Nach den letzten Berichten sind bislang 157 Todesopfer gezählt worden, vermutlich kommen noch weitere unter den noch immer als „vermisst“ Gemeldeten dazu. Der Begriff „Tragödie“ trifft für die Naturkatastrophe, die so vielen Menschen den Tod brachte, unzählige andere um Haus, Hab und Gut brachte, insofern zu, als es seit Jahren Warnungen vor den durch Flussbegradigungen, Bebauung von unsicheren Uferflächen etc. potenzierten – von den Menschen selbst, nicht allein von Göttern zu verantwortende - Risiken gab. Ein genuin „grünes“ Thema.
Gunter Weißgerber schreibt dazu Folgendes: „1992-1994 gab es sehr extrem starke Hochwasserlagen in Bonn, Köln, Düsseldorf, auch an Mosel und Saar. Die SPD-Bundestagsabgeordnete Brigitte Schulte, in der Fraktion zuständig für die Verbindung in die kommunalen Fraktionen, schrieb einen langen und sehr detaillierten Antrag zum Schutz vor Hochwasser. Sie listete sämtliche Bau- und Flussregulierungssünden auf und machte konkrete Vorschläge. Wäre ihr damals nicht nur die SPD-Bundestagsfraktion gefolgt, sondern auch die Bundes- und Länderregierungen, hätte das möglicherweise die aktuelle Katastrophe zumindest abgemildert. Brigitte Schulte ging es nicht um Weltrettung. Sie wollte die Bevölkerung vor tatsächlich menschengemachten Katastrophen schützen.“
Ohne Frage empfinden es politische Führungsfigurenals ihre Pflicht, an den Schauplätzen der Katastrophe zu erscheinen, den Betroffenen Sympathie zu bekunden und Hilfe zuzusagen. Auf eindrucksvoll würdige Weise tat dies Malu Dreyer, Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz. Für sie war der Auftritt auf einem der Unglücksorte erkennbar alles andere als eine Pflichtübung.
Selbst den anderen Protagonisten der deutschen Politik sei ernsthafte Anteilnahme nicht abgesprochen. Gäbe es dabei nicht auch stets die Medien, und stünden wir derzeit nicht im Wahlkampf. Die Medien – gedruckt, digital und/oder „sozial“- ließen sich das Bild nicht entgehen, das den CDU-Kanzlerkandidaten Armin Laschet mit unbeschwert fröhlichem Lachen im Gesicht zeigt, während im Vordergrund Bundespräsident Steinmeier Worte der Betrübnis und Betroffenheit zum Ausdruck brachte. Wie konnte Laschet nur? Keine Frage: die Leichtherzigkeit Laschets ist nur als peinlich zu klassifizieren.
Doch nun kommt die mediale Politik: Die Empörung über Laschets Frohsinn okkupierte die Berichterstattung, was ihm womöglich ein, zwei Prozentpunkte bei den Wahlen kosten kann. In den „sozialen“ Medien war indes zu sehen, dass auch Steinmeier nach seiner Rede (oder vorher) ein Lächeln auf sein Gesicht legte. Erst recht zierte ein optimistisches Lächeln die Physiognomie unserer Bundeskanzlerin, die gleichfalls vor Ort Präsenz zeigte. Wo bleiben Kommentare, die derlei Mienenspiel angesichts der Verwüstung für unangemessen erachten?
Kaum stürzten die Schreckensbilder aus dem Ahrtal digital über uns mündige Bürger herein, unterlag die Naturkatastrophe bereits der politischen Zwecknutzung. Als erste stellten die Grünen - war´s Habeck oder Baerbock? - den Konnex zur Klimakatastrophe her. Da wollten die Konkurrenten nicht nachstehen, als erster tat Bayerns Ministerpräsident Söder seine entsprechende Überzeugung kund. Sodann folgten staatstragend auch Steinmeier und Merkel. Vermutlich äußerten sich ähnlich auch FDP-Politiker (-innen), von der „Linken“ ganz abgesehen.
Um Missverständnisse auszuschließen: Den Klimawandel in unseren Breiten beobachte auch ich seit Jahrzehnten mit Missvergnügen. Ein Zusammenhang zwischen extremen Wetterlagen bzw. – ereignissen und den schmelzenden Gletschern in Arktis und Alpen, zwischen verändertem nördlichen Jetstream und rar gewordenem Biskaya-Hoch ist nicht auszuschließen. Aber Politiker, die in der Thematik ebenfalls nur laienhaft orientiert sind, sollten angesichts großen Unglücks besser erstmal schweigen statt mit „grünen“ Aussagen Politik zu machen, um die Grünen im Wahlkampf auszustechen. Anerkennung gebührt Boris Palmer, der wieder einmal – als ungeliebter Grüner - differenzierende Argumente vortrug.
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