I.
In diesem unserem Lande, in dem - aufgrund spezifischer historischer Bedingungen - an Humor bei jener Kaste, die sich Intellektuelle nennt, Mangel herrscht, gibt es ab und zu doch noch etwas zum Lachen. In Erinnerung kommen die von einem sächsischen Schlitzohr anno 1983 kunstvoll in Sütterlin verfassten "Hitler-Tagebücher", die den von permanenten Ansinnungen von Schuld geplagten Geist für einige Zeit mit Heiterkeit erfüllte, bis drei Jahre später der sog. "Historikerstreit" die gelöste Stimmung wieder verdarb.
Auch wer heute meint, er könne - knapp dreißig Jahre nach dem längst verhallten Jubel über den Mauerfall - sich die Freiheit leisten, vom linksliberal und/oder grün-protestantisch humorlos aufgeladenen Zeitgeist abzuweichen, wer etwa Karin Göring-Eckarts Diktum, "wir bekommen Menschen geschenkt", für köstliche (unfreiwillige) Komik hält, hat bald nichts mehr zu lachen. Er wird von den deutschen Tugendwächtern unverzüglich dem Lager der "Neuen Rechten" zugeordnet, wo es aufgrund der Selbstwahrnehmung, "auf verlorenem Posten" (Nicolas Gómez Davila) zu stehen, meist nicht minder humorlos zugeht. Und wer erstmal dort verortet ist, bekommt´s mit Tante Antifa zu tun, der von allen Demokratinnen und Demokraten im "Kampf gegen Rechts" hochgeschätzten Demokratiewächterin.
II.
Und doch: In den letzten Tagen gab´s doch mal wieder was zu lachen. In der FAZ durfte der AfD-Vorsitzende Alexander Gauland, ehedem Exponent des liberalen Flügels der hessischen CDU, unter der Rubrik "Fremde Federn" einen Artikel zur Erklärung - und Verteidigung - des "Populismus", der bête noire aller Verteidiger der bestehenden Ordnung, veröffentlichen. ("Warum muss es Populismus sein?", FAZ v. 06.10. 2018, S. 8)
In Gaulands Artikel steht - bezogen auf die in internationalen Großunternehmen, internationalen Organisationen, Universitäten, Medien, NGOs usw. vernetzte "globalisierte Klasse" - folgender Passus: "Ihre Mitglieder leben fast ausschließlich in Großstädten, sprechen fließend Englisch, und wenn sie zum Jobwechsel von Berlin nach London oder Singapur ziehen, finden sie überall ähnliche Appartements, Häuser, Restaurants, Geschäfte und Privatschulen. Dieses Milieu bleibt sozial unter sich, ist aber kulturell ´bunt´."
Es handelt ich um wenig anderes als die Explikation des Begriffes der "anywheres", den der britische Journalist David Goodhart als Gegensatz zu den "konservativ" empfindenden "somewheres" prägte.
Nichtsdestoweniger schrillte bei einem Leser, der im Zuge seiner politischen Bildung Filmdokumente mit Hitler-Reden angesehen hatte, die Alarmglocke. Er schrieb auf Twitter, der Gauland-Artikel sei von einer Propagandarede des Braunauers anno 1931 inspiriert gewesen, ja nahezu identisch im Wortlaut. Derartiger Quellennachweis inspirierte den Ex-Außenminister Siegmar Gabriel (SPD) zu einem empörten Artikel im Berliner "Tagesspiegel". Gaulands Artikel rief sodann den auf Kirchentagspodien unverzichtbaren Wolfgang Benz - er erkennt in Islamkritik ("Islamophobie") die Neuauflage des Antisemitismus -, aber auch den sonst eher nüchtern urteilenden Michael Wolffsohn auf den Plan: Gaulands Verteidigung des Populismus entstamme directement dem Nazi-Sumpf.
III.
Die Aufregung über Gauland hielt noch an, als sich herausstellte, dass die inkriminierte Passage nahezu wortwörtlich einem Artikel entnommen war, den der Kulturwissenschaftler Michael Seemann anno 2016 im "Tagesspiegel"geschrieben hatte. Angesichts dieser erheiternden Sachlage bleiben noch einige Fragen offen: a) Hat Gauland den Beitrag von Seemann selbst abgeschrieben oder b) war es ein für Pressekram zuständiger Referent? c) Wie stark ist im politischen Betrieb der Termindruck, der die Autoren (sc. -innen) von "Grundsatzartikeln"nötigt, anderswo abzuschreiben, ohne dass sogleich als spiritus rector der Bewohner des Führerbunkers erkennbar wird?
Zum letzten Stand der Empörungswelle: Der Kulturwissenschaftler Seemann überlegt juristische Schritte gegen den Autor des Plagiats.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen