I.
Ein vorzeitiges
Geschenk kam von der Kanzlerin. Obgleich ihre Energien vom Regieren,
von Sondierungen – diesmal mit der SPD nach der Kehrtwende des
großen Europäers Martin Schulz – zur Fortsetzung der wahlbedingt
für einige Monate virtuell suspendierten Großen Koalition sowie –
mutmaßlich „ein Stück weit“ - von der Sorge um den von Trump
gestörten Frieden im Heiligen Land absorbiert sind, nimmt sie sich
Zeit in diesen Adventstagen, ein Jahr danach, zu einer
teilnahmsvollen Aussprache mit den Familien, die bei der misslichen
Todesfahrt des Zuwanderers Amri Opfer zu beklagen hatten.
Gute Trauerarbeit
will Weile haben, zumal, wenn es sich um Tote handelt, die bis zum
19. Dezember 2016 schon länger in diesem Lande gelebt hatten. Das
Gespräch der Kanzlerin mit den Angehörigen kommt etwa zeitgleich
mit der Vollendung eines Kunstwerks, mit dem in Form eines aus
wetterfestem Material gefertigten Risses – der geht bekanntermaßen
mitten durch unsere Gesellschaft – der letztjährigen
Weihnachtsmarktopfer gedacht werden soll. Der spirituellen Vollendung
der bundesrepublikanischen Kunst zu trauern dient – wenngleich in
räumlicher Distanz zur von Glühweinduft umwölkten Gedächtniskirche
- die Erektion der drei syrischen Trauerbusse vor dem Brandenburger
Tor.
II.
Entsprechend
eingestimmt, sehen wir dem Gottesdienstbesuch zu Heiligabend
entgegen, wo uns die zeitlose Weihnachtsbotschaft erwartet: „...denn
sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge“ (Lukas 2,7).
Mutmaßlich - nein, mit Sicherheit,
knüpft die Pastorin/der Pastor daran exhortative Reflexionen über
das Elend der Geflüchteten (refugees) und
der trotz bedenklicher Wetterlage am libyschen Küstensaum
ausharrenden, von Schleppern erpressten, von warlords
bedrohten, von Sklavenhändlern verkauften Migrationswilligen. Ein
teilnahmsvolles Wort fällt auch für die Obdachlosen ab, von denen
der erste in diesen kalten Dezembertagen bereits erfroren ist,
während andere von politisch nicht mehr ganz eindeutig zuzuordnenden
Personen gewohnheitsmäßig mit Tritten traktiert werden.
So rechte
Weihnachtsfreude will danach trotz Friedensbotschaft und
abschließender Weihnachtshymne („O du fröhliche...“) nicht mehr
aufkommen. Beim Ausgang wird dem Kirchensteuerzahler der einsehbar
flache Korb für seine Spende für „Brot für die Welt“
präsentiert. Wer will, kann die Spende in einen Umschlag mit
Adresse stecken, um sich eine einkommensteuerabzugsfähige Quittung
zusenden zu lassen. Ein ähnlicher Brief mit Spendenquittung liegt
bereits vor. Auch Adveniat verfügt trotz Datenschutz über die
Adresse und hat sich bereits brieflich gemeldet Wir haben indes
bereits für Bethel gespendet – wohl wissend, dass auch für diesen
guten Zweck – wie allgemein in der Sozialindustrie - eine
erheblicher, Arbeitsplätze schaffender Organisationsaufwand
erforderlich ist. (Nicht abzugsfähige Spenden erwarten in diesen
Tagen die Müllmänner, der Zeitungsbote usw.)
III.
Was in der
Ansprache des Bundespräsidenten Steinmeier am ersten Weihnachtstag –
Deutschland gehört diesbezüglich monokulturell mit zwei Feiertagen
weltweit zu den Führungsmächten - zu hören sein wird, weiß der
Bundesbürger schon im voraus: fromme Worte, ohne biblische Zutaten.
An der
bedrückenden, politisch brisanten Problematik ändern all die Worte
– rund ums Jahr bekommen wir kaum anderes zu hören – nichts. Es
ist unklar, ob die Eliten – in Kollaboration mit den
„zivilgesellschaftlichen“ Moraleliten - mit der Hinnahme bzw.
Förderung unverminderter Einwanderung aus aller Welt den
Bevölkerungsschwund in den „reichen“ Ländern (West-)Europas zu
kompensieren gedenken. Bereits in den 1990er Jahren operierte eine
von Rita Süßmuth (CDU) bestellte Kommission mit einer angeblich erforderlichen Zahl von 400 000
Einwanderern per annum.
Inzwischen sind wir real – mit oder ohne (flexible) „Obergrenze“
- in einem Zahlenbereich von 300 000 (Asylsuchende, Asylberechtigte,
Nachzugsberechtigte etc.) angelangt. Unklar
ist, wie eine kontrollierte, „gesteuerte“ Einwanderungspolitik – die AfD macht sich rhetorisch für das kanadische Modell
stark – auszusehen hätte. Unklar ist ferner, wie angesichts der
unterschiedlichen Geburtenquoten der „bildungsfernen“ Schichten
(aus- und inländischer Herkunft) sowie des Verfalls unseres einst
vorbildlichen Bildungssystems die ökonomisch-soziale
Leistungsfähigkeit – und der innere Friede - bewahrt werden soll,
von den tabuisierten Aspekten von „Multikultur und Integration“
ganz abgesehen.
Keiner der
„Experten“ - weder die wohlmeinenden noch die mit mehr
Sachverstand ausgestatteten - hat eine Antwort auf die Frage nach
der Bevölkerungsentwicklung in Afrika und deren politische Folgen.
Allein im subsaharischen Afrika erwartet man bis 2050 eine
Verdoppelung der Bevölkerung von derzeit 1,2 Milliarden Menschen.
Schätzungen sprechen von etwa 60 Millionen, die gegenwärtig auf
eine Chance zum Absprung nach Europa sinnen. Wirtschaftlich und
politisch stabile Länder wie Botswana sind an einer Hand abzuzählen.
Krieg, Korruption, Misswirtschaft und Elend in vielen ehemaligen
Kolonien (wie Südsudan, Simbabwe oder Eritrea als Beispiele unter
vielen) sind weithin selbstverschuldet und nicht etwa neokolonialer
Ausbeutung zuzuschreiben. Wie in einem instabilen Staatsgebilde wie
Nigeria menschenwürdige Zustände für 185 Millionen zu erreichen
wären, überfordert die Phantasie von Optimisten. Mit ungewissen
Erwartungen verfolgen wir die Lage in Südafrika, wo nach dem Ende
des Apartheid-Regimes alle Voraussetzungen für eine den ganzen
Kontinent befruchtende Entwicklung gewährleistet schienen.
IV.
Die bedrängenden
politischen Zukunftsfragen werden – außer unter dem moralisch
bequemen Rubrum Xenophobie sowie mit der geistig bequemen Formel
„Bereicherung“ – von der politischen Klasse in diesem unserem
Land und/oder der EU kaum je zum Gegenstand politischer Debatte
gemacht. Für die Exponenten der global economy ebenso wie
für die Mehrheit der ihrem Selbstverständnis nach weltoffenen
Bildungseliten handelt es sich um lästige Scheinprobleme von hinter
der Zeit zurückgebliebenen Bevölkerungsgruppen. Fragen nach den
Voraussetzungen und dem Sinn humaner Existenz im säkularen,
postchristlichen Europa werden zur unfrohen Weihnachtszeit – rein
terminologisch bedürfte die mit Tannengrün global verbreitete
deutsche Kulturtradition jüngeren Datums eigentlich keiner begriffsneutralen „Winterzeit“ - nach Möglichkeit eskamotiert.
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