Sonntag, 28. September 2025

Nichts Neues aus der Hauptstadt "unserer Demokratie"

Massenveranstaltungen sind mir ein Greuel, ob in Fußballstadien, auf Kirchentagen oder auf "Demos". Selbst wenn die Organisatoren der - je nach Perspektive  - auf 60 000 bis 100 000 Teilnehmer ("Teilnehmende") geschätzten Demonstration  politisch zweifelsfreie und realpolitisch praktikable Konzepte zur Beendigung des Gazakrieges und einer friedlichen Lösung des Israel-Palästina-Konfliktes hätten vorlegen können, hätte ich mich von dem Spektakel ferngehalten. Welche/r der betreffenden Parteien/Organisationen/NGOs und ihrer Führungsfiguren/Strippenziehern verfügt - sofern von lauteren Absichten inspiriert - über die Machtmittel, um die Hamas zur Freilassung der Geiseln (samt Anerkennung Israels) bzw. Netanjahu zur Akzeptanz einer "gerechten" Zwei-Staaten-Lösung zu bewegen? Gut gemeint ist nicht immer gut gedacht.

Statt eines Klaustrophobie erzeugenden Massenevents bevorzuge ich an dem strahlenden Herbsttag ein bürgerliches Bildungserlebnis im Potsdamer Palais Barberini, dem von  Hasso Plattner gestifteten Museum, bevor dort eine Ausstellung zum Gedenken des Impressionisten Camille Pissarro, hierzulande weniger bekannt als Claude Monet oder Auguste Renoir, zu Ende geht. Aus ökologischer Verantwortung - und/oder wegen der knappen und kostspieligen Parkplätze im Stadtzentrum - gilt es die öffentlichen Verkehrsmittel zu nutzen. Nach wenigen Minuten in der S-Bahn kommt die Durchsage, wegen eines Notfalleinsatzes (?) sei die Strecke zwischen Botanischem Garten und Zehlendorf dauerhaft unterbrochen. Also Fußmarsch zur Bushaltestelle. Am S-Bahnhof Zehlendorf weist ein Bediensteter den Zugang zum immerhin intakten Aufzug. Keine weiteren Zwischenfälle auf der Strecke bis Wannsee, sodann Wannsee-Potsdam Hbf. 

In dem als hochmodern gepriesenen Bahnhof der Landeshauptstadt durchquert der Besucher hin  zum Ausgang "Landtag" (Merke: Ceci n´est past un château) eine unendliche Passage von Imbissständen und Discounter-Läden, durchzogen vom Mief der Fastfood-Kulinarik. Wie können die "Mitarbeitenden" in derlei Umgebung einen 8-Stundentag durchhalten? 

Für die Rückfahrt nutzen wir den Haupteingang. Die S-Bahn kommt fahrplangemäß. Danach die Durchsage: "Wegen Gegenstände (sic!) auf der Strecke fahren die Züge nur unregelmäßig." Noch mal Glück gehabt. Entlang der Strecke folgt der Blick  der unendlichen Serie von "Grafitti" an beliebigen Baulichkeiten (Wohnhäuser, Fabrik- oder Lagerhallen, Brückenpfeiler). Von besonderem Reiz ist die zu zwei Dritteln mit glitzernd grauer Farbe besprühte Wand eines erst jüngst mit ockerfarbenem Klinker verkleideten Gebäude der Bahn. Darüber in Schwarz die "linke" Kampfparole ACAB.  

Ankunft am S-Bahnhof Steglitz. Mit dem Aufzug, nur mäßig verkratzt, unten angekommen, befinden wir uns in einem offenbar zweckfrei umzäunten Baulabyrinth unter dem "Steglitzer Kreisel", hoch aufragendes Wahrzeichen jahrzehntelanger Fehlpanung, Ineffizienz und Spekulation. Die Haltestelle an dem nach Hermann Ehlers, Nazi-Gegner und zweiter Präsident des Bundestages, benannte Platz bietet das - längst nicht mehr nur berlintypische -  Bild: Dreck, auf einem Telekom-Verteiler (rückseits beschmiert) Mehrfach überklebte Plakate mit Aufrufen zu einer Klima-Demo von "Fridays for Future". In der Mitte des Platzes, am späten Abend auch Umschlagplatz für Drogen, steht eine Säule zum Gedenken der Opfer des Nazi-Regimes. Immerhin, der Bus hat nur ein paar Minuten Verspätung.