweig die Durchleuchtung von wissenschaftlichen Forschungsarbeiten hervorgebracht. Eines davon ist die auf Plagiate spezialisierte Internet-Plattform "Vroniplag" (Etymologie fragwürdig). Ob Vroniplag aus reinem Wissenschaftsethos heraus am Ruin von politischen Titelträgern (sc. -innen) arbeitet oder aus materiellem Interesse in diesem Bereich unternehmerisch tätig geworden ist, entzieht sich unserer Kenntnis. Jedenfalls stieß "Vroniplag" in Giffeys wissenschaftlichem Werk auf zahlreiche Passagen (angeblich auf jeder dritten Seite), die den Kriterien streng wissenschaftlicher Arbeit nicht entsprechen.
An diesem Punkt akademischen Streits überschneiden sich Wissenschaft und Politik. Da in früheren Fällen (Karl-Theodor von und zu Guttenberg, CSU, sowie Annette Schavan, CDU) sich die politischen Gegner (SPD, Grüne etc.) die Chance zur akademischen Desavouierung der Konkurrenz nicht entgehen ließ, beschwört nun Kramp-Karrenbauer die Einhaltung der Maßstäbe strenger Wissenschaft für die SPD-Ministerin Giffey. Im Volksmund ist derlei bekannt als "Retourkutsche".
Was immer der wissenschaftliche Wert der besagten Dissertation, die Aufregung um Giffeys Promotion hat noch einen realen politischen, nicht nur wissenschaftspolitischen Aspekt. Es geht um den von FUB, HUB und TUB erstrebten Exzellenzstatus, der die drei Berliner Universitäten aus dem minderrangigen Einerlei der deutschen Universitätslandschaft herausheben soll. Die politisch - auch europapolitisch - erhellenden Details der Affäre entnehmen wir der FAZ: "Die Doktormutter Giffeys, die Politik- und Sozialwissenschaftlerin Tanja A. Börzel, muss sich den Vorwurf gefallen lassen, bei Giffeys Dissertation allzu großzügig verfahren zu sein und mögliche Plagiate nicht genau geprüft zu haben. Pikanterweise ist sie amtierende Direktorin des Exzellenzzentrums "The EU and its citizens" und Sprecherin des neuen Exzellenzclusters "Contestations of the Liberal Script", also unmittelbar mit dem Verfahren verbunden." ("Ohne Ansehen der Person", in: FAZ v. 14.o3.2019, S. 3).
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