Montag, 19. Dezember 2016

Karl Feldmeyer - post mortem eines unabhängigen Journalisten

Soeben erfuhren wir vom Tod des früheren FAZ-Redakteurs Karl Feldmeyer. Er hatte sich seit Jahren mit schweren Rückenleiden geplagt. Er behalf sich mit Gehhilfen - den neudeutschen Euphemismus für „Krücken“ hätte er mit mildem Lächeln kommentiert - und ertrug Schmerzen, die selbst durch die allfälligen Medikamente kaum zu lindern waren, ohne wohlfeile Anteilnahme zu erwarten oder gar in Selbstmitleid zu verfallen. Solch tapfere Haltung angesichts anhaltenden Leidens ist als vorbildlich zu bezeichnen.

Derlei Haltung entsprach seinem Berufsethos als Journalist, in dem souveräne Faktenkenntnis und Charaktereigenschaften wie Disziplin, Objektivität, moralische Urteilskraft – und politische Leidenschaft im Sinne Max Webers - zusammengehörten. Nach einem Voluntariat bei der „Frankfurter Neuen Presse“ und dem Studium der Geschichte und der Politikwissenschaft trat Feldmeyer (geb. 1938) in die Redaktion der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“.

Feldmeyers Hauptarbeitsgebiete  - waren die CDU und  und Sicherheitsfragen, über lange Jahre als Korrespondent in Bonn und ab 1999 in Berlin – zehn Jahre nach dem von ihm als einer der wenigen unbeugsamen Patrioten der alten Bundesrepublik ersehnten Mauerfall. Als Konservativer, genauer: als liberaler, nationaler deutscher Patriot stand er der CDU nahe, ohne je daran zu denken, ihr beizutreten. Auf die Frage, ob er nicht der CDU-Familie zugehöre, antwortete er einmal der taz: "Nein, aber ich bin national und konservativ. Ich bin aus Ihrer Sicht also schlimmer als die CDU." (http://www.berliner-zeitung.de/15623710 ©2016) Eine Parteimitgliedschaft hätte die journalistische Unabhängigkeit beeinträchtigt. In den 1980er Jahren, als der Bonner Parteienkonsens die „deutsche Frage“ ad acta gelegt hatte, gehörte Feldmeyer zu den wenigen westdeutschen „Dissidenten“, die angesichts der „Perestroika“ Gorbatschows, inspiriert von verfehltem Wettrüsten und ökonomischem Rückstand der Sowjetunion, eine aktive Deutschlandpolitik forderten. Nicht zufällig geriet er darüber mit Bundeskanzler Kohl in Konflikt, der in Frankfurt intervenierte, um den mißliebigen Kritiker loszuwerden.. Die Zeitung stellte sich vor ihren Redakteur.

Auch nach zu der von Kohl unerwartet ergriffenen Chance zur Wiedervereinigung kamen keine neuen Sympathien auf. Als Kohl den im Einigungsvertrag mit der DDR fixierten Verzicht auf die Restitution von Grundeigentum in der Sowjetischen Besatzungszone mit einer angeblichen Forderung Gorbatschows begründete, sprach Feldmeyer von einer "vorsätzlichen Täuschung des Parlamentes ... und dem Entzug des Grundrechtes auf Eigentum". Nicht minder scharf attackierte er das Verhalten Kohls in der 1999 aufgedeckten Parteispendenaffäre, welche Angela Merkel zu ihrer Karriere verhalf.

Für altersgemäße Resignation im Ruhestand war ein Mann wie Feldmeyer nicht geschaffen. Als scharfer Beobachter der Weltläufte zählte er nicht zu den „Putin-Verstehern“, sondern mahnte angesichts des Ukrainekrieges und der prekären Lage der baltischen Staaten die Stärkung der NATO und den zügigen Wiederaufbau einer deutschen Armee an. Im März 2015 schrieb er bei „Cicero“ über Junckers Pläne für eine EU-Armee: „Die EU...ist ein Staatenverbund ohne hinreichende  Identität, für den man sein Leben kaum zu riskieren bereit  wäre.  Söldner, die es für Geld tun, ließen sich wohl finden. Aber welche „Werte der Europäischen Union“ könnten Söldner verteidigen, denen es nur ums Geld geht, so wie den Landsknechten im Dreißigjährigen Krieg?“http://cicero.de/weltbuehne/sicherheitspolitik-eine-eu-armee-ist-keine-loesung/58978 Der Text ist eine vorweggenommene Zurückweisung der jüngst von Merkels Verteidigungsministerin von der Leyen ventilierte Anwerbung von bezahlten „Werte-Verteidigern“ aus aller Welt.

Ähnlich lautete sein Urteil über Merkel. In Widerspruch zu einer „Bild“-Eloge schrieb er in seinem letzten Blog-Eintrag (26.03.2016): „Jetzt aber hat man sich in der EU auf Regeln darüber verständigt, wie zu verfahren ist, wenn ein Euro-Land notleidend wird – was der Vertrag ausschließt... Was man heute den Griechen gewährt, wird man aber morgen den anderen nicht verweigern können. Damit ist der Weg zu einem weichen Euro beschritten. Um dies zu verhindern, hätte die Kanzlerin wirklich ´eisern´ sein und auf der Einhaltung des Maastrichter Vertrags ohne Wenn und Aber  bestehen müssen – auch wenn dies zum Ausscheiden des einen oder anderen Landes aus dem Euro führen sollte. Es wäre kein Verlust. In Brüssel wurde dagegen der Bruch geltender Verträge und das Ende des Euro als Hartwährung beschlossen. ´Bild’s´ ´Eiserne Kanzlerin´ hat sich als Fata Morgana erwiesen.“ http://karlfeldmeyer.de/?p=172

Für sein journalistisches Werk wurde Feldmeyer zweimal mit dem hochangesehenen Theodor-Wolff-Preis ausgezeichnet. Mit seinem Tod verliert die deutsche Publizistik einen Autor, wie sie im medial-politischen Komplex der Bundesrepublik in der Ära Merkel selten geworden sind.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen