Mittwoch, 22. Januar 2020

Korrekturen in der "Zeitung für Deutschland"

Die FAZ betreibt nach wie vor Eigenwerbung mit einem dem Leser (w/m/d/qu) schmeichelnden Cartoon samt Textzeile "Dahinter steckt immer ein kluger Kopf". Einige kluge Köpfe fühlen sich davon offenbar nicht mehr angesprochen, denn der kontinuierliche Auflagenschwund der "Zeitung für Deutschland"  ist nicht allein mit dem Vordringen der digitalen Medien, dem Einbruch der Werbeanzeigen sowie der Expansion eines in den social media nörgelnden und ignoranten Publikums zu erklären. Jedenfalls häufen sich Kündigungen von Abonnenten, die sich der gegenüber Berlin politisch und geographisch distanzierteren NZZ zuwenden.

Meine Leseunlust angesichts der großkoalitionär affirmativen  Redaktionslinie reicht bis dato für eine Kündigung nicht aus. Selbst im Feuilleton sind zuweilen  lesenswerte, politisch nonkonforme Artikel zu finden. Mein gelegentlich aufwallender Ärger speist sich hauptsächlich aus ästhetischen Quellen. Dass nach Anpassung  an die verkorkste "Rechtschreibreform" die FAZ-Autoren (w/m) nicht mehr zwischen der Konjunktion (ehedem "daß") und dem Artikel "das" unterscheiden können,  verursacht steten Ärger, nicht minder, dass in einigen Artikeln regelmäßig der einen oder anderen Persönlichkeit "Referenz" erwiesen wird. Da die FAZ Merkel, der CDU und den Grünen die Treue hält, ist der Niedergang der SPD für sie kein Thema. Schade. Es wäre interessant zu erfahren, ob daran etwa auch Ralf Stegners Umgang mit der "Ortographie"  auf Twitter zu tun haben könnte.

Die digitale Revolution hat in den Zeitungshäusern das alte, miteinander rivalisierende Dreigestirn Redakteur-Setzer-Korrektor zerstört. Erschwerend hinzu kommt der Generationenwechsel. Wo jugendlicher Optimismus, Klimabesorgnis und europäisch-postnationales  Bewusstsein zusammentreffen, kommt es auf historische Grundkenntnisse nicht mehr an. Unter der Überschrift "Die Südtiroler bleiben Italiener" - das Thema war die von Seiten Österreichs derzeit nicht mehr ventilierte Forderung nach doppelter Staatsangehörigkeit - schrieb die FAZ-Autorin Anna-Lena Ripperger, anno 1946 sei "mit dem Pariser Abkommen zwischen Deutschland und Italien...die Grundlage für Südtirols Autonomie" gelegt worden. (FAZ v. 17.01,2020, S.8). Heute ist in einer von zwei Korrekturen zu erfahren: "Das Südtirol-Abkommen wurde 1946 zwischen Österreich und Italien..." (FAZ. v. 22.01.2020, S.6) Eine Entschuldigungsfloskel hält die Redaktion bei der sich häufenden Anzahl von Korrekturen anscheinend nicht mehr für nötig.


Donnerstag, 9. Januar 2020

Aufsatz in "Brolly" zum Mauerfall

Ich darf den Lesern (w/m) meines Blogs meinen Aufsatz "The Fall of the Berlin Wall. Its Causes an Consequences" empfehlen, der soeben auf der online-Ausgabe der Zeitschrift "Brolly. Journal of Social Science" erschienen ist:

Abstract

The fall of the Berlin Wall November 9, 1989, resulted from a complex pattern of causes, including historical contingencies. One of these was Günter Schabowski´s ill-phrased announcement of free travel for GDR citizens, another Mikhail Gorbachev´s access to power in1985 and his promise of perestroika. - At the core of the matter lies „the German question“ as the key issue of controversies, in the early phase of the Cold War. Even after 1955, when the two post-war German states had been integrated into the military blocs, the German question remained on the diplomatic agenda. The erection of the Berlin Wall in 1961, however, signified that the „German problem“ had been shelved. After the Cuban crisis in October 1962, when the two superpowers refrained from nuclear confrontation, they appeared to enter into an era of détente.

Facing up to these facts, West Berlin´s Mayor Willy Brandt and, foremost, his adviser Egon Bahr developped their concept of „Ostpolitik“. Its long-term perspective was to change the status quo of German division by accepting the status quo, i.e. the consequences of WW II, the Oder-Neisse border to Poland, the reality of the blocs, and the East German state under Communist rule. It was based on the assumption a) that détente was an irreversible process and b) that the GDR, displaying economic stability at that time, while remaining an indispensable element in the Soviet bloc, would be disposed to forms of cooperation.

The dialectics of history proved otherwise. Geopolitical rivalries between the superpowers continued to exist. In 1979 Soviet Union´s military intervention in Afghanistan coincided with its opening another round in the arms race focussing on intermediate-range missiles in Central Europe. Both decisions propitiated the interior crisis of the Soviet Union, due to technological backwardness and military overburdening of its state-run economy. Gorbachev´s attempts at reform proved ineffective, his proclamation of glasnost encouraged dissident movements in Eastern Central Europe, e.g. the independent peace movement in the GDR, to resist their regimes. Gorbachev´s renunciation of the „Brezhnev doctrine“ motivated reform-minded governments in Poland and Hungary to test the limits of Soviet hegemony.

The decisive factor was the comprehensive crisis in the GDR: an unproductive economy based on external debts, a decrepit infrastructure, ecological damage, an oppressive dictatorship rejecting reform, dissident activists challenging the regime. All this, in the autumn of 1989, led to the mass exodus of East Germans fleeing across Hungary´s open border to Austria. The upshot of this course of events was the collapse of the Berlin Wall.

Germany´s reunification in 1990 entailed the creation of the European Union, an in-between of a confederation and a federal union of states. Its raison d´être is to a) provide a structure of peace in Europe b) to avert German hegemony on the Continent based on its power potential. Nonetheless, apprehensions concerning Germany´s future role in Europe have not altogether vanished. With regard to its immigration policy, some observers speak of a new type of „moral hegemony“. Last but not least, Merkel´s decision in 2015 to admit millions of migrants to Europe, tipped the scale in favour of Brexit.


Keywords:

„the German question“
„Ostpolitik“
crisis of the Soviet empire
perestroika
the future of Europe 

Donnerstag, 2. Januar 2020

Jahresvorblick

I.
Das klimagewandelt graue, schnee- und eisfreie Neue Jahr verlangt nach einem ersten Kommentar. Als Vorlage könnten die Reden dienen, in denen die Staatsspitzen in der Jahresendphase - am ersten Weihnachtstag sowie am ersten Januar - das Volk zu Optimismus und demokratischem Wohlverhalten aufrufen. Die Reden kommen aus der Konserve und werden vom Teleprompter abgelesen, also noch nicht mal von einer Textvorlage auf Papier, was ehedem dem Ritual selbst auf dem"kalten" Medium TV so etwas wie menschliche Nähe angedeihen ließ.

Die nachfolgenden, teilweise paraphrasierten Textauszüge entnahm ich der Zeitung bzw. einem online-Bericht. Steinmeier bezeichnete mich sowie "alle hier  Lebenden" (oder so ähnlich) als "ein Stück Deutschland". Alle Stücke wurden zu Toleranz, friedlichem Miteinander und sonstigem angehalten. Eine Woche später erklärte uns Merkel, dass Klima, Umwelt und überhaupt die Zukunft uns alle angingen, dass aber - ungeachtet Gretas dies irae - wir mit Zuversicht ins Neue Jahr gehen sollten. Nach derlei Festreden fragt sich der zivilgesellschaftlich nur mäßig aktive Staatsbürger, ob man von seinen Steuergeldern nicht mal bessere - nicht besser bezahlte - Redenschreiber/innen (mit oder ohne Klicklaut) engagieren könne.

II.
Die Mahnungen zu mehr Menschlichkeit, Toleranz, Umweltbesorgnis samt Optimismus fanden in der Zivilgesellschaft  unterschiedliche Resonanz. Sie inspirierten den Chorleiter - womöglich gar selbst   ein Dichter - des WDR-Kinderchors zur klimagerechten Umdichtung eines fröhlichen Kinderreims. Die performance  des Kinderchors befremdete indes nicht nur die Generation der grünen Gründungsomas, sondern auch einige Politiker/innen. Deren lyrisches Unverständnis rief einen WDR-Freizeit-Journalisten (und Post-Nazi-Berufsantifaschisten) auf den Plan, der für seine Verteidigung der Demokratie gegen "Nazi-Omas" wiederum die Unterstützung der demokratischen Zunft des Deutschen Journalistenverbandes erfahren durfte.

In Berlin  sorgte sich Tante Antifa zu Jahresbeginn um die Zukunft der Demokratie. Sie belehrte - nun schon zum zweiten Mal - den politisch unbotmäßigen Journalisten Gunnar Schupelius über die Grenzen der Meinungsfreiheit im freiesten Staat der deutschen Geschichte, indem sie ihm das umweltbelastende Familienfahrzeug vor der Haustür abbrannte (laut demokratischer Erfolgsmeldung auf indymedia "abfackelte").

Zum demokratischen Fortschritt anno 2020 gehört, dass nunmehr auch in der Provinz - unweit Hölderlins Wahnrefugium zu Tübingen -  Feministinnen nicht mehr lange fackeln, bis sie den verstockten Evangelikalen mit Feuer und Farbe auf den keuschen Leib rücken, um sie demokratische Mores zu lehren. Den demokratischen Höhepunkt erlebte wieder einmal Leipzig, der Fels in der braunen Brandung des "Ostens". In Connewitz regiert autonom und autokratisch seit langem - etwa seit dem Mauerfall - Tante Antifa. Dem Auftritt von Faschisten, d.h. "Bullen", also Polizisten, die ihnen ihren Silvesterspaß mit umweltgerechten Böllern vermiesen wollen, lassen sie sich  nicht bieten. Was soll da alles Lamentieren der "Rechten" und sogenannter Demokraten über Verletzung demokratischer Umgangsformen, wenn ein "Bulle" zur Rechenschaft gezogen wird und sich eine Notoperation in der Klinik einhandelt? Jetzt erregt sich gar noch der Oberbürgermeister Burkhard Jung, der bislang gegenüber der wehrhaft demokratischen Antifa zu Connewitz Nachsicht hat walten lassen.

III.
Auch im Neuen Jahr gilt es wachsam zu sein: Jeden Morgen ein Blick aufs Thermometer, aufs Bankkonto (ob´s denn für ein neues, subventioniertes Elektroauto reicht), auf die Ferien- und Urlaubstermine, zu Monatsbeginn auf den Eingang des Gehalts und ab und zu auf die grüne Stromrechnung. Allgemein gilt die Aufforderung zu Optimismus und Vertrauen in die Demokratie. Und vor allem: mehr Toleranz, auch gegenüber den Omas und Opas.- Im übrigen gilt es "in unserem Land" alles zu tun, um zu verhindern, dass Trump in den USA wiedergewählt wird und endgültig die amerikanische Demokratie zerstört. Dies lehrt uns die deutsche Geschichte.